Erste Eingriffe

Der erste bedeutendere Eingriff in die alte Einrichtung geschah schon im Jahre 1585. Hederich berichtet darüber S. 53 ausführlich Folgendes: „1585. Nachdem in der Thumb-Kirchen der große Chor beinahe das halbe Theil der Kirchen begriffen, auch so dichte vermauert und verschlossen gewesen, daß die im Chor nicht wol vernehmen, was in der Kirchen, viel weniger die in der Kirchen, was im Chor beym Gottesdienst gehandelt werden, sehn oder wissen können, ist aus christlich bewegenden Ursachen, so woll mit gnedigem Raht und Vorwissen des Herrn Administrators im Aprili des 85. Jahres vom Ehrwürdigen Thum-Capitel obernenntes Chor durchbrochen, der mittelst Altar 9) außerhalb des Chors höher hinauff versetztt und an dessen Stell Bäncke für die Schüler, die Predigt füglich zu hören und aufzuschreiben, verordnet, imgleichen der ober Chor, weil die Kirche groß und lang, zum Figural-Gesang Anno 96 mit einer Treppen außerhalb dem Chor und andern ornamentis verbessert und zugerichtet worden.“

Nach dieser Oeffnung des Chors im Westen, und die Hinaufrückung des Laien-Altars nach Osten hin, hat die Kirche lange so gestanden, wie in dem Vorgetragenen angedeutet ist. Den Beweis liefert das genaue Inventarium vom Jahre 1663 flgd., aus dem ein wörtlicher Auszug unten mitgetheilt ist, welcher alles enthält, was für die Erkenntniß der alten Ausrüstung der Kirche von Wichtigkeit erscheinen kann.


Die erste große Unbill geschah der Kirche dadurch, daß sie, wahrscheinlich zuerst im 18. Jahrhundert, ausgeweißt und an Sockeln, Diensten und Rippen schwarz überpinselt ward. Dadurch wurden die wenigen Wandmalereien und die alten Decorationen, welche der Dom als ein rein gothisches Gebäude besaß, vernichtet. Noch im Jahre 1810 ward diese abschreckende schwarze Verzierung, zur Feier des Norddeutschen Musikfestes, durch Kienruß und Branntwein renovirt und dabei manches Denkmal nicht davon verschont; die Heil. Bluts-Kapelle ward braun abgestrichen und schwarz und weiß gesprenkelte

Die Kirche sah zuletzt allerdings wohl sehr wüst aus. Seit dem Jahre 1774 beabsichtigte der Herzog Friedrich eine Restauration und gleichmäßige Einrichtung und Ordnung, und seit dieser Zeit schreiben sich die verschiedenen Restaurationen her, da man doch wieder „eine einheitliche Idee“ gefaßt hatte. In Folge dessen ward 1777 der kleine Altar ganz entfernt und dadurch die ganze Kirche bis zum Hochaltar frei gelegt (vgl. Fromm a. a. O. S. 279). Aber der Restaurationsplan kam nicht zur Ausführung.

Erst der Herzog Friedrich Franz nahm die Restauration in die Hand und übertrug dieselbe am 25. Mai 1810 dem Baumeister Barca, und am 23. Februar 1811 ward sie förmlich beantragt. Aber durch den wieder ausbrechenden Krieg ward die Ausführung abermals verzögert. Der Zustand der Kirche muß sehr traurig gewesen sein, da sie, wie manche andere Kirchen des Landes, in den Kiegszeiten 1806 als Lazareth und 1813 als Futtermagazin benutzt worden war. Gleich nach der ersten Beschwichtigung des Kriegsgetümmels ging man aber an die Restauration. Nach Barca’s Plan sollten der Altar, die Kanzel, die Domherrenstühle und was sonst aus älterer Zeit vorhanden war, fortgeschafft, und nach Beschaffenheit in den Seitenschiffen zur Aufbewahrung aufgestellt, auch die inneren Schranken des hohen Chores fortgenommen werden. Diese Ausräumung ist den auch sehr gründlich beschafft! Als Hauptzweck ward freilich angegeben die Hebung des Gottesdienstes durch „Verschönerung“ der Kirche. Schon im Jahre 1813 wurden Ziegel gebrannt und am 5. December 1814 ward angezeigt, daß der Anfang zur Restauration gemacht sei. Diese Restauration ist im Jahre 1815 ausgeführt und die Kirche am 22. October 1815 wieder eingeweihet.

Diese sogenannte Restauration hat in der Kirche Alles ohne Ausnahme ergriffen, und zwar so gründlich, daß alles Alte aus dem Tempel hinaus geworfen ist. Es sind nicht allein viele sogenannte „Kleinigkeiten, störende Zierrathen aus der papistischen Zeit“ und dergleichen vernichtet, sondern es ist auch alles mittelalterliche Gestühl, das ohne Zweifel sehr schön gewesen ist, dem Untergange geweihet, auch der ganze Fußboden, mit Ausnahme des Altarraumes, gleich gelegt. Es ist aus der Zeit vor der Reformation nichts weiter geblieben als der alte Hochaltar, der in der Kirche zurückgesetzt und im Jahre 1869 ins Antiquarium versetzt ist, der Taufkessel, einige Leichensteine und Grabdenkmäler, und einige wenige Marienbilder, die ich noch auf dem Gewölbe gefunden habe. Wo die große Menge schöner Arbeiten geblieben ist, mag der Himmel wissen. Ich erinnere mich noch, in den dreißiger Jahren in dem Hausgarten eines Tischlers Heiligenbilder aus dem Dome als „Puppen“ zum Zierrath aufgestellt gesehen zu haben.

Genug, es ist in der Kirche nichts übrig geblieben, und daher Noth, das Wenige, was sich noch finden läßt und erhalten ist, wenigstens zur Erkenntniß zu bringen. Und dazu sollen diese und die folgenden Blätter dienen. Manches Wichtige ist bei der Restauration 1866-67 noch entdeckt worden und wird unten am Schlusse zur Untersuchung gezogen werden.

Zunächst folgen hier alte Inventarien, durch welche die alte Einrichtung des Domes ganz anschaulich werden wird.




9) Dies ist der oben erwähnte Laien- oder Pfarr-Altar, welcher vor dem Lettner in der Mitte der Kirche stand.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Dom zu Schwerin