Der Tiergarten bei Berlin und bei Kopenhagen

Der Tiergarten bei Berlin vor dem Brandenburger Tore ist, möchte man sagen, weltberühmt. Es kommt wohl nicht leicht ein Reisender nach der preußischen Hauptstadt, der ihn nicht besuchte; denn er ist ziemlich der einzige Punkt, welcher dort dartut, dass die Natur selbst im dürren, sandigen Boden doch einen stattlichen Wald schaffen kann, und außerdem hat die Kunst im Laufe vieler Jahre doch auch das Ihrige getan, ihrer Pflege nachzuhelfen. Der Berliner erkennt namentlich mit Dank an, was Friedrich Wilhelm III. darauf verwendete, und wie jetzt wieder von seinem Nachfolger dafür gesorgt wird; von jeher aber wusste er fast keinen andern Ort als den Tiergarten, wo er sich im Freien allein oder in gesellschaftlichen Kreisen erholen konnte. Die Zelte, wie eine Reihe von Tabagien daselbst heißen, mögen ursprünglich in der Tat nur Zelte gewesen sein, bis einer und der andere Besitzer dieser luftigen Sommerwohnungen den kühnen Gedanken fasste, sie in ein steinernes Gebäude zu verwandeln und so zur Aufnahme von Gästen einzurichten, welche auch im Winter hier ein heiteres Stündchen verleben wollten. Jedoch so bekannt dieser sogenannte Tiergarten ist, so ist er doch nur ein schwacher Abglanz von dem gleichnamigen Vergnügungsorte, welcher drei Stunden von Kopenhagen sich ausbreitet. Wie der Tiergarten bei Berlin ein großer Wald ist, so zeigt sich auch dieser so, aber wenn der Berliner Wald nur hauptsächlich eine große Menge Lokale bietet, wo gegessen und getrunken wird, so zeigt der Kopenhagener dagegen das fröhliche Leben eines Jahrmarktes, wenigstens insofern, als eine Menge Raritäten und Schaulustbarkeiten das Auge locken, indem hier der Sitz eines fröhlichen Volkslebens ist, wo sich der Großstädter mit den Bewohnern der kleinern Städte Seelands und mit den Landleuten mischt, die auf eigenen Wagen oder auf zahllosen Stuhl- und Korbwagen von allen Seiten herbeiströmen, wenn Sonntags und Mittwochs im Sommer schönes Wetter lockt. Von Kopenhagen aus bilden die Reiter, die Bauernwagen, die Equipagen, die Cabriolets bis zum Walde alsdann eine ununterbrochene Kette, und noch ehe man die Grenze desselben erreicht hat, vernimmt man schon den Klang der Geigen, das Schmettern der Trompeten, das Schreien der Bänkelsänger. Endlich ist man mitten im fröhlichen Taumel, und Jeder eilt, in ihm eine ihm beliebige Rolle tätig oder zuschauend zu über nehmen. Die Carrousels werden bestiegen, man führt auf dem Dampfwagen derselben von Peking nach — Kauton mitten durch China; Andere besuchen einen Herkules aus — Frankreich, der durch seinen Bajazzo in seine Bude zu kommen einladet; neben ihm trompetet der Eigentümer vieler hohen Monarchen, die, in Wachs abgebildet, sich bei ihm zu einem Kongresse versammelt haben; doch er wird von einer Riesin in Schach gehalten, und eine kluge Frau, welche Alles weiß, was das Schicksal verborgen hält, nimmt ihm gegenüber ebenfalls manchen Kunden weg. Jongleurs machen ihre Künste auf dem freien Rasen, damit Jeder gleich sehe, welchen Preis er ihren Künsten zu zollen nötig habe, und nicht weit davon führen ebenso öffentlich Hunde und Affen künstliche Tänze auf.

Selbst Thorwaldsen und Öhlenschläger, Namen, welche auch der geringste Däne mit Stolz und Achtung nennt, müssen sich ihm hier repräsentieren; denn ein Leierkastenmann lässt sie und viele andere weltberühmte Notabilitäten, indessen sein neues Lied von ihnen ertönt, oben auf dem Instrumente gravitätisch hin- und herspazieren, dass alle Bauern und Bäuerinnen aus Seeland starr und stumm vor Staunen stehen und das Schauspiel mit einem Schilling lange nicht genug bezahlt zu haben glauben. Der Fremde achtet jedoch mehr auf diese Bauern, ihre Frauen und Töchter, auf diese hohen kräftigen Gestalten mit blühenden, frischen Wangen, Alle in einfacher und doch so kleidsamer Tracht. Er sieht hier noch den Typus der alten Germanen, die einst von hier aus den Weg nach Rügen über die Ostsee nahmen und Deutschland überströmten, um endlich ganz Europa eine andere Gestalt zu geben.


Wohl 20.000 Menschen jedes Alters, Standes und Geschlechts tummeln sich so untereinander herum, den ganzen Tag und die Nacht hindurch, ohne dass Rang und Stand sich geltend machen will. Der Edelmann und seine Dame fürchtet sich nicht, mitten unter den Bauern zu stehen und zu sitzen, zu plaudern und sich vorplaudern zu lassen von alten Helden und Seemännern. In dieser Hinsicht ist der Kopenhagener Tiergarten gar sehr von seinem Berliner Vetter verschieden. Allein auch die Natur zeigt sich dort anders als hier. Dort schuf sie eine der schönsten Buchenwaldungen, die man sich denken kann; ganz Seeland ist mit den prächtigsten Buchen bedeckt, und dieser Wald ist wieder der reizendste unter seinen Brüdern. Man wandelt hier wie in einem Dome, den die Natur geschaffen hat; Tharands heilige Hallen wiederholen sich in tausend schlanken, weißen Säulen, und der Landschaftsmaler mag hier Monate lang studieren, was Waldespracht und Waldeseinsamkeit heißen, wenn er das geräuschvolle Leben und Treiben mit den entfernteren Punkten vertauscht, wo die einzelnen Bäume ihre ungeheuern Riesenarme im weiten Kreise ausstrecken. Nur von Zeit zu Zeit breitet sich ein smaragdner Wiesenteppich aus und unterbricht das geheimnisvolle Dunkel, indem Hirsche und Rehe hier ihrer Äsung nachgehen und sich an den Quellen laben, die aus verborgenen Schluchten herabrieseln. Der ganze Weg selbst, von diesem Tiergarten bis zur dänischen Königsstadt, bietet ein nicht weniger eigentümlich reizendes Bild. Die See ist zur Seite nur wenige Schritte davon; zahllose kleine und große Segelschiffe mühen sich ab, einem rauchenden Dampfboote Raum zu machen, das einige Hundert neue Gäste dem Tiergarten zuzuführen eilt; Barken und Boote tun Dasselbe, indem fröhliche Musik die Lüfte füllt und lauter Gesang ertönt. Fruchtbare Gärten, glänzende Landhäuser begrenzen weiterhin den Weg, und endlich zeigt sich das große Kopenhagen selbst mit seinen Wällen und Türmen, auf den Wällen aber prangen ebenfalls herrliche Bäume, und zwischen ihnen sind wer weiß wie viele Windmühlen in unablässiger Bewegung, bis endlich der Spaziergänger am Tore angelangt und nun das Schauspiel der Natur zu Ende ist.