Kapitel 02 - Johann Friedrich von Böttiger. Geschichte der Alchimi - nach Vehse und Schmieder.

Unter die große Zahl merkwürdiger Männer, die das achtzehnte Jahrhundert in Deutschland hervorbrachte, gehört auch Johann Friedrich von Böttiger, der zufällige Erfinder des Porzellans. Böttiger war ein geborener Sachse; er ward geboren zu Schleiz im Vogtlande, wo sein Vater bei der Münze angestellt war. Da seine Mutter sich zum zweitenmal mit dem magdeburgischen Stadtmajor und Ingenieur Tiemann verheiratete, erhielt er frühzeitig Unterricht in der Mathematik und in der Fortifikationskunst, zeigte aber eine auffallende Neigung zur Chemie. Schon mit zwölf Jahren kam er als Lehrling in die Zornsche Apotheke nach Berlin, wo er sich sofort aufs Goldlaborieren legte. Er wurde dabei durch den berühmten Johann Kunkel aufgemuntert, der im Zornschen Haus verkehrte und von dem jungen Menschen so bezaubert war, daß er überall seine Talente und Kenntnisse rühmte.

Um diese Zeit reiste ein großer Unbekannter durch Europa, der unter mancherlei Namen und vielfach verkleidet auftrat. Er schien kein anderes Ziel zu haben, als die Ehre der Alchimie zu retten, und verwendete darauf ungeheure Summen, wenn auch mit großer Vorsicht. Wenn die Transmutationen nach seinen Angaben versucht wurden und Aufsehen erregten, war er immer schon weit entfernt und durch Namenwechsel unerreichbar geworden. Er kehrte nicht leicht dahin zurück, wo er schon gewesen, oder doch in ganz veränderter Gestalt. Dieser Unbekannte, welcher Goldsamen ausstreute, bezeichnete sich, wenn man nach Pässen und dergleichen fragte, als einen griechischen Bettelmönch und nannte sich Laskaris; er wollte Archimandrit eines Klosters auf der Insel Mytilene sein und führte als solcher auch ein Beglaubigungsschreiben des Patriarchen von Konstantinopel mit sich. Da er das Griechische vollendet sprach und sich auch sonst keine Blöße gab, wurde seinen Angaben geglaubt, und man war sogar geneigt, ihn für einen Abkömmling der kaiserlichen Familie Laskaris zu halten. Er sammelte Almosen zur Loskaufung von Christen, die in türkische Gefangenschaft geraten waren, allein man wollte bemerkt haben, daß er weit mehr an die Armen verschenkte, als ihm die Kollekte eintrug, und demnach mochte es ihm mit seiner Mission wenig ernst sein. Die Nachrichten über ihn beruhen auf dem Zeugnis glaubhafter Personen, die ihn als einen Mann von gefälligem Betragen schildern, sehr unterrichtet und voll von Interessen, was eher auf einen gebildeten Abendländer, als auf einen morgenländischen Klosterbruder schließen lässt.


Als der geheimnisvolle Fremde im Jahre 1701 nach Berlin kam, erkundigte er sich bei dem Gastwirt, ob es in Berlin auch Alchimisten gebe. An dergleichen Narren sei kein Mangel, antwortete treuherzig der Wirt und nannte unter anderen den Apotheker Zorn. Der Fremde ging bald darauf in die Zornsche Offizin und fragte nach einem chemischen Medikament. Der Provisor befahl einem Gehilfen, den Laboranten zu rufen. Es erschien ein junger Mensch, der Lehrling Böttiger. Auf die Frage des Fremden, ob er dem Laboratorium vorstehe, weil man ihn den Laboranten nenne, erwiderte er gutmütig lachend, man tue dies zum Spaß, weil er in seinen Nebenstunden zuweilen chemische Experimente mache. Dem fremden Herrn gefiel der Jüngling, und zur Einleitung einer näheren Bekanntschaft trug er ihm auf, ein Antimoniumpräparat herzustellen und ihm dieses ins Gasthaus zu bringen.

