§ 1. Die slawische Agrarverfassung vor der deutschen Einwanderung

Die Geschichte des Bauernstandes beginnt auch in Pommern und Rügen mit der deutschen Kolonisation; aber sie knüpft hier zum Teil so eng an die damals vorhandene slavische Agrarverfassung an, dass diese notwendig zuerst betrachtet werden muss. Aus den einzelnen Zügen, welche uns davon das reiche Urkundenmaterial aus der Zeit der Germanisierung bietet, lässt sich ungefähr folgendes allgemeine Bild zusammenstellen.*)

*) Die hauptsächlichste Quelle unserer Darstellung ist hier das ebenso gründliche als präzise Werk von F. v. Bilow: „Geschichtl. Entwicklung der Abgabenverhältnisse in Pommern u. Rügen“. Berlin 1843. Außerdem in Ergänzung desselben die neueren Urkundenpublikationen, insbesondere: Dr. C. G. Fabricius „Urkunden zur Geschichte des Fürstentums Rügen“. 4 Bände. Berlin 1859—69.


An der Spitze des Volkes steht in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Pommern wie in Rügen ein Herzog beziehungsweise Fürst; neben ihm ein zahlreicher, wie es scheint mehrfach abgestufter Adel; unter beiden die Masse des Volkes, das teils in kleineren Handelsstädten oder um die fürstlichen Burgen herum, teils in zerstreuten Dörfern mit der charakteristischen slavischon Rundform oder auch — besonders auf Rügen — in Einzelhöfen*) wohnt, von Handel, Fischerei, Viehzucht, Obst- und Ackerbau lebt. Denn auch der letztere erscheint schon als allgemein verbreitet, wenn auch noch gering entwickelt und in seiner Bedeutung für die Wirtschaft des Einzelnen zurücktretend hinter dem, was Wald und Wasser an Nahrungsmitteln boten.**) Bei den Schilderungen der deutschen Mönche aus dem Gefolge des Bischofs Otto von Bamberg, welchen bei dem Segen an Korn, Obst etc. zur Seite des Weges, den sie zogen, „das Land der Verheißung einfiel“, ist nicht zu vergessen, dass sie den Zweck hatten andere Glaubensgenossen zur Bekehrung des Landes anzulocken.

*) Wahrscheinlich die vor der Germanisierung sehr zahlreichen später zum Teil zusammengelegten mansiones: Fabricius, a. a. O. I S. 92.

**) Vgl. F. Winter, Die Cisterzienser des nordöstlichen Deutschlands II 176 f.


Die Bevölkerung dürfen wir nach den vielen in den Urkunden vorkommenden und später verschwundenen Namen von Dörfern und Höfen nicht als außergewöhnlich dünn annehmen. Die Fluren der einzelnen Orte waren genau abgemarkt. Es fand auch bereits ein ziemlich reger Verkehr von Ort zu Ort statt, wie die häufigen Zusammenkünfte an Marktorten (Tabernen) und die Besteuerung der Flussübergänge beweisen. Das Land war eingeteilt in Kastellaneien (provinciae) gebildet von einer fürstlichen Burg und den herumliegenden Ortschaften. Auf der Burg saß der fürstliche Beamte, der Kastellan, dem die Ausübung des Gerichts im Namen des Fürsten, die Führung seines Bezirks im Krieg und die Eintreibung der öffentlichen Lasten oblag, von denen ihm dafür ein Teil zufiel.

Wie haben wir uns nun die Verteilung von Grund und Boden und die Lage der ländlichen Bevölkerung zu denken?

Bei der Besitznahme des Landes durch die Wenden wurde dasselbe, wie es scheint, oligarchisch unter den hervorragenden Geschlechtern geteilt; denn bis zur Einführung des deutschen Lehnswesens hat nicht nur der Fürst, sondern auch zahlreiche adelige Geschlechter großen Grundbesitz, d. h. große Teile des Landes als erbliche und eigentümliche Güter inne; es gab damals durchaus einen Grundadel, keinen Gefolgsadel.*) Dabei stand aber dem Fürsten auch damals schon eine Art Obereigentum (das sog. jus ducale) zu: Veräußerungen der adeligen Güter waren nur im Fall der Not zulässig und bedurften seiner Genehmigung, auch hatte er ein Vorkaufsrecht und beim Erlöschen eines Geschlechts fielen ihm die Güter desselben zu.

