der national-ökonomische Gesichtspunkt.

Hier sind der jährliche Verlust an Kapital und tüchtigen Arbeitskräften, so wie deren Übergang an Nationen, die mit unserer Industrie und unserem Handel in Konkurrenz stehen, die Tatsachen, von denen ausgegangen werden muss.

Es gab eine Zeit, wo man diesem Abflusse an Menschen und Geld dadurch zu begegnen suchte, dass man die Auswanderung, wenn nicht gänzlich verhinderte, so doch möglichst erschwerte und hemmte.


Dieser Standpunkt ist jetzt aufgegeben, weil er eben so unausführbar als gefährlich und der individuellen Freiheit der Staatsbürger widersprechend ist.

Nichts desto weniger kann nicht geleugnet werden, dass für viele Einzelne die Auswanderung sich als eine ganz verkehrte ökonomische Maßregel erweist, die sehr bald in dem neuen Vaterlande bitter bereut wird, wenn das mitgebrachte Vermögen erschöpft, und Rückkehr zum heimischen Herde nicht mehr möglich ist.

Der Grund davon liegt hauptsächlich in den falschen, übertriebenen Vorstellungen, welche sich die Meisten von dem sorgenfreien Leben in fremden Ländern, und von der Leichtigkeit eines Vermögenserwerbes zu machen pflegen, Vorstellungen, die von vielen gewinnsüchtigen Agenten der Auswanderungs-Bureaus, Schiffsmakler und Reeder aufs gewissenloseste genährt und ausgebeutet, und dadurch Tausende zu Entschlüssen verleitet werden, Welche sie bei ruhiger Überlegung schwerlich gefasst haben würden. Deshalb gilt es vor Allem:

die Einzelnen vor übereilt er Auswanderung zu bewahren.

Man kann mit Sicherheit behaupten, dass bei einer großen Zahl von Auswanderern derselbe Aufwand von Arbeit und Willenskraft, welchen sie im neuen Vaterlande zur Fristung einer ärmlichen Existenz aufbieten müssen, hinreichen würde, ihnen in der Heimat eine auskömmliche und behagliche Stellung zu verschaffen.

Aufgabe des Vereins wird es daher sein, in dieser Beziehung durch Wort und Schrift das Publikum aufzuklären, dem Auswanderungs-Verlockungs-Wesen entgegen zu treten, die Einzelnen, welche sich bei ihm Rath erholen, von übereilten Schritten abzuraten, und ihnen vorzustellen, welchen Entbehrungen und Anstrengungen sie unbedingt entgegen gehen.

Nicht Alle jedoch werden auf diesen Rat hören, bei Andern erheischt auch ihre ökonomische Lage in der Tat das Verlassen der Heimat. Manche von diesen würden indes mit Freuden im deutschen Vaterlande bleiben, wenn sie in andern Gegenden desselben eine auskömmliche Existenz zu finden wüssten. Der Verein wird demnach dahin wirken müssen, dass

die Kolonisation im Inlande,

dieser so äußerst wichtige Gegenstand, in Angriff genommen, und auf diesem Wege dem Vaterlande Kapital und Arbeitskräfte erhalten werden.

Eine genaue Vergleichung der Ausgaben eines Auswanderers für Überfahrt, Transport in das Innere von Nord-Amerika und Anlagekapital, so wie der Preise der dortigen landwirtschaftlichen Produkte am Orte der Produktion und resp. der Transportkosten bis zu den Märkten und großen Hafenplätzen, mit denjenigen Ausgaben, die zur Erwerbung eines Grundbesitzes in Ost- und Westpreußen bei gleicher Einnahme-Rente erforderlich sind, hat bis zur Evidenz herausgestellt, dass der Auswanderer in den meisten Fällen, sofern ihn nicht besondere Glücks fälle in Nordamerika begünstigen, entschieden besser tun würde, in diesen Provinzen des Vaterlandes sich niederzulassen!

Immer wird indes die größere Anzahl von Auswanderern übrig bleiben, welche sich weder ganz von der Auswanderung abhalten lassen, noch sich zur Kolonisation im Inlande verstehen dürfte.

Um diese dem Vaterlande zu erhalten, d. h. wenigstens ihre Kapitalien und Arbeitskräfte in ihrem eigenen Interesse dem Mutterlande nutzbar zu machen, gibt es nach unserer Überzeugung nur Ein Mittel, dass ist:

die geregelte, vom Mutterlande
aus organisierte Kolonisation im
Auslande.

Unter Kolonisation verstehen wir hierbei aber nicht die Erwerbung von Kolonien, wie sie gegenwärtig von den seefahrenden Mächten Europas besessen werden, sondern die geregelte, gemeindeweise Ansiedlung Deutscher in Ländern, wo ihre nationale Entwicklung und Selbständigkeit, wenn gleich unter fremder Oberhoheit, ausführbar und gesichert ist.

Die Möglichkeit einer solchen Kolonisation ist bestritten, oder doch ihre praktische Wichtigkeit für das deutsche Mutterland in Frage gestellt worden. Wir werden deshalb die Gründe darzulegen haben, wodurch, nach unserer Überzeugung, die aufgestellten Einwendungen widerlegt werden.

Zunächst macht man dagegen geltend:

ohne Souveränität über die zu gründen den Ansiedelungen seien diese für das Mutterland von keinem Interesse.

Wäre es richtig, dass die Landesherrlichkeit über das zur Kolonisation ausersehene Land zu den wesentlichen Bedingungen für das Gedeihen derselben gehörte, so würde Deutschland allerdings auf diesen Weg einer nationalen Entwicklung verzichten müssen, denn dasselbe besitzt bekanntlich keine Kolonien; und die Orte, wo ihm etwa von den europäischen See-Mächten noch gestattet werden möchte, seine Souveränität zu begründen, dürften eben für den Zweck der Kolonisation nicht geeignet erscheinen.

Jene Bedingung kann aber nicht als eine wesentliche erachtet werden.

