§ 2. Die Germanisierung des Landes

Die slavischen Länder im Osten Deutschlands sind auf doppeltem Wege für deutsches Recht und deutsche Wirtschaftsweise gewonnen worden: durch kriegerische Unterjochung und friedliche Kolonisation. Die Germanisierung von Pommern und Rügen hat ausschließlich den letzteren Weg eingeschlagen, sie hat sich ohne Schwertstreich und unter einheimischen slavischen Fürsten in nicht ganz zwei Jahrhunderten vollzogen.

Man hat daran in neuerer Zeit vielfach Anstoß genommen und infolge dessen die deutsche Einwanderung — besonders für Rügen — überhaupt in Abrede gestellt und auf eine frühere germanische Bevölkerung zurückgegriffen, welche nur durch slavische Fürsten und Adel unterworfen und in den Stand der Hörigkeit herabgedrückt gewesen sei. Die eingetretene Umgestaltung wird nur als eine Wiedergermanisierung hingestellt und eben damit auch ihr rascher und vollständiger Verlauf erklärt.*)


Es ist nicht die Aufgabe unserer Darstellung näher auf diese sehr interessante Streitfrage einzugehen:**) es genügt uns festzustellen, dass jedenfalls greifbare Spuren einer früheren deutschen Wirtschaftsverfassung und einer deutschen Nationalität der großen Masse des Volkes nicht nachweisbar sind. An und für sich ist es allerdings duichaus nicht unwahrscheinlich, dass von der früheren Bevölkerung jener Länder, welche wie jetzt allgemein angenommen***) eine germanische war, erhebliche Bestandteile da und dort sitzen geblieben waren, allein diese Reste müssen in den dazwischen liegenden sechs oder sieben Jahrhunderten wohl ganz in dem herrschenden slavischen Volk aufgegangen sein. Die Verhältnisse jener Zeit waren nicht danach angethan, unterjochten Volksresten eine so lange Erhaltung ihrer Nationalität zu ermöglichen.

*) So besonders von Fabricius in dem Text zu seinem Urkundenwerke u. a. Vgl. die Literatur bei Padberg S. 187 A. 2.

**) Wir verweisen auf die erschöpfende Behandlung derselben bei Fock, Rügensch - Pommersche Geschichten aus sieben Jahrhunderten. B. I. S. 113.

***) Vgl. auch Berghaus, Märkisches Landbuch. Teil I, 615.


Die deutsche Einwanderung in jenen Ländern aber überhaupt bestreiten zu wollen, dies steht mit dem Urkundenschatz des Festlandes in offenbarem Widerspruch. Deutlich kann ja hier das Wandern niederländischer und sächsischer Ansiedler von Westen nach Osten an die Elbe und über sie hinaus bis nach Polen verfolgt werden.

Auch für Rügen kann eine Einwanderung deutscher Ansiedler ebensowenig in Abrede gestellt werden, wenn sich auch deren quantitative Bedeutung in der Folge als geringer herausstellen wird, wie auf dem Festland. Aber die Germanisierung des Landes hat sich auch hier nicht minder rasch und vollständig vollzogen.

Um aber den schnellen Verlauf dieses Umwandlungsprozesses und die befremdende Stellung, welche die slavischen Fürsten in demselben einnehmen, zu verstehen, muss Folgendes ins Auge gefasst werden:

Die Germanisierung vollzog sich in Pommern und Rügen allerdings friedlich, nicht so aber die ihr vorausgegangene Christianisierung. In Pommern war sie durch die Kriege, in welchen der christliche König Boleslav I. von Polen das Land im Anfang des 12. Jahrhunderts unterjochte, angebahnt worden. Dieser war es auch, welcher den Bischof Otto von Bamberg ins Land rief und seinen beiden Bekehrungsreisen 1124 und 1127 den nötigen Nachdruck verlieh. Das Fürstentum Rügen aber wurde 1168 durch Waldemar den Großen von Dänemark mit Waffengewalt zur Annahme des Christentums gezwungen. Dabei hatten Polen und Dänen — besonders die ersteren — unter dem Zeichen des Kreuzes schlimm im Lande gehaust. Verheerende Kriege zwischen Rugianern und Pommern folgten. Zahlreich sind aus jener Zeit die Nachrichten von großer Verwüstung und Verödung des Landes.*) Die Bevölkerung war durch die anhaltenden Kriege stark zusammengeschmolzen, ihre Kraft gebrochen. Und doch galt es gerade damals nicht nur Wiedoraufbau der zerstörten Dörfer, neue Bestellung der wüsten Äcker, sondern die Einführung des Christentums erheischte einen von Grund auf neuen sozialen Aufbau, eine Neuordnung des ganzen Erwerbslebens, dem sehr ergiebige Quellen der früheren Zeit als Raub, Plünderung und vor allem der Sklavenhandel nunmehr abgeschnitten waren.

