Kapitel 6 - Das Einzig Notwendige von J. A. Comenius.

* Die Schriften von Johann Arnos Comenius wurden in den Veröffentlichungen der Comeniusgesellschaft seit 1892 wieder herausgegeben. „Das Einzig Notwendige“, von Johannes Seeger aus dem Lateinischen übertragen, erschien mit einer biographischen Einleitung von Ludwig Keller 1904 bei Eugen Diederichs in Jena; ,,Das Labyrinth der Welt“, durch Zdenko Baudnik aus dem Tschechischen übersetzt, im Auftrage der Comeniusgesellschaft im gleichem Verlage 1908, und eine von Johannes Kuhnel besorgte Ausgabe des berühmten Orbis sensualium pictus, eine photographische Wiedergabe der Originale bei Julius Klinkhardt in Leipzig 1910,




Was bedingt den Frieden und die Ruhe eines Landes? Die Eintracht ist es, jenes Bindemittel der Geister, das alle Glieder der Gesellschaft in Einmütigkeit zusammenhält. Wenn die Ansichten auseinandergehen, wenn es vielerlei Bestrebungen, Entscheidungen und Unternehmungen gibt, so ist es um die Eintracht geschehen. „Ein jedes Reich, so es mit sich selbst uneins wird, das wird wüste,“ sagt Christus. Es muss ebenso notwendig zusammenstürzen wie das Haus, dessen Fundamente und Pfeiler man untergräbt, dessen Wände man aus den Verbindungen lockert, dessen Dach man abdeckt.

Was kann nun zur Erhaltung der Eintracht geschehen? Eine bestimmte Ordnung für Personen und Handlungen muss da sein. Die einen müssen herrschen, die anderen Untertan sein, und jeder muss wissen, was er an seinem Platze und zu seiner Zeit zu tun hat. Alles aber geschehe freiwillig ohne zwingende Gewalt und vernunftgemäß, ohne List und Betrug. Denn die menschliche Natur will menschlich regiert werden, sie lässt sich lieber führen als ziehen, lieber überreden als zwingen; ist sie doch nach dem Ebenbilde Gottes vernunftbegabt und frei und mit dem Rechte freier Selbstbestimmung geschaffen. Die Kunst des Herrschens ist Weisheit, nicht Gewalt; Klugheit, aber nicht List. Die Natur des Menschen ist nicht schlechter als die des Tieres. Kein Stier, kein Hund, keine Katze, kein anderes Tier duldet grausame Behandlung; gereizt, schlägt es aus, beißt, zerfleischt oder flieht, wenn es kann. Ein edles Pferd trägt willig einen guten Reiter, aber den unerfahrenen wirft es ab. Das hat nicht bloß Alexander mit seinem Buzephalus, das hat auch Rehabeam mit seinem Reich erprobt und unzählige andere ebenfalls. So verlangt man also als Grundlage für vollkommene Eintracht entweder eine auf Freiheit beruhende Gleichheit oder eine auf Freiheit beruhende Regierung und einen freien Gehorsam. Freiheit ist der Leitstern jeder freien Tat; sie ist die Mitgift der menschlichen Natur, das Siegel des göttlichen Bildes in uns.

Was ist aber allgemeine Freiheit? Geht sie nicht leicht in Frechheit und Zügellosigkeit über und führt so eine allgemeine Verwirrung herbei?

Aber wird nicht auch mit dem Besten Mißbrauch getrieben? Sollen wir deswegen alles verwerfen? Mißbrauch der Freiheit müssen wir durch Gesetze zu verhindern suchen, jedes Ausbrechen aus der rechten Bahn durch Zügelung. Hüter der Gesetze sind die Behörden, die, mit Ansehen und Macht ausgerüstet, die Guten belohnen und die Bösen bestrafen. So kann man leicht allgemeine Ordnung und Sicherheit erhalten, wenn jeder ehrbar und ordentlich lebt, niemand verletzt und jedem sein Recht zukommen lässt.

