Chur

Schon oberhalb Chur (Curia, Coire), zu Disentis, wo der Mittelrhein sich im Vorderrhein verliert, haben wir eine Abtei angetroffen, von deren Stiftung noch späterhin die Rede sein wird. Es war also nicht streng richtig, wenn Kaiser Maximilian Chur das oberste Stift in der langen Pfaffengasse, dem Rheintal, nannte. Allein er scheint dabei an einfache Klöster und Abteien, selbst wenn sie gefürstete hießen, nicht gedacht zu haben, wie er denn auch das mächtige St. Gallen überging. Er sprach nur von Bistümern, und so verstanden ist das gewählte Beiwort viel unbedenklicher, als wenn er Konstanz das größte, Basel das lustigste, Strassburg das edelste, Speyer das andächtigste, Worms das ärmste, Mainz das würdigste und Köln das reichste nannte. Aber mit wie vielen berühmten und weitherrschenden Stiftern verdiente das Rheintal einst den Namen der Pfaffengasse, die doch noch keine Bistümer waren! Und selbst unter diesen ist Trier vergessen, vermutlich weil sein Sitz nicht am Reine lag. Um das Beiwort wäre Kaiser Max nicht verlegen gewesen: er hätte es das älteste genannt.

Erst unterhalb Chur, dieser Hauptstadt Graubündens, nimmt der Rhein, durch die aus dem Schalfickerthal heranströmende Plessur verstärkt, einige Schiffbarkeit an. Den folgenden Zufluss, welchen er dem alten Bade Pfeffers gegenüber durch die Gebirgswasser des Lanquart empfängt, erwähne ich nur, um eines unserer liebenswürdigsten Dichter zu gedenken, des trefflichen J. Gaudens von Salis-Seewis, der in Malans wohnt, einem kleinen Flecken bei der Mündung des Lanquart. Nicht weit davon liegt auch sein Geburtsort Seewis, von dem seine Linie heißt, und Schloss Marschlins, das Erbe seiner Väter.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das malerische und romantische Deutschland