Dagegen finden wir von einem eigentümlichen Grundbesitz freier Bauern — etwa gleich den schlesischen „Lazaki“, den deutschen Lassen — damals wenigstens urkundlich keine Spur. Vielmehr war, als die Kolonisation begann, nur der Adel der eigentlich voll freie Stand**), die Masse des Volkes dagegen hörig. Indes sind dabei doch Unterschiede zu beachten.

Einerseits mögen nämlich die Bewohner der damaligen Seestädte, von deren ehemaligem Glanz und Reichtum Unglaubliches gefabelt worden ist, wenigstens faktisch frei gewesen sein. Andrerseits aber war auch die Hörigkeit der ländlichen Bevölkerung im Allgemeinen keine vollständige Unfreiheit, wenigstens nicht nach damaliger Anschauung***): auch diese Hörigen waren der Waffenehre teilhaftig, und da ihre Hörigkeit hauptsächlich — aber nicht ausschließlich — in öffentliclien Leistungen und Abgaben an den Fürsten zum Ausdruck kam und alle nichtprivilegierten Einwohner traf, so mag sie immerhin auch nur als „Modifikation der slavischen gemeinen Freiheit“ bezeichnet werden****), es läuft dies schließlich auf einen Wortstreit hinaus.

*) Padberg, Die ländliche Verfassung in der Provinz Pommern 1861. S. 192.

**) In den Stiftungsurkunden des Caminer Domkapitels werden „Edelmänner“ und „freie Männer“ als gleichbedeutend gebraucht.
Vgl. L. Giesebrecht, Die Bauern im Lande Stettin zur Zeit Barnims des Guten. Neue Pomm. Provinz. -Bl. I. B, S. 259.

***) Vgl. Ludw. Giesebrecht, Wendische Geschichten. I. B. Berlin 1843. S. 41.

****) Hugo Böhlau, Über Ursprung und Wesen der Leibeigenschaft in Mecklenburg. Zeitschr. f. Rechtsgesch. B. X. (1871.) S. 366.


Sachlich muss festgehalten werden, dass nach den urkundlichen Zeugnissen in unserem Sinne freie wendische Bauern, welche auf ihrem eigenen Erbe sassen*) nicht existiert haben. Vielmehr ist der wendische Bauer, da die Kolonisation beginnt, durchweg mindestens hörig, nämlich in hohem Grade abgaben- und dienstpflichtig — und zwar nicht nur dem Landesherrn sondern auch dem Grundherrn — und an die Scholle gebunden. Er wird mit dem Dorf, das er bewohnt, verkauft oder verschenkt**) — auch die rustici decimarii, die als eine bevorzugte Klasse der Bauern angesehen werden. Er unterlag auch mitunter, wie wir aus einer Rügenschen Urkunde***) ersehen, schon Heiratsbeschränkungen. Ja in einem Fall werden auch Menschen ohne Grund und Boden, zu dem sie etwa gehörten, verschenkt.****) Es mag hervorgehoben werden, dass gerade diese beiden urkundlichen Beweisstellen auf Rügen sich beziehen, wo sich nach Arndt die angebliche slavische Freiheit am meisten erhalten haben soll.

*) Gaede, Die gutsherrL-bäuerl. Besitzveihältnisse in N.-V.-P. S.29.

**) Dreger, Cod. Pom. Diplom. S. 27. 37. 50. 53.

***) Fabricius, Urk. Heft II. Nr. 470. Vgl. unten S.

****) Dreger Nr. 89 S. 153: Homines insuper qui Dessitli (nach Dreger wendisch oder altpolnisch für „Brettschneider“ oder „Holzsäger“) nominantur libere contulinius ut eidem claustro deserviant.


