Handelsverluste der Mannlichs, Gefängnis

Im Anfang August 1574 kehrte Kraft nach Tripolis zurück, nachdem er Dr. Rauwolf auf dessen Wunsch am 8. August mit sicherem Geleit nach Babylon, Bagdad und Balsora befördert hatte. Er gab ihm einige Waren mit, damit er als Kaufmann sicherer reisen könne, und es gesellte sich dem Arzte der Niederländer bei, welcher der arabischen Sprache etwas mächtig war. Kraft ritt im Vertrauen auf seine Jagdbüchse mit einem einzigen Geleitsmann nach Tripolis zurück, wurde unterwegs zwar von nahen Straßenräubern beängstigt, doch wagte keiner, aus Furcht vor dem Feuergewehr, ihn anzugreifen. —

Am neunten August langte er glücklich wieder an und geriet durch die am nächsten Tage ihm durch Venetianer zugegangene Mitteilung vom Sturze seines Hauses in nicht geringe Bestürzung. Er widersprach dem Gerüchte, dem er keinen Glauben schenken konnte, und verbürgte sich sogar mit Lutz und Salvacana für einige Tausend Kronen Ware. Keiner der treuen Diener wusste, dass die Mannlichs durch die Geusen, welche in den niederländischen Gewässern spanische und portugiesische, mit ihren Waren beladene Schiffe genommen hatten, mit unerträglichen Verlusten getroffen worden waren, welche sie nicht wie die Fugger, die einstmals in dem nordischen Meere 12 Schiffe einbüßten, zu verschmerzen vermochten. Vertrauensvoll erwarteten Kraft und seine Genossen die Barke „St. Johannes“ und vertrösteten darauf auch die schon unruhig gewordenen Gläubiger. Bald aber bestätigte ein französisches Schiff das unglaubliche Ereignis.


In Marseille, Lyon, Augsburg, überall stand es schlimm mit der Mannlich'schen Handlung und die Barke „St. Johannes“wurde mit ihrer gesamten Ladung, gerade als sie in See gehen wollte, von deutschen Kaufleuten mit Beschlag belegt. Der Schlag traf auch die Diener dieses Hauses in Tripolis. Vorläufig wurden sie in ihrer Behausung von sechs türkischen Gerichtsboten, die mit langen Prügeln erschienen, im Hause bewacht. Lutz wurde vor Schrecken krank. Die Gläubiger drängten um Geld, und als Kraft und seine Genossen gute Worte gaben, schrien sie: „Ins Gefängnis mit ihnen, ehe sie ausreißen!“ Am Abend wurden Kraft und seinen Gefährten fast mit Gewalt die Schlüssel entrissen, unter Drohworten ihnen die besten Kleider abgepresst, worüber Kraft, der mit Fleiß und Sparsamkeit gesammelt hatte, in Ohnmacht fiel. Darüber lachten jedoch die Unbarmherzigen und riefen, er solle nicht so linkisch tun, sie würden ihm den Kopf nicht nehmen. Auch die Schachtel mit Edelsteinen und Perlen musste er hergeben, die er in Deutschland um mehrere hundert Gulden hätte verkaufen können: das schmerzte ihn noch tief, als er seine Reiseerlebnisse niederschrieb.

Er solle Alles wieder erhalten, trösteten sie, wenn sie nur erst bezahlt seien: doch schien dieses dem Kraft ein höchst zweifelhafter Trost. Auch des schönen schwarzen Pferdes ging er verlustig. Einige Tage blieben nun die Gefangenen in ihrer Wohnung eingesperrt und mussten ihre Wachen selbst mit Speisen und süßem gesottenen Wasser bewirten. Am 24. August, an einem Feiertage, führte man Kraft und Salvacana — Lutz blieb krank im Hause — vor den Richter, bei dem, wie Kraft sagt, die Glocke schon gegossen war, um sie ins Gefängnis zu führen. Dasselbe bestand aus einem weiten Hofraum mit rings eingemauerten kleinen Stübchen, welche nur enge Türchen und einen ellenlangen, kaum eine Faust breiten Riss in der Mauer als Fenster hatten. Kraft wollte sich in der traurigen, finsteren Herberge durch Hunger töten, enthielt sich auch Tage lang fast aller Speise, ergab sich dann aber geduldig in sein Geschick, indem er das tägliche Brot zu sich nahm, das ihm Gutherzige zuschickten. Nachts hatte er nichts als eine Matte von Seegras, wie man sie um grobe Waren schlägt, auf dem nackten Boden, doch auch an dieses Lager gewöhnte er sich bald. Salvacana wusste durch den Einfluss der französischen Kaufleute und seine Lage zu verbessern, so dass er den Tag über Geschäften nachgehen konnte: Kraft fand nur einen teilnehmenden Freund, der sich nach Kräften seiner annahm, einen kleinen, lustigen, blonden Franzosen, Pierre Fabre. Traurig vergingen Herbst und Winter im Gefängnis. Lutz erlag am 10. Februar 1575 seinen Leiden und wurde in einer kleinen Kirche, anderthalb Stunden von der Stadt, begraben.

Kraft hatte den hoffnungslos Erkrankten einige Mal besuchen dürfen, wohnte auch seinem Begräbnis bei, nachdem Fabre und zwei Franzosen sich für ihn verbürgt hatten. Auch die Kosten dieses Begräbnisses hatte er von seinen Freunden entlehnen müssen. Nach Erfüllung dieser traurigen Verpflichtung speiste er mit dem französischen Konsul und einigen Kaufleuten, die ihm Trost zusprachen. Kraft aber merkte wohl, dass sie selbst nicht recht an ihre wohlgemeinten Worte glaubten, und dies stimmte ihn um so trauriger. Er fürchtete gleich Lutz, auch im Gefängnis sterben zu müssen. Dort ins Gefängnis zurückgekehrt, erhoben sich neue Schwierigkeiten. Der Richter musste mit einem kostbaren Geschenk bestochen werden, dass er ihn nicht auf Andringen seiner Gläubiger in das Schloss bringen lasse. Die Gunst des Gefängniswärters musste mit acht Dukaten erkauft werden, damit er nicht auf einer Reise nach Damaskus Ränke gegen ihn beim Pascha anzettele oder ihn in Eisen lege. Freude dagegen brachte ihm der Besuch eines Landsmannes, des Juden Meyer Winterbach aus Neuburg, dem er wenigstens Briefe an seine Familie mitgeben konnte, und der in Tripolis, um die Gläubiger zu einem Vergleiche geneigter zu machen, aussprengen musste, Kraft sei nur armer Leute Kind, die für ihn nichts tun könnten.