Nach dem früheren Kolonisationssysteme galt freilich die Wahrung der Souveränität als die Hauptsache, der sich die Förderung der Ansiedlung und die Wohlfahrt der Kolonisten unterordnen musste. Dieses System der Eroberung und Ausbeutung aber, welches in der früheren Auffassung der Politik, so wie in der mangelhaften national-ökonomischen Bildung des vergangenen Zeitalters begründet war, hat sich im Laufe der Zeit als vollkommen falsch erwiesen. Die Schädlichkeit desselben wird durch die schlechten Erfolge außer Zweifel gestellt, und gegenwärtig auch von allen erleuchteten Staatsmännern anerkannt.

Die Tatsachen sind in dieser Beziehung schlagend: Englands Handel nach seinen gesamten Kolonien weist im Jahre 1846 eine Ausfuhr von nicht mehr als circa 8 Millionen L. St. nach; die Verwaltung dieser Kolonien kostet etwa 4 Mill. L. St.; hiernach ruht auf seiner Ausfuhr nach den Kolonien eine Abgabe von 50pCt., dagegen ist die englische Ausfuhr nach den vereinigten Staaten von Nord-Amerika seit deren Unabhängigkeitserklärung ebenfalls bis auf 8 Millionen L. St. gewachsen. Dieser Exporthandel kostet dem Mutterlande aber nur die Ausgaben für die politischen Agenten und Konsuln von etwas über 15.000 L. St.!

Als Sir William Molesworth diese, auf offiziellen Angaben beruhende Tatsache dem Unterhause in der Sitzung vom 14. Juli 1848 zu Gemüte führte, und, gestützt darauf, die Aufgabe der Souveränität über die Kolonien, mit Ausnahme einiger festen Punkte, verlangte, wusste man ihm wenig mehr entgegenzustellen, als den Ehrenpunkt!

Dieser Ehrenpunkt wird aber mit der Zeit fallen, oder vielmehr er wird ein anderer und vernünftigerer Werden!

Bei den übrigen, überseeische Kolonien besitzenden Staaten stellt sich die Handelsbilanz noch viel ungünstiger heraus. Ja, es dürften wenige darunter sein, denen die Kolonien nicht mehr kosten, als sie dem Mutterlande einbringen.

Diese Tatsachen beruhen aber in der Natur der Sache.

Überseeische Kolonien, in das Verhältnis abhängiger Provinzen gebracht, können dem Mutterlande auf die Länge der Zeit nicht diejenigen Vorteile gewähren, welche sie im Stande der selbständigen, unabhängigen Entwickelung ihm zu bringen vermögen.

Ihre Entfernung, ihre vom Mutterlande völlig verschiedenen Verhältnisse, machen es wenigstens faktisch unmöglich, sie als gleichberechtigte Teile in die politische Gesamtheit desselben einzufügen. Sie erheischen immer eine eigene, für die dortigen Zustände berechnete Verwaltung. Diese wird aber, soll das politische Abhängigkeits-Verhältnis aufrecht erhalten werden, notwendig durch Beamte des Mutterlandes ausgeübt werden müssen.

Wollte man nun auch annehmen, dass diese mit aller Intelligenz ausgerüstet, und vom redlichsten Eifer beseelt wären, so wird dennoch niemals ihre Bekanntschaft mit den fremden Zuständen eine so vollständige, und ihre Stellung eine so bleibende sein, dass nicht eine aus der Kolonie selbst hervorgegangene Verwaltung für die gedeihliche Entwickelung der Letzteren ganz unverhältnismäßig vorteilhafter sein sollte. Erwägt man aber außerdem, wie sich gewöhnlich das Verhältnis stellen muss; die mehr oder weniger mangelhafte Persönlichkeit der Beamten, welche größtenteils die Stellen in der Kolonie als vorübergehende oder verlorene Posten ansehen; ihre Neigung, sie zu ihrem Privatvorteil auszubeuten, so ist es ganz natürlich, dass die Verwaltung aller Kolonien unter der Souveränität des Mutterlandes eine mangelhafte sein muss.

Sogar von den Englischen Kolonien wird dies in England selbst nicht einmal bestritten.

Zu dieser Mangelhaftigkeit der Verwaltung treten die Sonder-Interessen, Welche das Mutterland den Kolonien gegenüber zu verfolgen niemals aufhören wird, als da sind: Eingangszölle für die Kolonial-Produkte, Differenzial-Zölle zum Schutz der mutterländischen Schifffahrt, Bereicherung der Staatskassen durch die in den Kolonien aufgebrachten Abgaben, anstatt deren Verwendung in den Kolonien selbst zu öffentlichen gemeinnützigen Anlagen usw.

Die mangelhafte Verwaltung und die stiefmütterliche Behandlung aller von einem Mutterlande in politischer Abhängigkeit stehenden Kolonien hat endlich notwendig zur Folge, dass dieselben nicht diejenige Gewähr für dauernden Besitz und größere industrielle Anlagen darbieten, welche zur gedeihlichen Entwickelung jedes zivilisierten Landes erforderlich ist. Dies ist auch der Grund, weshalb Viele, sobald sie sich ein Vermögen erworben haben, nach dem Mutterlande zurückkehren, und ihre Kapitalien mitnehmen, anstatt sie in den Kolonien anzulegen. Das Geld ist deshalb dort viel seltener und teurer, als im Mutterlande, und hieraus folgt dann wiederum eine ganze Reihe von national-ökonomischen Nachteilen, die aufzuzählen hier zu weitläufig sein würde.

In der neueren Zeit fängt man endlich an, die Wichtigkeit dieser Momente zu begreifen. Namentlich hat England eine Politik eingeschlagen, welche notwendig mit der Zeit zur Emanzipation seiner Kolonien führen muss. Es hat mit Einführung freisinniger Verfassungen, nach denen die Einwohner der Kolonien an deren Verwaltung Teil nehmen, begonnen, und ist in der neusten Zeit mit Aufhebung fast aller Zölle auf die Produkte seiner Kolonien, sowie mit Aufhebung der Navigationsakte vorgeschritten.