Als Böttiger das bestellte Präparat brachte, plauderte der Fremde mit ihm. Böttiger wurde zutraulich und gestand, daß er den Basilius Valentinus besitze und unverdrossen nach ihm arbeite. Er wiederholte seine Besuche und gewann die Gunst des Fremden immer mehr. Als dieser endlich abreisen wollte und die Pferde schon warteten, ließ er Böttiger noch einmal rufen und eröffnete ihm, daß er selbst das große Geheimnis besitze, und schenkte ihm zwei Unzen von seiner Tinktur, mit der Anweisung, daß er noch einige Tage davon schweigen, dann aber die Wirkung der Tinktur zeigen möge, wenn er wolle, damit man in Berlin die Alchimisten nicht mehr Narren schelte.

Nach der Entfernung des Fremden säumte Böttiger nicht, sich von dem Wert des Geschenks zu überzeugen. Bald zeigte er den Gehilfen, die ihn bis dahin verspottet hatten, gutes Gold als Produkte seiner Kunst und sagte, er sei entschlossen, die Pharmazie aufzugeben, nach Halle zu gehen und Medizin zu studieren. In der Tat nahm er den Abschied von seinem Prinzipal und bezog eine Mietwohnung. Er verkehrte mit Alchimisten, vornehmlich mit einem Laboranten namens Siebert. Eines Tages wurde er von dem Apotheker Zorn zu Tisch gebeten. Er traf dort zwei Freunde, den Pfarrer Winkler von Magdeburg und den Pfarrer Borst von Malchow. Die beiden Geistlichen vereinigten sich, dem achtzehnjährigen Menschen vorzustellen, daß er zum sicheren Broterwerb zurückkehren und nicht einer eingebildeten Kunst nachhängen solle; das Unmögliche, sagten sie, könne er doch nicht möglich machen. Er aber erbot sich, das Unmögliche sogleich möglich zu machen, und forderte sie auf, Zuschauer zu sein. Die ganze Tischgesellschaft verfügte sich nun mit ihm in das Laboratorium.

Hier nahm Böttiger einen Tiegel und wollte Blei darin schmelzen, als aber die Gegner sein Blei verdächtig finden wollten, wählte er statt dessen Silbergeld von bekanntem Gehalt. Die preußischen Zweigroschenstücke waren damals fünflötig, und von diesen nahm er dreizehn Stück. Während sie zusammenschmolzen, brachte er eine silberne Büchse hervor, die den Stein der Weisen in Gestalt eines feuerroten Glases enthielt. Er löste davon einige Körnchen ab, streute sie auf das fließende Metall und verstärkte die Glut. Danach reichte er den Zweiflern das ausgegossene Metall dar, und staunend überzeugten sich diese, daß es zum reinsten Gold geworden war.

Dem Laboranten Siebert zeigte Böttiger eine größere Transmutation in andern Metallen. Siebert mußte acht Lot Quecksilber in einem Tiegel heiß machen; auf die Masse warf Böttiger soviel als ein Handkorn groß von einem braunroten Pulver, das er zuvor in Wachs impastiert hatte. Dadurch wurde das Quecksilber ganz und gar in Pulver verwandelt, dieses Pulver wickelte er in Blei und ließ es schmelzen. Nach einer Viertelstunde war alles Metall zu Gold geworden.

