Was die Naturwissenschaft zur Vampirsage zu bemerken hat

Wenn man den Quellen der verschiedenen Aberglaubensformen nachgeht, so wird man unter ihnen wenigen Phantasieschöpfungen begegnen, die so vielfache Unterstützung in natürlichen Vorkommnissen fanden, mithin so erklärlich und so entschuldbar erscheinen, als gerade die Vampyrsage. Eine erbliche Familienkrankheit, eine ansteckende Seuche, die vielleicht aus einem schlechten Brunnen oder Aborte des Hauses ihren natürlichen Ursprung herleitet, oder sich wirklich von Person zu Person überträgt, rafft die Angehörigen eines Hauses in unerbittlicher Folge hin; welche Vorstellung könnte da dem Naturmenschen angemessener und näherliegend sein, als die, daß der Vorhergestorbene den Überlebenden abhole? Eine so solide Grundlage besitzen nur die wenigsten abergläubischen Vorstellungen, und doch ist das erst der Keim des Vampyrs, der nun durch manche unglückliche Gedankenverbindungen, die im Grunde gar nichts miteinander zu thun haben, groß gezogen ward.

In Zeiten ansteckender Seuchen werden die Gestorbenen schnell beerdigt, und es geschieht dann häufiger als in gewöhnlichen Zeitläufen, daß scheintote, in Starrkrampf versunkene Kranke, ob sie gleich manche äußere Zeichen des Lebens aufwiesen, mit beerdigt werden, weil Jeder die pesthauchenden Todten aus seiner Wohnung so schnell als möglich entfernt wissen will. Ein Erwachen im Grabe, ein schrecklicher Hungers- und Erstickungstod mag unter solchen Umständen, namentlich in älteren Zeiten, häufiger vorgekommen sein. Im Volke geht eine alte Sage, daß sich namentlich in Pestzeiten nicht selten ein „Schmatzen und Kauen“ der Todten in den Gräbern habe vernehmen lassen, und mehrere Gelehrte des siebenzehnten und achtzehnten Jahrhunderts (Philipp Rohr und Michael Ranft) haben ausführliche lateinische Abhandlungen über diesen Gegenstand verfasst. Bei den früheren Gewohnheiten, die Todten in den Gewölben der Kirche selbst beizusetzen, mögen derartige Geräusche des wiederkehrenden Lebens, oder von anderen Ursachen herrührend, in den vom Straßengeräusche abgeschlossenen Räumen häufiger vernommen worden sein; sie führten leider selten oder nie zu einer Untersuchung. Aus den griechischen Kirchenlehren hatte sich die unheilvolle Vorstellung eingeschlichen, daß jene Geräusche in den Gräbern vom Teufel veranlasst würden; eine Ansicht, der auch Luther in den Tischreden ausdrücklich seine Beistimmung gab. Statt solche Gräber und Gewölbe, aus denen Pochen und Geräusch ertönte, schleunigst zu öffnen, floh man dieselben und betete für die arme Seele, welche in die Gewalt des Teufels gefallen sei. Zugleich wollte man in diesem Kauen und Schmatzen ein Zeichen erkennen, daß der Todte seine Verwandten alsbald nachholen werde, und glaubte ihm durch vorher in den Mund gesteckte Steine die Lust an den Kieferbewegungen zu nehmen. Einige Male sind solche Gräber und Gewölbe wegen Verdacht der Vampyrschaft oder aus anderen Ursachen später geöffnet worden, und man fand Gesicht und Brust solcher Leichen zerkratzt, oder sie selbst dem Sarge entflohen, wie in einem Kirchengewölbe zu Augsburg, wo die Reste einer darin eingesargten Frau später an der Gewölbetür gefunden wurden. Ranft erzählt von einer Böhmin, deren Grab man 1345 aus Veranlassung eines derartigen Geräusches geöffnet, und die ihr Linnenzeug halb verschluckt hatte. Solche unruhige Todte wurden dann als Vampyre behandelt, und der Teufel wurde ihnen ausgetrieben. Die Kennzeichen eines Vampyrs und eines Scheintoten sind ja dieselben.


