Geschichte der Stadt Schwerin von 1691 bis 1700

1692. Der Herzog Christian (Louis) I. starb am 21. Juni, 69 Jahre alt, im Haag an einer mit schmerzhaftem Ausschlage verbundenen Krankheit, ohne Kinder zu hinterlassen. Einige Tage vor seinem Tode unterschrieb er das Todesurteil seines früheren geheimen Rats Kruse, welcher angeschuldigt und überführt war, mit seinen Stieftöchtern unsittlichen Umgang gehabt zu haben, weshalb er schon 8 Jahre lang auf der Bleikammer hatte sitzen müssen. Kruse wurde am 24. Juni zu Schwerin enthauptet, nachdem der Nachfolger des Herzogs, Friedrich Wilhelm, der Sohn eines Bruders Friedrich, das Urteil bestätigt hatte. Die Leiche Christian Louis, wurde nach Schwerin gebracht und zugleich mit der Leiche eines Vaters Adolf Friedrichs I, welche bisher im Dome zu Schwerin gestanden hatte, von dort am 24. August unter großer Begleitung nach Doberan geführt und in der Fürstengruft beigesetzt. (s. d. J. 1658.) Nach Christian Louis, eigener testamentarischer Verfügung hörte der von ihm eingeführte katholische Gottesdienst in der Schlosskirche 6 Wochen nach seinem Tode wieder auf.

Christian Louis hat in Folge eines Aufenthalts in der Fremde wenig für Mecklenburg getan; Schwerin hat ihm nicht viel zu verdanken, im Gegenteil gereichte es dieser Stadt zum großen Schaden, dass der Fürst in ihr kein Hoflager hielt. Wie Bacmeister berichtet, soll er gegen das Schloss in Schwerin so großen Widerwillen gehegt haben, dass er sich nicht überwinden konnte, nur eine Nacht in ihm zuzubringen. Wohltätig aber war es für das Land, dass er sehr sparsam gelebt hatte und bei seinem Tode ein Vermögen von 700.000 Taler hinterließ, welche glücklich nach Mecklenburg und in seines Nachfolgers Besitz gelangten.


Eine freudige Zeit begann nun für die Residenz mit dem jungen Herzoge Friedrich Wilhelm, welchen überhaupt das Wohl seiner Städte und namentlich der industrielle Aufschwung ihrer Bürger sehr am Herzen lag. Seine kurze Regierungszeit ließ freilich manche seiner Pläne nicht zur völligen Ausführung gelangen, da sein Nachfolger vollauf mit inneren Zwistigkeiten und Kriegswirren zu tun hatte; aber dennoch führte er die Stadt einer reicheren und kräftigeren Blüte mit Erfolg entgegen.

Friedrich Wilhelm, geb. am 26. März 1675, war, nachdem sein Vater, welcher zu Grabow residiert hatte, am 28. April 1688 gestorben war, von Christian Louis als einen Vormunde erzogen worden. Seit dem 12. Juli 1690 hatte sich der junge Prinz in Schwerin aufhalten müssen, und war der Bischofshof für ihn und seinen Hofstaat zum Wohnsitze hergestellt worden, auch hatte er eine reichliche Apanage erhalten, sowie ihn Christian Louis auch zu seinem alleinigen Erben einsetzte. Obwohl bei dessen Tode erst 17 Jahre alt, erklärte ihn doch der Kaiser für mündig und konnte er demnach die Regierung gleich selbständig übernehmen, leider in zu jugendlichen Alter, da der lebenslustige Fürst, wie es scheint, zuweilen in die Hände böser Ratgeber geriet.

Er hatte eine sehr große Vorliebe für Jagd und ritterliche Übungen. Gleich nach seinem Regierungsantritte ließ er das fürstliche Wildgehege auf dem Schelfwerder, welches sein Vorgänger vernachlässigt hatte, wieder in guten Zustand bringen, und u. A. weißes und buntes Damwild hineinsetzen. Er ließ dies öffentlich bekannt machen und forderte Jedermann bei namhafter Strafe zur Schonung dieses seltenen Wildes auf.