Diese und andere Proben, welche Böttiger neugierigen Bekannten zeigte, machten ihn bald zum Helden des Tages, und das um so mehr, als er nicht für gut fand, die Wahrheit zu gestehen, sondern sich selbst als Erfinder des Pulvers bewundern zu lassen. Die Erfahrenen nannten ihn Adeptus ineptus und prophezeiten ihm Unheil, welche Prophezeiung sich auch bald erfüllte. Die Stadtgespräche drangen in die königlichen Vorzimmer und bis zu König Friedrich I. selbst. Der König ließ nachfragen und fand es geboten, sich des jungen Adepten zu versichern. Schon war Befehl erteilt, ihn zu verhaften, als ein Bekannter ihn warnte. In der Nacht verließ er Berlin zu Fuß und eilte, Wittenberg zu erreichen. Während er über die Elbe gesetzt ward, sah er hinter sich ein preußisches Kommando, das man ihm nachgeschickt hatte. In Wittenberg wohnte seiner Mutter Bruder, der Professor Kirchmaier, der auch als alchimistischer Schriftsteller von sich reden gemacht hatte. Bei ihm wäre Böttiger geborgen gewesen, allein der preußische Hof reklamierte ihn in Dresden als preußischen Untertan. Der Grund hierzu blieb bei dem erregten Aufsehen kein Geheimnis; der sächsische Hof ward aufmerksam. Man verweigerte die Auslieferung, weil sich ergab, daß er in Sachsen geboren sei. König August II. ließ ihn nach Dresden bringen und freute sich, daß ihm ein so seltener Vogel zugeflogen war, denn die Nachrichten aus Berlin ließen ihn nicht daran zweifeln, daß Böttiger wirklich ein Adept sei.

Böttiger zeigte dem Statthalter Fürstenberg die Tinktur und ihre Wirkung. Er überließ ihm eine Probe seines Arkanums, auch ein Gläschen voll Merkur, und damit reiste Fürstenberg zum König nach Warschau. Fürstenberg mußte einen Eid leisten, daß er mit dem König nicht früher eine Probe machen würde, als bis er auf Ehre und Gewissen versprochen habe, Zeugen nicht zuzulassen, auch weder jetzt noch künftig jemandem das Geheimnis zu entdecken. Ferner hatte Böttiger es ihm eingeschärft, nicht ohne Gottesfurcht und Frömmigkeit ans Werk zu gehen, weil darauf unendlich viel ankomme.

Kaum war Fürstenberg beim König angelangt, als im Zimmer des Königs ein Hund die Schachtel umwarf, in der sich das Glas mit Merkur befand, so daß dieses zerbrach. Böttiger hatte versichert, der Merkur sei von ganz besonderer Beschaffenheit, er war also in Warschau nicht zu ersetzen. Nichtsdestoweniger nahmen am zweiten Weihnachtsfeiertag, in tiefer Nacht, in einem der innersten Zimmer des Schlosses und bei verriegelten Türen der König und Fürstenberg die Probe vor. Die beiden Tiegel, die Böttiger mitgegeben hatte, wurden mit Kreide bestrichen, in den größeren Tiegel die Tinktur mit Merkur, wie er in Warschau zu kaufen war, und Borax getan, der zweite Tiegel darauf gestürzt und die Masse anderthalb Stunden lang ins Glühfeuer gestellt. Das Resultat des Prozesses war nicht Gold, sondern ein so fester Körper, daß man die Tiegel zerschlagen mußte, um ihn zu gewinnen. Fürstenberg schrieb an Böttiger, daß der König selbst über zwei Stunden beim Feuer gesessen sei; an der gehörigen Frömmigkeit habe es bestimmt nicht gefehlt, da der König zwei Tage vorher das heilige Abendmahl genossen und er, der Fürst, seine Gedanken ebenfalls einzig auf Gott gerichtet habe; trotzdem sei das Experiment, dessen Gelingen Böttiger dem König so sicher vorgespiegelt habe, gänzlich misslungen.