Vielleicht führen kataleptische Zustände (Starrsucht) mitunter zu dem schrecklichen Loose des Lebendigbegrabenwerdens. Wie lange in besonderen Fällen im kühlen Grabe das verborgene Leben anhalten kann, ist aus naheliegenden Ursachen unerörtert geblieben, undenkbar aber scheint es mir nicht, daß in dem einen oder dem andern Falle – da man ja ausdrücklich auf Leute fahndete, die mit roten Wangen und flüssig bleibendem Blute beerdigt waren – auch einmal ein vermeintlicher Vampyr im Momente der Pfählung erwacht sein könne, um seine Mörder vergeblich um Schonung anzuflehen. In den meisten Fällen freilich, in denen von einem Winseln, Stöhnen und Röcheln der Vampyre beim Pfählen die Rede ist, werben diese Laute wohl auf Rechnung ausströmender Fäulnisgase oder der Einbildung zu setzen sein.

Hatte sich nur erst in Seuchezeiten irgendwo der Verdacht umgehender Vampyre angesponnen, so tat das Traumleben gewiss das Seinige, um Nahrung zu geben. Jedermann weiß, wie leicht gefürchtete Schreckensbilder sich im Traume wiederholen. Wem, wie dem Schreiber dieser Zeilen, der qualvolle Zustand des sogenannten Alpdrückens aus eigener Erfahrung bekannt ist, der weiß auch, wie leicht sich körperliche Beschwerden in die Bilder menschlicher Gestalten umsetzen, die auf uns liegen und uns quälen, ohne daß wir uns ihrer Umarmungen zu erwehren im Stande sind. Insektenstiche, eine sich bildende Hautentzündung können Vampyrsträume bei reizbaren Personen erzeugen; gewisse Halskrankheiten bringen Traumvorstellungen des Gewürgtwerdens hervor; Aufregungen in der Sexualsphäre rufen sehr leicht und häufig Incubus- und Succubusträume herbei.

Der oben erzählte berühmteste aller bekannt gewordenen Vampyrskandale zu Meduegia in Serbien wurde, nachdem mehrere Personen am Genusse kranken Fleisches gestorben waren, dadurch eingeleitet, daß ein Haiduck, Joviza, meldete, seine verstorbene Schwiegertochter Stanjoicka habe sich eines Tages frisch und munter schlafen gelegt, sei dann um Mitternacht mit einem entsetzlichen Geschrei, Furcht und Zittern aus dem Schlafe gefahren und habe geklagt, daß sie von einem vor vier Wochen gestorbenen jungen Haiducken, Namens Milloë, am Halse gewürgt worden sei und zugleich einen heftigen Schmerz an der Brust empfunden habe. Man bemerkte auch an ihrem Halse einen zollgroßen, blutunterlaufenen Fleck, und wenige Tage darauf war sie eine Leiche. Die namentlich auf diese Aussage hin erfolgte Aufgrabung zeigte ihren Körper wie den des Haiduckensohnes und anderer Personen im „Vampyrstande“.

Man kann obiger Erzählung und ähnlichen Berichten vollkommen Glauben schenken, nur muss man sich erinnern, daß hier Ursache und Wirkung, wie so oft, verwechselt wurden, denn die Halsentzündung erzeugte den Würgertraum, während sie fälschlich für das Wahrzeichen des Traumes angesehen wurde. Der bereits erwähnte Harenger hielt die gesamte Krankheit zu Meduegia für eine aus dem Genusse giftigen Fleisches (der Vampyrschafe, während doch sonst Vampyrblut heilt) entstandene bösartige und vielleicht ansteckende Bräune. Da haben wir einen dritten sehr gefährlichen Bundesgenossen im Traumleben, der, besonders wenn er, wie in den griechisch-katholischen Ländern, durch kirchliche Lehren unterstützt wird, die allerverderblichsten Folgen für Gesundheit und Leben herbeiführen kann. Nachdem so durch Seuchen, Lebendigbegrabene, kirchlichen Aberglauben und Traumvorstellungen ein grausiges Gespenst im Volksverstande erzeugt war, bedurste es nur noch eines augenfälligen Beweises, um die unanfechtbare Wahrheit des Vampyrdaseins zu erhärten.