Es ist dadurch auch die Existenz wirklicher Leibeigenschaft neben der geschilderten Hörigkeit festgestellt. Sie war hier wie anderswo das Los der Kriegsgefangenen, entstand aber außerdem auch in der Form der Schuldknechtschaft. Über die Behandlung der ersteren hören wir, dass ihnen der Sieger, wenn sie nicht losgekauft wurden, das Lösegeld als persönliche Schuld (podda) anrechnete und ihnen eine eigene Wirtschaft einrichtete, freilich unter schweren Bedingungen gegen ansehnliche jährliche Lieferungen an Korn, Flachs und anderen Naturalien. Für jede verheiratete Tochter wie für jedes verkaufte Stück Vieh musste eine bestimmte Summe entrichtet werden. Wer nicht zahlen konnte wurde Sklave.*)

*) Lehmann, Pommern zur Zeit Ottos von Bamberg. Berlin 1878. S. 14.

Über die Schuldknechtschaft aber haben wir noch aus sehr später Zeit ein interessantes Zeugnis: im Jahre 1239 nämlich verfügt Papst Gregor IX., nachdem ihm berichtet worden, dass in Rügen ein Gebrauch (podda genannt) bestehe, wonach ein zahlungsunfähiger Schuldner dem Gläubiger zu ewiger Knechtschaft zugeeignet werden könne, die Abstellung dieses mit großem Unwillen vernommenen Missbrauchs. *)

Ob nun aber solche wirklich leibeigne Bauern, wie Giesebrecht meint, die Mehrzahl gebildet haben und darum als die unterjochte frühere Bevölkerung des Landes angesehen werden müssen, lassen wir hier dahingestellt und wenden uns zu den Leistungen, Diensten und Abgaben, welche im 12. Jahrhundert jedenfalls auf der ganzen hörigen Bevölkerung lasteten.

Diese erscheinen uns, wie wir sie aus den verschiedenen Befreiungen der Kolonisationszeit kennen lernen, als außerordentlich zahlreich und drückend. Sie bestanden, wie es in den Urkunden mehrfach heißt, nach alter Gewohnheit des slavischen Volkes**) und zerfielen entsprechend dem zwischen Fürst und Adel geteilten Eigentum an Grund und Boden bereits in zwei Klassen, in öffentliche und private; erstere standen nur dem Fürsten als Landesherrn, letztere dagegen dem jeweiligen Grundherrn also entweder dem Fürsten auf seinen unmittelbaren Gütern oder dem Adel zu.

*) Vgl. Kosegarten, Pommersche und Rüg. Geschichtsdenkmäler S. 272 und Cod. Pomer. Dipl. S. 591—594.

**) Fabricius II S. 42: secundmu consuetudinem gentis nostrao.


Die ersteren waren aber in jener Zeit noch durchweg die Hauptsache. Sie beruhten fast sämtlich auf den ausgedehnten Hoheitsrechten dos Fürsten. Diesem ist nicht nur der Besitz sämtlicher Burgen und Krüge der Provinzen, sowie alles öffentliche und herrenlose Gut, die sogenannten Einöden, die Wälder, Gewässer u. s. w. nebst den betreffenden Gefällen reserviert, sondern ihm wird auch von allen mit Gespann ackernden Bauern im Lande, auch von denen des Adels ein Pflugzins *) in Körnern entrichtet, anfangs ehe die Äcker vermessen waren, nach der Zahl der Pflüge, später aber nach Hufen, wobei die Nachmessung der letzteren ein besonderes Vorrecht des Fürsten bildet. Ihm fällt nämlich von selbst Alles zu, was sich dabei über die jedem Dorf zugewiesene Hufenzahl hinaus an aufgebrochenem Felde vorfindet. Damit fiel jeder Anreiz zu einer Steigerung der Bodenkultur weg.