Im Januar 1702 kehrte Fürstenberg wieder nach Sachsen zurück. Er traf Böttiger, der in seinem Hause wie ein Gefangener behandelt wurde, höchst unzufrieden; der lebenslustige junge Mensch drohte sich zu ermorden, wenn man ihm nicht die Freiheit gebe. Fürstenberg ließ ihn deshalb auf die Festung Königstein bringen, doch hier wurde Böttiger noch viel wilder. Nach einem Bericht des Kommandanten schäumte er wie ein Pferd, brüllte wie ein Ochse, knirschte mit den Zähnen, rannte mit dem Kopf gegen die Mauer, arbeitete mit Händen und Füßen, kroch an den Wänden entlang und zitterte am ganzen Leibe. Zwei starke Soldaten konnten seiner nicht Herr werden; er hielt den Kommandanten für den Engel Gabriel, verzweifelte wegen der Sünde an dem heiligen Geist an seiner ewigen Seligkeit und trank dabei oft zwölf Kannen Bier täglich, ohne betrunken zu werden. Man konnte nicht klar sehen, ob alles dies auf Verstellung beruhte.

Nun kam aber der Befehl vom Statthalter, ihn nach Dresden zu schaffen, und Fürstenberg nahm ihn wieder in sein Haus. Hier war es, wo er mit dem berühmten Tschirnhausen bekannt wurde. Ehrenfried Walter von Tschirnhausen gehörte zu Fürstenbergs vertrautesten Freunden. Sooft er von seinem alten Stammgut Kieslingswalde nach Dresden kam, wohnte er beim Statthalter und arbeitete beim Fürsten in dessen Laboratorium. Er war einer der ausgezeichnetsten Naturverständigen seiner Zeit, durch ihn sind in Sachsen die Glashütten eingeführt worden. Er hatte zwölf Jahre lang ganz Europa bereist und war Mitglied der Pariser Akademie der Wissenschaften. Wie Kunkel in Berlin, so nahm sich Tschirnhausen in Dresden Böttigers an, und dies verlieh Böttiger auf einmal wieder große Wichtigkeit, so daß man jahrelang Geduld mit ihm hatte und immer hoffte, er werde das große Werk leisten. Er selbst hoffte es.

[Illustration: Joh. Friedr. Böttiger, nach einem Medaillon im Museum zu
Gotha.]

Böttiger erhielt nun seine Einrichtung im königlichen Schloss. Er bewohnte zwei Zimmer mit der Aussicht auf den Hofgarten, den sogenannten Probiersaal und einige Gewölbe zum Laborieren, die große Opernstube als Billardzimmer und das Kirchstübchen des Gärtners zu seiner Andacht. Alle Räume waren neu möbliert worden. Er durfte in dem an seine Wohnung stoßenden Feigengarten spazieren gehen, und wenn er ausfahren wollte, stand ihm eine königliche Equipage zur Verfügung. Zu seiner Beaufsichtigung wurde der Sekretär Nemitz bestimmt, der dafür ein besonderes Zimmer im Schloss hatte, nach Belieben Gäste einladen konnte, aber bei Verlust seiner Freiheit für Böttiger verantwortlich war. Außer Tschirnhausen durfte niemand ohne seine Erlaubnis zu Böttiger gehen. Ein Baron Schenk war angewiesen, Böttiger in dessen freien Stunden Gesellschaft zu leisten, ihm die Zeit zu vertreiben und, wenn er es verlangte, im roten Zimmer mit ihm zu speisen. Es speisten auch viele andere Personen bei ihm, so der Bergrat Pabst von Ohain, der berühmte Metallurg, der geheime Kammerier Starke, ein Liebling des Königs, der seine Schatulle besorgte, und der Sekretär Malhieu; Tschirnhausen, der Böttiger so lieb gewonnen hatte, daß er sich mehr in Dresden als in Kieslingswalde aufhielt, war häufig sein Gast und brachte manchmal den Statthalter mit. Böttigers Deputat im Schlosse waren mittags und abends fünf Gerichte mit Wein und Bier. Das Tafelgerät war aus Silber. Er konnte Geld haben soviel er wollte, man hielt ihm sogar Mätressen wie einem vornehmen Kavalier.

