der Standpunkt, welchen der Verein in der Auswanderungsfrage einnimmt

Unmöglich ist daher ein Zustand, wo alljährlich noch ein Kapital von 15 Millionen Thalern und eine Zahl von 80.000 Personen der deutschen Nation entzogen wird, als ein normaler und gesunder zu erachten, noch viel weniger aber kann man in der Auswanderung selbst ein Mittel gegen das soziale Übel der Arbeits- und Verdienstlosigkeit finden wollen. Im Gegenteil muss dieselbe, wenn sie in der bisherigen Weise fortgeht, im höchsten Grade gefährlich werden.

Es liegt nämlich im Wesen der Auswanderung, dass zu ihrer Ausführung nicht nur ein gewisses Kapital, sondern auch ein gewisser Grad von Willensstärke und Tatkraft gehört, welche nicht Jedem inne wohnt.


Hieraus folgt, dass von den in ihrer materiellen Existenz Gefährdeten gerade solche das Vaterland verlassen, die noch mit einigen Mitteln und mit geistiger Kraft ausgerüstet sind, während alle Besitzlosen und schlaffen Elemente zurück bleiben, ihren Mitbürgern zur Last fallen, die Generation depravieren, und so den sozialen Zustand im zunehmenden Verhältnisse verschlimmern.

Dass den hier dargelegten Tatsachen und der wachsenden Gefahr gegenüber notwendig Etwas geschehen müsse, wird Niemand in Abrede stellen. Es fragt sich nur:

Was ist zu tun?

Es gibt eine Antwort auf diese Frage, welche nicht selten gehört wird. Sie lautet:

„Von der Regierung Nichts, von Privaten Alles,
Was in ihren Kräften steht!“

Wir können diese Antwort nicht für richtig anerkennen; wir halten vielmehr dafür, dass bei einer Aufgabe von so weitem Umfange, von so tiefer Bedeutung für das ganze soziale Staatsleben die Regierung sich nicht passiv verhalten dürfe.

Indessen lassen wir diese Frage für jetzt bei Seite, indem wir uns vorbehalten, in einer späteren Denkschrift darzulegen, welche Stellung die Regierung, ohne der freien Selbstentwicklung Eintrag zu tun, in dieser wichtigen Angelegenheit einzunehmen haben würde. Hier soll nur dargetan werden:

Welche Aufgabe unser Verein sich gestellt hat?

Seine Aufgabe ist keine geringere, als:

die große Frage der deutschen Auswanderungs-Angelegenheit zur Lösung zu bringen, und im Sinne der für richtig erkannten Grundsätze nach allen Seiten hin zu wirken.

Diese Grundsätze sind hier darzulegen.

Je nachdem man die Erscheinungen in Betracht zieht, welche mit der Auswanderungsfrage zusammenhängen, lässt sich dieselbe von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachten. Der wichtigste ist:

a. der national-ökonomische
Gesichtspunkt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche Auswanderung und Kolonisation.