Der Vampirismus wurde zeitweise zu einer förmlichen Pest und Landplage

Der Vampyr-Aberglaube hätte wahrscheinlich ebensowenig wie der Hexenglaube jemals eine größere Gewalt über die Gemüter gewonnen, wenn demselben nicht die Kirche ihre Autorität geliehen hätte. Als die Trennung der griechischen Kirche von der römischen eine Tatsache geworden war, hielten es die Patriarchen der ersteren vor Allem nöthig, eine straffe Kirchendisziplin einzuführen, wozu sich wiederum nichts zweckmäßiger zeigte, als die Ausstattung des Kirchenbannes mit übernatürlicher Gewalt. Sei es, daß man auf einem in Osteuropa vorhandenen Aberglauben fußte oder denselben neu schuf, es schlich sich in die kirchliche Verfluchungsformel der Abtrünnigen der Satz ein: „Dein Platz sei bei dem Teufel und dem Verräter Judas! Nach Deinem Tode sollst Du in Ewigkeit nicht zu Asche werden, sondern unverweslich liegen wie Stein und Eisen!“ Während die katholische Kirchenlehre in vielen Fällen die Unverweslichkeit eines Todten als Zeichen besonderer Heiligkeit auffasste, bestrebte sich die griechische Kirche, denselben Zustand als Zeichen ihres Fluches darzustellen, und bald bildete sich die neue Lehre dahin aus, daß der Teufel sich des unverweslichen Leichnams als seines Eigentums und einer Maske bemächtige, um damit die überlebenden Verwandten so lange zu plagen, bis sie dafür gesorgt hätten, daß der Verstorbene vom Kirchenbanne losgesprochen sei. Die griechische Kirche brauchte, wie man sieht, einen Ersatz für das von ihr verworfene, aber für die Kirche sehr einträgliche Fegefeuer. Man nannte solche im Kirchenbanne gestorbene unverwesliche Leichen Tympaniten, weil sie sich durch Aussaugen des Blutes Lebender nähren und dadurch aufschwellen wie eine Trommel oder Schafzecke.

Seit der Mitte des elften Jahrhunderts, in welchem die griechische Kirche selbstständig geworden war, wurden eine Menge Geschichten in Umlauf gesetzt, welche die bindende und lösende Macht des Priesterwortes in dieser Richtung an Beispielen beweisen sollten. Viele sind von Reisenden des fünfzehnten, sechszehnten und siebzehnten Jahrhunderts gesammelt worden; Heineccius hat eine besondere Abhandlung „über die Erlösung der Tympaniten“ verfasst, in welcher viele Beispiele erzählt werden, die in der Hauptsache alle auf dasselbe hinauslaufen, so daß man gezwungen wird zu glauben, Experimente, wie das nachfolgend erzählte, welches dem dritten Bande der Geschichte der griechischen Kirche von Heineccius entnommen ist, seien wirklich öffentlich in den Kirchen zur Beförderung des Glaubens angestellt worden. Mahomed der Zweite hatte diesem Berichte zufolge davon vernommen, daß die im Banne der griechischen Kirche gestorbenen Todten erst nach Aufhebung des Fluches zu verwesen begännen, und befahl dem Patriarchen des von ihm eroberten Konstantinopel der Kuriosität wegen, einen derartigen Leichnam aufsuchen zu lassen und das Experiment vor Zeugen zu wiederholen. Man erinnerte sich, daß der Patriarch Gennadius vor vielen Jahren eine Priesterwitwe in den Bann getan, die darin ohne Absolution gestorben war. Als man das Grab öffnete, fand man einen gräulichen Anblick, nämlich einen Körper, der wie eine Trommel aufgeschwollen und so hart wie Stahl und Eisen war. Man legte denselben in einen Sarg, der zur Verhütung aller Täuschung mit des Sultans Siegel verschlossen wurde, und trug ihn in die christliche Kirche. Daselbst hielt der Patriarch das Amt, sprach die Frau vom Banne los und verlas das darüber ausgefertigte Schriftstück. Sobald er damit fertig war und Amen gesagt, vernahm man innerhalb des Sarges ein gewaltiges Prasseln, und als man ihn öffnete, fand man nichts in demselben, als ein Häufchen Asche mit einigen Knöchelchen.