Selbst der Einwand, den die Anhänger des alten Systems noch vorbringen, dass mit dem Verluste der Souveränität über diese Kolonien auch die Seemacht, und so das politische Übergewicht Englands verloren gehen müsste, ist durch die Erfahrung vollständig widerlegt. Die Besiegerin Englands, die gewaltigste Seemacht nach ihm: die mächtige Nordamerikanische Union, hat – keine Kolonien! Es ist in der Tat auch nicht abzusehen, weshalb die Größe der Kriegsflotte bedingt sein soll durch die Existenz überseeischer Besitzungen. Der Schutz des Handels, den England über die ganze Welt verbreitet hat, gibt demselben ein weites Feld für die Ausbildung seiner Seemacht, und der Besitz einiger Flotten-Stationen auf den Küsten und Inseln der verschiedenen Meere ist das höchste, was wünschenswert erscheinen könnte.

Hiernach ist es für Deutschland an und für sich eben kein großer Verlust, dass es bis jetzt Kolonien nach dem alten Systeme nicht besessen hat. Nur in sofern kann es zu bedauern sein, da unser Vaterland dadurch faktisch von der Gründung einer eigenen Flotte abgehalten, und die Kenntnis überseeischer Verhältnisse, so wie das Interesse am überseeischen Handel niedergehalten worden ist.

Man wendet ferner gegen die hier verteidigte Kolonisation ein:

die nationale Entwicklung einer
deutschen Kolonisation sei unter
fremder Souveränität überhaupt
nicht möglich.

Dieser Einwand, in seiner Allgemeinheit hingestellt, ist offenbar nicht richtig. Wir haben deutsche Kolonien in Siebenbürgen und Ungarn, die ihre Nationalität vollständig erhalten haben, obwohl die Souveränität lange Zeit einer fremden Nation zustand; und ähnliche Beispiele sind vorhanden.

Es wird daher darauf ankommen, die speziellen Verhältnisse zu prüfen.

Wo von der fremden Regierung solche Bedingungen zu erlangen sind, dass dadurch die nationale Entwickelung gesichert wird, kann auch die Kolonisation in dieser Beziehung gedeihen, und kommt dann noch hinzu, dass der herrschende Stamm wenig zahlreich, der deutsche dagegen demselben an Intelligenz überlegen ist, so kann sogar die völlige Germanisierung der ursprünglich herrschenden Nationalität in nicht zu ferner Zukunft mit Sicherheit vorausgesehen werden.

In der Nordamerikanischen Union leben jetzt 3 Millionen Deutsche. Diese haben freilich den 19 Millionen der meist anglo-sächsischen Rasse gegenüber ihre Nationalität nicht geltend machen können. In keinem einzigen der 32 Staaten bilden sie die Majorität, nirgend ist die deutsche Sprache die offizielle, und fast alle höhere Verwaltungs-, Richter- und Offiziersstellen werden nur an Anglo-Amerikaner vergeben. Man nehme aber nur an, dass sich der Auswanderungsstrom aus England nicht gleichzeitig mit dem aus Deutschland nach den Nordamerikanischen Freistaaten gerichtet hätte, oder dass die 3 Millionen Deutsche sich in Mittel-Amerika, oder in den südamerikanischen Republiken niedergelassen hätten, würde nicht in beiden Fällen unbedingt das deutsche Element zur Herrschaft gelangt sein?

Es kommt nur eben darauf an, dass diejenigen Staaten, in denen die deutsche Kolonisation vorschreiten soll, nicht von so kräftiger Nationalität sind, dass das deutsche Element, wie in Nord-Amerika, sofort von ihnen absorbiert werde.

Auch hierfür sprechen Beispiele und zwar aus der neuesten Geschichte der Kolonisation fremder Staaten.

Texas war noch vor wenigen Jahren eine mexikanische Provinz. Durch die nordamerikanische und deutsche Einwanderung wurde indes das spanische Element überwältigt, und das Ende war die völlige Unabhängigkeit des yankeeisierten Staats. –

Belgien mit seinem ziemlich bedeutenden Seehandel, aber gleichfalls ohne Kolonien nach dem alten System, ist in dem bezeichneten Wege der neuen Kolonisation vorangegangen. Die Kolonie St. Tomas unter der Souveränität von Guatemala, obschon Anfangs wegen verkehrter Maßregeln der Gründungs-Gesellschaft äußerst wenig versprechend, ist nach den neuesten ministeriellen Berichten in sichtbarem Aufblühen begriffen. *) Die spanische Nationalität, welche sonst in Guatemala das Übergewicht hat, ist dort gänzlich ausgeschlossen, und nur die belgische und deutsche macht sich geltend. Nach den neuesten Nachrichten beabsichtigt die belgische Regierung, ähnliche Kolonisationen an andern Punkten Amerikas zu Unternehmen.

Auch die schwedische Regierung beginnt in diesem Sinne zu kolonisieren, und hat bereits zu diesem Zwecke in Süd-Amerika eine Strecke Landes erworben.

Man kann nicht annehmen, dass zwei Regierungen, welche sich vorzugsweise durch die Anwendung richtiger national-ökonomischer Grundsätze in ihrer Verwaltung auszeichnen, und die mit so großer Vorsicht und so praktischem Blicke voranzugehen gewohnt sind, ohne tiefe Einsicht in das Wesen der Sache diesen Weg betreten haben sollten.

Für die deutsche Auswanderung, nach der englischen die stärkste aller europäischen Staaten, bietet sich in dieser Beziehung noch ein weites Feld. Zentral-Amerika, Süd-Chile, Süd-Brasilien und Uruguai, so wie das zwischen bei den befindliche neutrale Gebiet sind Länder, welche dabei vorzugsweise in Betracht kommen, und die ersten Anknüpfungspunkteeines bedeutungsvollen Netzes werden können.

