Marie Therese Enderly
Sie ist, wie schon ihr Name ergibt, eine geborne Österreicherin, aus Wien, jetzt etwa 42 Jahre alt, — wiewohl man sie, ihrer Korpulenz ungeachtet, für jünger hält, — und befand sich seit ihrer Jugend in Berlin. Tochter einer armen Kellnerin, ein Sprössling wilder Liebe, hat sie so gut wie gar nichts in der Schule gelernt, und ist kaum im Stande, ihren Namen hinzuschreiben. Eine angenehme Persönlichkeit bewirkte, dass man sie für das Theater bestimmte, und in die so berühmt gewordene Wiener Ballettschule aufnahm. Indessen, wie es scheint, ist schon damals Fleiß und Anstrengung nicht ihre Sache gewesen; anstatt zu tanzen, hat sie sich frühzeitig darauf gelegt, zu gefallen, und daher ist es auch sehr erklärlich, dass man ihr den Abschied aus der Tanzschule bald gegeben hat, worauf sie, anscheinend als Dienstmädchen, in der Tat aber als wirkliche Zuhälterin, mit ihrem angeblichen Prinzipal nach Berlin kam. In den ersten Jahren nach den Kriegen, wo es noch überall fast an Menschen fehlte, ward es mit den Niederlassungen nicht so genau genommen, daher war es auch der Enderly leicht, als ihr früherer Prinzipal Berlin wieder verließ und sie nicht mehr um sich behalten wollte, hier zu bleiben, besonders da sie vorgab, in Dienste treten zu wollen. Dies geschah zum Schein. Allein sie hielt nicht lange aus, vielmehr gelang es ihr bald, wieder einen Liebhaber zu angeln, der sie zu seiner Mätresse machte und ihr ein anständiges Auskommen versicherte. Sie lebte nun — bis vor einigen Jahren —, bald von Diesem, bald von Jenem auf längere oder kürzere Zeit ausgehalten, in ziemlich ruhigen Verhältnissen, und da es gewöhnlich Männer von Vermögen oder von Stande waren, die sich abwechselnd für sie interessierten, so hat man auch nie gehört, dass sie mit der Polizei in Konflikt geraten wäre, — höchstens, dass diese von Zeit zu Zeit nach ihren Subsistenzquellen, und noch obendrein sehr diskret, fragte, worauf sie sich gewöhnlich ausreichend legitimierte. Erst die Folgezeit war bestimmt, ihren wahren Charakter zu enthüllen. Die öffentliche Prostitution hat sie nie getrieben, sondern immer als Mätresse gelebt, bis sie zuletzt die ärgste Kupplerin ward.
Bis in die Höhe der dreißiger Jahre war es ihr ein Leichtes, sowohl durch die eingelernte Kunst einer in Berlin sonst nicht üblichen, ganz eigentümlichen — ich möchte sagen, dem Süden ungehörigen Koketterie und Finesse, als auch, weil sie sich wirklich, in Folge ihres bisher immer geregelten Lebenswandels, außerordentlich konserviert hatte, durch eigene Preisgebung die Mittel zu ihrem luxuriösen und verschwenderischen Leben zu beschaffen. Allein, wie der weise Salomo spricht: Alles hat seine Zeit. Das Alter hat seine Rechte, wie die Jugend, und da am Ende ihres vierten Dezenniums sich die Spuren des Verwelkens bei ihr nur zu deutlich zeigten, — da flohen die frühern, reichen Liebhaber zu jüngern Schönen und nötigten sie, auf eine andere Industrie zu denken, wenn sie ferner so leben wollte, wie bisher. Ein Hauptzug, der sich in ihrem Leben fortan zu erkennen gibt, ist: die Intrige. Eine Frau, welcher die Intrige von Jugend auf so tief eingewurzelt war, wie ihr, findet es gewiss nicht schwer, dieselbe zu benutzen — um die Wünsche reicher, wüster Männer nach feilen jungen Mädchen zu befriedigen und dabei von beiden Teilen die ansehnlichsten Belohnungen zu ziehen.