Diesen Beweis lieferten die Kirchhofsuntersuchungen. Drei, vier Wochen, ja Monate lang beerdigte Todte wurden „frisch und unverwest“ gefunden. Ihr Blut war flüssig; Haar, Bart, Nägel waren gewachsen; die Haut war zum Theil erneuert. Das sich in den Wintermonaten die Leichen lange frisch erhalten, hat für Den nichts Wunderbares, der da weiß, daß man geschossenes Wild in der kalten Jahreszeit viele Wochen unverändert aufbewahren kann. Von diesem Gesichtspunkte würde der Befund auf dem Friedhofe von Meduegia vom 7. Januar 1732 nicht so sehr auffallend sein. Aber auch für den Sommer besitzen einzelne Friedhöfe und Gewölbe (zum Beispiel im Bremer Dome) das sonderbare Privilegium, die Leichen sehr lange unverwest zu erhalten, sei es wegen Trockenheit des Bodens, sehr reichlichen oder äußerst spärlichen Luftzutrittes oder aus anderen Ursachen. Außerdem mögen die Todesursachen die Körper in sehr ungleicher Weise zur Verwesung vorbereiten. Was aber das Fortwachsen von Haar und Nägeln bei Leichnamen anbetrifft, welches bereits der Kirchenvater Arnobius leugnet, Tertullian wenigstens nicht als Beweis dafür gelten lassen will, daß bei einem Körper noch eine Spur Seele und Leben zurückbleibe, so ist mir leider unbekannt, ob dieser Umstand von einem neuern Beobachter untersucht worden ist. Ins Gewicht fällt allerdings, daß Aristoteles in seiner Tiergeschichte den Vorgang behauptet, und zahlreiche ältere Schriftsteller ihm beipflichten. Ranft und Garmann vergleichen diese Hornsubstanzen den Moosen, die auf der Rinde abgestorbener Bäume fortwachsen. Es scheint etwas Annehmbares in dem Vergleiche des Haares mit einer Pflanze zu liegen, und die Fortbildung des Haares aus Reservestoffen, die in der Nähe seiner Wurzel abgelagert sind, scheint mir, natürlich nur auf kurze Zeit denkbar, nicht zu den Behauptungen zu gehören, die man von vornherein leugnen darf. Endlich das Flüssigbleiben des Blutes betreffend, ist es als festgestellt anzusehen, daß unter gewissen Umständen, zum Beispiel beim Erfrieren, das Blut weniger schnell gerinnt. Bei vierundzwanzig Personen, die 1709 beim Eisgange der Donau umkamen, fand man nach den in gelehrten Arbeiten jener Zeit niedergelegten Mitteilungen noch nach vier bis acht Wochen das Blut flüssig.

Offen gesagt, gebe ich herzlich wenig auf die Mehrzahl jener Vampyr-Leichenschau-Berichte, denn die meisten gingen von Leuten aus, welche Wunder sehen wollten und sich obendrein zu dem Werke „Muth getrunken“ hatten. Man hat offenbar in vielen Fällen Dinge gesehen, die nicht vorhanden waren, rotbraune Fäulnisflüssigkeit für frisches Blut ausgegeben und die Nasen absichtlich in nicht zu nahe Berührung mit dem Schreckensgegenstande gebracht. Wenn die griechische Kirche die Vampyre als Tympaniten bezeichnete, so will dieser Ausdruck doch offenbar sagen, daß man ihre Leiber unförmlich gedunsen und angeschwollen fand. Der Überfüllung des Körpers mit fremdem Blut wurde hier offenbar zugeschrieben, was die beginnende Fäulnis für sich bewirkte. Auf entsprechende Schlüsse führt die neugriechische Benennung Broukolaken, die den Sprachforschern zufolge Bourkolaken zu schreiben wären, da das Wort abzuleiten sei von ??????? d. h. Schmutz, Kot und ?????? d. h. Grube, Kloake, weil man ihre Gräber gewöhnlich mit Schmutz, dem rechten Element des Teufels, gefüllt fände.

Meine Ansicht über die Unzuverlässigkeit der meisten Vampyr-Befund-Nachrichten wird stark unterstützt durch den einzigen Bericht, den wir von Seiten eines Naturforschers über den Befund in einem Vampyrgrabe erhalten haben. Derselbe rührt von dem berühmten Botaniker Tournefort her, welcher auf seiner Orientreise im Winter des Jahres 1700 Gelegenheit hatte, auf der Insel Mykone einer Art Volksfest beizuwohnen, welches in Aufgrabung und Exekution eines Vampyrs bestand. Seine Schilderung, die sich im ersten Baude seiner Orientreise befindet, ist ebenso unterhaltend als lehrreich und mag zum Schlusse den düstern Eindruck verscheuchen helfen, den diese Grabesbetrachtungen hervorgebracht haben könnten. Ich halte die ausführliche Mitteilung für um so zweckmäßiger, da Perty und ähnlich denkende deutsche Mystiker, obwohl sie von dem Vorhandensein dieses Berichtes, der die lächerliche Seite des Vampyr-Aberglaubens an’s Licht bringt, genaue Kunde hatten, sich wohl gehütet haben, ihn mitzuteilen oder Schlüsse daraus zu ziehen.

