Deutsche Jugend und Weltkrieg

Autor: Feldner, Jacob (?) Genf, Erscheinungsjahr: 1916
Themenbereiche
Enthaltene Themen: 1. Weltkrieg, Deutschland, Jugend, Kriegsteilnehmer, Opfer, Kriegsfreiwillige, Erziehung, Militarismus, Nationalismus, Fremdenhass, Soldaten, Verwundete, Kriegsgefangene, Lager, Waffen und Munition, Luftangriffe, Flugzeuge, Bomben, Krankenhäuser, Rotes Kreuz, Sanitäter, Verwundete, Waisen, Angst, Völkerhass, Gewalt, Not und Elend, Zerstörung, Wiederaufbau, Völkerverständigung, Befreiungskrieg, Nie wieder Krieg!
Die vorliegende kleine Schrift ist die Zusammenfassung eines in der „Gesellschaft für Ethische Kultur" zu Lausanne gehaltenen Vortrages.

Für die einleitenden soziologischen Betrachtungen über heutigen Klassenstaat und sein Verhältnis zur Jugend blieb leider in diesem Umfange kein Platz: es wird aber nicht schwer sein, das Eigen Interesse zu erkennen, das der militaristische Staat haben muss, durch Beschlagnahme der Erziehung sich das Material seiner politischen Wirkung vorzubereiten. In diesem Sinne muss auch die Haltung der deutschen Jugend im letzten gewertet werden.

Zweck ist nicht, zitatbedürftigen Kriegsenthusiasten irgend welcher Seite Material zu liefern, sondern willentlichen Vorkämpfern eines besseren Europas aufzuzeigen, unter welchen erzieherischen Voraussetzungen die deutsche Jugend die heutige Katastrophe er lebte, und in welchem Sinne sie dazu Stellung genommen hat. Könnte auch nur andeutend klar daraus hervorgehen, dass weite Kreise der jungen Generation aller Idee von Hass, Deutschtümelei, von Chauvinismus und Staatsideologie fern sind, dass unter den Kommenden Deutschlands eine grundsätzlich neue öffentliche Gesinnung empor bricht, die trotz aller Hemmnisse des Zeitmilieus unbekümmert den verderblichen Umdeutungen falscher Volkstribunen entgegentritt, dann wäre schon ein verfolgenswertes Ziel erreicht. Der deutschen Jugend kann es um nichts zu tun sein, denn als mitschaffender, menschheitsbereiter Mitbürger der Allgesamtheit anerkannt zu sein.

Gewidmet sei das kleine Schriftchen allen denen, die über die Schande der Zeit hinaus unverbrüchlich an die Jugend glauben.

      Genf, Dezember 1917.
                  JACOB FELDNER.



Zwei Voraussetzungen haben wir zu prüfen, bevor wir daran gehen können, das Verhalten der deutschen Jugend gegenüber dem Kriege, im Sommer 1914 und seinen weiteren Entwicklungen, zu analysieren. Zum ersten die öffentliche Erziehung, von der wir nichts mehr in Erinnerung zu bringen haben, als dass sie die Jugend als Material, als Objekt wertete und ihr eine dünkelhafte Nationalgesinnung nach außen und anbetungsbereite Gesinnungsfrömmigkeit gegenüber dem Staate im Innern einpflanzte. Zum zweiten aber haben wir zu untersuchen, welche politischen Wirkungen und Tendenzen die seit einigen Jahrzehnten in Deutschland bestehenden Jugendvereine aufweisen.

Deren zweckmäßige Einteilung scheint gegeben, wenn wir bis Kriegsausbruch folgende Entwicklung der Jugendvereinigungen verzeichnen:

  I. Jugendpflege
      a) konfessionelle
      b) „vaterländische"

  II. Jugendorganisation der sozialistischen Jugend
  III. Jugendbewegung.


Es handelt sich bei dieser Klassifikation um eine Teilung entsprechend den verschiedenen Entstehungsursachen und den daraus resultierenden verschiedenen Zwecken bzw. Zielen.

Beginnend bei der

                        JUGENDPFLEGE

ist zu betonen, dass das Charakteristische an ihr ihre Institution „von oben" ist. Sie ist ein Kind der alten Generation, von ihr mit Zielen und Absichten geschaffen, die Anschauungen und Ideale dieser alten Generation in die junge zu überpflanzen. Die Leitung besteht ausschließlich aus Erwachsenen ; gleicherweise bei der konfessionellen wie bei der „vaterländischen" Jugendpflege.