Darauf gründete sie ihren Plan für die Folgezeit, welcher in nichts Anderem bestand, als in der Anlage einer eleganten Kuppelanstalt, wobei sie zugleich Gelegenheit fand, die Trümmer ihrer ehemaligen Schönheit mit in den Kauf zu bringen. Allein Berlin ist kein Wien und kein Paris; denn
1) halten sich solche Anstalten hier vor der Allmacht der Polizei und der Stimme des Publikums nur im Geheimen,
2) erlischt die Teilnahme der Berliner im Allgemeinen sehr bald, weil sie zu viele Gelegenheit haben, ihre Wünsche in dieser Beziehung ohne Mittelspersonen zu befriedigen.
Zuerst debütierte die neue Kupplerin in der Leipzigerstraße. Vertraute Dienstboten ließen nur persönlich bekannte oder eingeführte Herren gegen hohes Entrée in die glänzend eingerichteten Gemächer, wo ganze Nächte hindurch geschwelgt ward, so dass manchmal des Morgens förmliche Batterien von leeren Champagnerflaschen auf dem Hofe lagen. Die Dirnen, welche hier verkehrten, waren besonders die sogenannte Potsdamer Pauline, Schwefel-Marie, Emma S., Amalie Fl. und Auguste R. Da dieselben sich öfters in sehr ungeniertem Anzuge an den nach dem Hofe führenden Fenstern zeigten, so führte namentlich ein in demselben Hause wohnender Lehrer, der hierin für seine Pensionäre ein Ärgernis fand, bei der Polizei gegründete Beschwerden.
Noch ging es mit Warnungen ab, da die Enderly bisher noch nicht auf den Listen der professionierten Kupplerinnen gestanden hatte und da sie auch ihre Wohnung hinter die Katholische Kirche verlegte. Allein — als sie dort denselben Verkehr anfing, schritt die Polizei ein, der Wirt kündigte ihr das für 350 Thaler gemietete Quartier sofort auf und sie ward zur Verantwortung gezogen, besonders da es auch jetzt zur Sprache kam, dass sie durch ihre glänzende äußere Einrichtung sich in enorme Schulden gesteckt, dass sie unter schwindelnden Vorspiegelungen Darlehne aufgenommen und die Goldsachen der sogenannten Schwefel-Marie für 70 Thaler versetzt hatte.
Sie verteidigte sich ruhig in Bezug auf alle gegen sie erhobenen Anschuldigungen, und da sämmtliche Zeugen im Betreff der Statt gehabten Kuppelwirtschaft hartnackig schwiegen, so konnte sie nur mit einer Warnung entlassen werden, welche sie zu beherzigen versprach, um auch den bösen Schein zu vermeiden. Ihre Schulden leugnete sie nicht, wies aber nach, dass sie in Leipzig einen Liebhaber hatte, der sie zu heiraten versprochen und welcher ihr jährlich gegen 400 Thaler in ungetrennter Summe zahlen ließ, wovon sie bei dem nahe bevorstehenden Zahlungstermin ihre Gläubiger befriedigen wollte. Die Goldsachen der Schwefel-Marie hatte sie eingelöst, wozu ihr ein hiesiger Bankier — ein alter Verehrer — das Geld geschenkt hatte.
Jetzt fühlte sie sich dreist und bezog ein großes Logis in der Charlottenstraße, wo sie mit unerhörter Schamlosigkeit ihr Gewerbe fortsetzte, obschon nochmals die ernstlichsten Warnungen an sie erlassen wurden, als ein Polizeibeamter drei berüchtigte Dirnen in ihrer Wohnung vorgefunden hatte. Auch die Stimme des Publikums ward allgemein laut über die neue und großartige Anstalt.
Wenn die Polizei eine solche Wirtschaft aufheben und den Beweis dahin führen will, dass die Kupplerin der gerichtlichen Bestrafung nicht entgehen kann, so macht sie es also:
Sie forscht nach, welche Dirnen dort absteigen. Sobald sie dies weiß, zieht sie jene Dirnen (welche alle keinen reellen Broterwerb haben) z. B. wegen mangelnden Nachweises ihrer Subsistenzmittel, gefänglich ein. Nun stellt sie denselben — nachdem sie einige Tage eingesperrt sind — die Alternative, entweder gegen die Kupplerin zu denunzieren, oder nach dem Arbeitshause gebracht zu werden. Die Dirnen lieben die goldene Freiheit über Alles und fürchten sich mehr vor der strengen Disziplin des Arbeitshauses, als vor der ärgsten Schande. Daher wählen sie ohne Umstände das erste Mittel und verraten die Kupplerin. Auf diese Weise und durch die freiwilligen Anzeigen brotneidischer Phrynen und ihres Anhanges hatte die Polizei bald den Beweis gegen die Enderly in Händen. Ich will hierbei nicht von der Moralität der Polizeiofficianten sprechen, wenn sie sich der erstgedachten Mittel bedient, um Beweiszeugen zu erhalten: ein jeder Verständige wird einsehen, dass durch solche jesuitische Kunststückchen das Schlechte nicht erdrückt, sondern gefördert und das Ansehen der Polizeibehörde höchlichst kompromittiert wird.