*) Nro. 124. Chambre des Représentants, Seance du 16 Fevrier 1848 und Rapport de Mons. le Ministre des Affaires étrangères sur la Colonie St. Tomas de Guatemala du mois de Mai 1849

Wir dürfen nur zweierlei dabei nicht Vergessen: einmal, dass die Kolonisation eine Industrie ist, deren Material (die Kolonisten) Deutschland im reichen Maße besitzt, die es also mit größerem Vorteile, als viele andren Völker betreiben kann; sodann, dass Deutschland den oben bezeichneten Einwanderungs-Ländern gegenüber, unbedingt ein hinreichendes Kapital zu Gebote steht, um zu den dort üblichen hohen Zinsen jene Industrie auch auszubeuten.

Warum sollten wir in diesen Staaten die Industrie- der Kolonisation nicht eben so glücklich zur Blüte bringen können, wie z. B. die Engländer die Industrie der Gaserleuchtung in Deutschland, welche lange ausschließlich in ihren Händen war? Und kann es einem Zweifel unterliegen, dass für jene Länder die Kolonisation durch frische Völkerkräfte ein Bedürfnis ist?

Ist es doch fast, als habe die Vorsehung die reichen Gefilde Mittel- und Süd-Amerikas dem deutschen Elemente vorbehalten. Denn während England bemüht ist, mit seinen Auswanderern, so weit es irgend möglich, das für seinen Ostindischen und chinesischen Handel künftig so wichtige Australien zu bevölkern, während Nord-Amerika noch lange Zeit zu tun haben wird, die unermesslichen Strecken, die seine Grenze umfasst, auch nur mit einem dünnen Ansiedelungsnetze zu überziehen, scheint es, als könne Zentral- und Süd-Amerika seine Regeneration nur von dem dritten großen Wandervolke, von Deutschlands Söhnen, erwarten! –

Ein anderer Einwand gegen das hier verteidigte Kolonisations-Prinzip ist der,

dass eine geordnete Kolonisation mit
Deutschen überhaupt nicht gelingen
werde.

Innere, aus der Natur der Sache selbst entnommene Gründe werden für diesen Einwand nicht angeführt, sondern man weist nur immer auf den traurigen Ausgang ähnlicher von Deutschland ausgegangner Unternehmungen, z. B. auf das Kolonisationsproject des deutschen Adels-Vereins in Texas, die Versuche von deutschen Ansiedelungen auf der Mosquitoküste, die meisten deutschen Kolonien in Brasilien, und ähnliche hin. Nichts ist ungerechter, als der Schluss von derartigen Versuchen auf eine geregelte, nach vernünftigen, praktischen Grundsätzen angelegte Kolonisation.

Bisher ist eine solche von deutscher Seite noch nirgend unternommen worden. Will man jene vereinzelten Versuche, deren Misslingen man bei einiger Prüfung wohl hätte vorhersehen können, überhaupt in Betracht ziehen, so darf man auch nicht außer Acht lassen, dass die Engländer und Franzosen viele ihrer Kolonien mit noch weit größeren Opfern erkauft haben. Sie hatten aber die Ausdauer, sich nicht durch die ersten misslungenen Schritte abschrecken zu lassen, und gelangten dadurch wenigstens zu dem Ziele, welches sie erstrebten.

Bei den deutschen Versuchen hatte man vor Allem Eins außer Acht gelassen, nämlich: dass die Vermessung und Einteilung des Landes der Kolonisation vorausgehen muss und nicht mit ihr gleichzeitig unternommen werden darf. Sie ist von viel größerer Wichtigkeit, als man gewöhnlich anzunehmen pflegt; sie ist die Lebensbedingung jeder Kolonisation; denn kein Land-Titel hat einen Wert, wenn die Parzelle, auf die er lautet, nicht unzweifelhaft feststeht. Die Nordamerikaner, unsere Lehrmeister in dieser Beziehung, werden nie gegen diesen Grundsatz verstoßen.

Von den deutschen Kolonisationsprojekten war nur dasjenige des Adels-Vereins der Idee nach großartig und wirklich im deutschen Interesse angelegt, aber die vielen, oft unglaublichen Fehler, die in der Ausführung von Anfang an gemacht worden sind, mussten das Scheitern des Unternehmens herbeiführen. Der Verein kaufte für die Kolonisten Land, über 400 engl., circa 80 deutsche Meilen vom Hafen entfernt, wohin keine Straßen führten, was noch kein Mensch, selbst nicht der Verkäufer gesehen, viel weniger untersucht hatte! Trotz der sich bald herausstellenden Unmöglichkeit, dort zu kolonisieren, wurden Tausende von deutschen Auswanderern nachgesandt, deren Fortkommen darauf berechnet war, dass ihnen Wohnstätten bereitet sein sollten, denen man aber nicht einmal Transportmittel nach dem Innern gewähren konnte. Auf einer höchst ungesunden Küste mussten sie viele Monate lang ohne Obdach bleiben, bis der größte Teil von bösartigen Krankheiten aufgerieben oder endlich nach Europa zurückgebracht wurde. Die verkehrten Einrichtungen verzehrten sehr bald das Anlagekapital, so dass der Bankerott nicht ausbleiben konnte. Und dennoch, kaum sollte man es glauben, trotz aller dieser Fehler sind die beiden vom Verein gegründeten Städte Neu-Braunfels und Friedrichsburg in günstiger Entwicklung begriffen, und wäre nur einigermaßen mit Vorsicht zu Werke gegangen worden, so würde die deutsche Kolonisation in Texas eine sehr bedeutende Ausdehnung erlangt haben.

Auch in St. Tomas (Guatemala) hat, wie der offizielle belgische Bericht selbst zugesteht, nur das deutsche Element die Kolonie vom schnellen Untergange gerettet, und ebenso ist das jetzige Gedeihen der Kolonie St. Leopoldo in Süd-Brasilien nur den angesiedelten Deutschen zu verdanken.