*) census manaorum, slavisch „Poradlne“.

Wahrscheinlich wurde ein solcher Ackerschoß auch von den wenigen Feldern entrichtet, welche die adeligen Grundherrn schon damals durch Knechte bestellen liessen.

Daneben tritt dann als weitere Abgabe ein Hofplatzgeld, slavisch „Podworowe“, und bei den übrigen niedrigen Hörigen? welche zu der Bebauung des Grund und Bodens in keiner Beziehung standen — als Gärtner, Jäger, Fischer etc. — eine Art Kopfgeld.

Zu diesen Abgaben nun, über deren Höhe wir leider nichts wissen, kommt eine Reihe von periodischen öffentlichen Leistungen, welche größtenteils mit der Landesverteidigung zusammenhingen:

Die Pflicht zur Landwehre*) d. h. zum Dienst im Feld, wenn der Fürst ein allgemeines Aufgebot erließ. Sodann die Pflicht zur Burgwehre d. h. zum Aufbau und zur Erhaltung und Befestigung der Burgen und Kastelle.**) Ferner die Pflicht der Brückenwehre, nämlich Bau und Erhaltung der Brücken und Dämme, sehr erheblich, weil diese bei jedem feindlichen Einfall zunächst abgebrochen wurden. Sodann die Bewachung der Burgen durch Nachtwachen, das Aufhauen des Eises auf den Burggräben. Ausserdem aber vor Allem auch noch zahlreiche Fuhren und Vorspanne*** von verschiedener Ausdehnung und Belastung, teils nur dem Fürsten teils auch seinen Beamten zustehend, wohl die schwerste unter all diesen Lasten.

*) expeditio pro defensione terre facienda, landwere.

**) urbium castrorum edificatio exstructio reparatio. urbes custodire destruere. Fabr. III S. 42.

***) vectura per terram, per aquam.


Dazu kam dann noch ohne Zusammenhang mit der Landesverteidigung das sogenannte stationarium d. h. die Verpflichtung vorzugsweise der Untertanen des Adels zu Nachtquartier und Unterhalt für den Fürsten und sein Gefolge auf Reisen und zur Weiterbeförderung desselben, wie es scheint an einigen Orten bald durch bestimmte Lieferungen von Lebensmitteln abgelöst. Endlich die „Psare“, die Last die fürstlichen Hunde zu führen und samt dem Hundeführer aufzunehmen und zu verköstigen — ebenfalls später abgelöst durch das sogenannte „Hundekorn“, von dem sich in früher slavischen Dörfern Reste bis in die neueste Zeit erhalten haben.

Neben diese wesentlich öffentlichen und nur dem Landesherrn gebührenden Leistungen und Abgaben treten nun zweitens diejenigen, welche dem Grundherrn als solchem also auch dem Adel in seinen Gütern zustanden.

Diese waren nach Bilow einerseits Abgaben von den verschiedensten Naturalien von Körnern, Mehl, Honig, von Ochsen, Kühen, Schweinen etc. für den Haushalt des Grundherrn, andererseits aber auch „zahlreiche Frohndienste zum Beackern der herrschaftlichen Felder (aratura), zum Schneiden und Einbringen der Ernte und zum Herbeiführen vieler Gegenstände häuslicher Bedürfnisse der Grundherrn“.

Dies bringt uns auf den bisher noch nicht klar gestellten und doch für unsere Betrachtung wichtigsten Punkt, nämlich das wirtschaftliche Verhältnis der ackerbauenden Bevölkerung zu ihrer Grundherrschaft und damit auf die wichtige Frage: hatten schon damals Fürst und Adel umfangreiche eigene Acker wirtschaften, welche sei es durch Knechte, sei es durch Frohndienste selbst wirtschaftender Bauern bestellt wurden, oder lebten die Grundherren lediglich von den Naturalabgaben ihrer Hörigen? Leider geben die Urkunden gerade hierüber so gut wie gar keine Aufklärung.

