Fortsetzung (3)

Gerade damals hatte sich das Verhältnis der wendischen Städte zu König Erich dem Pommern bis zum Kriege zugespitzt, und als eine holländische Handelsflotte im Sunde sich dem Könige, dem es an eigenen Schiffen fehlte, zur Verfügung stellte, wurde sie dort Ende September 1422, noch ehe der König sich ihrer bedienen konnte, von der wendischen Kriegsflotte überwältigt und unbrauchbar gemacht. Dieser erste offene Zusammenstoß zwischen den wendischen Städten und den Holländern erfolgte in demselben Zusammenhänge wie die spätem, einer Verbindung der Frage des Ostseeverkehrs mit dem Verhältnis der wendischen Städte und der Holländer zum skandinavischen Norden.

Die politische Freundschaft, die König Erichs Vorgängerin Königin Margrethe mit den Ratsherrn der wendischen Städte zum Heile Dänemarks und des Nordens verbunden hatte, hörte nach König Erichs Regierungsantritt allmählich auf. Seine immer erneuten Versuche, das Herzogtum Schleswig den Grafen von Holstein mit Gewalt zu entreißen, erfüllten die Nachbarlande der wendischen Städte und das Meer vor ihren Häfen mit anhaltenden Kriegsunruhen. Eine Überwältigung der holsteinischen Macht durch die dänisch-nordische aber bildete eine starke Bedrohung auch für ihre eigene politische und wirtschaftliche Bewegungsfreiheit. Die wachsenden Finanznöte des Königs hatten Versuche zur Folge, den Verkehr aller Fremden im Norden stärker mit Zöllen und Abgaben zu belasten, und führten zur dauernden Einrichtung des Sundzolls wahrscheinlich noch vor 1429. Besondere Erregung aber rief es in den wendischen Städten hervor, als der König, um die wirtschaftliche Abhängigkeit seiner Reiche von der Hanse, die politische Gefahr, die darin lag, zu beseitigen, einerseits die Wettbewerber der Hanse, Holländer und Engländer, im Verkehr nach dem Norden ermunterte, andererseits seine eignen Städte und Untertanen mit Handelsprivilegien ausstattete, die den alten Freiheiten der Hanse widerstritten und zugleich mit einer Verminderung der privilegierten Stellung der Hanse die Schaffung eines nordischen Handelsstandes beabsichtigten. Gerade die große Masse der Bevölkerung der wendischen Städte sah sich dadurch in dem Besitze solider und sicherer materieller Gewinne im Norden bedroht; durch die anhaltenden Kriegsstörungen im Norden war gerade sie besonders empfindlich belastet. So waren die Gemeinden die eifrigsten Befürworter einer Verbindung ihrer Städte mit den Holsten und einer Bekämpfung König Erichs. Jedoch erst nach langem Zögern entschlossen sich 1426 die Räte der vier wendischen Städte und Lüneburgs, — in Hamburg hatte schon 1417 die Gemeinde den Rat zum Kriege genötigt, — die Waffen gegen den König zu ergreifen, und ein neunjähriger Krieg begann. Dass die Begeisterung für denselben bei der Mehrzahl der Gemeinden, Rostock und Stralsund ausgenommen, ungemindert den ganzen Krieg hindurch andauerte, dafür bietet aber noch ein anderer Umstand die Erklärung. Der Krieg nämlich gewährte den Städten die Möglichkeit, ihre allgemeinen handelspolitischen Bestrebungen mit ihm zu verbinden und den ostwestlichen Verkehr der Nichthansen zu bekämpfen. Eine Beeinträchtigung des Handels der Preußen und Livländer nach dem Westen war dabei unvermeidlich. Denn den wendischen Städten, wollten sie den Fremdenhandel wirksam treffen, blieb nur die Schließung des Sundes für alle Schifffahrt übrig. Nur wenn der ostwestliche Verkehr gezwungen wurde, seinen Weg ausschließlich über die holsteinische Landstraße zu nehmen, konnte mit einer gewissen Sicherheit der nichthansische Handel vom Ostseegebiet ausgeschlossen werden. Die weitere Folge einer solchen Verkehrsbeeinflussung musste die sein, dass der Vermittlungsverkehr zwischen dem Ostseegebiet und Westeuropa zunächst während der Kriegszeit in bedeutend vermehrtem Maße der Kaufmannschaft und Reederei der wendischen Städte, namentlich Lübecks, zufiel. Das sahen auch die Hansestädte des Ostens und Westens sowie die Nichthansen misstrauisch voraus und lehnten deshalb die ihnen von den wendischen Städten im Beginn des Kriegs angesonnene Einstellung des Verkehrs nach dem Norden und durch den Sund bestimmt ab. Die wendischen Städte waren daher genötigt, mit Gewalt ihren Forderungen Nachdruck zu geben. Ihre Flotten und Kaper beherrschten die Zugänge zur Ostsee zwar nicht in allen Kriegsjahren der keineswegs unbedeutenden Seemacht des Königs und den Handelsflotten der Neutralen gegenüber, jedoch erzwangen sie in den Jahren 1427, 1428 und 1431 die fast gänzliche Einstellung des Sundverkehrs. Und die zügellosen Räubereien der nordischen Auslieger, die ziemlich unterschiedslos sich auf wendische und nicht-wendische Schiffe erstreckten, trugen nicht wenig dazu bei, den Handel der Neutralen den Kaufleuten und Schiffen und Häfen der wendischen Städte zuzutreiben, die abgesehen von ihrer wirtschaftlich größeren Leistungsfähigkeit ihm auch die größte Sicherheit gegen Verluste boten. So konnte auch in den Jahren 1433 und 1434 trotz des zwischen den kriegführenden Mächten 1432 zu Horsens geschlossenen Stillstandes von einer Sundfahrt der Neutralen nicht die Rede sein. Innerhalb der Ostsee bewegte sich der Verkehr zwischen den wendischen, preußischen und livländischen Häfen, zwischen Lübeck, Danzig und Reval während des Kriegs in festen Formen. Im Jahre 1430 z. B. segelte im März eine große Handelsflotte von Reval nach Lübeck, im Juni sandte Lübeck eine Flotte von 40 Schiffen nach Danzig und am 10. Juli eine Flotte von 23 Kauffahrern mit flämischen Gütern nach Reval. Am 5. November fuhr abermals eine Handelsflotte von Reval nach Lübeck. Da in diesem Jahre die Sundsperre durchbrochen wurde, so sehen wir außerdem im Frühjahr englische und holländische Handelsflotten in Danzig einlaufen und im Mai eine große Flotte preußischer und Inländischer Schiffe aus der Baie nach der Ostsee zurückkehren, der es 1429 gelungen war, den Sund zu durchfahren; von ihr wandten sich allein 37 Schiffe mit Salzladung nach Reval.