1693 wurde die alte Kapelle, welche an der Südostseite des Domes zwischen diesem und dem Markte stand, abgebrochen. Der alte Garten vor dem Schloss, welcher seit 1572 angelegt war, wurde geebnet und der Platz von jetzt an als Paradeplatz benutzt. Die Ernte war in diesem Jahre schlecht geraten und die Not groß; es entstand eine förmliche Hungersnot im nördlichen Mecklenburg, zumal die Dänen mit 5.000 Mann in und um Ratzeburg lagen und das Land ringsum nicht nur plünderten, sondern auch die Straßen nach Hamburg und Lübeck gefährdeten, so dass nur wenige Zufuhr herangebracht werden konnte. Der Herzog nahm sich in dieser Zeit der Seinigen sehr treulich an und unterstützte namentlich Witwen und Waisen aufs Kräftigste.

1694 wurde an der Frohnerei gebaut, da dieselbe wieder ganz verfallen war. Wahrscheinlich war sie seit dem Jahre 1656 (s. d. J.) noch gar nicht ganz fertig gebaut worden, da jetzt darüber geklagt wird, dass die Gefängnisse noch keine Schlösser und nur dünne, mit Brettern schlecht verkleidete Lehmwände hätten, durch welche die Gefangenen ganz nach Belieben ausbrechen könnten, wie es in der letzteren Zeit häufiger vorgekommen sei. Es wurde nun diesen Mängeln in etwas abgeholfen, schwerlich aber vollständig, denn noch i. J. 1698 brach ein Gefangener aus, welcher ein Mädchen unweit Schwerin ermordet hatte und zur Strafe des Räderns verurteilt war. An die Gefängnisse wurde nach dem Hof zu ein Zimmer angebaut, worin ferner die Ausübung der Tortur stattfinden sollte. Wir finden aus diesem Jahre folgendes Verzeichnis der Gebühren, welche der Scharfrichter für Ausübung der Justiz erhielt: Für eine Hinrichtung mit dem Schwerte 5, fürs Henken 5, fürs Rädern mit Zwicken (mit glühenden Zangen) 8, ohne Zwicken 6 Taler, für eine Auspeitschung 5 Gld., eine Hexe aufs Wasser zu werfen 5 Gld., eine solche zu verbrennen, ohne das Holz, 5 Taler, für das Verbrennen einer skandalösen Schrift 3 Mk. 8 ßl. Der Herzog, wie schon erwähnt, für das Aufblühen seiner Städte besorgt, hatte vom Magistrate zu Schwerin, wie auch wohl der übrigen Städte des Landes, Nachweise über die Einkünfte und Ausgaben und über den Vermögensstand der Stadt gefordert. Wir finden in Bezug hierauf manche Aufzeichnungen in den Akten, deren Vollständigkeit freilich nicht behauptet werden kann. Aus ihnen entnehmen wir das Folgende: Die städtische Kämmerei hatte in diesem Jahre zu erheben: Von der Wohnung beim Siechenbaum 9 Mk, von der Badestube 45 Mk, vom neuen corps de logis 30 Mk, vom Mühlentor 24 Mk, vom Schelfturm 24 Mk, an Grundgeld 75 Mk, an Ackermiete 18 Mk, an Scharrengeld 4 Mk, vom Amte der Schuster 1 Mk. 2 ßl, vom Amte der Weber 1 Mk. 8 ßl, vom Amte der Festbäcker 6 Mk, vom Amte der Schlachter 6 Mk, au unbestimmten Einnahmen ca. 40 Mk, Pacht aus Göhren und Zippendorf 336 Mk, Pacht vom Ratskeller 300 Mk, an Schoß 160 Mk*) an Zehnten 50 Mk, an Salinengefällen 45 Mk, im Ganzen also 1.204 Mk. 10 ßl. Die Ausgabe dieses Jahres wurde berechnet auf 1.807 Mk. 6 ßl. 10 Pf., so dass also ein Defizit von 602 Mk. 12 ßl. 10 Pf. blieb.

*) Die seit dem Brande von 1690 erbauten Häuser waren noch schoßfrei.

Von den Ausgaben der Stadt nennen wir folgende: Die Prediger, der Rektor und der Organist erhalten zu den 4 Festzeiten von der Stadt Weißbrot, dessen Backlohn zusammen 13 Mk. 8 ßl. kostete, die Prediger daneben zusammen 6 Stübchen Wein, à 4 Mk., der Rektor Ostern und Weihnacht jedes mal 1/2 Stübchen. Jeder Bürgermeister und der Stadtkämmerer erhalten 9, jeder der Ratsherrn 4 Stübchen Wein jährlich, der Syndikus 3, der Sekretär 2 Stübchen jährlich. Am Sonntage Lätare, nachdem die Bürgersprache verlesen worden, werden altem Herkommen nach 4 Mk. 8 ßl. unter die Mitglieder des Rats verunkostet.