Woher kommt nun also eine so schreckliche

Verwirrung der menschlichen Verhältnisse? Daher, daß man das Eine, was not ist, vernachlässigt und so viel Unnötiges zulässt, als da sind eine Vielheit von Regenten, eine Unmenge von Gesetzen, eine Unzahl von Gesetzeskrämern, die das Recht verkehren, eine Menge von Äußerlichkeiten, die den wahren Kern der Dinge verdunkeln, Verachtung und Verletzung der Gesetze, was man Staatsräson nennt, Eifersucht unter den Herrschern und endlich Krieg und Kriegsgeschrei.

Es ist eine Beobachtung seit uralter Zeit, daß viele Herrscher ein Unheil für ein Land sind. Die Alten hatten das Sprichwort: Die Menge Herrscher war Kariens Verderben. Denn bleibt die Sorge für Staat und Reich vielen überlassen, so gehen ihre Ansichten und Absichten bald auseinander und es bilden sich Parteien. Jeder sucht nur seinen Vorteil und zieht so viele als möglich auf seine Seite. Aber die Natur hat jedem lebenden Wesen, mag es auch noch so viele Glieder haben, nur eine einzige Seele gegeben. Wenn auch in freien Republiken die Sorge um das Wohl des Staates in den Händen vieler hegt, so werden sie doch alle durch das Gesetz der Eintracht so fest miteinander verbunden, daß der ganze Senat gleichsam nur eine Seele ist unter einem Präsidenten als dem Haupte. Bricht aber doch ausnahmsweise Uneinigkeit aus, so ist das äußerste Mittel, die Eintracht wieder herzustellen, wenn man alle Gewalt einem Diktator überträgt, wie man in Rom einen solchen Beamten nannte; diese Maßregel ist immer von glücklichem Erfolge gewesen. So bewahrheitet sich auch hier Christi Regel: Eins ist not.

Aber man kann zweifeln, ob es wohlgetan ist, alle Handlungen der Menschen durch eine Kette von Gesetzen fest zu umgrenzen, so daß sie eine Übertretung nicht mehr wagen. Sagt doch der Apostel: „Wo das Gesetz nicht ist, da ist auch keine Übertretung.“ Also wo viele Gesetze sind, da gibt's auch viele Übertretungen. Verbotene Frucht reizt, und wahr ist das Wort jenes Rechtsgelehrten: Aus schlechten Sitten entstehen gute Gesetze. Aber wiederum ist auch wahr, daß, je mehr Gesetze es gibt, um so leichter das Gedächtnis müde wird und Dreistigkeit sich ans Licht wagt. Ein trauriges Beispiel haben wir an dem jüdischen Volke, dem Gott vor allen anderen Völkern die besten Gesetze gegeben hatte, das aber vor allen Völkern in der verabscheuungswürdigsten Weise sündigte. Wir Christen haben das corpus iuris civilis der römischen Kaiser, das sechshundertmal mehr Gesetze hat als das mosaische, wir haben außerdem das um das Doppelte vermehrte kanonische Recht der römischen Päpste! Und was wird zur Verbesserung der Sitten erreicht? In keinem anderen Volke geschehen mehr Abscheulichkeiten! Wie müsste man da mit lauter Stimme der Welt zurufen: Eins ist not! Und was ist das Eine? Die zehn Gebote, auf die Gott alle seine Vorschriften beschränkt hat. Wenn nur die Rechtsgelehrten den Dekalog praktisch lehren, und das Christenvolk ihn praktisch lernen wollte! Wie viele Labyrinthe würden uns erspart bleiben! Und wenn wir uns dann noch die zehn Gebote aneignen wollten, wie Christus sie uns ausgelegt hat, nämlich Gott lieben und den Nächsten, so würde es sich bald zeigen, daß dem Gerechten kein Gesetz gegeben ist, d.h., daß wer Gott fürchtet und den Nächsten liebt, nicht viele Gesetze braucht. Allein das Gewissen würde einen jeden über alles belehren, was Gott und Menschen völlig wohlgefällig ist.