Böttigers Umgang hatte, wenn er bei Laune war, ungemein viel Anziehendes. Er war ein jovialer Mensch mit der lebendigsten Unterhaltungsgabe, mit der er alle zu bezaubern wusste. Der Statthalter lebte mit ihm auf vertrautem Fuß, fuhr oft mit ihm nach Moritzburg auf die Jagd, die Böttiger leidenschaftlich liebte, und schrieb ihm die zärtlichsten Briefe. Auch der König, der sich mit Bezug auf Böttiger überschwenglichen Hoffnungen hingab, behandelte ihn in seinen Briefen mit großer Rücksicht. Er gratulierte ihm zum neuen Jahr, versichert ihm wiederholt, daß der Statthalter die Vollmacht habe, alles nach Böttigers Belieben einzurichten, und ihm niemand aufdringen dürfe, der von „widrigem Naturell“ sei. In Briefen des Königs an andere wird er Monsieur Schrader genannt oder „die Person“ oder „der Bewußte“ oder „l’homme de Wittenberg“; Böttiger selbst unterzeichnete sich nur mit seinen beiden Vornamen oder mit Notus.

Anderthalb Jahre lang war Böttiger vor dem Mißtrauen des Königs durch den Hund geschützt, der in Warschau die Schachtel mit dem Merkurglas umgeworfen hatte und der Vorwand genug gab, zu sagen, der König und sein Minister seien bei dem Tingierversuch ohne Geschick verfahren. Während dieser anderthalb Jahre lebte Böttiger in Herrlichkeit und Freude. Sein Aufenthalt kostete dem König vierzigtausend Taler. Böttiger war bei den Leuten von gutem Ton allgemein beliebt. Man speiste gern bei ihm, denn er legte jedem Gast eine große, goldene Schaumünze von eigener Arbeit unter den Teller; dies bewog sogar die Damen, sich zahlreich bei ihm einzufinden. Man spielte auch gern mit ihm, weil er gern verlor.

Die hohe Ehre hatte seinen Kopf so gänzlich eingenommen, daß er kaum der Möglichkeit gedachte, sein Schatz könne erschöpft werden. Allenfalls erwartete er von einigen Winken, die Laskaris im Gespräch hatte fallen lassen, daß sie ihn auf den rechten Weg führen würden, wenn es Zeit sei, ihn zu suchen. Diese Zeit schob er leichtsinnig hinaus, bis endlich Bedürfnis und Verlegenheiten mahnten, an die Auffindung der Goldquelle mit Ernst zu denken. Da fand er sich aber in seiner Hoffnung bedroht. Was er auch probierte, alles schlug fehl, und er überzeugte sich, daß er sich die Sache zu leicht gedacht habe und weit vom Ziel entfernt sei. Die berechnende Politik seiner Gönner wähnte sich jetzt am Ziel. Böttigers sechs Bediente waren schon längst gewonnen und belauerten ihn Tag und Nacht. Was sie berichteten, gefiel nicht mehr. Man argwöhnte, daß er die Umstellung merke und absichtlich das Rechte verfehle, um seine Kunst für sich zu behalten. Da erfuhr man, daß er Vorbereitungen treffe, um heimlich nach Österreich zu entweichen, und nun wurde seine Wohnung, sogar sein Zimmer mit Wachen besetzt.

Indessen hatte Laskaris, der noch in Deutschland reiste, seinen jungen Freund nicht aus den Augen verloren, und der üble Ausgang, welchen Böttigers Angelegenheiten in Dresden zu nehmen drohten, machte ihm Sorge, da er sich vorwerfen mußte, den Jüngling in Versuchung geführt zu haben. Er entschloss sich daher, ihn zu befreien und große Opfer nicht zu scheuen. In solcher Absicht wagte er sich im Jahre 1703 zum zweitenmal nach Berlin. Er ließ einen jungen Arzt, den Doktor Pasch, zu sich kommen, der mit Böttiger vertrauten Umgang gehabt hatte und unternehmend genug zu sein schien. Diesem eröffnete er alle Schwierigkeiten, trug ihm auf, nach Dresden zu gehen, dem König Böttigers Unwissenheit zu erklären und ihm für dessen Freilassung die Summe von achtmalhunderttausend Dukaten zu bieten, die man in Holland oder in einer beliebig zu bestimmenden deutschen Reichsstadt erheben könne. Um den Sendboten von der Aufrichtigkeit seines Anerbietens zu überzeugen zeigte er ihm einen Vorrat von Tinktur, der über sechs Pfund wog. Er bewies ihm durch Versuche, daß mit dieser Masse ein Zentner Gold in lauter Tinktur verwandelt werden könne, die dann noch drei- bis viertausend Teile Metall in Gold zu veredeln vermöge. Er gab ihm eine Probe für den König mit und versprach, ihn ebenso reich wie Böttiger zu beschenken, wenn er sich seines Auftrages gut entledigte.

