Aleppo, Juwelenhandel, Sklavenhandel

Am folgenden Tage, dem 13. Mai, Morgens um 8 Uhr kam die Karawane in Aleppo an. Kraft fand in der Herberge Salvacana und Dr. Rauwolf, der schon im September hierher gereist war, um die übrigen deutschen Gefährten von ihren Krankheiten zu befreien. Zuvörderst tauschte der Ulmer nun die mitgebrachten Waren gegen einheimische um, welche Art des Handels vorteilhafter war, als wenn er für bares Geld verkauft hätte, und machte während der drei Monate seines Aufenthaltes mit Armeniern, Persern und Natoliern namhafte Geschäfte. Daneben besah er sich Stadt und Umgegend.

Er hatte einen niederländischen Goldschmied kennen gelernt, der schon über ein Jahr in Aleppo gewesen und mit der arabischen Sprache vertraut geworden war. Dieser Mann verstand sich auf den Juwelenhandel und auf seinen Rat ließ Kraft einen roten Topas, den er bei sich hatte, mit einem Blatte unterlegen und schön fassen, damit die Juwelenhändler, zu denen der Niederländer ihn führen wollte, ihn um so eher als einen Kenner und Liebhaber edler Steine erkennen möchten: denn wer nichts davon verstand, dem wurden nur minder gute Juwelen vorgezeigt. Der Niederländer war überhaupt ein schlauer Kopf: sobald Karawanen anlangten, so wusste er auch schon, ob dieselben Edelsteine mitgebracht hatten.


Einmal ereignete es sich, dass ein Pascha einem reichen armenischen Kaufmann einen großen ungeschnittenen Diamanten abkaufen wollte, um durch ein Geschenk von hohem Wert die verlorene Gunst des Sultans wieder zu gewinnen. Der Armenier forderte aber 140.000 Dukaten. Auch Kraft bekam dieses Prachtstück zu Gesicht. Der Diamant war so groß wie das Vorderglied eines Daumens und sah aus „wie ein klares, weißes Stück Zuckerkand.“ Zum Dank für die ihm gewordene Gunst erkaufte Kraft von dem Pascha für 16 Dukaten in schönes schwarzes Pferd, „das wie Atlas glänzte“ und sich auf der Reise vortrefflich bewährte. Wertvolle Edelsteine kaufte man in Aleppo, selten billig, denn die Händler verkauften nicht eher, als bis sie Geld nötig hatten.

Doch führten auch Kameltreiber vornehmer Kaufleute ohne Wissen ihrer Herren Edelsteine, jedoch selten kostbare, zum Verkaufe bei sich. „Wenn man sie darauf anredet, folgen sie in eine menschenleere Gasse oder in einen Hof, ziehen ein Papier oder Schnupftuch mit Granaten, Chrysolithen, Topasen, auch Smaragden. Türkisen, Saphieren und Spinellen, seltener mit Diamanten und Perlen, aus dem Busen oder den Hosen, und zeigen zuerst die schlechte Ware, sobald sie aber sehen, der Kaufmann verstehe sich darauf, auch die bessere.“ Auf solche Weise kaufte Kraft große und kleine Smaragden, auch Perlen um billige Preise, und es verdross ihn nichts so sehr, als dass er nicht um etliche tausend Gulden kaufen und nach Deutschland schaffen konnte. Dazu kaufte er für sich auch feine Seiden- und Baumwollzeuge sowie römische, griechische, ägyptische und andere morgenländische Kupfermünzen, die dort in und außer der Stadt viel gefunden wurden.