Diese Umwandlung erforderte angestrengte, schwere Arbeit. Aber dazu besaß die alte Bevölkerung, die dem slavischen Volkscharakter gemäß überhaupt leichten Erwerb der schweren Arbeit vorzog, nicht die nötigen Kräfte. Da ließen sich die ersten deutschen Ansiedler auf den fürstlichen Gütern nieder, zunächst der bestehenden Agrarverfassung sich anpassend, dieselben Lasten wie die einheimische Bevölkerung tragend, aber durch größere wirtschaftliche Tüchtigkeit ausgezeichnet.**) Dies konnte dem einheimischen Fürsten nicht entgehen, und die Erkenntnis davon war gewiss neben dem religiösen Eifer ein Hauptgrund für die weitgehende und andauernde Unterstützung der deutschen Klöster und ihrer kolonisatorischen Tätigkeit.

*) Vgl. Fabricius II, 61 Note 107. Arndt S. 100, Bilow S, 24 A. 1.

**) Vgl. über solche vereinzelte ältere deutsche Ansiedlungen: Bilow 209 f. Indessen erscheint uns diese Auffassung nicht unanfechtbar.


An einen förmlich ausgebildeten Plan der slavischen Fürsten „die Bevölkerung zu regenerieren und den verheerten Äckern wieder reiche Früchte wiewohl unter anderen Bedingungen abzugewinnen“ ist dabei wohl kaum zu denken. Richtiger urteilt Fock: „Die deutsche Einwanderung war in den damaligen Verhältnissen begründet, die Fürsten förderten sie in dem Masse, als sie Gelegenheit hatten den wohltätigen Einfluss derselben für das Gedeihen des Landes mit eigenen Augen zu sehen.“

Wohl aber ist ein solcher Kolonisationsplan in dem Verfahren der Kirche und besonders der zahlreichen von den Fürsten gestifteten und ausgestatteten Klöster deutlich zu erkennen; diese haben zielbewusst und systematisch die Germanisierung des Landes durch Ansiedlung deutscher Kolonisten betrieben und allenthalben den Weg gezeigt, auf welchem Fürst und Adel ihnen dann folgten; von ihnen geht insbesondere auch die wirtschaftliche Umgestaltung durch Einführung einer rationelleren Landwirtschaft aus. Ihren Anteil an der Kolonisation des Landes gilt es daher vor allem zur Darstellung zu bringen.

Nach der Einführung des Christentums erlangten bald dänische und deutsche Caplane an den Höfen der slavischen Fürsten großen Einfluss. Ihrer Einwirkung ist es wohl hauptsächlich zuzuschreiben, dass im 12. und 13. Jahrhundert allenthalben in Pommern und Rügen Klöster von den Fürsten gegründet und gleich anfangs reich ausgestattet wurden.*) Betrachtet man die einleitenden Worte der zahlreichen Schenkungsurkunden,so erhält man ungefähr eine Vorstellung von den geistlichen Waffen, mit welchen die umfassenden Schenkungen und Zugeständnisse der Fürsten gewonnen wurden.

*) Die wichtigsten in dieser Zeit entstandenen Klöster sind: Stolp an der Peene 1153, Grobe später Pudagla auf Usedom, welches 1159 21 Dörfer und 6 Zölle geschenkt erhielt, Dargun an der Peene um 1170. In derselben Zeit Colbatz, welches 1323 schon 64 Dörfer besaß; ferner 1193 das Nonnenkloster Bergen auf Rügen, um 1200 Hilda das später Eldena, dann 1231 an der Stelle der heutigen Stadt Franzburg das bedeutende Kloster Neuencamp, welchem 7 Dörfer und 300 Hufen Waldes zugelegt wurden u. a. Vgl. Padberg S. 204 und Steinbrück, Geschichte der Klöster in Pommern 1796 passim.

**) z. B. „ob remissionem meorum scelerum, spe celestis patrie, divine retribuitionis intuitu, attendens quod in largitione elemosinarum peccati rubigo consumitur, contulimus etc. Dreger p. 89.


Die Kirche war zu allen Zeiten Meisterin der Politik und so sehen wir sie auch hier mit bewunderungswürdigem Geschick nicht nur einen so großen Grundbesitz erwerben, sondern auch für denselben ein Hoheitsrecht des Fürsten nach dem andern an sich bringen. Zunächst erwarben die Klöster durchweg das volle Eigentum aller ihrer Güter, auch bei denen, welche sie von Adeligen und Rittern geschenkt erhielten oder kauften, ließen sie sich von dem Fürsten dessen Obereigentum abtreten. *)

Aber wichtiger ist für uns, dass bei allen Erwerbungen slavischer Dörfer die nunmehrigen Klosterbauern von den bisherigen Abgaben und Leistungen an Fürst und Adel befreit oder vielmehr damit dem Kloster zugewiesen wurden; nur die Pflicht zur Landesverteidigung blieb meist ausdrücklich aufrecht erhalten.