„Ein Landbewohner,“ erzählt Tournefort, „von einem mürrischen und streitsüchtigen Temperamente, war auf dem Lande, man wusste nicht durch wen oder wie, getötet worden. Zwei Tage nach seiner Beerdigung in einer Kapelle der Stadt (Mykoni) verbreitete sich das Gerücht, daß man ihn mit langen Schritten umherlaufen sähe, daß er in die Häuser dringe, um die Möbel umzuwerfen, die Lampen auszulöschen, die Leute von hinten zu umfassen und tausend Schalksstreiche auszuführen. Man lachte anfangs bloß darüber, aber die Sache wurde ernsthaft, da die angesehensten Leute sich zu beklagen anfingen. Die Popen erklärten ihren Glauben an die Sache und hatten ohne Zweifel ihre guten Gründe dazu. Inzwischen setzte das Gespenst diesen Wandel fort. In einer Versammlung der Stadthäupter, Priester und Mönche wurde endlich beschlossen, daß man, ich weiß nicht welchem alten Branche zu Liebe, die neun Tage nach der Beerdigung abwarten wolle.

Am zehnten Tage las man eine Messe in der Kapelle, in welcher der Leichnam lag, um den Dämon auszutreiben, welchen man in demselben eingeschlossen wähnte. Darauf scharrte man den Körper aus und schickte sich an, ihm das Herz auszureißen, was ein Beifallsjauchzen in der ganzen Versammlung hervorrief. Der Körper duftete so übel, daß man genöthigt war, mit Weihrauch zu räuchern; aber dieser Qualm, vermischt mit dem schlechten Geruche, vermehrte die Beschwerden nur und begann den Kopf dieser armen Leute zu betäuben; ihre Phantasie erfüllte sich mit Visionen. Man verstieg sich so weit, zu behaupten, daß ein dicker Dampf aus dem Körper selbst hervorströme. Wir wagten nicht zu versichern, daß es nur der Weihrauchdampf sei. Man schrie in Einem fort: ‚Broucolaccas!‘ in der Kapelle und auf dem Platze. Der Lärm verbreitete sich in den Straßen gebrüllartig, und dieser Name schien gemacht, um Alles in Erschütterung zu versetzen. Mehrere Beistehende versicherten, daß das Blut noch ganz hochroh sei; andere schwuren, daß es noch ganz warm sei, woraus man schloss, daß der Todte sehr Unrecht hatte, nicht tot zu sein, oder richtiger dem Teufel sein Leben zu verdanken. Es ist dies genau die Idee, die man von einem Broukolaken oder Vroukolaken hat. Die Leute, welche ihn beerdigt hatten, behaupteten, daß sie wohl bemerk hätten, daß er nicht steif gewesen sei, als man ihn vom Lande nach der Kirche geschafft, und daß es mithin ein richtiger Broukolake wäre. Das war der immer wiederkehrende Vers.

Endlich kam man auf die Idee, das Herz des Todten zu verbrennen, der nach dieser Operation nicht vernünftiger als vorher wurde. Man klagte ihn immer noch an, die Leute des Nachts zu prügeln, die Türen einzuschlagen, die Kleider zu zerreißen, Flaschen und Krüge zu leeren. Es war ein sehr aufgeräumter Toter. Ich glaube, er schonte einzig das Haus des Konsuls, bei welchem wir wohnten. Der Verstand schien allgemein zerrüttet zu sein; es war eine wahre Gehirnkrankheit, ebenso gefährlich wie der Wahnsinn und die Wutkrankheit. Man sah ganze Familien ihre Häuser verlassen, ihre Betten auf den Marktplatz tragen, um dort die Nacht zuzubringen; die Vernünftigsten begaben sich auf das Land.