Von diesen und einigen andern Durchbrechungen der Sundsperre abgesehen, ruhte das Baiensalzgeschäft wie jeder direkte Handelsverkehr zwischen dem hansischen Osten und dem Westen, so sehr auch die Marktlage im Osten zum Blockadebruch anreizen musste. An Stelle des Baiensalzes errang sich in erster Linie das Lüneburger Salz eine Alleinherrschaft auf den Märkten des Ostens. In diesem Artikel, der vor allem Massenbedürfnis im gesamten Osten war, aber auch für Tuch und die andern Luxus- und sonstigen Güter des Westens erzielte der wendische Händler von dem preußischen und livländischen Käufer unerhörte Preise, während er andererseits dem östlichen Verkäufer für Getreide, Hölzer und andere Waren die niedrigsten Preise vorschreiben konnte. Und dem Westen gegenüber spielte er im Besitz der Produkte des Ostens eine ähnliche Rolle. Er muss bedeutende Gewinne auch trotz des im ganzen durch den Krieg verminderten Verkehrs in den neun Jahren gemacht haben und nicht anders die wendische Reederei. Der Anteil der wendischen Städte am Gesamtverkehr Preußens und Livlands dürfte gleichzeitig infolge der Zurückdrängung des nichthansischen und des einheimischen Betriebs fast zu einem Monopol angewachsen sein.

Noch vor dem Friedensschlusse zu Wordingborg, der am 15. Juli 1435 diesen für den Verkehr des Nordens wie für ihren Beherrscher so verhängnisvollen Krieg beendete, hatte die wendische Verkehrspolitik auf dem Hansetage zu Lübeck 1434 die Hanse zu einer Erneuerung und teilweisen Verschärfung und Ausdehnung ihrer Verkehrsverordnungen veranlasst. Am härtesten mochte unter den neubeschlossenen diejenige die Nichthansen treffen, welche ihren Aufenthalt in Hansestädten auf die Dauer von drei Monaten einschränkte und ihnen den Winteraufenthalt dort überhaupt verbot. Diese Schritte der Hanse geschahen in der Voraussicht, dass dem Friedensabschluss ein rasches Wiederaufleben der Sundfahrt, des nichthansischen Verkehrs nach der Ostsee, des preußischen und livländischen nach dem Westen folgen werde. Und alsbald unternahm denn auch der lange gehemmte holländische Handel einen neuen Vorstoß in Dänemark, nach Bergen, nach Pommern und Livland. Aber sein Versuch, über Preußen hinweg direkte Beziehungen zu Polen anzuknüpfen, nötigte Danzig, die Vorzugsstellung, die es ihm bisher vor dem anderer Fremden bei sich eingeräumt hatte, zum Schutze des Zwischenhandels seiner eigenen Bürger zu beschränken.

Das politische Verhältnis zwischen Holland und den wendischen Städten, das seit dem Zusammenstoß im Sunde 1422 gespannt gewesen, hatte durch den Krieg eine weitere Verschlechterung erfahren. Holländische Schiffe und übrigens auch englische halfen gelegentlich den dänischen im Sunde die wendischen bekämpfen. Die wendischen Auslieger aber nahmen holländische Kauffahrer, die sich in der Ostsee zeigten, weg.

Seit 1430 sandte Hamburg Kaperschiffe gegen die Holländer in der Nordsee aus. Andererseits gestattete Herzog Philipp von Burgund seinen geschädigten Untertanen Feindschaft gegen die wendischen Städte und ihre holsteinischen Bundesgenossen und bedang sich von der Beute das übliche Fünftel aus. Jedoch die Gefahr eines wirklichen und allgemeinen wendisch-holländischen Kriegs ging diesmal vorüber. Noch vor dem Abschluss des Wordingborger Friedens wurde am 10. Mai 1435 Brügge ein Stillstand zwischen den wendischen Städten und Holland geschlossen und in den folgenden Jahren wiederholt verlängert, ohne dass die eigentlichen Beschwerden beider Teile erledigt worden wären. Insbesondere die Hauptforderung der Holländer, dass in Livland, Preußen und den andern Hansestädten alle hansischen Verfügungen, die seit 1418 ihren Verkehr beschränkten, namentlich das Verbot des direkten Handels mit andern Gästen, aufgehoben würden, stieß bei den Städten auf hartnäckige Ablehnung. Nachdrücklich hielt ferner Lübeck in den Verhandlungen der folgenden Jahre daran fest, dass es dieselben van wegen unser gemenen stede, van der dudeschen henze führe. Nicht minder nachdrücklich aber verwahrten sich andererseits der Hochmeister des deutschen Ordens sowie der hansische Osten; gegen jede politische Gemeinschaft mit den wendischen Städten, und ebenso Köln und der hansische Westen. Auch dem Kriege mit Holland standen die wendischen Städte als Vertreter der Hanse allein gegenüber, als im April 1438 die kriegslustigen Elemente in Holland endlich die Oberhand gewannen und den Herzog vermochten, seinen holländischen Untertanen den Krieg gegen die sechs Städte und ihre holsteinischen Bundesgenossen zu gestatten.