Kurz — die Enderly ward mitten aus einer glänzenden Abendgesellschaft verhaftet, und da die Wucht der gegen sie vor Gericht auftretenden Zeugen zu groß war, vermochte sie es nicht länger, ihr offenes Geständnis zurückzuhalten. Hier muss ich einige Episoden einschalten. Schon länger hatte sich ein Registraturgehilfe des Kriminalgerichts in sie verliebt. Dies benutzte sie im Gefängnis, indem sie sich mit ihm in Rapport zu setzen wusste und ihn unter den verlockendsten Versprechungen bestimmte, ihre — eben nicht viel Gutes aus der letzten Zeit her enthaltenden Polizeiakten abhanden zu bringen. Die Polizeiakten verschwanden und wurden in der Wohnung der blondlockigen M. in der F........straße verbrannt. Diese M. ist eine Phryne, welche dem Champagner so ergeben ist, dass sie sich darin betrinkt, M. wenn sie welchen hat. Sie ist kriminell bestraft, da sie einmal — um Geld zum Besuch des Schönbartlaufens auf einem der früheren Subskriptionsbälle zu erschwingen — eine andere Dirne, Schornsteinfeger genannt, einem alten Hof- oder Kriegsrat als Jungfer fälschlich verkuppelt und ihm dafür fünf Friedrichsd'or abgenommen hatte. Die M. konnte im Rausche das Verbrennen der Enderly'schen Akten so wenig verschweigen, als ihren früheren Betrug. Die Polizei erhielt daher Wind und zeigte die Sache dem Gericht an. Hätte die Enderly geleugnet, so wäre Nichts weiter erfolgt. Allein sie gestand ein, jenen Beamten zum Aktendiebstahl verleitet zu haben, welcher demnächst auch kassiert und bestraft ward. Weil aber die Enderly so offen die Wahrheit gesagt hatte, ward sie am Schluss der Untersuchung mit Vorbehalt des Erkenntnisses entlassen und führte dann einige Zeit hindurch ein zurückgezogenes Leben. Da aber das erste Erkenntnis auf 9 Monate Zuchthausstrafe lautete, verschwand sie aus Berlin, ohne dass man bisher weiß, wo sie jetzt geblieben ist. Am wahrscheinlichsten ist, bei ihrem Hange zum Kuppeln und zum Intrigieren, dass sie — wie ein Gerücht sagt — sich als Schaffnerin in einem Bordell zu Hamburg befindet. Wie vorauszusehen, war das erste Urteil gegen sie bestätigt und sie ist gegenwärtig steckbrieflich verfolgt, um ihre Ergreifung und Hertransportierung zur Vollstreckung der wohlverdienten Strafe möglich zu machen.
Bis in die Höhe der dreißiger Jahre war es ihr ein Leichtes, sowohl durch die eingelernte Kunst einer in Berlin sonst nicht üblichen, ganz eigentümlichen — ich möchte sagen, dem Süden ungehörigen Koketterie und Finesse, als auch, weil sie sich wirklich, in Folge ihres bisher immer geregelten Lebenswandels, außerordentlich konserviert hatte, durch eigene Preisgebung die Mittel zu ihrem luxuriösen und verschwenderischen Leben zu beschaffen. Allein, wie der weise Salomo spricht: Alles hat seine Zeit. Das Alter hat seine Rechte, wie die Jugend, und da am Ende ihres vierten Dezenniums sich die Spuren des Verwelkens bei ihr nur zu deutlich zeigten, — da flohen die frühern, reichen Liebhaber zu jüngern Schönen und nötigten sie, auf eine andere Industrie zu denken, wenn sie ferner so leben wollte, wie bisher. Ein Hauptzug, der sich in ihrem Leben fortan zu erkennen gibt, ist: die Intrige. Eine Frau, welcher die Intrige von Jugend auf so tief eingewurzelt war, wie ihr, findet es gewiss nicht schwer, dieselbe zu benutzen — um die Wünsche reicher, wüster Männer nach feilen jungen Mädchen zu befriedigen und dabei von beiden Teilen die ansehnlichsten Belohnungen zu ziehen.