Nach Bilow bebaute von den Hörigen die eine Hälfte das Land als Knechte des Grundherrn ohne irgend einen anderen Vorteil als ihren blosen Lebensunterhalt; die anderen obgleich auf fremdem Eigentum sitzend mit einigem Gewinn für sich selbst.

Diese zweite Klasse der Hörigen aber sei wiederum wenigstens auf den fürstlichen Gütern in zweierlei Weise genutzt worden: teils durch Naturallieferungen, teils durch zu leistende Frohnden nämlich Bestellung des fürstlichen Ackerwerks (aratura Principis), welches nach häufigen Meldungen*) in vielen der Dörfer unter der Bezeichnung praedium, graingia, mansio vorhanden gewesen sei. Diese Dienstbauern hätten nun ursprünglich die Dorfflur mit dem Fürsten als Grundherrn teilen müssen und dabei von der ihnen zufallenden Hälfte jeder Einzelne ein so großes Ackerstück zugewiesen erhalten, dass er es neben seinem Anteil an der gemeinschaftlichen Bestellung des Hoffeldes mit einem Pflug genügend bestellen konnte. Daher der geringe Umfang der slavischen Hakenhufe [uncus].

In anderen Dörfern dagegen, wo ein solches herzogliches Hoffeld nicht existierte, mussten die Bauern anstatt der regelmäßigen Ackerfrohnden ein Gewisses von dem Ertrag ihres Feldes geben. Dahin rechnet Bilow die decimarii oder rustici decimi der Quellen, als deshalb so genannt, weil sie dem Fürsten den zehnten Teil ihres Fruchtertrags gaben.**) Das Ackerwerk dieser Zehntbauern, welches wohl um die Hälfte größer sein und doch auch mit einem Pflug bearbeitet werden konnte, habe mansus geheißen.

Dies Verhältnis, welches von den unmittelbaren Besitzungen des Fürsten mehr oder weniger durch Schriftstellen bezeugt werde, habe ohne Zweifel auch auf den Gütern des Adels stattgefunden und sei hier die Ackerteilung mit den Arbeitspflichtigen jedenfalls am häufigsten vorgekommen.

*) Leider sind hier keine urkundlichen Belegstellen angeführt, sondern nur eine Stelle aus Saxo-Grammaticus.

**) Ebenso erkären Tzschoppe und Stenzel die auch in Schlesien vorkommenden decimi (Urkundensammlung etc. S. 66.)


Mit anderen Worten: Bilow nimmt bereits für jene Zeit eine ausgebildete und umfangreiche Hofwirtschaft sowohl des Fürsten als des Adels an, ja er spricht sogar schon von einem förmlichen Getreideexport der großen Grundbesitzer. Allein dies scheint uns doch mit der damaligen Höhe der Kultur und insbesondre des Ackerbaus schwer vereinbar. Wir sind auch in den Urkunden nirgends Spuren einer solchen Ackerteilung begegnet, auch Fabricius weiß von einer solchen nichts. Das kleine Maß der slavischen Hufe aber erklärt sich zur Genüge aus dem leichten und unvollkommenen Hakenpflug, nach dem sie benannt ist.

Allerdings sind Pflugdienste der Bauern urkundlich bezeugt,*) es soll deren Vorkommen auch keineswegs überhaupt in Abrede gestellt, sondern nur auf einen geringeren Umfang beschränkt werden. Es ist sehr wohl anzunehmen, dass zumal bei den fürstlichen Burgen**) und ebenso wohl bei den Höfen der Adeligen aucii einiges Hoffeld lag, welches von den zunächst wohnenden Bauern bestellt werden musste. Aber dies war gewiss noch von unbedeutendem Umfang; im Ganzen ist es wohl zutreflend, wenn Padberg (1861) sagt: „auf einen Ackerbau, welchen die erblichen Grundherrn einschließlich des Fürsten für eigene Rechnung mit hörigem Dienstvolk oder mit Hand- und Spanndiensten ihrer Hüfner betrieben, kommt keine pommersche Urkunde zurück. Der Adel besaß daher Feldmarken wie heute der russische, darauf lagen die Dörfer mit Hörigen besetzt.“***)