Diese und ähnliche Geschichten, bei denen das Poltern im Sarge immer zum Handwerk gehört, möchten manchem Leser spanisch vorkommen, und ich will sie in unsere Sprache übersetzen. „Sie sehen hier, meine hochverehrten Herrschaften , ein hölzernes, außen schwarz angestrichenes Kästchen, ganz leer, ohne doppelten Boden oder irgend welche Vorrichtung – bitte, sich selbst zu überzeugen! – und hier eine große, massiv gearbeitete Puppe, – wollen Sie sich gefälligst durch Anfassen überzeugen? – die ich in das Kästchen lege, welches sie so vollkommen ausfüllt, daß ich, wie Sie sehen, nur mit Mühe den Deckel schließen kann. Ich decke ein Tuch darüber, damit nichts heraus und nichts hinein kann, und bitte Sie, Ihre Aufmerksamkeit genau auf das Kästchen zu richten. So wie ich spreche: ‚Hocus, pocus, fiat‘ und den Deckel mit der Spitze meines Zauberstabes berühre, hören Sie ein Klimpern im Kästchen, und finden nach dem Öffnen die Puppe ins Land der Dummen abgereist und an ihrer Stelle einen niedlichen Kranz, an welchen die Taschenuhren geknüpft sind, welche Sie die Güte hatten, mir vorhin zu leihen, und an denen Sie, obwohl ich sie vorher in jenem Mörser zerstieß, ganz genau sehen können, was die Glocke geschlagen hat.“ Damit man mich nicht eines frivolen Spottes über Gegenstände des griechischen Glaubens zeihe, erlaube man mir noch ein historisch verbürgtes Parallelstück aus der Geschichte der katholischen Kirche zu erzählen, bei welchem die Taschenspielerei direkt nachgewiesen wurde.

Im Beginne des sechzehnten Jahrhunderts kam ein wundertätiges Madonnenbild im Augustinerkloster zu Gens plötzlich in den Ruf, durch eine besondere Gnade kleine, ohne Taufe gestorbene und somit, gleich den Trommelflüchtigen der griechischen Kirche, dem Teufel verfallene Kinder auf seinem Altare so lange wiederzubeleben, daß die Taufe an ihnen vollzogen werden könne. Diese raffinierte Erfindung führte Hunderte von Kinderleichen nach jener Kirche, die man in Reih und Glied auf den Altar legte, jede mit einer Flaumfeder vor den Mund, die sich dann zum Zeichen des Lebens während der heiligen Handlung rhythmisch bewegte. Bisweilen sah man Schweißtropfen auf dem Leibe der Kleinen, fand ihre Glieder nach der Taufe warm, und bemerkte noch andere unbeschreibliche Erinnerungen an ihr zeitweiliges Aufleben auf dem Altare. Indessen am 11. Mai 1535 wurde die Klosterkirche auf Antrag des Stadtrates geschlossen, weil man in Erfahrung gebracht, daß hinter dem Altare einige fromme Schwestern angestellt worden, mit Hülfe einiger Blasebälge die keinen Leichen für die Zeitdauer der Taufe atmen zu lassen und sie durch heiße Steine in Schweiß zu bringen. Anton Froment und Agrippe d’Aubigné sind meine Gewährsmänner.

Es wird nach dem Obengesagten für Niemanden mehr auffallend erscheinen, daß der Vampyrismus stets nur in Ländern griechischen Bekenntnisses und in den nächsten Nachbarländern epidemisch aufgetreten ist. Sein Vorkommen im übrigen Europa ist stets nur sporadischer Art gewesen. Nach den Berichten zahlreicher Reisenden wurde der Vampyrismus dort zeitweise zu einer förmlichen Pest und Landplage, denn die vom Teufel besessenen Vampyre beschränken ihr Kommen endlich nicht mehr auf die Nacht; sie liefen hellen Tages, zum Beispiel auf den Weinbergen der Insel Chios umher, übten auf der Landstraße allerlei Schabernack und töteten Thiere und Menschen; aber sie erscheinen nicht immer bloß Leben nehmend, sondern zuweilen – und das ist der Humor von der Sache – Leben gebend. Ein Reisender notiert es als einen besondern Vorzug des griechischen Archipels, daß man daselbst die Vaterschaft unehelicher Kinder auf einen Vampyr schieben könne. Vorwiegend blieb indessen ihre Erscheinung im höchsten Grade unheimlich und gefürchtet. Auf der Insel Chios bildete man sich, wie Leon Allatius im sechszehnten Jahrhundert erzählt, ein, die Brukolaken riefen des Nachts vor den Häusern den Namen der Bewohner; wer darauf antworte, müsse sterben; sie antworteten daher immer erst aus den zweiten Ruf oder auf wiederholtes Klopfen. Brukolaken, Broukolaken, Zorzolaken, Nomolaken sind die griechischen Benennungen der Tympaniten; auf der Insel Kandia nannte man sie Katakhanes, in Serbien Vukodlaken, in Dalmatien, wo man sie als Mädchennachsteller und Urheber der Bleichsucht ansieht, Wudlowaken; in der Moldau Prekolitschen; in der Walachei Murony; in Polen Uziers. Die Walachen unterließen früher bei keiner Leiche gewisse Vorsichtsmaßregeln, die den Teufel hindern sollten sich ihrer zu bemächtigen.