Doktor Pasch begab sich auf den Weg. Er war mit zwei Herren verwandt, die am Dresdner Hof großen Einfluss hatten. Durch ihre Vermittlung hoffte er leichter zum König zu gelangen und machte ihnen deshalb sein Anliegen bekannt. Sie urteilten aber, ein so hoher Preis werde den König eher bestimmen, den Verhafteten noch besser zu bewahren, weil es ja den Anschein habe, als lasse Böttiger selbst durch dritte Hand soviel für seine Freiheit bieten. Außerdem meinten sie auch, daß dem König an ein paar Millionen Talern nicht soviel gelegen sein könne als ihnen, und sie kamen überein, Böttiger in der Stille fortzuschaffen und den Preis mit Doktor Pasch zu teilen.

Auf ihre Veranstaltung bezog Pasch eine Wohnung dicht neben dem Hause, worin Böttiger bewacht wurde. Er konnte ihm aus dem Fenster zuwinken, wurde sogleich von ihm erkannt, fand Mittel, ihm Briefe zu schicken, erhielt auf demselben Weg die Antworten, gab ihm Kunde von der nahenden Hilfe und verabredete mit ihm den Plan der Flucht.

Böttigers Bediente ließen sich das Hin- und Hertragen der Briefe gut bezahlen, berichteten aber höheren Orts über den Briefwechsel und lieferten die folgenden Briefe aus. Nichtsdestoweniger gelang es Böttiger zu fliehen. Er kam bis nach Enns in Österreich, wurde aber dort aufgegriffen und nach Sachsen auf den Sonnenstein zurückgebracht. Doktor Pasch war dritthalb Jahre lang Gefangener auf der Feste Königstein. Nach vielen Bemühungen zeigte sich ein Soldat willig, ihm zur Flucht zu verhelfen. Beide ließen sich an einem Seil herab, welches aber nicht bis zum Boden reichte; der Soldat kam glücklich an, Pasch jedoch fiel auf einen Felsen und zerbrach das Brustbein. Sein Gefährte trug ihn bis zur böhmischen Grenze, und von da gelangte er auf Umwegen nach Berlin zurück. Den Adepten Laskaris sah er nicht wieder, und seine Klagen, wie er vergeblich Jugend und Gesundheit zugesetzt habe, wurden stadtkundig in Berlin. Der König ließ ihn vor sich kommen und hörte seine Erzählung an. Sein Körper blieb siech von jenem Fall; nach anderthalb Jahren starb er.

Auf dem Sonnenstein wurde Böttiger sehr streng bewacht. Im Januar 1704 kam der König August nach Sachsen und lernte Böttiger persönlich kennen. Er bestand darauf, daß der Bergrat Pabst zur Bereitung des großen Arkans bei Böttiger förmlich Unterricht nehme. Pabst, Tschirnhausen und der Statthalter beschworen nun feierlich sechsunddreißig Kontraktpunkte, die auch der König durch seinen schriftlichen Eid unverbrüchlich zu halten versprach. Böttiger machte zur Bedingung, daß von dem gewonnenen Golde „nichts zur Üppigkeit sündhaften Aktionibus, boshafter Verschwendung, unnötigen und unbilligen Kriegen verwendet werden dürfe; auch dürfe, wer das Arkan besitze, nie einem Herrn dienen, der öffentlichen und schändlichen Ehebruch treibe und unschuldiges Blut vergieße“.

