Wie der Kaiman seine Jungen verteidigt

Dass jedes Säugetier, jeder Vogel sich seiner Jungen außerordentlich annimmt, ist eine bekannte Sache. Bei den Säugetieren beschränkt sich diese Anhänglichkeit allerdings mehr auf die Mutter, welche, ist von Raubtieren die Rede, nicht selten die Jungen gegen den eigenen Vater schützen muss. Die Katze gerät deshalb gar oft in Kampf mit dem Kater, der die eigenen Kinder fressen will, und Dasselbe gilt von der Löwin gegen den Löwen, der Tigerin gegen den Tiger. Bei den Vögeln, welche meist paarweise leben, ist diese Anhänglichkeit noch viel ausgedehnter. Männchen und Weibchen bauen gemeinschaftlich das Nest, brüten wechselweise die Eier aus und füttern ebenso um die Wette die ausgebrüteten Jungen. So wie wir aus diesen beiden Klassen der Tiere hinab ins Reich der übrigen Arten steigen, wird dieses Verhältnis nur mehr ausnahmsweise beobachtet, und die Beobachtung selbst ist oft äußerst zweifelhaft. Von den Fischen z. B. weiß man fast kaum eine und die andere Art, wo das Weibchen für seinen Laich und die Jungen sorgt. Mit den Amphibien ist ein Gleiches der Fall. Unter den Insekten sind uns hauptsächlich die Bienen und Ameisen dadurch bekannt. Um so dankbarer werden wir daher genauere Nachweisungen darüber aufzunehmen haben, wenn sie von sorgsamen Beobachtern herrühren, und die Tierarten selbst nur selten in den Kreis der Beobachtung treten. Namentlich gilt dies vom furchtbaren Kaiman, einer Art des Krokodilgeschlechts, heimatlich in Südamerikas Sümpfen und Flüssen, am nächsten verwandt mit dem dort ebenfalls hausenden Alligator, von dem er sich hauptsächlich durch bedeutendere Größe unterscheidet. Er wird oft über 14 Fuß, der Alligator kaum halb so lang; er haust mehr im Innern, und der Alligator gewöhnlicher an den Mündungen großer Flüsse, also an den Küsten.

Gerade über den Kaiman berichtet uns der Reisende R. Schomburgk gar Manches, da er ihn auf seinen Reisen in Guiana oft sah und beobachtete und über ihn Erkundigungen einzog. Es sind die Kaimans, erzählt er, die raubgierigsten und gefräßigsten Tiere; sie verschlucken sogar Steine und Holzstücke, die sie in ihrer Nähe für genießbar halten. Um zu sehen, wie sie ihre Beute erfassen, band er oft Vogel oder große Fische auf ein Stück Holz und ließ dies fortschwimmen. Langsam kam alsdann der Kaiman herbei, sodass sich nicht einmal die Oberfläche des Wassers bewegte. So wie er aber nahe genug war, beugte er sich halbzirkelförmig zusammen und schleuderte nun mit seinem kräftigen Schwanze, dessen Spitze er bis zum Rachen biegen kann, Alles, was der Schwanz erreichen konnte, in den geöffneten Rachen hinein; dann tauchte er mit der Beute unter und schwamm so dem Ufer zu, den Raub zu verzehren, indem er, war letzterer nicht zu groß, sich nur mit dem Oberkörper aus dem Wasser herausstreckte. Fische sind ihm die gewöhnlichste Nahrung; mit dem Schwanze schlägt er sie in der bezeichneten Art tot und schleudert sie mit ihm in die Luft, um sie dann beim Herabfallen mit dem offenen Rachen aufzufangen. Das Zusammenklappen der Kinnladen, das Schlagen mit dem Schwanze bringt ein so lautes Geräusch hervor, dass man es weithin während der stillen Nacht hören kann. Noch viel anziehender ist jedoch die Beobachtung, welche R. Schomburgk über die Anhänglichkeit macht, welche der weibliche Kaiman zu seinen Jungen hat. Als er mit einem Indianer den Awarieufluss entlang ging, vernahm er ein eigentümliches Geschrei, dem von jungen Katzen ähnlich, dass er in der Tat meinte, es sei eine Tigerkatze in der Nähe, welche Junge habe. Allein der Indianer zeigte nach dem Wasser: „Junge Kaimans!