Von der konfessionellen ist in diesem Zusammenhang kaum zu reden. Wichtiger, weil wesentlich ausgesprochener, ist die Entstehung und Wirksamkeit der sogenannten vaterländischen Jugend pflege. Es wäre die Sache bezeichnender, hätte man sie offen und ehrlich als militaristische Jugendpflege bezeichnet, was aber offiziell aus guten Gründen nicht geschah. Ihre Supraorganisation ist der unter besonderer Begünstigung des vor kurzem verstorbenen Freiherrn von der Goltz im Jahre 1911 ins Leben gerufene sogenannte „Jungdeutschlandbund“ der eine Reihe kleinerer, früher schon bestehender Verbände ähnlicher Tendenz, wie „Jungsturm", „Pfadfinder", „Wehrkraftverein" etc. zusammenfasste. Sein Erfolg darf nicht unterschätzt werden. Er wird verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass dem Staate alle möglichen Mittel zur Verfügung standen, Propaganda dafür zu machen. Besonders geschah das in den höheren Schulen. *) In Bezug auf die Organisation ist an Bedeutungsvollem zu erwähnen, dass die Leitung nahezu ausschließlich in den Händen aktiver und — vielleicht noch schlimmer — außer Dienst gestellter Militärs ruht, was für den Wissenden Grund genug ist, an dem dort gepflegten Geiste nicht mehr zu zweifeln. Wollte man nach Parteien des deutschen Reiches charakterisieren, so scheint diese vaterländische Jugend pflege das Instrument zu sein, alldeutsche bis rechtsnationalliberale Ideen in die Jugend hineinzutragen. Das Feld ihrer unmittelbaren Betätigung stimmt nahezu vollständig mit dem später dargestellten der „Militärischen Jugendvorbereitung " überein. Die beiden Organe sind der Jungdeutschlandbund und die Jungdeutschlandpost, zwei Zeitschriften, von denen man leider der Ehrlichkeit halber gestehen muss, dass sie im Laufe der letzten Jahre die Jugend geradezu zum Kriege hetzten. Etwa 200.000 Angehörige der deutschen Jugend fanden sich darinnen zusammen, und man kann sich leicht einen Begriff machen von den geistigen Zerstörungen, die eine derartige militaristische Propaganda in Wort, Schrift und Bild verursachen musste. Wenden wir uns der

                        JUGENDORGANISATION

der sozialistischen Jugend zu. Sie ist ein Mittelding zwischen Jugendpflege und Jugendbewegung, von denen beiden sie ein wichtiges Symptom an sich trägt. Man müsste sie zur ersteren zählen insofern, als sie zum großen, ja größten Teile von Erwachsenen geschaffen ist, ebenfalls mit dem Ziele, der Jugend die Ideale dieser Erwachsenen zu vermitteln, und damit dieses Ideal selbst — das bekanntlich ein rein politisches ist und über die verneinende Haltung gegen über dem Kriege keinen Zweifel lässt — weiterexistieren und gedeihen zu lassen. Es besteht aber insofern ein Unterschied, als diese Jugend für Ideale eintritt, die auch zugleich ihrem Interesse, ihrer Psychologie entsprechen, und dass sie dafür kämpft, Wünsche und Überzeugungen durchzusetzen, die aus den Verhältnissen und dem Milieu dieser Jugend in ihr erwachen und erwachsen müssen.

*) Wie man überhaupt bei der ganzen politischen Beeinflussung der Jugend sich klugerweise vor allem an jene Jugend gehalten hat, die voraussichtlich später in leitende Stellen des Staates aufzurücken berufen sein konnte. Also die sogenannte intellektuelle Jugend. Bei ihr hoffte man durch Intensität der Beeinflussung zu erreichen, was bei der Jugend der Massen durch die Breite gelingen sollte.