Darauf gründete sie ihren Plan für die Folgezeit, welcher in nichts Anderem bestand, als in der Anlage einer eleganten Kuppelanstalt, wobei sie zugleich Gelegenheit fand, die Trümmer ihrer ehemaligen Schönheit mit in den Kauf zu bringen. Allein Berlin ist kein Wien und kein Paris; denn
1) halten sich solche Anstalten hier vor der Allmacht der Polizei und der Stimme des Publikums nur im Geheimen,
2) erlischt die Teilnahme der Berliner im Allgemeinen sehr bald, weil sie zu viele Gelegenheit haben, ihre Wünsche in dieser Beziehung ohne Mittelspersonen zu befriedigen.
Zuerst debütierte die neue Kupplerin in der Leipzigerstraße. Vertraute Dienstboten ließen nur persönlich bekannte oder eingeführte Herren gegen hohes Entrée in die glänzend eingerichteten Gemächer, wo ganze Nächte hindurch geschwelgt ward, so dass manchmal des Morgens förmliche Batterien von leeren Champagnerflaschen auf dem Hofe lagen. Die Dirnen, welche hier verkehrten, waren besonders die sogenannte Potsdamer Pauline, Schwefel-Marie, Emma S., Amalie Fl. und Auguste R. Da dieselben sich öfters in sehr ungeniertem Anzuge an den nach dem Hofe führenden Fenstern zeigten, so führte namentlich ein in demselben Hause wohnender Lehrer, der hierin für seine Pensionäre ein Ärgernis fand, bei der Polizei gegründete Beschwerden.
Noch ging es mit Warnungen ab, da die Enderly bisher noch nicht auf den Listen der professionierten Kupplerinnen gestanden hatte und da sie auch ihre Wohnung hinter die Katholische Kirche verlegte. Allein — als sie dort denselben Verkehr anfing, schritt die Polizei ein, der Wirt kündigte ihr das für 350 Thaler gemietete Quartier sofort auf und sie ward zur Verantwortung gezogen, besonders da es auch jetzt zur Sprache kam, dass sie durch ihre glänzende äußere Einrichtung sich in enorme Schulden gesteckt, dass sie unter schwindelnden Vorspiegelungen Darlehne aufgenommen und die Goldsachen der sogenannten Schwefel-Marie für 70 Thaler versetzt hatte.
Sie verteidigte sich ruhig in Bezug auf alle gegen sie erhobenen Anschuldigungen, und da sämmtliche Zeugen im Betreff der Statt gehabten Kuppelwirtschaft hartnackig schwiegen, so konnte sie nur mit einer Warnung entlassen werden, welche sie zu beherzigen versprach, um auch den bösen Schein zu vermeiden. Ihre Schulden leugnete sie nicht, wies aber nach, dass sie in Leipzig einen Liebhaber hatte, der sie zu heiraten versprochen und welcher ihr jährlich gegen 400 Thaler in ungetrennter Summe zahlen ließ, wovon sie bei dem nahe bevorstehenden Zahlungstermin ihre Gläubiger befriedigen wollte. Die Goldsachen der Schwefel-Marie hatte sie eingelöst, wozu ihr ein hiesiger Bankier — ein alter Verehrer — das Geld geschenkt hatte.
Jetzt fühlte sie sich dreist und bezog ein großes Logis in der Charlottenstraße, wo sie mit unerhörter Schamlosigkeit ihr Gewerbe fortsetzte, obschon nochmals die ernstlichsten Warnungen an sie erlassen wurden, als ein Polizeibeamter drei berüchtigte Dirnen in ihrer Wohnung vorgefunden hatte. Auch die Stimme des Publikums ward allgemein laut über die neue und großartige Anstalt.