Von den venetianischen Kaufleuten, die sich unter einander verpflichtet hatten, Niemand als einem Venetianer im Handel beizustehen, erfuhr Kraft als Deutscher, außer in Geschäftssachen, viele Gefälligkeiten und wurde auch von ihrem Generalkonsul, der ihn in prächtigem roten Atlasgewand auf einem Sametsessel sitzend empfing, aufs Freundlichste bewirtet. Als er aber an den Spottreden der Franzosen merkte, dass sie ihm die widerfahrene Freundschaft missgönnten, zog er sich so viel als tunlich zurück, ohne dass dadurch das gute Verhältnis gestört worden wäre. Ja, der venetianische Dolmetscher verschaffte ihm den Anblick eines Wetttrinkens zwischen einem Pascha und einem vornehmen armenischen Kaufmann. Beide waren als Trinker — der Pascha natürlich nur insgeheim, — hoch berühmt, und der Armenier hatte durch ein reiches Geschenk von Seidenzeugen den Pascha für den Kampf gewonnen. Als der Dolmetscher und Kraft in das Gemach traten und sich schweigend hinter dem Pascha in einer Ecke niederließen, hatte dieser seinem Gegner schon zehn Gläschen zugetrunken. Ein Tischtuch von schönem farbigen Leder war zwischen Beiden ausgebreitet: neben jedem lag ein feines Mundtuch, zwölf Schüsseln aus verzinntem Kupfer mit Reis, Fleisch, Gemüse und Konfekt, Alles stark nach Bisam duftend, waren neben und auf einander gestellt, doch die Trinker rührten nichts an, sondern tranken nur. Nachdem sie einander 20 Gläschen zugebracht hatten, — 10 bis 12 füllten etwa eine ulmische Maß, — brachte der Pascha dem Armenier noch 15, dann entfernte er sich auf eine Viertelstunde.

Der Armenier tat redlich Bescheid und trank dazwischen noch manches andere Glas, denn der Pascha trank ihm zu langsam. Als sich dieser wieder an seinen Platz setzte, fragte er ernsthaft: „Christenhund, willst Du mich besoffen machen ?“ Dann ließ er die große Wachskerze aus dem Messingleuchter ziehen und den weiten, hohlen Boden mit Wein füllen. Dieses brachte er dem Armenier, der sich jetzt aber auch mit des Paschas Erlaubnis eben so lange, als jener ausgeblieben war, entfernte. Der Pascha schlummerte ein, als er den Leuchter geleert hatte, der Armenier leerte diesen gleichfalls und brachte dann noch 10 Gläser. Ehe er aber die Hälfte davon geleert hatte, ließ sich der Pascha von seinen Dienern in sein Ruhegemach bringen, worauf sich auch die Zuschauer entfernten. Der Wetttrunk hatte etwa drei Stunden gedauert, während dessen der Pascha nur Weniges fragte, der Armenier höflich und kurz antwortete, denn vornehme Morgenländer enthalten sich des vielen Schwatzens um nichts.

Derselbe Pascha hatte 140—170 schöne Pferde, darunter sieben Leibpferde, jedes von verschiedener Farbe. Die Wärter gingen sehr zärtlich mit diesen Pferden um, liebkosten und küssten sie und wuschen sie täglich mit weißem Seifenschaum. Sie waren alle mit härenen Stricken an einem Vorder- und einem Hinterfuß gefesselt, hatten einen härenen Zügel um den Kopf und standen im Übrigen ungehemmt, doch ruhig unter freiem Himmel neben einander. Ihr Futter fraßen sie aus einem Sacke, der ihnen um den Hals gehängt wurde. Von den Leibrossen musste jederzeit eins gesattelt dastehen, und wenn der Pascha im Felde ritt, funkelte das vergoldete Pferdezeug und der breite Steigbügel wie das Sonnenlicht. Auch Kraft erhielt die Erlaubnis, auf einem Reitpferde des Paschas einem prächtigen Mückenschimmel, einen Spazierritt zu machen, und er meinte noch, als er dieses niederschrieb, nie sanfter und besser geritten zu sein.

Auch den Sklavenmarkt, der in Aleppo jeden Sonntag und Donnerstag gehalten wurde, besuchte Kraft, Kinder wurden hier für 4—10 Dukaten, ältere Personen für 20—30, kräftige Männer für 60, junge Mädchen und Frauen für 50—70 Dukaten verkauft, am teuersten die, welche zu Bettgenossinnen ausersehen waren.