An das fürstliche Amt musste die Stadt jährlich 100 Mk. Orbör abgeben, hatte diese aber in 4 Jahren nicht berichtigt, da sie behauptete, dass diese Summe um ¼ verringert werden müsse, weil mindestens der vierte Teil aller Häuser von fürstlichen Dienern bewohnt sei und diese keinen Schoß bezahlten. Später wurde die Orbör auf 75 Mk. jährlich festgesetzt.

1695 wurde die herzogliche Münze von Dömitz, wo sie sich damals befand, nach Schwerin verlegt, wahrscheinlich in ein Gebände des Schlosses, wenigstens war sie später, und zwar von 1700 bis 1778, immer auf dem Schloss.


Am 29. März d. J. verordnete Friedrich Wilhelm, dass alle wüsten Bauplätze innerhalb der Stadt, sie seien zu Gärten gemacht oder nicht, binnen Jahr und Tag (d. h. 1 Jahr 6 Wochen) von den Besitzern neu bebaut werden sollten. Wer dieser Verordnung nicht nachkäme, sollte seinen Besitz am Bauplatze verlieren, und wer Geld in ihm stehen habe, werde solches nicht erhalten. Unbebaute Bauplätze sollten nach Ablauf des festgesetzten Termins an den Herzog fallen, der sie an Baulustige wieder verschenken werde. Jedoch stellte der Herzog allen Bauenden aus seiner Kasse Beihilfen in Aussicht, falls sie die Häuser mit Steinen bedachen würden, und versprach ihnen auf 6 Jahre Freiheit von allen Abgaben und Lasten.

1696 wurden in der Nähe von Schwerin 2 Kinder und 3 Pferde vom Blitze getroffen, wie es scheint, aber nicht getötet.

1697 entstand wieder ein bedeutendes Feuer in Schwerin, welches 22 Häuser einäscherte. In Folge dessen erließ der Herzog den Befehl, dass alle Strohdächer aus der Stadt entfernt und keine neuen Häuser unter Strohbedachung erbaut werden sollten.

1698 wurde an der nordwestlichen Seite des alten Gartens ein Ballhaus zu dem damals sehr beliebten Ballspiele erbaut. Dies Haus wurde später in ein Reithaus verwandelt und seit 1788 Schauspielhaus (das alte) Die Steine zum Fundamente dieses Ballhauses wurden an der Südspitze des Schweriner Sees zwischen Raben Steinfeld und der Fähre gebrochen, dort wo sich noch jetzt eine Masse großer Felssteine mauerartig im Tone des Hügels befindet (neben der Holzwärterei); die Zippendorfer Bauern mussten diese Steine heranfahren, was sie aber sehr ungern taten. Sie waren nämlich unwillig darüber, dass auf herzoglichen Befehl das Haselholz von jetzt an geschont werden sollte und sie das Holz zum fürstlichen Schloss (s. d. J. 1655) nun aus Banzkow heranfahren mussten. Diesmal ließen sie sich schließlich noch dadurch beruhigen, dass Jedem, der eine Fuhre brachte, auf dem Schloss ein Mittagsessen verabreicht wurde; als aber die Deputatfuhren sich auch bei den städtischen Bauten mehrten, verweigerten sie hartnäckig ihre Dienste (s. d. J. 1701) Hieran mochte wohl der Misswachs und in Folge dessen die große Teuerung d. J. mit Schuld sein; der Scheffel Roggen gr. M. galt 3 Mark, ein unerhörter Preis, der nach jetzigem Geldwerte 6 Mark betragen würde. Die Landleute hatten nichts zu leben und mussten selbst in den Städten Getreide kaufen, durften dies aber der gleichfalls hungernden Bürger wegen nur heimlich oder bei der Nacht tun.

Ein Lieblingswunsch des Herzogs ging dahin, alle nahe um Schwerin gelegenen Holzungen zu einem großen Jagdgehege zu vereinigen. Da er dies nicht erreichen konnte, so lange die Stadt im Besitze des Dorfes und der holzreichen Feldmark Göhren war, so ließ er dem Magistrate das Anerbieten machen, dass er dies Dorf, welches damals verpfändet war und aus der Stammschäferei nur 30 Mark jährliche Pacht trug *) für einen guten Preis erwerben wolle.