Gleichzeitig aber wurde und zwar regelmäßig schon in den Stiftungsurkunden den Klöstern die Befugnis erteilt neue Ansiedler ins Land zu rufen und auf dem ihnen verliehenen Gebiet anzusetzen und zwar frei von allen Abgaben und Lasten gleichviel ob Dänen, Deutsche oder Slaven — nur nicht solche aus dem Dominium des Fürsten ohne dessen besondere Erlaubnis.**)

Nach und nach erwarben dann die Klöster für alle ihre Güter auch den Zehnten teils von dem Bischof, teils von dem Fürsten, welche sich bereits in denselben geteilt hatten; dann in der Mitte des 13. Jahrhunderts die Gerichtsbarkeit und gegen Ende desselben endlich auch die Bede — eine außerordentliche von dem Fürsten erhobene Steuer die damals schon zu einer fixen Last der Grundstücke geworden war — und zugleich gewöhnlich auch den Münzpfennig. Es muss dabei aber betont werden, dass von all diesen Verleihungen wohl nur der ersten Ausstattung des Klosters eine wirkliche Schenkung zu Grunde lag, den übrigen aber onerose Rechtsgeschäfte, wenn sie auch meist in jener Form auftreten.

*) Vgl. die zahlreichen Urkunden bei Fabrioius.

**) Dreger 86. Dergleichen wendische Einwanderer kamen etwa aus der Mark und Mecklenburg. Giesebrecht a. a. O. S. 270.


Wie auch damals schon der Zweck die Mittel heiligte, das zeigen die zahlreichen Fälschungen von Verleihungsurkunden seitens der Mönche*), besonders das Kloster Pudagla auf Usedom war darin stark. Allein wir dürfen über solchen Schattenseiten nicht vergessen, dass die deutschen Klöster für jene Länder damals eine zivilisatorische Aufgabe von der höchsten Bedeutung erfüllt haben.

Das Hauptverdienst gebührt dabei dem Orden der Zisterzienser, welcher dazu allerdings auch in ganz besonderem Maße geeignet war. Er beherrschte mit seinen Klöstern ganz Norddeutschland vom Rhein bis zur polnischen Grenze und stand selbst mit Süddeutschland durch das Generalkapitel in Verbindung. Infolge dessen hatten die Zisterzienser, wenn sie eine Kolonisation übernahmen, tausend Beziehungen um die zur Auswanderung geneigten Landsleute zu finden.

Am nächsten lag es, dass die Hintersassen des eigenen Mutterklosters von den Mönchen nach sich ins Land gezogen wurden***) und zwar sind es in Pommern und Rügen hauptsächlich die Klöster im Sachsenlande, in Westfalen,****) welche die überschüssige Bevölkerung ihrer Dörfer als Ansiedler dahin gesandt haben. Oft kam ein besonderes wirtschaftliches Interesse dieser Klöster hinzu: wenn dieselben nämlich bei der planmäßigen Arrondierung ihres Besitzes eine Dorffeldmark in ein Ackerwerk verwandeln wollten, so kauften sie wohl den Bauern ihre Höfe ab, und diese zogen mit dem Geld mit Weib und Kind, Gespann und Haus- und Wirtschaftsgerät ins Wendenland, wo sie mit Freuden aufgenommen wurden und Land zugewiesen erhielten.

*) Siehe Pomm. Urkunden-Buch Nr. 251. 305. 86ß. 367. 4-22. 477. 544. 570 u. a. sowie Winter a. a. O. I. 181.

**) Über die zivilisatorische Bedeutung des Zisterzienserordens vgl. die wertvolle Arbeit von Winter, Fr. Die Zisterzienser des nordöstlichen Deutschlands. 3 B.

***) quicunque eos sequi de terra sua voluerit et fratribus adhaerere. Bilow S. 21.

****) So besonders Alten Camp, das Mutterkloster der deutschen Zisterzienserklöster. Vgl. G. C. F. Lisch „Über die Heimat der Kolonisten Mecklenburgs“ in d. Jahrb. d. Vereins f. Merklenb. Geschichte XIII. 1848. S. 114. [(i]

Aber naturgemäß entwickelte sich diese Einwanderung nur langsam und allmählich und für den Anfang des Kolonisationswerkes waren solche Ansiedler auch gar nicht immer geeignet. Denn der deutsche Einwanderer, der mit Weib und Kind sich im Wendenland eine neue Heimat suchte, schloss sich an seine Landsleute an, er hatte nicht Lust einzeln den Kampf mit der wendischen Bevölkerung aufzunehmen. Die Pioniere der deutschen Kultur in den wendischen Ländern mussten Männer sein, welche frei von Familienbanden und zu Entbehrungen jeder Art bereit waren. Dies waren aber die Zisterzienser in hohem Grade. Handarbeit und Feldarbeit war ihre vom Orden vorgeschriebene Beschäftigung.