Die Holländer aber fassten rücksichtslos und folgerichtig viel höhere Ziele ins Auge und gaben dem Kriege einen Zug ins Große. Allen Hansen sollte ihr Kaperkrieg gelten. Musste der holländische Verkehr nach den Hansestädten und dem Ostseegebiet ruhen, so sollte auch jeder hansische Verkehr nach dem Westen unmöglich sein. Die süderseeischen Städte verpflichteten sich gegen sie, ihre Schifffahrt in östlicher Richtung einzustellen. Die Flamen und Brabanter wurden von ihnen dazu gezwungen. Um aber zu verhindern, dass die neutralen Preußen und Livländer den Verkehr zwischen dem Osten und Westen während des Kriegs besorgten und mit ihrer Flagge auch den wendischen Handel etwa deckten und so der Bekämpfung entzögen, dehnten sie ihre Feindschaft auf die Angehörigen des Ordensstaats rücksichtslos aus und nahmen dafür zum Vorwand die oft und gewiss auch nicht absichtslos von den wendischen Städten aufgestellte Behauptung, dass ihre politischen Maßregeln im Einverständnisse mit den Preußen und Livländern erfolgten. Es half diesen und dem Hochmeister nichts, dass sie sich mit größtem Eifer um die Aufrechterhaltung der gegenseitigen Freundschaft und Verkehrsfreiheit bemühten. Die Antwort der Holländer bestand in der Wegnahme von 23 preußischen und livländischen Baiensalzschiffen, die auf der Heimfahrt nach der Ostsee begriffen waren, Ende Mai 1438. Aber trotz dieser das größte Aufsehen erregenden Vergewaltigung und trotz der fortgesetzten Feindschaft der Holländer hielt der Hochmeister an seinem Anspruch auf Neutralität und Verkehrssicherheit für die Seinen fest und suchte wiederholt, wenngleich vergeblich, mit den Holländern zu einer Verständigung zu gelangen.

Auch in diesem Kriege war die Hauptaufgabe der wendischen Städte, den Sund dem Verkehr der Fremden zu schließen und abermals den direkten ostwestlichen Verkehr zu unterbinden. Und die Entwicklung der politischen Verhältnisse im Norden kam ihren Absichten auch zunächst fördernd entgegen. König Erich wurde gestürzt, Dänemark rief seinen Neffen Christof den Baiern auf den Thron, Erich suchte die Holländer für seine Sache zu gewinnen, und daher trat auch zwischen Christof und Lübeck eine Annäherung ein. Am 26. Juni 1439 wurde zwischen Dänemark und den verbündeten Städten ein Vertrag geschlossen, worin diese ihre Hilfe zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung in Dänemark verhießen, Dänemark sich dagegen verpflichtete, die Holländer vom Verkehr auszuschließen, solange sie Feinde der Städte seien, und diesen in der Bekämpfung derselben beizustehen.

Die energische Machtentfaltung der Holländer vor dem Sunde, ihr feindseliges Verhalten gegen den gesamten hansischen Seehandel drängte den ostwestlichen Verkehr von Anfang an auf die holsteinische Landstraße. Die Baiensalzeinfuhr nach der Ostsee stockte während der vier Kriegsjahre völlig, noch viel mehr als im letzten Kriege war der Osten auf die Erträge der Lüneburger Saline angewiesen. Durch scharfe Verkehrsvorschriften in den Jahren 1439 und 1440 regelten und lenkten die kriegführenden Städte den gesamten ostwestlichen Austausch, und Preußen und Livländer fügten sich dem Zwange und lieferten ihre Ausfuhrgüter auf den lübischen Markt. Aber für den Verkehr der verbündeten Städte mit dem Westen bildete die Allgegenwärtigkeit der holländischen Kaper in der Nordsee ein schweres Hemmnis. Sie bedrohten die wendischen Bergenfahrer im Kattegat ebenso wie die Hamburger England- und Flandernfahrer vor der friesischen Küste, während sie zugleich ihre Heringsfänger gegen die Hamburger Auslieger schirmten. Und sie griffen noch weiter um sich, indem sie, um das Handelsleben Flanderns noch mehr lahmzulegen, venetianische Schiffe und in größerer Zahl spanische aufbrachten und dadurch Holland auch in einen Seekrieg mit Spanien verwickelten*).

*) Dies hat mit beigetragen zur Entstehung der in den holländischen Quellen immer wiederkehrenden Angabe, dass Spanien, Venedig, Preußen und Livland im Bunde mit den wendischen Städten Holland bekämpft hätten.