Dass eine geregelte Kolonisation sehr wohl ausführbar, ja, der einzige Weg ist, schnell und sicher unbewohnte Strecken Landes der Zivilisation zu unterwerfen, zeigt uns evident das Beispiel der Nord-Amerikaner.

Ihr einfaches und doch so praktisches System, mit dem sie in unglaublich kurzer Zeit Tausende von wüsten Quadratmeilen angesiedelt und in zahlreiche selbstständige Staaten umgewandelt haben, wird und muss auch anderwärts zum Ziele führen. Schon haben es die Engländer in Australien eingeführt, und dass es auch mit Deutschen ins Werk zu stellen sei, ist um so gewisser, als die nordamerikanische und englische Kolonisation sich gerade der deutschen Kolonisten am liebsten bedient. Warum sollen aus diesen nicht endlich auch einmal Leiter und dadurch Gewinner erstehen, anstatt wie bisher nur Geleitete und Ausgebeutete?

Man darf nicht einwenden, dass die nordamerikanische Kolonisation gewissermaßen nur eine innere sei, indem alle jene Länderstrecken der Regierung gehörten, und von dieser nach ihrem Gefallen vermessen und verkauft werden könnten.

Die Stellung, welche die nordamerikanische Regierung zur Kolonisation einnimmt, kann jede solide Gesellschaft oder jede andere Regierung in den Süd- und Mittel-Amerikanischen Staaten einnehmen, sobald sie nur die erforderliche Garantie darbietet, dass sie auch wirklich Willens und im Stande sei, in ausgedehnterem Maße die Kolonisation vorzubereiten. Diese Staaten kennen den Vorteil, welchen sie selbst durch einen nachhaltigen Zuwachs arbeitsamer und intelligenter Einwanderer haben, viel zu gut, um nicht gern alle nur möglichen Vorteile zu bieten.

Ein schlagendes Beispiel hiervon ist ganz kürzlich vorgekommen. Der vor wenigen Wochen hier anwesende Gesandte des Freistaates Costa Rica in Central-Amerika, eines Landes, unter dessen Produkten z. B. der Kaffeejetzt auf dem englischen Markte die erste Stelle nachdem Mocca-Kaffee einnimmt, hat der hiesigen Kolonisations-Gesellschaft für Zentral-Amerika die Versicherung gegeben, dass seine Regierung auf einen Vertrag eingehen würde, wonach die Gesellschaft als Land- und Kolonisations-Amt für den Staat Costa Rica den Verkauf der gesamten Staats-Ländereien, gegen eine Tantième übernehmen, und ihr General-Commissair als öffentliche Behörde anerkannt werden solle.

Weist man endlich noch auf den, den Deutschen leider innewohnenden Trieb zur Uneinigkeit hin, welcher ihr Zusammenbleiben nicht tunlich machen werde, so ist darauf zu erwidern, dass der Deutsche auch wiederum einen Zug nach seinen Stammesgenossen hat, wie die gruppenweisen deutschen Ansiedlungen in Nord-Amerika beweisen. Wenn man ihm nicht durch ein Bevormundungssystem den Aufenthalt verleidet, und ihm zum baldigen Grundbesitze verhilft, so ist auf sein Ausharren wohl zu rechnen.

Der Verein hat es sich vollständig klar gemacht, in welcher Weise die Kolonisation mit Deutschen ausgeführt werden kann. Er ist darin hauptsächlich dem Beispiele der Nord-Amerikaner, unter Berücksichtigung der sich von selbst verstehenden Modifikationen gefolgt.

Hiernach muss die Kolonisation entweder durch solide Gesellschaften oder durch den Staat geleitet werden. Sie muss sich beschränken auf Ankauf, Vermessung und Einteilung des Landes, Vorbereitung der einzelnen Etablissements und Wiederverkauf derselben an geeignete auszuwählende Personen, auf Organisation eines verhältnismäßigen (ja nicht zu starken) Nachzuges von Einwanderern, und auf diejenige Unterstützung, die durch angemessene Vertretung, durch Kapital-Vorschüsse, Kredit-Institute usw. von den Kolonien als ein Bedürfnis in Anspruch genommen wird.

Eine auf dieser Basis organisierte Kolonisation wird wahrlich auch mit Deutschen, und gerade mit diesen am Allerersten zum gedeihlichen Resultate für unsere Auswanderung führen.

Hieran schließt sich ein weiteres Bedenken, welches man gegen eine geregelte Kolonisation geltend gemacht hat; nämlich:

die Auswanderer hätten keine Neigung, sich Kolonisations-Gesellschaften anzuschließen.

„Wer einmal auswandern will,“ sagt man, „macht sich seinen eigenen Plan, und fühlt kein Bedürfnis, sich in ein Verhältnis zu begeben, wo er mehr oder weniger gebunden ist.“

Dieser Einwand wird aber durch die Erfahrung auf das Entschiedenste widerlegt.

Schon die Tatsachen, dass die Engländer und Nord-Amerikaner sich bei der Ausführung ihrer Kolonisations-Pläne mit Vorliebe der deutschen Auswanderer bedienen, ja, dass mit wenigen Ausnahmen kaum ein Kolonisations-Projekt existieren dürfte, wobei nicht hauptsächlich auf deutsche Auswanderer gerechnet, und dass in Betreff der Beteiligung derselben die Hoffnung der Unternehmer selten getäuscht wird, beweist gerade die Vorliebe der Deutschen, sich solchen Unternehmungen anzuschließen. Sie findet auch ihre Begründung in dem den Deutschen im Allgemeinen noch anklebenden Mangel an Selbstständigkeit und Unternehmungsgeist.

