Gründung von St. Petersburg (9)

Diese wüsten Sümpfe aber gehörten noch den Feinden, den Schweden; sie mussten besiegt werden, um ihnen das traurige Land entreißen zu können; auch die Natur musste besiegt werden, eine noch schwierigere Aufgabe! Man musste den Boden fest, trocken machen, um eine Stadt darauf bauen zu können, Wälder aushauen und ausroden, Abzugskanäle anlegen, eine Luft schaffen, in der ein Volk atmen könne: ein Wunder war zu Stande zu bringen. Der feste, unbeugsame Wille Eines Menschen bewirkte dieses Wunder — mit welchen Opfern freilich an Geld und Menschenleben, — darüber ein paar Worte. Im Jahre 1703 arbeiteten anfangs 20.000 Mann, meist gefangene Schweden und Finnen, bei Erbauung der neuen Stadt und Festung, die nach dem Schutzpatron derselben, dem Apostel Petrus, den Namen St. Petersburg erhielt; später wurden dann noch Arbeiter aus allen Teilen des Reichs: Russen, Tataren, Kalmüken, Kosaken usw., dahin gesendet. Die Errichtung der Festung allein soll nach den Berichten der Zeitgenossen an 100.000 Menschen das Leben gekostet haben. Die Arbeiter waren so daran gewöhnt, Sterbende und Tote zu sehen, dass sie zuletzt ganz gleichgültig gegen dieselben wurden. Im Jahre 1714 wurden in den Straßen der Stadt noch Menschen von hungrigen Wölfen überfallen und zerfleischt. In den ersten zwanzig Jahren konnten die neuen Ansiedler, unter denen viele Holländer und Deutsche waren, trotz aller Mühe weder Früchte noch Beeren zum Gedeihen bringen und nur in Menschtschikows Gärten auf Wassili-Ostrow brachte man die ersten Früchte zur Reife.

Wie Moskau durch Pest und Feuersbrünste, so hatte Petersburg viel durch Wasser zu leiden. Bis zum Jahre 1725 hatte die Stadt sechs schwere Überschwemmungen zu erdulden; die des Jahres 1824 richtete ebenfalls, trotz der vielen im Laufe der Jahre getroffenen Vorkehrungen zur Abwehr derselben, große Verheerungen an. Die letzte Überschwemmung im Jahre 1873, von welcher die Residenz heimgesucht wurde, hat gleichfalls, wenn sie auch jenen früheren nicht gleichkam, unendlichen Schaden angerichtet und manches Menschenleben gekostet.


Die ersten Bauten der jungen Hauptstadt waren, mit Ausnahme der Festung, alle aus Holz aufgeführt. Indessen machten diese nach und nach immer mehr den Steinbauten Platz; später kamen Monumente, Fluss- und Hafeneinfassungen aus Granit dazu, auch die dreifach die Stadt durchschlängelnden Kanäle wurden mit Granit eingefriedigt und mit Eisengittern versehen. Die Kuppeln, die Türme, die griechischen Kreuze erhoben sich glänzend in die Luft und bald trat aus jenen schmutzigen Sümpfen mit ihren schlammigen Ufern und oft übertretenden Wassern die wunderbare Stadt, das Riesenwerk Peters, hervor und spiegelte sich selbstgefällig in dem jetzt besiegten Strome: „Bei jedem Schritt, wohin du gehst, geh'n die Paläste mit!"

Das Denkmal Peters des Großen.