Unter solchen Umständen nahm die Kriegslust in den wendischen Städten, die von Anfang an nicht lebhaft war, schnell ab und neigte um so mehr einer Verständigung mit Holland zu, als ihr dänischer Verbündeter mit Holland Friedens Verhandlungen anknüpfte, nachdem er mit ihrer Hilfe die festen Grundlagen für seine Herrschaft in Dänemark gewonnen hatte und auch in Schweden zum König gewählt worden war. Die Friedensschlüsse, die unter dem Zusammenwirken dieser und anderer Wünsche im August und September 1441 zwischen Dänemark, Holland, Preußen und Livland und den verbündeten sechs Städten erfolgten, ergaben für das Verhältnis zwischen diesen und Holland nur einen zehnjährigen Stillstand und legten beiden Teilen, wie übrigens auch der Friedensschluss zwischen Preußen und Livland und Holland, die Wiederherstellung der alten Verkehrsfreiheit und die Aufhebung aller sie beschränkenden Neuerungen zu Gunsten des andern Teils auf. Die Hauptforderung der Hanse, dass Holland sich den Einschränkungen fügen solle, die sie über den Verkehr der Seinen verhängt habe und noch verhängen werde, musste fallen gelassen werden. Jedoch schon kurz vor dem Friedensabschluss hatte die Hanse eine Anzahl ihrer Verkehrsverordnungen wieder aufgefrischt, und in den Jahren 1442, 1447 und später setzte sie diese Tätigkeit in noch größerem Maße fort, und der Verkehr der Holländer wurde von den Wirkungen dieser Politik nicht ausgenommen.

Dieser wendisch-holländische Seekrieg, in dem man später in Holland die Begründung der holländischen Seemacht sah, bedeutete ohne Zweifel einen moralischen Erfolg für die Holländer. Sie hatten den Kampf gegen die erste damalige Seemacht Nordeuropas nicht unrühmlich bestanden. Das nationale Bewusstsein wurde durch diese Überzeugung mächtig gehoben. Es mag nicht ganz unrichtig sein, wenn eine holländische Quelle meint, dass der Name Amsterdam durch diesen Krieg zum ersten Male bis in ferne Länder bekannt geworden sei und man ihn dort für den eines ganzen Landes gehalten habe und Bündnis mit diesem zu schließen gewünscht habe. Vor allen Dingen aber vermehrte der Krieg im Norden die Wertschätzung der Holländer. Obgleich König Christof mit Hilfe Lübecks Herr in Dänemark geworden war, war er doch der erste nordische Herrscher, der dem holländischen Handel in Norwegen und in Dänemark eine feste Stellung geschaffen hat. Fortan erscheint die Wertschätzung der Holländer im Norden bei Zerwürfnissen zwischen den nordischen Königen und den wendischen Städten in der Form einer holländisch-nordischen Interessengemeinschaft.

Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass diese fünfzehnjährige Kriegszeit einen Aufschwung des Handels und der Schifffahrt der Holländer im nördlichen Europa mit sich geführt und zur Folge gehabt habe. Durch beide Kriege waren die Holländer in empfindlichster Weise von der Ostsee ferngehalten worden. Die Tuchindustrie Leidens, deren Absatzfelder im Osten lagen, war infolge des Kriegs in Verfall geraten. Auch andere Nahrungszweige der Bevölkerung hatten durch den Krieg starke Störungen erlitten, und nicht gering wird man den Druck der drei furchtbaren Teuerungsjahre 1438 — 1440, die den Westen heimsuchten, und die Verarmung der Bevölkerung infolge der fast unerschwinglichen Nahrungsmittelpreise veranschlagen dürfen. Fügt man hinzu, dass die Führung des Kriegs die holländischen Städte, namentlich Amsterdam zu großen Anstrengungen, zur Aufnahme großer Schulden genötigt und die Friedensschlüsse des Jahres 1441 ihnen gegen den König von Dänemark, die Preußen und Livländer, den Herzog von Schleswig und gegen Spanien schwere Zahlungsverpflichtungen auferlegt hatten, dass also die Finanzen der holländischen Städte stark zerrüttet waren, so ist es begreiflich, dass die Bevölkerung unter schwerem Steuerdruck zu seufzen hatte.

Noch 1445 berieten in Leiden die Vertreter der drei Landschaften mit Bevollmächtigten des Herzogs, wie man der so sehr zurückgegangenen Kaufmannschaft der Niederlande aufhelfen könne.

Und die Lage der Schifffahrt war nicht viel besser. Schon damals war eben der Ostseeverkehr für Hollands Handel und Schifffahrt der Lebensnerv, und Lübeck wusste seinen gefährlichsten Konkurrenten durch die wiederholte Sundsperre aufs wirksamste zu treffen.