Wenn die Polizei eine solche Wirtschaft aufheben und den Beweis dahin führen will, dass die Kupplerin der gerichtlichen Bestrafung nicht entgehen kann, so macht sie es also:
Sie forscht nach, welche Dirnen dort absteigen. Sobald sie dies weiß, zieht sie jene Dirnen (welche alle keinen reellen Broterwerb haben) z. B. wegen mangelnden Nachweises ihrer Subsistenzmittel, gefänglich ein. Nun stellt sie denselben — nachdem sie einige Tage eingesperrt sind — die Alternative, entweder gegen die Kupplerin zu denunzieren, oder nach dem Arbeitshause gebracht zu werden. Die Dirnen lieben die goldene Freiheit über Alles und fürchten sich mehr vor der strengen Disziplin des Arbeitshauses, als vor der ärgsten Schande. Daher wählen sie ohne Umstände das erste Mittel und verraten die Kupplerin. Auf diese Weise und durch die freiwilligen Anzeigen brotneidischer Phrynen und ihres Anhanges hatte die Polizei bald den Beweis gegen die Enderly in Händen. Ich will hierbei nicht von der Moralität der Polizeiofficianten sprechen, wenn sie sich der erstgedachten Mittel bedient, um Beweiszeugen zu erhalten: ein jeder Verständige wird einsehen, dass durch solche jesuitische Kunststückchen das Schlechte nicht erdrückt, sondern gefördert und das Ansehen der Polizeibehörde höchlichst kompromittiert wird.
Kurz — die Enderly ward mitten aus einer glänzenden Abendgesellschaft verhaftet, und da die Wucht der gegen sie vor Gericht auftretenden Zeugen zu groß war, vermochte sie es nicht länger, ihr offenes Geständnis zurückzuhalten. Hier muss ich einige Episoden einschalten. Schon länger hatte sich ein Registraturgehilfe des Kriminalgerichts in sie verliebt. Dies benutzte sie im Gefängnis, indem sie sich mit ihm in Rapport zu setzen wusste und ihn unter den verlockendsten Versprechungen bestimmte, ihre — eben nicht viel Gutes aus der letzten Zeit her enthaltenden Polizeiakten abhanden zu bringen. Die Polizeiakten verschwanden und wurden in der Wohnung der blondlockigen M. in der F........straße verbrannt. Diese M. ist eine Phryne, welche dem Champagner so ergeben ist, dass sie sich darin betrinkt, M. wenn sie welchen hat. Sie ist kriminell bestraft, da sie einmal — um Geld zum Besuch des Schönbartlaufens auf einem der früheren Subskriptionsbälle zu erschwingen — eine andere Dirne, Schornsteinfeger genannt, einem alten Hof- oder Kriegsrat als Jungfer fälschlich verkuppelt und ihm dafür fünf Friedrichsd'or abgenommen hatte. Die M. konnte im Rausche das Verbrennen der Enderly'schen Akten so wenig verschweigen, als ihren früheren Betrug. Die Polizei erhielt daher Wind und zeigte die Sache dem Gericht an. Hätte die Enderly geleugnet, so wäre Nichts weiter erfolgt. Allein sie gestand ein, jenen Beamten zum Aktendiebstahl verleitet zu haben, welcher demnächst auch kassiert und bestraft ward. Weil aber die Enderly so offen die Wahrheit gesagt hatte, ward sie am Schluss der Untersuchung mit Vorbehalt des Erkenntnisses entlassen und führte dann einige Zeit hindurch ein zurückgezogenes Leben. Da aber das erste Erkenntnis auf 9 Monate Zuchthausstrafe lautete, verschwand sie aus Berlin, ohne dass man bisher weiß, wo sie jetzt geblieben ist. Am wahrscheinlichsten ist, bei ihrem Hange zum Kuppeln und zum Intrigieren, dass sie — wie ein Gerücht sagt — sich als Schaffnerin in einem Bordell zu Hamburg befindet. Wie vorauszusehen, war das erste Urteil gegen sie bestätigt und sie ist gegenwärtig steckbrieflich verfolgt, um ihre Ergreifung und Hertransportierung zur Vollstreckung der wohlverdienten Strafe möglich zu machen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der sittliche Zustand von Berlin nach Aufhebung der geduldeten Prostitution des weiblichen Geschlechts