So erfolgten denn die ersten Rodungen und Neubrüche durch die Mönche selbst und die ersten neuen Anlagen derselben waren regelmäßig nicht Dörfer, sondern Ackerhöfe (grangia genannt). Diese standen unter einem Hofmeister ((grangiarius) und wurden von den Laienbrüdern (Conversen) bewirtschaftet. Auf denselben dienten die Klosterverwandten (familiares, mercenarii) und zum Teil wohl auch die Bewohner der dem Kloster geschenkten slavischen Dörfer,*) welche von den landesherrlichen Lasten zwar befreit, zu den grundherrlichen Abgaben und Diensten aber nunmehr dem Kloster verpflichtet wurden. Dadurch war ihre Lage zunächst kaum verbessert, sie wurden vielmehr jetzt wohl schärfer als vorher zu Diensten angehalten, soweit sie überhaupt im Besitz ihrer Wirtschaft blieben.

Meist aber wurden die slavischen Dörfer von den Klöstern ebenfalls in Ackerhöfe verwandelt.**) Was aus den slavischen Bewohnern wurde, erfahren wir nicht. Es sind dies die ersten Bauernlegungen im Lande.

[i]*) villarum claustralium habitatores ecclesiae podaizam habentes: Stiftungsurkunde des Klosters Eldena vom Jahr 1207. Dreger Nr. 40. Nach ihm ist podaiza ein wendisches Wort für „Hof, Wohnung“.

**) Eldena erhielt dazu durch das Privileg von 1295 die ausdrückliche Erlaubnis des Fürsten. Vgl. das gelehrte Werk von Prof. Dr. Theodor Pyl: Geschichte des Zisterzienserklosters Eldena. Greifswald 1880. 1881. S. 61.
Ebenso Colbatz 1360: vgl. Barthold Geschichte von Rügen und Pommern III 1842. S. 323. A. 2.


Nachdem aber die Existenz des Klosters einmal gesichert war, folgten bald größere Scharen von deutschen Ansiedlern seinem Ruf. Nun war es möglich neben den Ackerhöfen auch große Dörfer nach deutscher Weise anzulegen. Zu diesem Zwecke erhielt ein Unternehmer, Hagemeister (magister indaginis) genannt, unter dessen Führung vielleicht eine Schar von Kolonisten herbeigekommen war, vom Kloster einen bestimmten Bezirk angewiesen und übernahm nun gegen gewisse Vorteile die technische Anlage und Besetzung des neuen Dorfes. Er leitete die Rodung des Waldes oder die Entwässerung des Sumpflandes, stellte die Grenzen des Dorfes und der einzelnen Hufen mit dem Messeil (per funiculi distinctionem) fest und teilte nun die letzteren den einzelnen Bauern zu. Die Größe der gewöhnlichen deutschen Hufe, der Landhufe, war 30 Morgen; daneben finden wir aber auch die größere sogenannte Hägerhufe und zwar gerade in den auf Klostergebiet besonders häufigen „Hagendörfern“.*)

*) Diese Hagendörfer (Dörfer mit der Endsilbe „hagen“) erscheinen als die Marksteine der deutschen und insbesondre der klöstorlichen Neurodungen. Es sind nach Barthold im heutigen Neuvorpommern über 140 im Gebiet von Stralsund, Barth, Grimmen und Greifswald, während sie auf der Insel Rügen viel seltener sind.

Diese Hagendörfer in Neuvorpommern haben jedoch keineswegs alle Hägerhufen und andrerseits sind diese auch nicht beschränkt auf die Dörfer mit der Endsilbe „hagen“. So haben von den Dörfern der Universität Greifswald Fridrichshagen, Hinrichshagen, Hennekenhagen sowie auch Schönwalde Hägerhufen, Levenhagen Landhufen, dagegen Diedrichshagen, Koitenhagen, Weitenhagen und Grubenhagen Hakenhufen.

Da nun die eigentliche Häger- oder Streifenhufe, wie sie außer in den deutschen Mittelgebirgen und den Alpen besonders in der deutschen Kolonisation von Böhmen, Mähren und Oberschlesien auftritt, eine gänzlich andere Flurvorfassung bedeutet — einheitlichen Ackerbesitz des Einzelnen in langem Streifen anstatt der sonstigen Gemenglage — in der neueren Zeit aber so viel uns bekannt hier überall Gemenglage in den Dörfern herrschte, so wäre es überaus interessant auf Grund von Flurkarten in der Weise, wie es Meitzen in seinem Cod. Diplom. Silesiae für einige schlesische Dörfer getan, zu untersuchen, ob auch hier die Bezeichnung Hägerhufe eine solche Flurverfassung;der ältesten Zeit anzeigt und wie diese in der Folge vorschwand und jene Bezeichnung zum bloßen Flächenmaß (= 60 M.) geworden ist.

