Die Landwirtschaft

Nach dem Gesetz ist das Land, das die Bauern erhalten haben, nicht in Parzellen geteilt, sondern der ganzen Gemeinde überlassen, damit sie darüber verfüge, wie sie es für gut hält. Hierbei sind Maßregeln getroffen, dass das Land nicht veräußert werden darf. Weder um Schulden zu bezahlen, noch zu anderen Zwecken darf die Gemeinde ihren Grund und Boden verkaufen; es kann nur innerhalb der Gemeinde selbst eine Verschiebung und Übertragung des Bodens von einem Besitzer auf den anderen eintreten. Wie das Land zu verteilen sei — ist eigene Angelegenheit der Bauern. In den meisten Fällen geben sie das Land nur den Männern, wobei zu einer solchen Aufteilung und Belehnung der neu Hinzugeborenen und zur Ausscheidung der Verstorbenen die Zustimmung von zwei Dritteln aller Hausbesitzer erforderlich ist. Natürlich sind die gegen die Aufteilung, für die sie unvorteilhaft ist. Übrigens kommen die Aufteilungen immer mehr in Aufnahme und vollziehen sich ohne Widerspruch von Seiten einer Minderheit. Diese Aufteilungen wurden in einigen Provinzen bald zu häufig, so dass es nicht mehr vorteilhaft schien, das Land zu düngen. Die Ernten wurden immer unergiebiger. Da kam ein Gesetz, nach dem die Aufteilungen nicht häufiger als alle zwölf Jahre stattfinden dürfen. Aber die Bauern durchbrechen das Gesetz auf alle mögliche Weise und da die Obrigkeit nur für persönliche und solche Fragen Interesse hat, die den persönlichen Vorteil einzelner und nicht den der Gesamtheit angehen, so sieht sie auch bei dieser Gesetzesübertretung durch die Finger.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Landwirtschaft unserer Bauern gegenwärtig im Niedergang begriffen ist. Bei dem beinahe überall verbreiteten Dreifeldersystem und dem Ausfall der Düngung beginnt sich das Land zu erschöpfen. Die Bewirtschaftung wird noch dadurch erschwert, dass der Mangel an Weideland für das Vieh der Gemeinde, die einzelnen Hausbesitzer daran hindert, die günstigen Witterungsverhältnisse auszunutzen und ihr Land rechtzeitig zu bestellen. Der Mangel an Grund und Boden führt bei der fortwährenden Aufteilung der Anteile dazu, dass die Streifen der einzelnen Besitzer eine Fläche einnehmen, die sich nur der Länge und nicht der Breite nach durchpflügen läßt. Mit einem Wort, alle Verhältnisse der Landbewirtschaftung, die wir heute auf dem Grund und Boden der Bauern beobachten können, führen viele Leute dazu, den Gemeindegrundbesitz zu verwerfen, und den Übergang zu einer unbeschränkten Privatwirtschaft zu verlangen.


Einige Freunde der Bauern haben es versucht, eine Bewirtschaftung des Gemeindegrundbesitzes durch die ganze Gesellschaft und eine darauf folgende Verteilung des Ernteertrages einzuführen. Das hat aber nirgends Anklang gefunden. Aber freilich ist diese Sache auch von Landhauptmännern in Angriff genommen und ins Werk gesetzt worden, die die Bauern beglücken wollten. Zu denselben Forderungen gelangen auch unsere orthodoxen Sozialdemokraten, obwohl sie von anderen Prämissen ausgehen. Der russische Bauer der Gemeinde sucht vor allem mehr Land zu bekommen, selbst auf Kosten des Gemeindebesitzes — ergo — ist er ein kleiner Bourgeois. Die Interessen des Proletariats sind ihm fremd; er muss selbst ein Proletarier werden, und dazu erst sein Land einbüßen, um durch die kapitalistische Evolution die Befähigung zur Aufnahme der sozialistischen Lehre zu erlangen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das russische Dorf