Dieser Seite des deutschen National-Charakters, verbunden mit einer, in der Gemütlichkeit des Deutschen wurzelnden Neigung, wenigstens für den Anfang seiner Trennung vom Vaterlande mit Genossen seines Stammes zusammen zu bleiben, so wie endlich die, den meisten Auswanderern fehlende Kenntnis der fremden Sprache führt sie denn auch dahin, dass sie, wo ihnen keine Gelegenheit zum Anschluss an eine förmliche Kolonisations-Gesellschaft gegeben wird, größtenteils selbst zusammentreten, und wenigstens Auswanderungsgesellschaften bilden. Gewöhnlich sind dergleichen Gesellschaften ursprünglich auf ein Zusammenbleiben auch im neuen Vaterlande berechnet; und wenn später meistenteils dennoch eine Trennung eintritt, so liegt eben der Grund darin, dass die Leute den Begriff der bloßen Auswanderung mit dem der Kolonisation verwechselt, von letzterer aber keine Ahnung gehabt hatten.

Überdies beweisen auch speziell nicht nur die von andern Vereinen uns zugegangenen Mitteilungen, sondern insbesondere auch die auf dem Büro des Vereins gemachten Erfahrungen, dass für die Auswanderer ein wirkliches Bedürfnis für förmliche Kolonisationsgesellschaften vorhanden ist.

Fast Alle, welche sich auf dem Büro meldeten, haben sich dahin ausgesprochen, dass sie nichts mehr wünschen, als sich einer förmlich organisierten Gesellschaft anzuschließen. Als die hiesige Kolonisations-Gesellschaft für Zentral-Amerika in die Öffentlichkeit getreten war, meldeten sich in kurzer Zeit 251 Familien als Kolonisten, wovon 184 Familien ein Gesamt-Kapital von mehr als 300.000 Thlr. besaßen.

Endlich ist noch ein letzter Einwurf zu erwähnen. Man sagt nämlich:

selbst die Möglichkeit und sonstige Nützlichkeit einer geregelten deutschen Kolonisation zugegeben, so werde doch durch sie der deutschen Industrie kein besonderer Vorteil erwachsen.

„Die Kolonisten“, folgert man, „kaufen nicht vorzugsweise von ihren Landsleuten, sondern von demjenigen, der ihnen die Ware am billigsten liefert. Da dies nun auf den überseeischen Märkten die Engländer und Nordamerikaner sind, so wird diesen der neue Markt zufallen, und der Deutsche umsonst gearbeitet haben.“

Hierauf ist folgendes zu erwidern: Der Satz, dass eine Bevölkerung immer dort kaufen werde, wo sie am billigsten kaufe, ist volkswirtschaftlich nur richtig, wenn er richtig verstanden wird. Zu ganz falschen Resultaten würde man gelangen, wollte man dabei den Begriff der „Billigkeit“ durch den Geldpreis der Ware feststellen. Derselbe ist vielmehr nur der eine Faktor. Der andere, eben so wesentliche, ist der Preis derjenigen Produkte, womit die kaufende Bevölkerung die Waren bezahlt.

Wenn also z. B. die Kolonisten auch wirklich die Manufaktur-Waren von den Engländern um 2 pCt. billiger, als von den Deutschen erhalten, Letztere ihnen aber für ihre Bedürfnisse an Kolonial-Produkten 4 pCt. mehr, als die Engländer zu geben vermöchten, so wird der Handel sich notwendig mit den Deutschen regulieren, und die Engländer werden vom Markte ausgeschlossen bleiben.

Schon bei Festhaltung dieses Moments in Verbindung mit einer genauen Prüfung der Handels- und Zoll-Verhältnisse, deren nähere Auseinandersetzung hier zu weit führen würde, ergibt sich das Resultat, dass der deutsche Handel, sobald er es nur einigermaßen richtig anzufangen weiß, in den meisten Wesentlichen Industrie-Artikeln die englische und nordamerikanische Konkurrenz nicht zu scheuen hat.

Ist doch die deutsche Industrie schon jetzt auf dem Punkte angelangt, dass manche Waren von Engländern, Nordamerikanern und Franzosen in Deutschland bestellt und gekauft, dann in jene Länder ein- und sodann als englisches, amerikanisches und französisches Fabrikat wieder ausgeführt, ja sogar teilweise nach Deutschland in die eigentlichen Ursprungsländer zurückgeführt werden! Wir erinnern nur an die Remscheider Stahl- und die Elberfelder und Crefelder Seiden-Waren. Von den letzteren geht eine große Quantität sogar nach Lyon und kommt als Lyoner Ware mit einem Zoll von 100 % nach Deutschland zurück!

Welcher Vorwurf liegt darin für unsere Handels-Industrie! Niemand kann es denn doch vernünftig finden, dass Deutschland nicht selbst den Austausch seiner Ware übernehme, und den großen Gewinn sich aneigne, den die zwischenhandelnden Nationen jetzt mit solcher Leichtigkeit in die Tasche stecken.

Geht man näher ein auf die Ursachen dieses unnatürlichen Verhältnisses, so kommen Gründe zu Tage, die in der Tat in Erstaunen setzen.

So z. B. hat der Handelstand der Ostseehäfen längst erkannt, dass bei vielen Gegenständen ein direkter Handel mit den überseeischen Ursprungsländer viel lehnender und für das Vaterland ungleich vorteilhafter sein würde, als der jetzt bestehende indirekte über England oder Holland.

Fragt man: warum ändert ihr diese Verhältnis nicht? So muss man die Antwort hören: Unsere Reederei wäre ruiniert; und forscht man weiter, wie dies möglich sei, so muss man erfahren, dass die bisherigen Seeschiffe mit wenigen Ausnahmen entweder nur für kurze Reisen oder zu schwerfällig gebaut und ungekupfert gelassen werden, für transatlantische Reisen daher nicht zu gebrauchen sind, dass deshalb bei einem direkten Handel diese Schiffe nichts verdienen können, und so in der Tat deren gegenwärtigen Besitzer zu Grunde gerichtet sein würden, und dass aus diesem Grunde die meisten Ostsee-Reeder in ihrem Interesse, so viel sie nur können, gegen jeden direkten Handel agitieren.