Für die in Hinterpommern längs der Küste liegenden Hagendörfer gibt Padberg (S. 50) jene Flurverfassung an.

Der deutsche Bauer arbeitete nun gleich den Mönchen selbst mit dem viel vollkommneren schweren deutschen Pflug (aratrum); er bebaute viel mehr Land als der Slave und rang dem Boden einen verhältnismäßig ungleich höheren Ertrag ab. Die Einkünfte, welche das Kloster von ihm in Gestalt des großen und kleinen Zehnten und eines maßigen Zinses genoss, wurden daher bald sehr bedeutend und es begann infolge dessen, nachdem sein jungfräulicher Boden aufgeteilt war, auch seine noch vorhandenen slavischen Dörfer und seine Ackerhöfe in deutsche Dörfer zu verwandeln.

Letzteres geschah in dem Maße, als sich die alte strenge Zucht der Klöster lockerte und weltliches Streben an Stelle des selbstlosen Arbeitsfleißes und der asketischen Bedürfnislosigkeit trat. Es wurde zu dem Zweck dieser Umwandlung, welche indes nur langsam und allmählich erfolgte,*) der Acker neu vermessen — dabei unter Umständen von dem Fürsten die Hufenzahl bestimmt — und dann in derselben Weise an deutsche Pachtbauern ausgetan.

Die noch vorhandenen altslavischen Dörftnaber wurden entweder ebenso mit Deutschen besetzt, oder sie erhielten nur eine neue Fluraufteilung nach deutschem Recht, blieben aber im Besitz ihrer alten Bewohner, wenn diese sich fähig und willig zeigten von dem Kloster besseren Ackerbau zu lernen. Auch sie wurden dann sehr bald deutsch.

*) Nach der Zehntenverleihung von 1280 und dem Privileg Bogislav IV. von 1281 besaß das Kloster Eldena damals außer einem Vorwerk auf Rügen noch 5 grangiae, dagegen im Herzogtum Pommern 14 Hagendörfer und im Fürstentum Rügen 9 Ortschaften, welchen damals von Wizlaf II. die Hufenzahl bestimmt wird, woraus zu entnehmen, dass sie damals neu vermessen und in deutsche Hägerdörfer verwandelt wurden. Dies geschah bei Grubenhagen aber erst 1326, bei Ungnade 1357 und bei Ladebo, welches wegen seiner Nähe bei dem Kloster am Leichtesten durch Conversen zu bewirtschaften war, erst 1407. Pyl a. a. O. S. 62.

Dieser Prozess der Verschmelzung wurde vollendet, indem auch die slavischen Untersassen des Klosters deutsches Recht erhielten.*)

*) So die des Klosters Colbatz 1247: Dreger S. 181.

So wurden die Klöster in den meist bis dabin unbebauten, gering bevölkerten Gegenden bald Brennpunkte einer wirtschaftlichen Umgestaltung, welche mit der Sitte auch den materiellen Wohlstand der Bevölkerung hob. (Fock.)

Allein diese wirtschaftliche Umgestaltung des ganzen Landes hätten die Klöster und ihre deutschen Dörfer allein doch kaum zu Stande gebracht, wenn nicht zwei weitere ebenso wichtige Faktoren hinzu gekommen wären: die Gründung deutscher Städte und die Einwanderung deutscher Ritter. „In den Städten entwickelte sich Tätigkeit, Kraft und Freiheit in höherer Gestalt, dort stellte sich unter der Bewidmung mit Lübischem oder Magdeburgischem Recht das herrlichste Bild germanischen Kommunalwesens dar, das zur Zeit seiner Vollendung auch auf andere Verhältnisse des Landes zurückwirken musste“. Jedoch gehört diese Entwicklung erst einer späteren Zeit an, so dass wir hier noch davon absehen können.

Dagegen greift die Einwanderung deutschen Adels, welche seit dem Beginn des XIII. Jahrhunderts hervortritt, sofort umgestaltend in die grundherrlichen Verhältnisse des Landes ein, da sie die Einführung deutschen Lehnsrechtes zur Folge hatte. Dieser Prozess selbst ist ziemlich dunkel. Fest steht, dass die zahlreichen Schenkungen von herrenlosem Grund und Boden an deutsche Ritter von Anfang an immer zu Lehenrecht erfolgten, und dass die Fürsten offenbar sehr bald suchten auch den slavischen Adel in dies neue engere Verhältnis hineinzuziehen.