“ rief er. Die Töne kamen unter einem Baume hervor, dessen Wurzeln unterwaschen waren, und welcher sich daher ziemlich übers Wasser hingebeugt hatte. Beide rutschten auf dem Stamme nach der Krone des Baumes hin und sahen nun eine Zahl junger Kaimans, alle etwa 1 1/2 Fuß lang; sie spielten im Wasser, im Schatten der Baumkrone, und der Indianer schoss seinen Pfeil auf eins so richtig ab, dass er das zappelnde und kreischende Tier heraufziehen konnte; denn die Höhe betrug kaum drei Fuß. Aber in demselben Augenblicke tauchte die Mutter desselben empor in den Zweigen und stieß ein schauerliches Gebrüll aus, das mit keinem andern, weder mit dem des Ochsen noch des Jaguars zu vergleichen war, aber Mark und Bein durchschütterte. Bald kamen noch andere Kaimans herbei und schienen der Mutter beistehen zu wollen, indem diese sich weit nach oben herausstreckte und die Räuber ihres Jungen herabzureißen drohte. Der Indianer ließ das Junge vor ihren Augen zappeln und schreien und reizte so ihre Wut noch mehr. Von mehren Pfeilen verwundet, tauchte sie für einige Augenblicke unter, um noch wütendere Angriffe zu machen. Der ruhige Wasserspiegel, von ihrem gekrümmten Schwanze gepeitscht, hatte sich in eine aufgeregte Wogenmasse verwandelt. Ein einziger Fehltritt oder Fehlgriff würde unmittelbar in den Rachen des Tieres geführt haben, als man auf dem Baume den Rückweg antrat. Das Tier folgte bis zum Ufer und ließ erst dann von seiner Halsstarrigkeit nach, denn am Lande sind die Kaimans furchtsam und pflegen, ihre Wehrlosigkeit selbst fühlend, die schleunigste Flucht zu ergreifen, um zu dem Elemente zu gelangen, in welchem sie die gefährlichsten Bewohner sind. Der junge Kaiman ward nun näher untersucht; es schien, als ob er erst vor wenig Tagen aus dem Ei geschlüpft sei; denn man fand das Nest etwa 30 Fuß vom Ufer entfernt, in einer Vertiefung des Bodens, indem ebenso viele Eier, nach den Schalen zu schließen, darin schichtweise gelegen haben mochten. Jede Schicht war von der andern durch Blätter und Schlamm getrennt und, wie es schien, die oberste Schicht ebenfalls mit Schlammerde zugedeckt gewesen. Demnach müssten sich die Kaimans ins Unendliche vermehren. Allein auf dem Wege vom Neste, wenn sie ausgekrochen sind, nach dem Wasser hin, was von ihnen natürlich nur langsam erreicht werden kann, fallen die Raubvögel über sie her, und die männlichen Kaimans scheinen die Brut besonders gern zu fressen. Insofern sind also der Vermehrung ansehnliche Schranken gesetzt. Am nächsten Morgen begab man sich noch einmal nach dem Fluss, die Mutter des jungen getöteten Kaimans mit Büchse und Kugeln aufzusuchen; aber sie war verschwunden und hatte ihre übrigen Jungen mitgenommen. Zahllose Köpfe von andern ragten dagegen aus dem Wasser hervor, und einer davon ward im Laufe des Tages von zwei Indianern erlegt, indem sie dem Ungetüm, das über 14 Fuß Länge und mehr als 4 Fuß im Umfange hatte, sieben Kugeln zufeuerten, wovon die siebente durchs Auge ins Gehirn gedrungen war. Ein betäubender Moschusgeruch entströmte dem Kadaver, als er am Ufer lag, gerade wie beim Nilkrokodil, das man dadurch wohl 5—600 Schritte weit riechen kann. Er entwickelt sich wie bei andern Tieren, welche dadurch ausgezeichnet sind, aus Drüsen am Unterleibe.