Dazu kommt deutscher Bequemlichkeitshang und deutscher Kapitals-Mangel, welcher viele Handlungshäuser abhält, ihre einmal bestehenden Verbindungen in England oder Holland abzubrechen, und ihre Kommanditen aufzugeben, um in den Ursprungsländern neue anzuknüpfen resp. zu errichten. Man fühlt sich behaglich in dem alten Schlendrian! Bei den im Allgemeinen viel intelligenteren und unternehmendern Nordsee-Reedern bringt es überdies das Privatinteresse gerade der mit dem Auswanderungstransporte sich Befassenden mit sich, dass derselbe nach denjenigen Ländern hin erfolge, mit denen bereits lebhafte Handelsverbindungen bestehen, also namentlich nach Nordamerika, indem sie dadurch am ehesten auf lohnende Rückfracht rechnen können. Viele betrachten sogar die Auswanderungsfrage überhaupt nur als „Frachtangelegenheit“, und aus diesem Grunde möchten sie, Um sich die Sache noch bequemer zu machen, wo möglich den ganzen überseeischen Verkehr auf die ihnen einmal bekannten und mit ihnen in Verbindung stehenden Nord-Amerikanischen Häfen reduzieren. Müssen wir es doch sehen, dass sie Produkte von Brasilien oder Westindien über New – York beziehen!

Von Schaffung neuer Märkte wollen diese Leute freilich nichts wissen, und man kann es daher auch nur natürlich finden, wenn sie über solche Ideen die Köpfe schütteln.

Erst in neuerer Zeit vertreten in Hamburg Männer wie Geoffroy, Schröder und einige Andere den deutschen Reederstand auf eine würdigere Weise, indem sie mit der Auswanderung zugleich den Import auch aus andern Ursprungsländern verbinden, und es ist zu hoffen, dass nach und nach, und je nachdem in den Ostsee-Häfen neue Schiffe und neue Handlungshäuser entstehen, das bisherige unnatürliche Verhältnis verschwinden werde.

Operiert dabei der deutsche Industrie- und Handels-Stand nur einigermaßen mit Geschick, bekümmert er sich mehr, als bis jetzt, um den Geschmack seiner Abnehmer und richtet darnach sein Fabrikat und seine Verpackung ein, so möchten wir wohl fragen, ob es möglich sei, dass deutsche Stahl-, Wollen-, Leinen- und Seidenwaren durch die Engländer und Amerikaner von dem neuen Markte verdrängt werden könnten, den eine geregelte Kolonisation uns aufschließt.

Freilich gehört wenigstens ein geringer Grad von Intelligenz und praktischem Blicke dazu, um die so reichlich gebotenen Vorteile auch gehörig auszubeuten.

Fehlt dieser, will man mit Gewalt am alten Zopf festhalten, so werden natürlich auch die handgreiflichsten Gelegenheiten zu einem reichlichen Verdienste verloren gehen.

Wenn man aber auch allen diesen Gründen nicht nachgeben wollte, so müsste der deutsche Industriestand doch durch die vielfache Betrachtung der nächsten Folgen, welche die deutsche Auswanderung notwendig auf den auswärtigen Markt haben muss, zur Besinnung gebracht werden.

Bei der Auswanderung in der bisherigen Weise verliert die deutsche Industrie doppelt. Einerseits geht ein großer Teil kräftiger und geschickter Arbeiter und ein sehr bedeutendes Kapital verloren, andererseits aber verstärken diese Arbeiter und Kapitalien die Kräfte ihrer Konkurrenten, der Nordamerikaner!

Erwägt man dabei die enormen Ziffern an Arbeitskräften und Kapital, welche auf diese Weise alljährlich auf den Stand der beiderseitigen Industrie negativ und positiv einwirken, so kann sich auch der Blindeste über das endliche Resultat nicht täuschen!

Bis jetzt hat Nord-Amerika die deutsche Auswanderung nur ausgebeutet, und mit unglaublichem Erfolge ausgebeutet. Soll denn aber der Deutsche immer nur der wohltätige Dung fremder Nationalitäten bleiben. Es gibt aber leider noch sehr Viele im deutschen Industrie- und Handelsstand, welche überhaupt das Schaffen neuer Konsumtions-Länder durch Kolonisation für ein abenteuerliches Unternehmen halten.

In welcher Verblendung sind diese befangen!

Sie bedenken nicht, dass die in jeder neuen Kolonie sehr bald sich sammelnden Kapitalien zu einer hohen Summe wachsen, dass die Verbindung der Kolonie mit dem Hinterlande wiederum neue Konsumenten in steigender Progression schafft, und dass dadurch eine solche Kolonie selbst mit einer verhältnismäßig noch geringen Einwohnerzahl für den deutschen Handel und die deutsche Industrie von einer unendlich größeren Bedeutung werden muss, als ein Gebiet mit gleicher Einwohnerzahl, welches in der bisherigen Weise konsumiert.

Da sich indes die hartnäckigen Zweifler auf diesem Gebiete selten durch Gründe, welche in der Natur der Sache selbst liegen, bekehren lassen, vielmehr gewohnt sind, nur dann, wenn ihnen fremde Nationen eine Sache vorgemacht haben, nach und nach sich zum Nachtreten zu bequemen, so soll ihnen der Beweis für die Richtigkeit der hier vertretenen Ansichten, auch auf diesem Wege geführt werden.

Die Tatsachen sind gerade hier besonders schlagend.

England, dessen Autorität in industriellen und Handelsfragen Niemand bestreiten wird, befolgt gegenwärtig vorzugsweise das System, durch Kolonisation sich neue Konsumenten und resp. Produzenten, und damit neue Märkte zu schaffen.