Zwingen konnte sie der Fürst dazu nicht; wenigstens nicht direkt und auch von dem indirekten Zwang einer besonderen Begünstigung der deutschen Vassallen finden wir wenigstens im Fürstentum Rügen nichts, und doch haben wir auch hier in der Mitte des 13. Jahrhunderts nur wenig später als in Pommern das deutsche Lehnrecht. Auch war der slavische Adel wiewohl durch die Kriege gelichtet, doch keineswegs ausgestorben. Die Umwandlung muss sich daher auf dem Weg gütlicher Vereinbarung vollzogen haben: der slavische Adel übertrug dem Fürsten seine erblichen Güter, *) um sie von ihm als Lehen (feuda oblata) wiederzuerhalten.

Zu dieser Auftragung seiner Erbgüter aber konnte den slavischen Adel nur die Aussicht bewegen, dabei mindestens ebensoviel zu gewinnen als der Fürst. Und dies war denn auch der Fall. Der Preis, welchen er dafür erhielt, war nicht weniger als die Hauptmasse der Hoheitsrechte, welche dem Fürsten an den Hintersassen des Adels zustanden, also besonders Hufen- und Häuserzins, Zehnt, Burg- und Brückenbau, Kriegs- und sonstige Fuhren etc.; ausgenommen blieb nur die allgemeine Heeresfolge und Landwehr sowie zunächst wenigstens die hohe Gerichtsbarkeit. Indem der Fürst bei der Lehnsauftragung auf alle jene Rechte verzichtete, gewannen die Güter des neuen Vassallen dadurch natürlich einen viel höheren Wert; letzterer wurde dadurch alleiniger Grundherr auf seinen Gütern mit den ausgedehntesten Rechten. Sein Dominium umfasste nunmehr — ebenso wie bei dem eingewanderten deutschen Ritter — den vollen Ertrag von Wald, Feld, Wiesen, Weiden, Mooren, Gewässern etc., teils durch unmittelbare Nutzung, teils durch Besetzung mit Bauern nach deutschem Recht; mithin auch deren Zins und meist auch Zehnten, neben den Leistungen der alten Einwohner nach slavischem Recht. Ferner die niedere Gerichtsbarkeit über diese Hintersassen, meist das Patronatsrecht über die Kirche des Dorfes und endlich Zollfreiheit für den eigenen Bedarf.

*) Nur einige Familien widerstanden länger, so die apanagierten Seitenverwandten des Fürsten von Rügen zu Putbus, Boranteshagen und Gristow, von welchen die beiden letzteren am Ausgang des 13. Jahrhunderts, die Putbus erst 1311 im Lehensverband erscheinen.

Was der Fürst dafür gewann, war die Lehensherrlichkeit insbesondere das Recht auf ausgedehnte Lehns- und Kriegsdienste der Vassallen, deren er in jener an Kriegen reichen Zeit besonders bedurfte.

Diese Umwandlung der slavischen Erbgüter in deutsche Lehen hat nun aber Hand in Hand mit der Einwanderung deutscher Ritter für die wirtschaftliche Umgestaltung des Landes ebenfalls die bedeutendsten Folgen gehabt. Die deutschen Ritter wurden ja auch wesentlich durch zivilisatorische Zwecke ins Land geführt, und so betrieben sie auf den Gütern, welche sie zur Belohnung ihrer Dienste von dem Fürsten geschenkt erhielten oder zu dem Zweck eigens käuflich erwarben, die Ansiedlung deutscher Bauern in derselben Weise wie die Klöster, teils durch Anlegung neuer deutscher Hagendörfer in bisher unbebauten Gegenden,*) teils durch Verwandlung slavischer Dörfer in deutsche.**)

Dieses Beispiel musste aber andererseits auch die slavischen Adeligen veranlassen, nachdem sie nunmehr alle grundherrlichen Rechte in ihren Dörfern an sich gebracht hatten und darum jetzt auch allein und weit mehr als früher an deren Ertrag interessiert waren, auch hier eine solche wirtschaftliclie Veränderung zu betreiben, welche dem Grundherrn so viel größeren Nutzen von seinen Gütern gewährte. Indes geschah dies hier naturgemäß weniger auf dem Weg der Neurodnug und Ansetzung deutscher Kolonisten in neuen Dörfern, als durch Umgestaltung der bisherigen slavischen Dörfer unter teilweiser Beibehaltung der einheimischen Bewohner.

*) Dies auch oft im Auftrag eines Klosters auf dessen Gebiet, wofür sie dann die betreffenden neuangelegten Dörfer von jenem zu Lehen erhielten. Vgl. Fabricius Urk. H. I Nr. 51. S. 30.