*) Die Stammschäferei bestand aus 64 alten Hammeln, 6 alten Böcken, 3 Zeitböcken, 44 Zeithammeln, 112 milchenden Schafen, 32 Zeitschafen, 52 Mutterlämmern, 3 Bocklämmern, 44 Hammellämmern. An Gebäuden waren vorhanden: ein gemauertes, mit flachen Ziegeln gedecktes Haus, 1. Stockwerk hoch und von 4 Gebinden, ein Schafstall von 8 Gebinden, ein Hammelstall von 5 Gebinden und seit 1627 eine neue Scheune und ein neues Käsehaus.

Der Magistrat hatte dies Anerbieten abgelehnt, weil er sich nicht für berechtigt hielt, das Grundstück, welches sich verbessern ließ, zu verkaufen, und der Herzog hatte seinen Plan, wiewohl ungern, fallen lassen. Als er nun aber in diesem Jahre verreiste, nahmen seine Räte denselben wieder auf und verwirrten den Magistrat auf mancherlei Art, um ihn zum Verkauf des Gutes zu drängen. Auch die Bürgerschaft war einem solchen geneigt, weil die Stadt mit dem Kaufgelde ihre Schulden ablösen könnte. Trotzdem blieb der Magistrat fest und wollte nur in einen Tausch willigen, wenn nämlich die Stadt ein hinreichendes Aquivalent an Feld in der Nähe von Zippendorf erhalten würde. Ein solches war nun aber eben der Holzungen wegen nicht disponibel. Der Streit, welcher sich nun entspann, gab den herzoglichen Beamten Veranlassung, die Akten durchzusehen, und nachdem dies geschehen, stellten sie dem Magistrate die Anforderung, den Besitztitel der Stadt an Göhren durch Vorlage der Originalurkunde nachzuweisen. Sie wussten, dass dies unmöglich sei, weil diese Urkunde nicht vorhanden, wahrscheinlich früher einmal verbrannt war. Der Magistrat kam aber in ein großes Gedränge, da nun auch die Bürgerschaft dem Verkaufe Göhrens mehr und mehr sich zuneigte. Der Gerechtigkeitssinn des Herzogs löste aber diesen Knoten schnell; er beseitigte, unzufrieden mit dem Verhalten seiner Räte, die ganze Angelegenheit und ließ die Stadt im Besitze des Gutes, in dem sie sodann auch unangefochten geblieben ist.

1699 wurde der Bürgerausschuss, welcher bisher aus 24 Männern bestand, nach dem Wortlaute des Stadtbuches auf Beschluss von Bürgerschaft und Rat auf die Zahl von 16 Männern verringert. Dass er in den Jahren von 1646–1663 nur aus 10 Männern bestand, ist schon früher erwähnt worden. Der Herzog verordnete in diesem Jahre, dass jeder Bürger auf der Neustadt und den Mooren vor seinem Hause einen jungen Lindenbaum pflanzen und ihn zum Schutze gegen lose Buben mit Brettern umgeben solle. Alle Bäume sollten aber in einer geraden Linie gepflanzt werden und durfte jeder Bürger einen „Lindenbaum“ auf dem Schelfwerder suchen und ausgraben lassen.

1700. Schon nach dem Brande von 1651 hatte die Stadt 2 Spritzen angeschafft, bald nach dem Brande von 1690 hatte der Herzog ihr, da die älteren Spritzen wahrscheinlich verdorben waren oder unbrauchbar geworden, eine neue Kunstspritze geschenkt und eine zweite ähnliche hatte der Magistrat gekauft. Man hatte keinen passenden Platz zur Aufbewahrung dieser „fast herrlichsten Kleinodien der Stadt“; die eine hatte man an der Rückseite des Rathauses unter einen Bretterverschlag (Schauer) gestellt, die andere stand in einer Scheune vor dem Tore. Erstere war gegen Regen und sonstige Unfälle nicht geschützt, letztere zu entfernt vom Mittelpunkt der Stadt. Deshalb bat der Magistrat, mit Einverständnis der Kirchenökonomie, den Herzog, dass er an der Nordseite der Kirche, in der nordwestlichen Ecke unter dem Turm, ein Schauer zur Aufbewahrung der Spritzen anlegen dürfe. Dies wurde ihm zugestanden, und die Spritzen standen hier bis um die Mitte des 18. Jahrh. Später gab dies Gebäude zu mancherlei Streitigkeiten zwischen der Stadt und der Kirche Veranlassung (s. d. J. 1754)
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin