Schluss

Die klerikal-ultramontane Partei sucht ihren Judenhass dadurch zu rechtfertigen, indem sie behauptet, dass der Kampf wider Rom, welcher in neuerer Zeit in Europa entbrannte von der „Judenpresse“ angefacht wurde und die poIitischen Veränderungen in Italien, Österreich und Deutschland einzig und allein das Werk der jüdischen Zeitungsschreiber sei! Darauf haben wir Folgendes zu entgegnen:

1. Hat der Klerus den Judenhass kultiviert ehe noch in Europa Zeitungen erschienen und ehe noch Juden Zeitungsschreiber waren, in einer Zeit, als der Klerus die größte europäische Macht war.


2. Sind nicht alle Juden Journalisten und nicht alle jüdischen Journalisten sind antiklerikal; aber selbst Diejenigen, welche mit der Feder gegen Rom kämpfen, sind nicht Matadoren der Judenheit, sie tun es auch nicht in ihrer Eigenschaft als Juden, sondern als die Organe der öffentlichen Meinung, als Vertreter des Liberalismus. Oder gehören sämtliche Liberalen dem Judentume an? Wahrlich dann hätten die Juden alle Ursache stolz zu sein, sich von der gesamten europäischen Intelligenz als Gesinnungsgenossen ans erkannt zu sehen. Wenn demnach ein großer Teil der jüdischen Schriftsteller mit den heftigsten Gegnern des Papsttums gemeinschaftliche Sache machen, kann nicht dafür das Judentum verantwortlich gemacht werden; es sind eben die Schriftsteller, nicht die Juden, welche in den Reihen der Papstgegner kämpfen. Es wäre ebenso sinnlos als ungerecht, würde man sagen: „Der Christ N. N. hat eine Mordtat begangen." Denn nicht der Christ, sondern der Mensch N. N. hat sie verübt!

3. Ist es grundfalsch anzunehmen, dass alle Juden von gleichen Neigungen, Empfindungen und Gesinnungen durchdrungen sind, dass sie alle gleiche Ansichten in Bezug auf Religion, Politik, Kunst und Wissenschaft besitzen; welcher Kontrast herrscht beispielweise zwischen den Ansichten des orthodoxen Rabbi Hildesheimer in Berlin und des jüdischen Sozialdemokraten Marx in London, zwischen den Ansichten des jüdischen Philosophen Spinoza und des verstorbenen Preßburger Rabbi's Moses Sofer! Im gegenwärtigen Pester Reichsrat geht der jüdische Abgeordnete Wahrmann mit der Regierung durch Dick und Dünn, während der jüdische Abgeordnete Horn zu den äußerst Linken gehört. Wir haben es für gut befunden, bei diesem Punkte länger zu verweilen, weil diese Beschuldigung gar zu oft gehört und gelesen, und von Tausenden papageienartig nachgesprochen und geglaubt wird. Wie man die Juden im Mittelalter für Heuschreckenschwärme, schwarze Pest, Erdbeben, kurz für alle Elementar-Ereignisse verantwortlich gemacht, so sucht man die Juden in unseren Tagen für alle politische Veränderungen, die in Europa feit dem Jahre 1848 vor sich gegangen, verantwortlich zu machen. Die Juden haben im Heilsjahr 1848 alle Revolutionen angezettelt, haben 1852 Napoleons Staatsstreich veranlasst - dies haben wir erst unlängst gelesen - sie sind aber auch die Ursache, dass Victor Emanuel von Rom Besitz genommen und Napoleon bei Sedan vom Schauplatz seiner Taten zurückgetreten ist; Bismarcks Kampf gegen Rom und die Kündigung des Konkordats in Österreich ist selbstverständlich ihr Werk. Dass der letzte Börsenkrach von den Juden heraufbeschworen wurde, wer wollte daran zweifeln? Freilich sind zirka 10.000 jüdische Existenzen zu Grunde gerichtet worden, aber tut nichts! Der Juden Bosheit ist so groß, um auch einige hundert Christenmenschen zu schädigen, haben sie sich dem Verderben geweiht, wie ihr biblischer Held Simson den Philistertempel gestürzt, sich und seine Feinde unter dessen Trümmern begrabend. Ferner wird behauptet: Der Jude sei undankbar, er räsoniert fortwährend, klagt über Unterdrückung und Vorenthaltung der ihm gebührenden Rechte, während doch die Gesetzgebungen fast aller europäischen Staaten die Gleichstellung der Juden ausgesprochen! Mit Verlaub: der Jude ist keineswegs undankbar, vielmehr erkennt er freudig an, dass seine bürgerliche und soziale Stellung eine bessere geworden, und dass die Gesetzgebungen ihm Rechte einräumen, die er bis zum Jahre 1848 nicht besessen. Aber dennoch wird jeder Unparteiische einsehen, dass die Judenemanzipationen bis nun mehr im Prinzip als in praktischer Tätigkeit sich befindet. Beispielweise bei Besetzung von Stellen und Ämtern wird er häufig aus Abneigung und Vorurteil übergangen und so wird dem Staate ein bedeutendes Quantum intelligenter Arbeitskraft entzogen; die meiste Anerkennung und Achtung haben sich die jüdischen Geldprotzen zu erfreuen, dieses war auch bekanntlich im Mittelalter der Fall. Sollten wir noch so wenig fortgeschritten sein? Wir wünschen, dass dies bald anders werde! Möge bei Belegung von Ämtern und Stellen nicht der Taufschein, sondern Talent, Wissen, Tüchtigkeit und Redlichkeit den Ausschlag geben, wurden ja selbst im finsteren Mittelalter nicht selten Juden zu den höchsten Staatsämtern berufen, weil die Regierungen von der Tüchtigkeit und der Treue jüdischer Beamten überzeugt waren; auch in unseren Tagen stehen jüdische Lehrer ihren christlichen Kollegen Wissen und Redlichkeit nicht nach; möge ihre Zahl nur stets zunehmen, zu unserem und des Staates Wohl!