Wenn man auch anerkennen muss, dass die Politik Lübecks und der mit ihm verbündeten Nachbarstädte zugleich mit den eignen Verkehrsinteressen die allgemein hansischen Forderungen vertrat, so darf man sich doch auch nicht darüber wundern, dass der Anblick der mannigfachen Vorteile, die diese Städte besonders aus dem ersten Kriege für sich zogen, in vielen hansischen Genossinnen, namentlich den preußischen Städten eine tiefe und nachhaltige Erbitterung erzeugte, ein Gefühl des Vergewaltigtseins, das man ohnmächtig hatte hinnehmen müssen. Vom Standpunkte des preußischen Sonderinteresses betrachtet war die Handlungsweise Lübecks auch kaum etwas anderes. Jenen Eindruck fasste ein Thorner Kaufmann 1450 in das Urteil zusammen: Stiften die Lübecker Krieg, so ziehen sie den Ostseehandel an sich und leiten ihn über Hamburg nach Flandern; dadurch werden sie reiche Leute, wir Preußen aber müssen verderben. Und als Lübeck im Jahre 1511 anlässlich seines Kriegs mit Dänemark Danzig vorschlug, seine Schiffe wegen der größeren Sicherheit nach Lübeck segeln und von dort ihre Ladung weiter über Hamburg nach dem Westen versenden zu lassen, lehnte der Danziger Bürgermeister auf dem Hansetage dies Ansinnen mit tiefer Entrüstung ab: Wir sollen den Lübeckern ihre Schiffe befrachten, ihre Zölle vermehren, ihre Fuhrleute reich machen und ihnen den Verdienst überlassen, den wir selbst haben können! Man wird vielleicht sagen dürfen, dass Lübeck in jener Kriegszeit die Rücksicht auch auf berechtigte Interessen hansischer Bundesmitglieder allzusehr außer Augen gelassen, die Tragweite seiner Politik nach dieser Seite sich nicht klar vergegenwärtigt habe. Der Gegensatz, der seit dem Beginn des Verkehrs der Fremden nach dem Osten immer schärfer zwischen der von Lübeck vertretenen politischen Auffassung und derjenigen Danzigs zu Tage getreten war, entsprang der Tatsache, dass die Grundbedingungen für das Gedeihen beider Städte und ihres Anhangs verschieden waren und dass in einer Anzahl der wichtigsten Fragen ein Zusammengehen zwischen beiden durch die besonderen Anforderungen der beiderseitigen Interessen ausgeschlossen war. Der Übergang unter die polnische Herrschaft seit 1454, der Danzig eine gesteigerte Unabhängigkeit innerhalb der Hanse eintrug, brachte das fortan noch schroffer zum Ausdruck.

Lübeck aber und seine Nachbarstädte verdankten die wirtschaftlichen Erfolge und Fortschritte der letzten Jahrzehnte nicht normalen Verhältnissen, sondern unnatürlichem Zwang. Allerdings ist dadurch eine bedeutende Kräftigung der politischen Spannkraft und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Lübecks bewirkt worden, und das ist auch der Stellung der Hanse im Ganzen zugute gekommen. Denn namentlich im Westen scheint die Wertschätzung der Zugehörigkeit zur Hanse gehoben worden zu sein.

Arnheim und Roermond suchten 1437 um Aufnahme in die Hanse nach und wurden 1441 zugelassen. Selbst das eigenwillige Kämpen, das seinen Vorteil sonst in einer Absonderung von der Hanse gesehen hatte, kam 1441 mit dem gleichen Antrage vor den Hansetag und fand Gewährung. Die Bitte Utrechts um Aufnahme aber wurde 1451 abschlägig beschieden. Süderseeische und friesische Städte aber suchten weiter durch den Rückhalt an der Hanse ihre Stellung gegenüber den Holländern zu verbessern, indem sie hansische Verordnungen nachdrücklich und verschärft auf die Holländer anwandten. Deventer, Kämpen und Zwolle versagten durch gemeinsamen Beschluss 1443 den Holländern die Erwerbung des Bürgerrechts. Groningen und Leeuwarden trafen dieselben Vereinbarungen.

Wie sich der Umfang des lübischen Handels im Osten in den zwei Jahrzehnten zwischen der Mitte der zwanziger und der vierziger Jahre des 15. Jahrhunderts verändert hat, ist in Zahlen nicht auszudrücken. Aber einen allgemeinen Eindruck von seinem Umfange gewähren die Danziger Schifffahrtsregister der Jahre 1474 — 1476. Im Jahre 1474 kam von allen nach Danzig einlaufenden Schiffen der vierte Teil aus Lübeck, 1475 sogar mehr als der dritte und 1476 mehr als der fünfte. Aus Lübeck, Wismar, Rostock und Stralsund zusammen 1474 über ein Drittel der Schiffe, 1475 die Hälfte, 1476 zwei Fünftel. Der Schiffsverkehr der drei letztgenannten Städte zusammengenommen war in jedem der drei Jahre noch nicht halb so stark wie der lübische. Allerdings spiegeln diese Zahlen nicht völlig normale Verkehrsverhältnisse wider, denn die englische Schifffahrt nach Danzig ruhte während dieser drei Jahre ganz, die holländische aber war seit 1474 erst wieder im Anwachsen. Auch in der Wareneinfuhr während dieser Jahre war Lübeck für Danzig der weitaus bedeutendste und vielseitigste Markt. Die Hauptgegenstände der Einfuhr Danzigs, Tuch, Salz, Heringe, sodann die Südwaren und Öl kamen ganz überwiegend aus Lübeck. Nur in der Heringseinfuhr konkurrierte Amsterdam nicht unwesentlich mit Lübeck, blieb aber doch noch weit hinter ihm zurück. Bei dieser überragenden Stellung Lübecks innerhalb des Danziger Handelslebens in den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts darf man aus der Äußerung des Danziger Pfundmeisters, der 1444 den Handel Lübecks in Danzig für zehnmal so groß erklärte als den der drei andern wendischen Städte, Hamburgs und Lüneburgs zusammengenommen, wohl den Schluss ziehen, dass damals die Stellung Lübecks in demselben noch bedeutender gewesen ist als 30 Jahre später.