**) Sie verwandelten aber auch gleich den Klöstern slavische Dörfer in Ackerwerke (curiae): Pomm. Urk. li. I, 1. S. 289.


So dürfen wir wohl annehmen, dass auf den Gütern des slavischen Adels die meisten Slaven unter veränderten Rechts- und Wirtschaftsverhältnissen, zum Teil wohl sogar ziemlich lange in ihrer alten Agrarverfassung sitzen blieben — was auch bei den Gütern der deutschen Adeligen keineswegs ganz ausgeschlossen ist. Ganz besonders scheint dies für die Insel Rügen zuzutreffen, wo nur in geringem Umfang deutsche Ortsnamen die slavischen verdrängt haben, letztere bei weitem die Mehrzahl bilden.*)

Der dritte Grundherr endlich, der Fürst, der bei Klöstern und deutschen Rittern durch die zahlreichen Verleihungen die Kolonisation so mächtig förderte, war natürlich auch auf seinen eigenen unmittelbaren Gütern, die trotz der vielen Vergebungen noch einen bedeutenden Umfang gehabt haben müssen, nicht zurückgeblieben. Er konnte es auch gar nicht. Nachdem die Abgaben alle weggefallen waren, welche er von den Gütern des Adels früher bezogen hatte, musste er sich andere Einnahmequellen schaften.

Zur Erhöhung des Grundzinses seiner unmittelbaren Dörfer hatte er nun ein sehr wirksames Mittel in dem früher erwähnten Recht auf Nachmessung der bebauten Hufen, welches er sich nunmehr abkaufen ließ. Andrerseits aber fand auch er eine bedeutende Erhöhung seiner Einkünfte darin, wenn er ein slavisches Dorf an deutsche Ansiedler unter Befreiung von jeder Nachmessung verkaufte und dabei deren jährlichen Zins nach deutscher Weise regelte. Für beides haben wir schon aus der Mitte des 13. Jahrhunderts Beispiele.**) Besonders aber in den letzten Dezennien desselben scheinen derartige Regulierungen auf den fürstlichen Gütern in umfassendem Masse erfolgt zu sein.***) Besonders zahlreich sind aus dieser Zeit Urkunden, in welchen altslavische Dörfer an ihre bisherigen Bewohner — und zwar nun ebenso an Slaven wie an Deutsche — nach deutschem Rechte ausgetan werden.

*) Damit soll natürlich nicht gesagt sein, dass in allen Dörfern mit slavischen Namen überhaupt keine deutschen Kolonisten sich niederließen, dies wäre vollkommen unrichtig; wohl aber werden wir annehmen dürfen, dass ein Dorf, welches seinen slavischen Namen behalten hat, nicht von einer geschlossenen deutschen Bauerschaft auf einmal eingenommen wurde, sondern dass sich hier nach und nach einzelne Deutsche ansiedelten, welche die wirtschaftlichen Lehrmeister ihrer slavischen Dorfgenossen wurden.

**) So kaufte sich 1255 die Dorfschaft Poggelitz von der Nachmessung los, während ein Jahr später das Dorf Zarnekevitz den deutschen Bauern in demselben zu erblichem Eigentum verkauft wird: Fabricius Urk. I, 92d und LXV.

***) Im Jahr 1280 nahm der Fürst Wizlaf eine Vormessung seines ganzen Besitzes vor, wobei z. B. die Dürfer Perun und Glovitz um 40 bzw. 65 M die ewige Freiheit von jeder Nachmessung erkauften : Fabric. Urk. II. Nr. 215. 216.
Da die Urkunden weiter nichts enthalten, insbesondre keine Bestimmung über Abgaben und Leistungen, scheinen diese Dörfer unverändert den slavischen Bewohnern verblieben zu sein. Dagegen ergriffen, wie wir unten sehen werden, die in slavischen Dörfern angesiedelten Deutschen die Gelegenheit dieser Nachmessung, um außer der Befreiung davon zugleich dem Fürsten den erblichen Besitz ihrer Hufen abzukaufen.


Wir werden daher auch auf den unmittelbaren Gütern des Fürsten — die eben geschilderte Entwicklung bezieht sich allerdings nur auf das Fürstentum Rügen — nicht unerhebliche Reste der slavischen Bevölkerung suchen dürfen.

Überhaupt war der ganze Prozess der Germanisierung, friedlich wie er war, in Pommern und Rügen vielmehr ein Prozess der Verschmelzung als der Unterdrückung und Ausrottung. Im Anfang, als deutsche Ansiedler zahlreich ins Land kamen, mögen manche Härten gegen die wendische Bevölkerung vorgekommen sein. Die beiden Nationen standen sich fremd und feindlich gegenüber; die Deutschen siedelten sich entweder getrennt von den Slaven an*) oder sie vertrieben diese aus ihren Wohnsitzen,**) wohl nicht immer unter Gewährung einer Entschädigung.***)

*) Oft unmittelbar neben ihnen — daher die nicht seltenen Doppoldörfer, von welchen eines den Beisatz „Wendisch“ führt.