In den älteren Vampyrgeschichten, die in so großer Zahl vorhanden sind, daß man damit Bände anfüllen könnte, tritt der kirchliche Ursprung dieser Aberglaubensform besonders deutlich hervor. So namentlich in einer Geschichte, die Erasmus Franciscus erzählt, welche 1672 in dem Marktflecken Kring in Krain passirt sein soll. Daselbst war vor sechszehn Jahren ein Mann, Namens Georg Grando, gestorben, der seitdem in den Straßen umherlief und bei den Leuten, die sterben sollten, Nachts an die Tür klopfte, insbesondere aber seine lebende Frau durch seine Nachtbesuche beständig belästigte. Dieselbe floh zum Supan (Bürgermeister) und bat ihn um Beistand. „Der Supan bittet deswegen einige beherzte Nachbarn zu sich, giebt ihnen zu saufen, spricht ihnen zu, sie sollen ihm Beistand leisten, daß solchem Übel möge abgeholfen werden; weil dieser Georg bereits viele ihrer Nachbarn gefressen hätte, dazu die Wittwe alle Nächte überwältige. Worauf sie sich entschlossen, den unruhigen Nachtgänger anzugreifen und ihm das Handwerk zu legen. Diesem nach haben sich ihrer Neun aufgemacht, mit zwei Windlichtern und einem Kruzifix und das Grab geöffnet. Da sie denn des entdeckten todten Körpers Angesicht schön rot gefunden, welcher sie auch angelacht und das Maul aufgetan. Worüber diese streitbaren Gespenstbezwinger dermaßen erschrocken, daß sie alle miteinander davon gelaufen. Solches kränkte den Supan, daß ihrer neun Lebendige mit einem einzigen Todten nicht sollten zurecht kommen können, sondern bei bloßem Anblick desselben das Hasenpanier ergriffen. Derohalben sprach er ihnen zu und frischte sie an, daß sie mit ihm wieder umkehrten zum Grabe und ihm einen geschärften Pfahl vom Hagedorn durch den Leib zu schlagen sich bemühten, welcher Pfahl allemal wieder zurückprallte. Indessen hielt der Supan inzwischen dem Todten das Kruzifix vor’s Gesicht und sprach also: ‚Schau, Du Strigon! hier ist Jesus Christus, der uns von der Hölle erlöset hat und für uns gestorben ist‘ etc. Dabei drangen dem Gespenst die Tränen aus den Augen. Da man den Pfahl nicht einzutreiben vermochte (was bei ihrer Betrunkenheit nicht zu verwundern gewesen sein möchte), begannen sie ihm den Kopf abzuhacken. Worauf der Todte ein Geschrei getan und sich gewunden nicht anders, als ob er lebendig wäre, auch das Grab voll geblutet. – – Von welcher Zeit das Weib und andere Leute Ruhe vor ihm gehabt.“ Mit das Wunderbarste an der Sache bleibt, daß diese lachenden, weinenden und sich windenden Vampyre, die sonst so geschwind zu Fuße sind, der Exekution niemals entfliehen. Wir sehen hier einen förmlichen Exorzismus dem besessenen Leichnam gegenüber, und da nach späterer Vorstellung nicht blos der ausdrücklich vollzogene Kirchenbann, sondern auch ein des Kirchenbannes würdiges Leben dem Teufel Gewalt über die Leichen der griechischen Christen gab, so war in Südosteuropa bald im eigentlichen Sinne des Wortes „der Teufel los“.