Die für das öffentliche Wohl eifrigsten Bürger der Stadt versicherten, daß man den wesentlichsten Punkt der Zeremonie verfehlt habe. Man hätte, sagten sie, die Messe erst nach der Entnahme des Herzens feiern müssen. Sie behaupteten, daß man mit dieser Vorsicht nicht verfehlt haben würde, den Teufel zu überraschen, und ohne Zweifel würde er sich gehütet haben, zurückzukehren; da man aber mit der Messe angefangen, hätte er Zeit gehabt, nachher wieder in den Körper einzuschlüpfen. Man machte inzwischen während dreier Tage und dreier Nächte Prozessionen in der Stadt, nötigte die Popen, zu fasten, entschloss sich, während der Nacht Wachen zu stellen, und arretierte dabei einige Vagabonden, die sicherlich an dieser allgemeinen Unordnung Schuld hatten. Aber man ließ sie allzu schnell wieder frei, und sie konnten zwei Tage darauf aufs Neue beginnen, die Weinkrüge Derer zu leeren, die ihr Haus über Nacht verlassen hatten, und sich so für ihr Fasten im Gefängnisse entschädigen. Man war mithin genöthigt, von Neuem seine Zuflucht zum Gebete zu nehmen.

Eines Morgens, als man gewisse Gebete hersagte, nachdem man eine Anzahl nackter Degen auf das Grab des Leichnams, den man täglich drei- bis viermal nach dem Wunsche irgend eines Ankömmlings ausscharrte, gelegt hatte, fiel es einem Albanesen, der sich zu Mykoni befand, ein, mit Doctormiene zu sagen, sich zu diesem Zwecke der Christendegen zu bedienen, sei lächerlich. ‚Sehet Ihr denn nicht, Ihr armen Leuten,‘ setzte er hinzu, ‚daß das Stichblatt dieser Degen, da es mit dem Griffe ein Kreuz bildet, den Teufel hindert, aus diesem Körper zu gehen? Warum bedient Ihr Euch nicht lieber türkischer Säbel?‘ Der Rath diente zu nichts; der Broukolake wurde darum nicht fügsamer, und man wusste schließlich nicht mehr, welchem Heiligen man sich widmen sollte, bis man endlich einstimmig beschloß, den Körper gänzlich zu verbrennen, da sie dem Teufel immer noch zutrauten, daß er darin hause. Man präparierte demnach einen Scheiterhaufen mit Teer auf dem äußersten Vorsprunge der Insel St. Georges und die Überreste des Leichnams wurden am 1. Januar 1701 verbrannt. Seitdem hörte man nicht mehr reden von dem Broukolaken. Man begnügte sich zu sagen, daß man diesmal den Teufel richtig erwischt habe, und machte Spottlieder auf ihn.“

„Im ganzen Archipel,“ fügte Tournefort diesem Berichte hinzu, „ist man überzeugt, daß der Teufel nur die Leichname der Anhänger des griechischen Bekenntnisses belebt. Die Bewohner der Insel Santorin hatten eine Angst vor dieser Art von Gespenstern; diejenigen von Mykoni fürchteten, nachdem ihre Visionen zerstreut waren, die Verfolgungen der Türken und des Bischofs von Tina. Kein Priester wollte sich auf Saint Georges einfinden, als man den Leichnam verbrannte, aus Furcht, daß der Bischof ein Strafgeld von ihnen fordern würde, weil man ohne seine Erlaubnis den Todten ausgescharrt und verbrannt habe. Was die Türken anbetrifft, so ist es gewiss, daß sie bei ihrem nächsten Besuche nicht verfehlten, sich von der Gemeinde Mykoni das Blut dieses armen Spukes bezahlen zu lassen, der in jeder Beziehung der Abscheu und Schrecken seines Landes war.“

Dieser Bericht zeigt genugsam, daß die Vampyre eine förmliche Leidenschaft der Griechen bildeten, daß man aber Unrecht gehabt hat, sich in anderen Ländern mit ihnen zu beschäftigen. Unter der slawischen Bevölkerung Österreichs haben sie viel Lärm gemacht und ebenso zeitweise in Polen; Preußen ist das äußerste Land Europas, bis zu welchem sie vorgedrungen sind. In Frankreich und England haben die Vampyre zu keiner Zeit Glück gemacht, außer in der Literatur. Fragt man aber, woher Görres, Perty und Konsorten die Überzeugung geschöpft haben, daß die Vampyre zu den grausigsten Rätseln der Welt zählten, daß jemals so etwas wie ein Vampyr existirt habe, so muss man sagen, sie haben ihr Urteil aus Volkssagen geschöpft, die wenig Vertrauen verdienen, oder aus Vorkommnissen, die sich auf sehr natürliche Verhältnisse zurückführen lassen. Aus so unverbürgten Nachrichten ein System des Aberglaubens, abenteuerlicher als dieser selber, zurecht machen, das ist mehr als Beschränktheit, das ist Gewissenlosigkeit.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Vampir - Schrecken im 19. Jahrhundert