Was soll man von den Auslegern des Gesetzes, den Rechtsgelehrten, sagen? Vermindern oder vermehren sie die Schwierigkeiten dieses Studiums? Man sagt, sie täten das erstere, aber die Tatsachen reden dagegen. Wie viel hundert und hundertmal hundert Bände werden vollgeschrieben, wie viele andere Gelehrte werden in jedem Bande herangezogen, daß man sich wie durch einen dichten Urwald und dorniges Gestrüpp hindurcharbeiten muss. Wäre es doch niemals den Philosophen, Medizinern und Theologen eingefallen, diese greuliche Unsitte, den Leser auf Umwegen aufzuhalten, nachzuahmen. Aber heutzutage wird ja kaum ein neues Buch herausgegeben, das nicht mit einem gewaltigen Literaturverzeichnis ausgestattet ist, das weiter gar keinen Zweck hat, sondern nur die große Belesenheit anzeigen soll.

Das Labyrinth der Rechtswissenschaft wird noch vergrößert durch die gerichtlichen Handlungen selbst, durch die Prozesse, die, die Advokaten mit tausenderlei Kunstgriffen hin- und herzudrehen verstehen. Schon der heilige Bernhard klagt darüber, wie die Christen nicht nach Christi Gesetz leben, sondern nach ihrem eigenen bürgerlichen, das sie von den Heiden übernommen haben. Als Grund dafür gibt er an, daß die menschliche Schlechtigkeit sich nicht zutraut, das göttliche Gesetz beobachten zu können, obwohl Christus doch kein anderes Tribunal als das Gewissen aufgerichtet hat, das im eigenen Herzen ebenso wie in der Kirche Recht spricht. Auch einige Rechtsgelehrte haben gefunden, daß ein gewöhnlicher christlicher Prozess durchaus nichts Christliches an sich hat. So bringt Nikolaus Vigelius in der Vorrede zu seinem 1579 erschienenen Richterbüchlein den Beweis, daß die heutige Rechtswissenschaft der Ehre Gottes wie auch der allgemeinen Wohlfahrt großen Schaden gebracht hat. In demselben Buch zeigt er dann, wie einfach, leicht und allen Parteien gerecht werdend jede vorkommende Rechtsstreitigkeit erledigt werden könne. Zum Schluss fügt er eine Bitte an die Reichsregierung bei, forscht nach den Gründen unserer verderbten Rechtswissenschaft und führt unter anderem auch den Missbrauch der Beredsamkeit an; er beweist, daß die ganze Wissenschaft des menschlichen Rechtes überflüssig wäre, wenn die Christen wirklich Christen wären, d. h. wahrhaftig reden und handeln würden. Eine ähnliche Ansicht vertritt auch Oktavius Pisani in seinem „italienischen Lykurg.“ Von Mitteln, um Frieden zu halten, hat uns Christus nur ein einziges genannt, die Ertragung des Unrechtes; dies genügt, um allen beschwerlichen Prozessen aus dem Wege zu gehen. Petrus fügt hinzu: ,,Wer ist, der euch schaden könnte, so ihr dem Glauben nachkommt? Und ob ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig.“ Das ist ein Rat aus Christi Geist und Sinn herausgeboren, wahrhaft erhaben und himmlisch. Oh, daß wir Christen ihn trotz seiner Unscheinbarkeit doch nicht verschmähen wollten, um die bis ins Ungeheure gehenden, umständlichen und verderbenbringenden Prozesse unseres heutigen Rechtsganges zu ersparen. Wenn sie es wenigstens dulden wollten, daß neben den Stätten ihres bestehenden, starren Rechtes in jedem Lande auch ein Tribunal der Bescheidenheit gegründet würde, an dem ehrenwerte Männer als Schiedsrichter nicht bloß um Gewinnes willen, sondern aus Liebe zum Frieden Diener der Gerechtigkeit wären und nach Recht und Billigkeit die Streitigkeiten entschieden, die menschliche Schwachheit unter Frommen und Rechtschaffenen oder Armen entstehen lässt.