Das Streben der wendischen Städte, den durch die Kriege bewirkten Zustand, der in mancher Hinsicht ja eine Annäherung an viel ältere, ehemals selbstverständliche Verkehrsverhältnisse war, durch besondere Festsetzungen zu behaupten, zeigt sich in verschiedenen Richtungen. Im Jahre 1446 erließen die wendischen Städte jene Verfügung für den Verkehr mit dem Stapel zu Bergen, wodurch er an den lübischen Markt gebunden wurde. Dieselbe Absicht sprach mit bei der Einführung des Stapelzwangs zu Brügge für den hansischen Verkehr in den Niederlanden seit 1447. Die kostbaren Güter des Ostens, Wachs, Pelzwerk, Metalle, Felle u. a., sollten nur nach Brügge gebracht und dort verkauft, alle in Flandern, Holland, Seeland und Brabant hergestellten Tuche nur in Brügge von den Hansen gekauft und von dort nach dem Osten versandt werden dürfen. Der Verkehr mit diesen stapelpflichtigen Waren wurde an den Hafen Lübecks und Hamburgs, die Benutzung der holsteinischen Landstraße und der von Lübeck und Hamburg gemeinsam für den Verkehr zwischen Hamburg und dem Stapel in Brügge gestellten Schiffe gebunden. Die direkte Versendung der stapelpflichtigen Waren aus der Ostsee durch den Sund wurde zwar nicht verboten, nur sollten sich Hansen wie Nichthansen eidlich verpflichten, solche nur nach Brügge zu führen. Aufgehoben waren die Zwangsbestimmungen aber für den Besuch von Antwerpen und Bergen op Zoom während der Zeit der großen Märkte. Lübeck versprach sich von der Durchführung dieser Anordnungen, die auch der Absicht entsprangen, die alte Bedeutung Brügges als Zentralmarkt des Westens auf Kosten des inzwischen stark gewachsenen Handels der größeren Plätze in Brabant und Holland wieder zu kräftigen, eine große Förderung des gesamten hansischen Handelslebens. Jedoch die Verhängung der Handelssperre gegen Flandern und die Wegverlegung des hansischen Kontors 1451 aus Brügge nach Deventer und dann nach Utrecht, die von der hansisch lübischen Politik verfügt wurde, erwies sich diesmal als ein folgenschwerer Missgriff und bezeugt, dass sich die leitenden Schichten der Hanse noch in einer Täuschung über die Bestrebungen und die Kräfte des burgundischen Staatswesens befanden. Ihre wichtigsten Forderungen setzte die Hanse schließlich nicht durch, und während der sechsjährigen Dauer der Sperre, während welcher der hansische Handel sehr zum Missvergnügen mächtiger Glieder des Bundes, besonders der preußischen und livländischen Städte, an für die Schifffahrt durchaus ungünstigen Orten seinen Stützpunkt suchen musste, war den Holländern die günstigste Gelegenheit geboten, sich in den westöstlichen Verkehr wieder einzudrängen. Seit diesem Zeitpunkte ging es mit dem holländischen Handel und Schiffbau wieder stark aufwärts. Und kaum hatte König Christian I. von Dänemark die Herzogtümer Schleswig und Holstein erworben, so erteilte er Ende 1461 den Amsterdamern ein Zoll- und Handelsprivileg zum Verkehr durch das Herzogtum Schleswig zwischen und in den Städten Husum, Schleswig und Flensburg.

Während die Hanse bestrebt war, den Verkehr der Nichthansen auf den großen ostwestlichen Straßen ihres Handelsgebiets zu bekämpfen, erwuchs ihr jedoch eine neue Konkurrenz im Verkehr mit den Ostseegebieten durch die Oberdeutschen, insbesondere durch die Nürnberger Kaufleute.

Schon im 14. Jahrhundert ist das Ostseegebiet nicht ganz ohne Verkehrsverbindungen über seine Grenzen hinaus nach Süden gewesen. Zu Ruthenien, insbesondere zu Lemberg, hatten die Kaufleute von Thora, aber auch der Handel des preußischen Ordens wertvolle Beziehungen angeknüpft. Dieser von der Natur gleichsam zum Übergangsgebiet bestimmte Boden war ein eigenartiger und sehr wichtiger Sammelplatz des internationalen östlichen Verkehrs. Von Süden her erschienen dort über ihre blühenden Handelsniederlassungen am Nordrande des Schwarzen Meeres Soldaja, Kaffa, besonders Tana, und in Konstantinopel genuesische und venetianische Kaufleute. Von Osten her belebten Russen und Tataren, die in Lemberg eigene Gotteshäuser besaßen, diesen Verkehr. Und neben ihnen waren auch die für den Handel zwischen Asien und Osteuropa so ungemein wichtigen Armenier vertreten. Auch von Handelsverbindungen der Nürnberger Kaufleute nach Lemberg und mit den von Tana dorthin verkehrenden Italienern sind Spuren vorhanden. Die wichtigsten europäischen und vorderasiatischen Handelsvölker berührten sich somit auf diesem Markte in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Natürlich war diese Berührung des hansisch-preußischen Handels mit fremden Kaufmannschaften auf dem großen binnenländischen Messeplatze des Ostens weder dem Umfange noch der Bedeutung nach auch nur annähernd mit dem Antwerpener Messeverkehr der Hanse zu vergleichen*). Es ist aber wichtig, dass auch im Osten eine Berührung des hansischen und italienischen Handels und dadurch eine feste Straßenverbindung vom Ostseegebiet zum Schwarzen Meere bestand. Sie hatte sich jedoch keiner langen Dauer zu erfreuen.