Es sind vornehmlich zwei Fälle, die zu amtlichen Ermittelungen im Anfange des vorigen Jahrhunderts geführt haben und ein ungemeines Aufsehen in ganz Europa hervorriefen, wovon die Protokolle noch heute den Vampyr-Gläubigen als Hauptbeweise ihrer Theorie dienen. Beide kamen bald nacheinander in der Nähe der ungarischen Grenze gegen Bosnien und Serbien vor, in Ortschaften, deren Bevölkerung aus sogenannten Raizen oder Ratzen, einer griechisch-katholischen Sekte, bestand. In dem Dorfe Kisolova, Rahmerdistrict, starben 1725 innerhalb einer Woche neun Personen nach vierundzwanzigstündiger Krankheit, die vor ihrem Tode zum Theil ausgesagt hatten, sie seien in der Nacht von einem gewissen Peter Plogojowitz, der vor zehn Wochen im Dorfe gestorben und raizischer Manier beerdigt war, besucht worden, der sich auf sie gelegt und sie im Schlafe gewürgt habe. Man frug bei der Gradisker Behörde um die Erlaubnis an, den Körper auszugraben und nach Gebrauch damit zu verfahren, um weiterem Unheile vorzubeugen. Da man sich weigerte einen Bescheid von der Belgrader Regierung abzuwarten und mit Auswanderung drohte, wurde in Gegenwart des Popen und des „kaiserlichen Provisor“ (Serbien gehörte bekanntlich seit dem Frieden von Passarowitz, 1718, zu Oesterreich) aus Gradisk die Leichenbesichtigung vorgenommen, welche ergab, daß die Leiche nach zehnwöchentlicher Bestattung mit Ausnahme der eingefallenen Nase noch frisch und ohne Geruch erschien, daß Bart und Haar gewachsen war, daß die Oberhaut und Nägel abgestoßen waren und unter denselben Neubildungen befindlich. Man pfählte und verbrannte den Vampyr, dessen Mund und Leib mit rotem Blut gefüllt waren.

Der zweite Fall spielte 1728–1732 in Meduegia (Medvegya) in Serbien, einem damals ganz von raizischer Bevölkerung bewohnten Dorfe. Die Seuche war dort angeblich eingeschleppt worden von einem Haiducken Arnod Parle (Paul), der sich geäußert hatte, er sei früher im türkischen Serbien von einem Vampyr geplagt worden, habe sich aber mit Vampyrblut gesalbt und Erde vom Grabe seines Angreifers gegessen und sei so vom Tode gerettet worden. Kurz nachdem er von einem Heuwagen gestürzt und gestorben war, folgten ihm vier Personen, die ihn als den Urheber ihres Todes bezeichneten. Man grub Alle aus, fand sie vierzig Tage nach ihrem Tode in demselben Vampyrenstand, wie den obengedachten Plogojowitz, pfählte und verbrannte sie.

Inzwischen wurde behauptet, daß ein später eintretendes Viehsterben auch auf ihre Rechnung zu schreiben sei, und eine sechzigjährige Frau, Namens Miliza, welche von dem Fleische der von Vampyren getödteten Schafe (!) gegessen hatte, wurde 1731 als Urheberin eines neuen größeren Sterbens bezeichnet. Innerhalb dreier Monate starben siebzehn Personen in dem keinen Dorfe, unter denen Einige behaupteten, Vampyrbesuche gehabt zu haben, und die Belgrader Regierung beauftragte den Regimentschirurg Flickinger, im Beisein zweier andern Chirurgen, mit einer Untersuchung. Das von ihnen am 7. Januar 1732 verfasste und außerdem von zwei Offizieren des Alexander von Würtemberg’schen Regimentes unterschriebene Protokoll besagt im Auszuge Folgendes: Es wurden vierzehn Leichen von Männern, Frauen und Kindern ausgegraben, die in den letzten drei Monaten gestorben waren. Vier derselben, die erst fünf resp. sieben Wochen im Grabe lagen, waren völlig verwest, zehn andere dagegen befanden sich nach Ansicht des Chirurgs im „Vampyrzustande“, ihre Eingeweide waren frisch, voller „balsamischen“ Geblüts, Haut und Nägel zum Theil abgestoßen und durch neue ersetzt. Die Leiche der Urheberin, welche durch Essen des an der Seuche gestorbenen Schaffleisches das Sterben eingeleitet hatte und seit drei Monaten beerdigt war, zeigte sich besser genährt und fetter, als sie – nach Ansicht der Ortsbewohner – bei Lebzeiten gewesen war. Man begrub die verwesten Leichen, ließ den andern durch Zigeuner die Köpfe abschlagen, den Leib verbrennen und die Asche in den Fluss Morava werfen. Der erwähnte amtliche Bericht ging durch alle Zeitungen Europas und rief eine ungeheure Aufregung hervor. Alle Welt sprach von den serbischen Vampyren, und in den Jahren von 1728 bis l760 erschienen mindestens ein halbes Hundert verschiedene, mehr oder weniger umfangreiche und gelehrte Abhandlungen und Bücher über den Gegenstand. Einige derselben sollen direct auf Wunsch des deutschen Kaisers und des Königs von Preußen geschrieben worden sein.

