Streben nach Freiheit und Recht

Wir haben somit die Hauptformen der administrativen Repressalien in Russland betrachtet. In ihrer Gesamtheit bilden sie ein höchst trauriges Bild. Ein Staat, in dem lange Jahre hindurch die administrative Gewalt ohne jede Kontrolle wirtschaftet, der ohne Beobachtung der elementarsten Rechtsgarantien, ohne dem Angeklagten das Recht der Verteidigung oder der Beschwerde einzuräumen, Strafen verhängt, urteilt und verurteilt, ist von einem Rechtsstaate noch weit entfernt.

Während der letzten Monate hat Westeuropa den merkwürdigen Aufschwung der Befreiungsbewegung in Russland miterlebt. Das Streben nach Freiheit und Recht hat alle Kulturschichten der russischen Gesellschaft vereinigt. Es haben sich sogar bereits Parteien gebildet, die auf verschiedenem Wege zur Verwirklichung dieser Freiheits- und Rechtsideale gelangen wollen. Die einen glauben, Russlands Heil hänge von der Einführung des westeuropäischen Konstitutionalismus ab, die andern träumen von einer Vereinigung des Absolutismus mit der Volksvertretung, worin sie der Lehre der Slavophilen huldigen.


Die Zukunft — und hoffen wir, die nicht mehr ferne — wird zeigen, auf wessen Seite die Wahrheit sein und wem der Sieg zufallen wird. Aber wie verschieden die Ansichten über die Regierungsform in einem Rechtsstaate auch sein mögen, in einem Punkte sind sie alle einig: dass die erste Aufgabe einer solchen Staatsordnung die restlose Abschaffung dieses ganzen Gespinstes der administrativen Strafen sei, das das ganze Land umfangen hält. Und diese Abschaffung muss auch der Ausgangspunkt eines jeden aufrichtigen und ernsten Bestrebens der Regierung sein, politische Reformen irgend einer Art durchzuführen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das außergerichtliche Strafverfahren