Nachdem wir bisher die Ursache des Judenhasses aufgesucht und gefunden haben, wünschen wir vom Herzen, dass diese traurige Ursache bald aufhören möge! Möge der Klerus endlich in sich gehen und beherzigen, dass das Christentum nur dann seine Mission vollkommen erfüllt, wenn die Diener der Kirche im Geiste des Stifters der christlichen Religion bemüht sein werden, die reinen Lehrer der Nächstenliebe in Wort und Tat zu verbreiten, die finstere Scheidewand, die Bruder von Bruder trennt, niederzureißen und das teilweise gut zu machen, was frühere Generationen durch Lieblosigkeit gesündigt haben.
Aber auch Ihr Volkslehrer, die Ihr berufen seid, dem Staate tüchtige Bürger heranzubilden, vergiftet nicht das zarte Kinderherz durch Lehren des Hasses gegen andere Konfessionen, suchet vielmehr darin die Heilssaat der Liebe für alle Menschen zu streuen; wir verlangen nichts mehr, als dass Ihr die Jugend im Geiste Christus zu Christen erziehet; dass Ihr die Pflichten, die Ihr gegen Gott, den Vater aller Menschen, die Pflichten, die Ihr gegen das wahre Christentum, die Pflichten endlich, die Ihr gegen den modernen Staat habet, gewissenhaft erfüllet, so wie wir unserseits unsere Jugend im Geiste der Liebe des himmlischen Vaters, der doch auch Euer und aller Menschen Vater ist, erziehen, dass sich alle Menschen ohne Unterschied der Religion und des Standes lieben. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!" hat unser Gesetzgeber Moses 1500 Jahre vor Christi ausgesprochen und dieser Ausspruch bildet das Grundprinzip unserer und Eurer Religion!
Haben wir nicht alle Einen Vater, hat uns nicht ein Gott geschaffen, warum sollen wir tren . . . . . den Anderen?" fragte schon vor 2000 Jahren
Prophet. (Malachi 2, 10.)

Zum Schluss wollen wir noch dem hochwürdigen Klerus die Worte des. Apostels zurufen, die da lauten: „Und erkennt in Eurem Glauben die Tugend und in der Tugend die Erkenntnis und in der Erkenntnis die Mäßigung und in der Mäßigung die Standhaftigkeit und in der Standhaftigkeit die Gottseligkeit und in der Gottseligkeit die Bruderliebe und in der Bruderliebe die Nächstenliebe!"
Petrus 1, 5—7.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Judenhass