Australien ist hierfür der deutlichste Beweis. Niemandem kann es entgehen, dass die von England mit Aufbietung aller Kräfte dorthin geleitete Auswanderung eben keinen andern Zweck hat, als der Englischen Industrie neue Absatzwege und dagegen als Austausch sich Selbst Produkte, die es bisher aus andern Ländern bezogen hatte, (Wolle, Kupfer) billiger zu verschaffen.

Wie weit ihm dies in kurzer Zeit gelungen, beweist einerseits, dass z. B. schon im Jahre 1846 allein die Zoll- und Steuer-Einnahmen der damals im Verhältnis zu der Haupt-Kolonie nur noch unbedeutenden Kolonie Adelaide über 62.000 L. St. (434.000 Rthlr.) betrugen, andererseits, dass auf der letzten Londoner Auktion Australischer Wolle für mehr als 40.000 L. Strl. (280.000) Rthl, nach Deutschland verkauft worden ist!

Aber auch ganz abgesehen von diesen selbstredenden Tatsachen, liegt uns auch ein merkwürdiges Aktenstück vor, in welchem diese Tendenz der Englischen Handelspolitik sich ganz unverhohlen ausgesprochen findet.

Es ist dies ein Bericht der Westaustralischen Kompagnie an das Englische Ministerium. Demselben ist als ein sich von selbst verstehender Ausgangspunkt der Satz an die Spitze gestellt, dass England, da es seinen Markt in Deutschland zum Teil verloren habe, die Deutschen aus Deutschland heraus holen und sie nach Australien versetzen müsse, um sie so zu zwingen, Konsumenten für die Englische Industrie zu werden!

So fabelhaft dies klingen mag, so ist doch die Englische Handelspolitik in der Tat dahin gerichtet, diesen Weg zu verfolgen. Zu dem Ende werden gegenwärtig im Schoße des Unterhauses, unter Leitung gewichtiger Autoritäten, großartige Maßregeln beraten und vorbereitet, welche nichts Geringeres zum Zwecke haben, als die gesamte deutsche Auswanderung im englischen Interesse auszubeuten.

Es ist hier nicht der Ort, auf die Details, welche zufällig zu unserer Wissenschaft gekommen sind, näher einzugehen; nur so viel mag angedeutet werden, dass der Plan darauf basiert ist, die deutschen Auswanderer frei von ihrem Wohnplatze aus bis in die Australischen Kolonien zu führen, und ihnen dort lohnende Arbeit zuzuweisen.

Man kann nicht leugnen, dass das Mittel äußerst geschickt ausgedacht ist. Denn wenn den Auswanderungslustigen die Sorge für die Überfahrt abgenommen wird, ein Punkt, an dem unter 100 Auswanderungslustigen bei 90 die Ausführung scheitert, und wenn dieselben außerdem die Gewissheit haben, in der Kolonie sofort lohnende Beschäftigung zu finden, so lässt sich gar nicht ermessen, bis zu welchem Grade das Auswanderungsfieber in Deutschland steigen dürfte!

Noch eine Bemerkung sei schließlich diesem Abschnitte hinzugefügt.

Geht man an die Prüfung der hier erörterten Frage, so hüte man sich ja, unbedingt das Urteil von Reedern und Exporteuren als dasjenige von Sachverständigen anzunehmen.

Diese sind für die vorliegende Frage nichts weniger als solche. Sofern sie bei der Auswanderung beteiligt sind, bezieht sich ihre Kenntnis nur auf den Transport der Auswanderer, nicht aber auf die Ansässigmachung derselben. Soweit sie aber die Reederei im allgemeinen betreiben, so verstehen sie nur Etwas von den bisherigen Reederei- und Handels-Geschäften, und allenfalls von solchen, die unter den bisherigen Verhältnissen noch zu machen sein möchten. Fast Keiner von ihnen wird aber behaupten können, Erfahrungen in der Kolonisation gemacht zu haben, worum es sich doch eben nur handelt. Überdies liegt es in der Natur der Sache, dass gerade diese Frage von ihnen oft einseitig und befangen aufgefasst wird. Denn abgesehen von dem Interesse, welches sie notwendig für ihre bisherigen Verkehrswege haben müssen, so ist auch eben ihre ganze Anschauungsweise durch den bisherigen Geschäftsbetrieb so bedingt und gefärbt, dass sie selbst unbewusst und bei dem besten Willen meistenteils--nicht im Stande sind, die Frage unbefangen aufzufassen. Gelingt es dem Einen oder dem Andern von ihnen dennoch, so geschieht es eben nicht wegen, sondern trotz seiner Eigenschaft als Reeder oder Exporteur, und deshalb, weil er es vermocht hat, sich auf den höheren Standpunkt eines unbeteiligten National-Ökonomen zu erheben. Dieser Standpunkt allein aber vermag zur richtigen Anschauung zu führen.

Wenn nun hiernach der Verein eine geordnete Kolonisation für notwendig zur vollständigen Lösung der Auswanderungsfrage erachtet, so wird er Bestrebungen in diesem Sinne möglichst zu fördern, die zuverlässigsten Nachrichten über Orte, wohin sich mit Aussicht auf Erfolg kolonisieren lässt, einzusammeln, Kolonisationsprojekte zu prüfen, die Aufmerksamkeit der Auswanderer auf diejenigen, welche sich durch die Zweckmäßigkeit ihrer Anlage empfehlen, zu lenken, zur Bildung des erforderlichen Nachzuges beizutragen, zu dem Ende die sich Anmeldenden, so weit es angeht, zu geschlossenen Gemeinden zu organisieren, Kapitalisten und Industrielle zur Beteiligung und Förderung solcher Unternehmen anzuregen, die Unterstützung der Regierung dafür herbei zu führen, kurz mit allen Kräften für die Anerkennung und praktische Ausführung der für richtig erkannten Ideen zu Wirken haben.

Der Verein hat aber nicht bloß die national-ökonomische Seite der Auswanderungsfrage zu beachten, vielmehr ist es auch

b. der politische Gesichtspunkt,
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche Auswanderung und Kolonisation.