Dieses eignet ihr zugleich mit der deutschen

                        JUGENDBEWEGUNG

Um das Wesen und Handeln dieser Jugendvereinigung zu verstehen, braucht es — leider — einer eingehenderen Darstellung. Sie besteht seit etwa zwei Jahrzehnten und ist in ihrem Kerne eine durchaus revolutionäre Bewegung. *) Ihr eignet, dass sie, im Gegensatz zu jener Institution „von oben", selbst eine Bewegung ist. Eine Bewegung, die innerhalb der Jugend entstand, von der Jugend getragen wird und eine Organisation der Jugend unter sich bezweckt. Revolutionär, nicht auf politischem Gebiete, sondern vielmehr gegen Lebensart und Lebensweise der Gegenwart, gegen die Art und Weise heutiger Erziehung, gegen die durch innere Unwahrheit krampfhaft aufrecht erhaltene Konvention und Tradition. Sie bedeutete insofern in gewissem Sinne eine Organisation gegen die Erwachsenen, und man versteht, dass Leitung und Führung in rein jugendlichen Händen, oder doch mindestens bei wirklich jugendlichen Geistern liegt. Die innerste Ursache ihrer Entstehung war die „innere Not" der Jugend, ihr Wille und Wollen nach einer neuen Erziehung, nach einer neuen Auffassung von Autorität, die sie sich durch die innere Freiheit bei einer sie als Subjekt wertenden Erziehung gewinnen wollte.

*) Vgl. H. Blüher: „. . . dabei steht die Schule als der eigentliche Antipode der Jugend da. Freilich schloss die offizielle Wandervogelpolitik stets Kompromisse mit ihr — eben jene phraseologischen Ertüchtigungsbestrebungen, — im Innern aber war der Wandervogel stets von revolutionärer Art. Das Vereins verbot gegen Schüler wurde klug umgangen, wirklich im großen Stil umgangen. Ich habe dieses Unternehmen in meiner Geschichte des Wandervogels (2 Bände bei Weise/Tempelhof) den Betrug der Jugend gegen die Schule genannt, und in der Tat kann man es kaum anders auffassen, als eine große planmäßige Überrumpelung der Pädagogenkaste." (Tat. VIII, 7.)

Es war der Wille zu einem neuen Leben, das sie „nach eigener Verantwortung leben" wollte. Diese Jugend strebte hinaus in die Natur und lebte mit ihren alten deutschen Volkstänzen und Hedem in einer gewissen, manchmal nahezu sentimentalen Romantik. Sie war lebensreformerisch, mit einem Worte, das speziell ihr alles sagte: sie schaffte sich einen neuen Lebensstil. *)

*) Man lebte wieder draußen, lebte einfach, kochte sich selbst, machte wochen- ja monatelange „Fahrten", lernte dabei Land und Leute kennen und lieben und was mit das Schönste daran ist — man fand wieder ein Verhältnis der beiden Geschlechter zueinander, das innerlich schön und rein, nach außen hin aber etikettelos und natürlich war.

Anlandung eines schweren Maschinengewehrs.

Anlandung eines schweren Maschinengewehrs.

Die Artillerie wird übergesetzt.

Die Artillerie wird übergesetzt.

Auf Beobachtungsposten.

Auf Beobachtungsposten.

Durch Scharfschützen verwundete Soldaten.

Durch Scharfschützen verwundete Soldaten.

Grabenkampf.

Grabenkampf.

Fliegerangriff auf ein Erdziel.

Fliegerangriff auf ein Erdziel.

Tieffliegerangriff.

Tieffliegerangriff.

Kampfpause.

Kampfpause.

Erste Hilfe.

Erste Hilfe.

Infanterie überwindet einen Fluss.

Infanterie überwindet einen Fluss.

Ohne Worte.

Ohne Worte.

Luftkampf.

Luftkampf.

1-005 Deutsche Hochsee-Torpedoboote

1-005 Deutsche Hochsee-Torpedoboote

1-006 S. M. S. Goeben

1-006 S. M. S. Goeben

1-007 S. M. S. Stralsund

1-007 S. M. S. Stralsund

1-008 S. M. S. Augsburg

1-008 S. M. S. Augsburg

1-009 18 cm Feldkanone der österreichisch-ungarischen Armee mit Bedienungsmannschaft

1-009 18 cm Feldkanone der österreichisch-ungarischen Armee mit Bedienungsmannschaft

1-010 Bosnische Soldaten der österreichisch-ungarischen Armee auf der Rast

1-010 Bosnische Soldaten der österreichisch-ungarischen Armee auf der Rast

1-011 Feldartillerie der serbischen Armee während des Aufmarschs

1-011 Feldartillerie der serbischen Armee während des Aufmarschs

1-012 Maschinengewehr-Abteilung der österreichisch-ungarischen Armee zum Angriff bereit

1-012 Maschinengewehr-Abteilung der österreichisch-ungarischen Armee zum Angriff bereit

1-014 Dum-Dum-Geschosse

1-014 Dum-Dum-Geschosse