Ich habe bei Abfassung dieses Aufsatzes sechs dieser Abhandlungen vor mir liegen, von denen vier im Jahre 1728 und 1732 bei August Martini in Leipzig erschienen sind. Dieser Buchhändler hatte sich, nebenbei gesagt, ganz auf Sterbeliteratur gelegt, die damals sehr in Mode gewesen sein muss. In seinem einer Abhandlung angedruckten Verlagskataloge zähle ich sechzig verschiedene Bücher, die alle vom Tode handeln und unter denen zehnmal der Titel Sterbekunst, Sterbeschule, „ohnfehlbare Kunst zu sterben“ wiederkehrt. Obige Autoren betrachteten die serbischen Vampyre auf die verschiedenste Weise. Die Einen schieben die Urheberschaft kurzweg dem Teufel zu; Andere glauben die Belebung und Erhaltung der Leichen einem Astral- oder Weltgeiste in die Schuhe schieben zu dürfen; Andere erblicken eine Seuche darin mit häufigem Vorkommen von Scheintod; noch Andere halten Alles für leere Einbildungen und Lügen, so wahnsinniges Zeug aber, wie in dem 1872 gedruckten Buche des Professor Dr. Perty in Bern, habe ich in keinem dieser Berichte gefunden. Der gelehrte Rector der Stiftsschule zu Gandersheim, Christian Harenberg, ist der einzige unter den mir zu Gesicht gekommenen Autoren, welcher mit Nachdruck darauf hinweist, daß der amtliche Bericht selber den Schlüssel zur Erklärung des Sterbens der siebzehn Personen zu Meduegia enthält, indem er es auf den Genuss des Fleisches von Tieren zurückführt, die an einer herrschenden Seuche krepiert waren.

Einen ganz entsprechenden Fall berichtete vor einiger Zeit die Temesvarer Zeitung aus dem Jahre 1873, von welchem man glauben möchte, die Buchstaben der Jahreszahl seien durch ein Versehen des Setzers so zusammengefügt und sollten eigentlich 1738 heißen. In der Gemeinde Belotincz war nämlich die Cholera ausgebrochen und hatte bereits zahlreiche Opfer gefordert, so daß die Einwohner dieses Fleckens sehr bestürzt waren und in ihrer Furcht vor der Seuche ihre Zuflucht zu allerlei abergläubischen Mitteln nahmen. Als dieselben nichts fruchteten, beschloß man, zu dem energischen, vor hundertundfünfzig Jahren in diesen der serbischen Grenze nahen Gegenden oft bewährten Mittel seine Zuflucht zu nehmen. Die Einwohner von Belotincz gruben nämlich aus dem Kirchhofe elf Leichen von an der Cholera verstorbenen Personen aus, ließen dieselben durch einen gemieteten „Hexenmeister“ öffnen und ihnen die Herzen herausnehmen, über welche der Zauberer dann allerhand wahnsinnige Beschwörungsformeln sprach. Hierauf verteilte er die Herzen unter die Bewohner als Mittel gegen die Cholera. Sie sollten natürlich genossen werden. Die Gemeinde Petirs, wo ebenfalls Cholerafälle vorgekommen waren, hörte von dieser Geschichte und dingte denselben Hexenmeister für dasselbe abgekürzte Verfahren mit ihren Cholera-Vampyrs; zum Glück erfolgte jedoch die Verhaftung desselben, bevor er in Petirs seine Kunst üben konnte.

Das Wenige, was die Naturwissenschaft zur Vampyrsage zu bemerken hat, werden wir in einem Schlussartikel zusammenstellen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Vampir - Schrecken im 19. Jahrhundert