*) Die Thomer Zollrolle für den Verkehr mit Breslau, Wladimir u. Lemberg von ca. 1350—1360, H. U.-B. Höhlbaum III, Nr. 559, nennt als Ausfuhrartikel nach den beiden letztem Plätzen Tuch, Felle, Hering u. a., als Einfuhr von dort nach Thorn Wachs, Pelzwerk, Seide. Spezereien, Ingwer, Pfeffer. Der Handel des deutschen Ordens setzt in Lemberg um vorwiegend überseeische Tuche, auch etwas Bernstein gegen Muskaten, Nelken, Ingwer, Gewürz, Seidengewebe, Pelzwerk, vgl. Sattler, Handelsrechnungen, Position Lemberg. — Österreich, Die Handelsbeziehungen Thorns zu Polen i. Zeitschr. des westpreußischen Gesch.-Vereins 28, S. 78 u. 87 übertreibt die Bedeutung Lembergs und des hansisch-italienischen Verkehrs dort doch wohl.

König Wladislaw Jagiello von Polen übertrug die politische Spannung zwischen Polen und dem deutschen Orden planvoll und rücksichtslos auf das Gebiet des Handels. Die straffe Durchführung eines vollständigen Stapelzwangs in Krakau vernichtete den direkten Verkehr der preußischen Kaufleute nach den reichen Kupferbergwerken Nordungarns und bereitete auch ihrem lebhaften Handel nach Ruthenien, wie es scheint, im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts ein Ende. Bei der Fortdauer der Feindschaft Polens und Litauens gegen den Orden und dessen zunehmender Schwäche war, ganz abgesehen von andern unüberwindlichen Schwierigkeiten, die Anregung zur Wiederaufnahme eines Verkehrs nach Lemberg und weiter, die König Sigmund der Hanse und den preußischen Städten 1412 und 1420 gab, erfolglos. Sein Plan war der, dass die Hanse eine, Handelsverbindung von der Ostsee nach Kaffa herstelle, um dort von den Genuesen ihre Bedürfnisse an Orient- und Südwaren einzukaufen zum Schaden Venedigs, mit dem er damals verfeindet war. Wirklich sandten auf seinen Wunsch Danzig und Thorn zwei Sachverständige aus mit dem Auftrage, wy man die strasze ken Caffaw künde vinden. Weiter verlautet aber nichts darüber. Der flandrische Ritter und Reisende Gilbert de Lannoy, der auf Veranlassung der Herrscher von England, Frankreich und Burgund 1421 eine Reise nach Jerusalem über den Osten unternahm und dazu die alte Verkehrsstraße über Danzig und Lemberg wählte, gelangte schließlich nach vielen Mühen nach Kaffa. Aber der hansische Verkehr konnte nicht wieder nach Lemberg, geschweige denn bis nach Kaffa ausgedehnt werden. Der Völkersturm Timur Lenks vernichtete 1397 Tana und erschütterte den Verkehr der Italiener nach Südrussland überhaupt schwer. Die Ausbreitung der türkischen Macht unterband ihn vollends. Auch in Lemberg blieb er aus. Andererseits waren die Versuche der Polen, über die preußischen Häfen oder bei politischen Zerwürfnissen mit Preußen über die Warte und Oder und die pommerschen Häfen direkte Verkehrsbeziehungen zum flandrischen Weltmarkt zu erlangen, weder im 14. noch im 15. Jahrhundert von dauernden Erfolgen begleitet. Das Handelsleben des Ostens blieb vorwiegend passiv. Aber das Zurückweichen und die Störungen des hansischen und italienischen Handels im Osten trugen viel dazu bei, dass eine im Ausgange des 14. Jahrhunderts noch sehr spärlich vertretene Kaufmannschaft dort immer größeren Einfluss gewann und in den Richtungen des polnischen, ruthenischen und ungarischen Handels Veränderungen bewirkte, die auch für den hansischen Handelsbetrieb im Osten von immer größerer Bedeutung wurden, die Nürnberger und andere oberdeutsche Kaufleute.