Im September 1705 übergab Böttiger auf zwanzig Folioseiten einen Prozess zum Universal; kurz darauf machte er einen Tingierversuch, welcher gelang, aber der Kämmerer Starke sagte, es wären verschiedene Umstände passiert, die „zu einem konzentrierten Betrug ziemlichen Soupson gegeben“. Wiederholt bat nun Böttiger um seine Freiheit und machte den König vor Christi Richterstuhl dafür verantwortlich. Der König ließ ihn aber nicht los; vom Sonnenstein wurde er auf die Albrechtsburg bei Meißen geschafft, dann kam er wieder auf den Königstein und im Herbst1707 nach Dresden zurück.

Hier ließ er nun Materialien aller Art herbeischaffen und verfuhr nach der berühmten mephistischen Tafel, das heißt, er kochte alles durcheinander. Und so, ganz zufällig, erfand er eines Tages, es war das sechste Jahr seiner Haft, das braune Jaspisporzellan und später, als er schon etwas methodischer zu Werke ging, das weiße Porzellan. Nach Tschirnhausens Rat bildete er diese Erfindungen technisch aus, wobei er seiner enthusiastischen Natur gemäß so eifrig war, daß er mehrere Nächte in kein Bett kam. In einem Schreiben an den König gestand er endlich, daß er kein Adept sei.

Der König begnügte sich jedoch mit dem Porzellan, das ihm bei der damaligen Kostbarkeit des chinesischen Porzellans beinahe so lieb wie eine Goldfabrik war. Die Manufaktur wurde sofort im großen durch herbeigezogene holländische Steinbagger betrieben. Das auf der Albrechtsburg zu Meißen hergestellte Porzellan verdrängte bald das chinesische und japanische, für das der König August noch Millionen ausgegeben hatte, und wurde einer der begehrtesten Luxusartikel der eleganten Welt. Eine Menge Dinge, die bisher aus Marmor, Metall oder Holz gemacht waren, wurden jetzt aus Porzellan fabriziert, sogar Särge; die Witwe eines Oberstallmeisters wurde in einem Porzellansarg begraben, der aber beim Hinuntersenken in die Gruft zerbrach. Wahrscheinlich hatten neidische Tischler die Leichenträger bestochen. Die Hauptkunstwerke, die man in Meißen herstellte, waren die kleinen, aufs feinste und schönste bemalten Figuren, und wie der „zerbrochene Spiegel“, „das Blumenmädchen“, „die fünf Sinne“ beweisen, brachte man es darin zu einer hohen Vollendung. Der Vertrieb der Fabrik stieg bis über zweimalhunderttausend Taler, und die Kosten betrugen nur die Hälfte; gegen achtzig Kommissionslager und Handelshäuser führten das Verkaufsgeschäft.

Des Fabrikgeheimnisses wegen mußte Böttiger noch eine Zeitlang Gefangener bleiben, doch zeigte sich der König sehr gnädig gegen ihn, besuchte ihn häufig auf der Bastei und schoss mit ihm nach der Scheibe. Er erhielt Zutritt zu den Privataudienzen, sooft er wünschte, und wiederholt befahl der König, ihn vor Ärgernis zu schützen. Er schenkte ihm einen Ring mit seinem Bildnis, einen jungen Bären und ein Paar Affen und gab ihm offenen Kredit bei dem Hofjuden Meyer. Sechs Jahre nach der Erfindung wurde ihm die Meißner Porzellanfabrik zur freien Disposition ohne alle Rechnungslegung überlassen. Er lebte in Dresden auf großem Fuß, hielt eine zahlreiche Dienerschaft und eine Menge Hunde.

Ausschweifungen in der Liebe und im Trunk verkürzten sein Leben; er starb im März 1713, erst vierunddreißig Jahre alt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche Charaktere und Begebenheiten