*) Es wird eine aratura des hinterpommerschen Herzogs Grimislaus erwähnt, welche zehntpflichtig ist (Dreger Codex Diplomaticus Pomeraniae p. 60 aus d. J. 1198) und im Jahr 1228 werden die Bauerndörfer Karlow und Petzkow, welche bei der Burg Gutzkow lagen, auch vom Pflugwerk (aratura) befreit: Dreger p. 127.
Auch in Schlesien mussten die Bauern more incolarum terrae herzogliche Äcker pflügen, was hier ebenfalls aratura hieß. Vgl. Tzschoppe und Stenzel a. a. O. S. 22.

**) Die sogen. „Bauwiek“ (vicus colonorum s. rusticorum) zum Unterhalt der Besatzung bestimmt und von besonderen der Burg dienstpflichtigen Bauleuten bestellt. Berghaus Landbuch von Pommern und Rügen. IV. Teil. Band 2. S. 200.

***) S. 195. Wenige Seiten später führt er allerdings trotzdem ruhig die Worte Bilows über die zahlreichen Frohndienste etc. an.


Fassen wir das Gesagte zusammen, so haben wir also in jener Zeit eine äußerst drückende und doch für beide Teile, Grundherrn wie Bauern, gleich mangelhafte wirtschaftliche Verfassung: auf der einen Seite hörige, schwer belastete Bauern, welche — abgesehen von jenen rustici decimarii — wohl meist mit dem Vieh und Gerät ihres Herrn dessen Boden bebauten und Mühe genug haben mochten ihr Leben zu fristen und alles was sie schuldig waren zu leisten — auf der anderen Seite eine zweifache zu diesen Leistungen berechtigte Grundherrschaft: die des Fürsten auf allen Gütern und daneben die besondere des Adels auf dessen eigenen Gütern. Erstere ist aber noch bei weitem die wichtigere, denn auch die adeligen Hörigen zinsen und frohnden in erster Linie dem Fürsten; infolge dessen ist der Nutzen, den der adelige Grundherr selbst aus seinen Gütern zog, nicht sehr groß, wenn auch genügend für seine damaligen Bedürfnisse. Dies erklärt uns in der Folge einerseits die zahlreichen Schenkungen des Adels an die Klöster, andrerseits die bereitwillige Reception des deutschen Lehnsrechtes, welches dem Vassallen weit erheblichere Nutzungsrechte an seinen Hintersassen gab.

Seit der Einführung des Christentums, also seit der Mitte des 12. Jahrhunderts, war zu den geschilderten Lasten, welche auf der ländlichen Bevölkerung ruhten, noch der kirchliche Zehnte hinzugekommen, welcher von einem jeden Ackerbauer gegeben wurde.*) Hatte damit das Christentum die Lasten der hörigen Bevölkerung zunächst noch vermehrt, so machte es doch andererseits schon sehr bald auf die drückende Lage derselben einen mildernden Einfluss geltend. So wurde dieselbe durch die Synodal-Ordnung von 1180 wenigstens gegen die rohe Willkür, wie sie damals eingerissen war, geschützt.**)

*) de uno quoque arante: Dreger Nr. 1. Er traf also keineswegs bloß die höheren Volksklassen, wie Bilow S. 20 u. 43 behauptet. Der Grundsatz, dass nur der Freie zu zehnten sei, ist uns nicht bekannt.
Getragen wurde die Abgabe auf jeden Fall von dem hörigen Ackerbauer.

**) L. Giesebrecht, Die Bauern im Lande Stettin a. a. O.


Damit sind wir aber schon bei der Epoche angelangt, in welcher sich eine gänzliche Umgestaltung der Agrarverhältnisse des Landes vollzog. Denn auf die vollendete Einführung des Christentums folgte unmittelbar die deutsche Einwanderung und Kolonisation.