Erst im 14. Jahrhundert hat überhaupt die Nürnberger Kaufmannschaft sich diejenigen Verkehrslinien gebahnt, auf denen seitdem ihr Handel sich so glänzend entwickelte, nach Italien, nach Flandern und Brabant den Rhein hinab sowie nach dem Osten. Brügge und Antwerpen im Nordwesten, Venedig im Süden, Krakau im Osten wurden die Hauptplätze ihres auswärtigen Verkehrs. Schon 1399 unternahmen es einmal Nürnberger Kaufleute, aus dem hansischen Osten Kupfer zur See nach Flandern zu versenden zur großen Beunruhigung der preußischen Städte, die bei Nürnberg selbst Widerspruch gegen das Vorgehen seiner Kaufleute erhoben 3 . Zwei Jahre später beabsichtigten die preußischen Städte Beratungen, wie man am besten die Nürnberger vom eigenen Lande fernhalte. Beachtenswert ist es ferner, dass die preußischen Städte 1401 der Hanse vorschlugen, sich über die Verhinderung der Einfuhr von Silber zu den Russen auch mit Krakau, Breslau und Nürnberg zu verständigen. Seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts nahmen das ungarische Erz und das westrussische Pelzwerk statt wie bisher ins hansische Gebiet ihren Weg mehr und mehr in den oberdeutschen Verkehr. Die Verkehrsstockung und Warenverteuerung, die infolge der Kriege der wendischen Städte mit dem Norden und mit Holland auf dem slawischen Hinterlande der Östlichen Hansestädte lastete und auch im Westen fühlbar war, dürfte der Ausbreitung der oberdeutschen Konkurrenz in beiden Richtungen weitern Vorschub geleistet haben. Aus der Stockung des hansischen Verkehrs suchten die Nürnberger Vorteil zu ziehen, indem sie Wachs und Pelzwerk im Osten, sogar in Preußen aufzukaufen versuchten, um es über Land nach dem Westen zu versenden. Sie stießen dabei jedoch in Preußen 1440 auf den Widerstand der Städte. Seit dieser Zeit aber erscheint der oberdeutsche Handel plötzlich als ein Faktor, mit dem auch die hansische Handelspolitik rechnen muss. Dass der Nürnberger Handel über Flandern hinausgriff und vielleicht bereits im Anschluss an den hansischen in England Fuß zu fassen versuchte, geht aus dem Beschlüsse des lübischen Hansetags 1447 hervor, dass den Engländern, Holländern, Seeländern, Flamen, Brabantern und den Nürnbergern unter allen Umständen die Teilnahme an den englischen Privilegien der Hanse versagt bleiben soll. Anlässlich der hansischen Handelssperre gegen Flandern aber sprach Köln 1452 direkt die Befürchtung aus, dass nun der Handel der Nürnberger, der schwäbischen und anderer Fremden in die vom hansischen geräumten Positionen einrücken werde. Fortan klingt die Besorgnis vor den Konkurrenzbestrebungen der Nürnberger auf niederländischem Boden immer wieder aus hansischen Äußerungen heraus. Von Seiten derjenigen Hansemitglieder aber, die mit der Einrichtung des hansischen Stapelzwangs in Brügge nicht einverstanden waren, wurde diesem die Schuld beigemessen an der Vergrößerung des Handels der Schwaben und Nürnberger in den Niederlanden. Und andererseits lässt es sich im 15. Jahrhundert wiederholt feststellen, dass jederart Störungen des Verkehrs der Hanse mit dem polnisch-litauischen und auch dem russischen Osten, namentlich wenn sie von längerer Dauer waren, die Slawen veranlassten, Anschluss an das oberdeutsche Handelsgebiet zu suchen.*)

*) 1 Vgl. dafür die charakteristische Äußerung Thorns zu 1497, H. R. Schäfer IV, Nr. 39, vgl. Nr. 40 : Die Russen von Nowgorod, Moskau, Pskow würden, wie es auch früher schon bei hansisch-russischen Zerwürfnissen vorgekommen, Wege suchen auf Breslau, Leipzig, Nürnberg oder Frankfurt am Main.

So war eine Handelsmacht, die nicht im hansischen Verkehrsgebiet wurzelte, als ein weiterer Wettbewerber der Hanse im ostwestlichen Verkehr aufgetreten. Sie war daher auch im Stande, viel unbefangener Störungen des Handels dort auszunutzen. Auch sie suchte den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit im Westen auf niederländischem Boden, aber nicht mehr in Brügge, dessen Stern als Mittelpunkt des europäischen Handels in langsamem Erbleichen war, sondern seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in dem zukunftsreichen Antwerpen. Sie war durch hansische Verkehrsvorschriften hier nicht sonderlich zu bekämpfen und auch sonst nicht durch solche zu behindern, denn die Straßen des oberdeutschen Verkehrs mit dem Osten umgingen das hansische Gebiet. Es hängt auch mit dieser Entwicklung zusammen, dass Breslau und Krakau in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts immer mehr den Zusammenhang mit der Hanse verloren, immer enger mit dem Geschäftsbetriebe der Oberdeutschen verwuchsen. Die Veränderungen, die im italienischen Handel nach dem Schwarzen Meere und Südrussland im 15. Jahrhundert vor sich gingen, blieben ebenfalls nicht ohne Wichtigkeit auch für den hansischen Handel. Die Ausbreitung der Türkenherrschaft und schließlich die Eroberung Konstantinopels durch sie 1453 gaben dem italienischen Handel nach Südrussland den Todesstoß. Die Waren, die bisher von den Italienern auf diesem Wege bezogen worden waren, mussten sich nach andern Abnehmern umsehen. Sie wandten sich ins Handelsgebiet der Oberdeutschen, nach Krakau, Breslau und Leipzig. Und es ist wohl kein zufälliges Zusammentreffen, dass das erste landesherrliche Messeprivileg für Leipzig im Jahre 1458 erteilt ist. Auch hier aber beherrschte der Oberdeutsche den Markt.

Gestützt auf seinen wachsenden Handel mit dem Osten, die Ausbeute der von ihm in schnell zunehmendem Umfange in Betrieb genommenen Silbergruben und früher schon der ungarischen Kupferbergwerke, deren Erträge er mehr und mehr monopolisierte und dem hansischen Handel entzog, errang sich der Oberdeutsche als Käufer und Verkäufer im Laufe des 15. Jahrhunderts eine immer größer werdende Wertschätzung im Handelsleben der östlichen und der westlichen Randländer des hansischen Verkehrsgebiets. Indem er beide miteinander über Mittel- und Oberdeutschland in lebhafte Verbindung brachte, sich entfalten konnte, ohne dass die Hanse imstande war, durch das System ihrer Handelspolitik ihn zu bekämpfen, wurde er für sie ein nicht ungefährlicher neuer Wettbewerber in dem Warenumsatz zwischen dem Osten und dem Westen Europas.
043 Landsknechtslager

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044 Kriegsrat vor belagerter Stadt

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045 Bauernkrieg

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046 Hirschjagd

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047 Kinderspiel (Turnier)

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048 Schembartläufer

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Hanseatische Kaufleute

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Hanseatische Kaufleute (2)

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April

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August

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