Ein viertes großes Labyrinth des menschlichen Verkehrs ist der eitle Stolz auf Titel und das doch nur rein äußerliche, pomphafte Gepränge der Zeremonien, das immer mehr zunimmt und doch nur ein vergänglicher, wertloser Tand ist. So weit ist es schon gekommen, daß fast niemand mehr etwas Ernstes treibt, sondern beinahe alle sich mit Possen abgeben. Überall herrscht mehr Heuchelei und Schmeichelei als Wahrhaftigkeit. Körperloser Schatten ist alles nur, Federn ohne Vogel, Geschirr ohne Pferd, Hirtenstab ohne Hirten, Mantel ohne Philosophen, sinnloses Geräusch, Namen ohne Bedeutung. Nur das Äußere sucht man, was Augen, Ohr und Phantasie erfüllt, den Kern will man nicht haben. Nur ein Beispiel! Worauf sieht ein Fürst, wenn er an einen fremden Herrscher einen Gesandten zu schicken hat? Nach der modernen Methode auf eine ansehnliche Persönlichkeit, auf großes Gefolge, auf viel Gepränge und großartigen Aufwand, der dem Staatssäckel viel Geld kostet. Christi Methode verlangt nur einen einzigen treuen und klugen Mann. Einen solchen Gesandten hat Gott in die Welt geschickt, seinen eingeborenen Sohn, der in Sanftmut ohne irdische Herrlichkeit und ohne viel Geschrei sein Amt ausrichtete, bis das Gericht auf der Erde sich vollendet hatte. Aber die Welt beachtet solches nicht und beurteilt die Dinge nicht nach ihrem inneren Werte, sondern nur nach ihrer äußeren Erscheinung. So täuscht sie sich selbst und bringt sich selbst nur ohne Ende in leere Verwickelungen.

Aus dieser bösen Gewohnheit, die Schale dem Kern vorzuziehen, ist noch eine andere hervorgegangen, die wie eine verheerende Seuche die menschliche Gesellschaft peinigt, nämlich die, das von Gott gegebene Recht nach Gutdünken zu brechen, sofern nur Hoffnung vorhanden ist, das ersehnte Ziel zu erreichen und festzuhalten. Das ist die Zweckmäßigkeit, unter der man die Freiheit versteht, alles zu tun, was dem eigenen Vorteil dient ohne Rücksicht auf Verträge und Versprechungen. Lässt man ihr freien Spielraum, dann wird es bald um Treu und Glauben unter den Menschen geschehen sein, keiner wird mehr vor Vertragsbrüchen sicher sein, nicht das Recht wird herrschen, sondern Gewalt und Hinterlist. So wird bald der ganze Verkehr der Menschen untereinander ein endloses Labyrinth werden, der nur noch ewig rollende Sisyphussteine bietet, und die Hoffnung auf freundnachbarliche Liebe und Eintracht wird entweichen wie jene Tantalusfrucht.

Das sechste Labyrinth bringt in die menschlichen Verhältnisse die Verschiedenartigkeit der Regierungsformen; daraus entsteht die scheelsüchtige Missgunst, die, die Welt unaufhörlich beunruhigt. Über die beste Regierungsform hat man sich bisher noch nicht einigen können, ob es die Demokratie ist, bei der das Volk sich selbst regiert, ob es die Aristokratie ist, wo die Herrschaft nur in den Händen einer an Zahl geringen Aristokratie liegt, oder ob es die erbliche Monarchie ist, bei der nur einer an der Spitze des Staates steht. Die einen treten für diese, die anderen für jene Form ein, eine Einigung hat sich in den 6000 Jahren dieser Zeitrechnung noch nicht erzielen lassen. Was ist hierin nun das Eine, was not ist? Die Antwort gibt uns Matth. 22, 21: „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist,“ und 1. Petri 2, 13: „Seid Untertan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen.“ Mit anderen Worten: Die einmal in der menschlichen Gesellschaft eingerichtete Ordnung soll man schützen und nicht umstürzen. Gott hat die Menschen zur Freiheit erschaffen und sie keiner menschlichen Kreatur, auch nicht den Engeln zum Eigentum verschrieben. Aber wo es Volksmassen gibt, da gibt es auch Verwirrung, wenn nicht der Pöbel durch den Zwang der Ordnung zusammengehalten wird. Die Entscheidung über die Art der Regierung hat Gott den Menschen anheimgestellt. Er hat darüber keine Bestimmung getroffen, nur Beispiele an den Tieren, die ein Gemeinschaftsleben führen, gegeben, an den Ameisen, die demokratisch, und an den Bienen, die monarchisch leben. Vor der Sintflut lebten die Menschen patriarchalisch, es war eine demokratisch-aristokratische Regierungsform, die Gott nicht missbilligte. Nimrod, der nach der Sintflut Familiengemeinschaften und Volksstämme unter seine Herrschaft zwang, begründete die Monarchie. Für den Apostel sind diese ursprünglichen Regierungsformen göttliche Ordnung und Gott wohlgefällig, weil es eben Gottes Ordnung ist.