**) Eine Urkunde vom Jahr 1221 (Dreger p. 101 ; vgl. Bilow 48) zeigt uns schon eine starke Bevölkerung in der Landschaft Tribsees, welcher die Wenden ihre alten Wohnsitze haben räumen müssen, namentlich auf der einen Seite der Schlossburg, während ein andrer Teil mit den Deutschen vermischt wohnt.

***) Urkunde von 1250: Slavos etiam de Pogatz pacifice et amice amovere et ad damna sive jura ipsorum plenarie respondere tenebuntur. Fabric. III S. 159.


Man hat besonders aus einer Urkunde vom Jahr 1256, — worin der Fürst sein Dorf Zarnekevitz an die deutschen Bewohner desselben verkauft und dabei bestimmt, dass die Slaven in demselben eben da, wo sie bisher saßen, wieder angesetzt und nicht zum Ackerbau angehalten werden, sondern nur Wald- und Weidenutzung haben sollen, und dass nicht mehr Slaven angesetzt werden sollen als bisher — geschlossen, dass die zurückgebliebenen Slaven meist in den Stand der Häusler oder Kätner herabgedrückt und in solcher Weise von dem eigenen Fürsten „auf den Aussterbeetat gesetzt wurden“.*) Allein abgesehen davon, dass diese Auslegung anfechtbar ist, erscheint eine Verallgemeinerung dieser Schlussfolgerung mit anderen Zeugnissen nicht als vereinbar.

Vielmehr dürfen wir wohl annehmen , dass später am Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts, als die Hochfluten der Einwanderung nachgelassen hatten und man einem ruhigen, planmäßigen Ausbau der neuen Verhältnisse sich zuwandte, besonders da, wo Slaven und Deutsche gemischt wohnten — was auf Rügen vielleicht die Regel war — auch diejenigen slavischen Elemente, welche bereit und fähig dazu waren sich der deutschen Weise anzupassen, gerne angenommen wurden und mit den deutschen Wirtschaftsformen auch die Wohltat des deutschen Rechtes erhielten.“**)

Im Jahre 1272 eröffnete Barnim der Gute von Pommern ein förmliches Asyl für bedrückte slavische Hörige im Gebiet des Klosters Colbatz, indem er bestimmte, dass die Slaven aus seinen Gütern wie von denen seiner Vasallen, welche sich dort niederlassen wollen, frei dahin ziehen sollen. Spricht dies einerseits für das Vorkommen von Bedrückungen, so wurde andrerseits oben durch die Gewährung dieser Freizügigkeit die rechtliche Gleichstellung der slavischen Bevölkerung wesentlich gefördert.

*) Es heißt: slavi seu solani ponendi sunt ubi nunc positi sunt et non tenentur agris uti sed tantum lignis et pascuis. Der Indicativ tenentur spricht dafür, dass dies schon der bisherige Zustand war. Es bedeutete dann also vielmehr eine Schonung der alten Bewohner.

**) Als milder ausdrücklich der Härte des slavischen Rechts (rigor juris Slavici) gegenüber gestellt: Bilow S. 25 A 1.


Im Fürstentum Rügen aber bestimmt Wizlaf II, in seinem Testament im Jahr 1302, dass seine Slaven in seinen Gütern Michelsdorf, Bresechevitz u. a. auch ferner dieselbe Freiheit geniessen sollon wie zu seinen Lebzeiten.

Die Annahme einer im Großen und Ganzen friedlichen Verschmelzung erklärt zugleich am einfachsten die Vollständigkeit und Schnelligkeit, mit welcher sich die Germanisierung vollzog, sowie den gänzlichen Mangel eines verzweifelten Widerstandes, wie er von einem überall unterjochten und zum Äußersten getriebenen Volke sicher geleistet worden wäre. So aber im freien Wettbewerb der wirtschaftlichen Kräfte, wie er im Allgemeinen bestanden zu haben scheint, gingen die zu schwachen slavischen Elemente von selbst unter, die stärkeren aber konnten sich eben nur dadurch neben den wirtschaftlich überlegenen Deutschen halten, dass sie vollständig in diesen aufgingen.

So vollzog sich dieser Prozess der Germanisierung tief eingreifend, aber geräuschlos; auf den Gütern des slavischen Adels langsamer als außerdem; auf der Insel Rügen überhaupt später als auf dem Festland. Aber um die Mitte des 14. Jahrhunderts, also nach nicht ganz zwei Jahrhunderten, war er überall vollendet. Im Jahre 1404 starb nach Kantzows Angabe auf der Halbinsel Jasmund die letzte slavisch sprechende alte Frau.