Was braucht ein Reich notwendig, da wir schon einmal davon sprechen? Die Antwort erhalten wir aus Christi Regel: Eins ist not. Ein Reich kann zwei Herrscher nicht brauchen, auch nicht ein Herrscher zwei Reiche, sonst fehlt die Harmonie. Wie in der Ehe das Glück in der treuen Verbindung eines Mannes mit einem Weibe besteht, so ist auch in ähnlicher Weise ein Herrscher nur mit einem Lande verbunden. Ein Haupt — ein Leib. Der König, der nach mehreren Reichen trachtet, trachtet nur nach Labyrinthen, Sisyphusarbeiten und Tantalusqualen. Die sorgfältige Verwaltung eines Landes wird ihm schon eine genügende Last von Sorgen und Geschäften auferlegen.

Wie muss ein Fürst es anfangen, wenn ihm die Regierung seines Landes nicht zum Labyrinth werden soll? Antwort: Er muss die Kunst des Regierens verstehen, und die Fähigkeit und den Willen haben, sie auszuüben. Verstehen muss er die Kunst, Krieg zu führen und Frieden zu halten, kennen muss er die Gesetze der Gerechtigkeit und Billigkeit; er muss seine Augen überall haben, wo etwas geschieht, muss alles selbst sehen und nicht durch die Brille anderer. Pferd und Maulesel brauchen den Zügel, sagt David; ihnen fehlt die Vernunft; aber unvernünftig wäre es, wenn ein Herrscher, der andere beherrschen soll, sich selbst beherrschen ließe. Der Fürst muss ferner einen festen Willen haben, d. h. die Last der Regierung darf ihn nicht schrecken und Vergnügungen ihn nicht ablenken, die Sorge für das Wohl des Staates muss sein Vergnügen sein. Endlich muss er auch die Fähigkeit zum Regieren besitzen: er muss mit Ansehen, Macht und Heldensinn ausgerüstet sein, um allen, die, die Ruhe des Staates stören wollen, kräftig entgegentreten zu können. Schließlich: Er muss führen können, aber auch sich führen lassen. Führen muss er sein Volk; sich führen lassen muss er von Gott und den Gesetzen. Ohne das erste wäre er kein König und ohne das zweite wäre er mehr als ein König, ein Tyrann, der Gott und Menschen verhasst, sich selbst zum Verderben ist. Darum müssen alle, in deren Händen die Macht liegt, sich so führen lassen, daß sie zugleich geliebt und gefürchtet werden. Der Gute soll sie heben, der Böse sie fürchten. Da aber auch ein erfahrener Kapitän einmal Schiffbruch leiden und auch ein kluger Politiker den Staat in Unglück stürzen kann, wenn ihnen nicht der Lenker des Weltalls gnädig ist, so muss, wer am Steuer sitzt, vor allem Gottesfurcht haben und ohne Unterlass in Demut beten und leben.

Wie soll man es machen, daß ein Krieg, zu dem man gedrängt wird, nicht zu einem Labyrinth sich entwickelt? Antwort: Entweder ihn gar nicht anfangen, oder ihn schnell beendigen, oder ihn so führen, daß man siegt und nicht geschlagen wird. Das erste ist leicht, schon schwieriger das zweite, am allerschwersten das dritte. Christus pflegte immer das erste als das sicherste zu empfehlen. Denn der Krieg ist etwas Bestialisches. Dem Menschen ziemt Menschlichkeit und Sanftmut, und alle Streitigkeiten lassen sich durch ein verständiges Urteil beilegen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Rhein als Schicksal oder Das Problem der Völker