Geschichte der Stadt Schwerin von 1604 bis 1609

1604. Die Teuerung mit ihrem Gefolge von Krankheiten aller Art, welche wohl als eine Ursache der vielen großen Hexenverfolgungen während der letzten Jahre zu betrachten ist, hatte noch immer angehalten, bis es denn endlich in diesem Jahre eine so reichliche Ernte gab, dass alle Not mit einem Schlage aufhörte. Jedoch hatte zuvor noch ein Komet die Menschen geschreckt, und zwar ein ungeschwänzter oder, wie die Historiker jener Zeit sagen, „ein neuer Stern“, welcher auch noch im folgenden Jahre am Himmel beobachtet wurde, viele Meinungen hervorrief und viele Befürchtungen erweckte.

Der Superintendent Johann Neovinus war nach Parchim gegangen und erhielt zum Nachfolger den bisherigen Prediger zu Bützow, Mag. Joachim Richius oder Reiche.


Die beiden jungen Herzoge Adolf Friedrich und Johann Albrecht besuchten in diesem Jahre, unter Begleitung ihres Hofmeisters Volrad von Walzdorf und ihres Lehrers Dr. Theodor von Sanden, die Universität Leipzig, an welcher Ersterer zum Rektor erwählt wurde (eine nicht seltene Ehrenbezeugung damaliger Zeit gegen studierende Fürstensöhne).

Die Stadtkämmerei besaß um diese Zeit ein Wispelgut an der Saline zu Lüneburg, einen Chor oder 3 Plaustra oder 12 Rümpe, wie es in den späteren Akten heißt, aber nur 12 Chor oder 11 Rümpe nach den früheren Akten. Auch die Domökonomie besaß einen Anteil an dieser Saline, nach späteren Mitteilungen 4 Chor 2 Rümpe. Wie und wann die Stadt und die Kirche in den Besitz dieser Güter gelangt sind, darüber fehlen die Nachrichten; die Kirche erhob die Einkünfte aus dem ihrigen schon i. J. 1532 sicher, wahrscheinlich aber schon viel früher, die Stadt erhob i. J. 1604 aus ihrem Gute 92 Mk. 3 Schill, i. J. 1608 aber 110 Mk. 10 f. 6 pf. Die Chorusgüter waren an Lüneburger Patrizier verpachtet und wurden von einem eigenen Monitor, gewöhnlich einem Kaufmanne in Lüneburg, die Pächte eingefordert. Die-Chore der Kirche lagen in den Gebäuden Ditmering (2 Chor), Eding (2 Rümpe), Hingst (1/2 Chor), Volquerding (1 Chor) und Hütting (1/2 Chor), einzelne Gebäude der Saline, und waren ein Lehn der Kirche zu Schwerin. Ihre Aufkünfte genossen nach dem Jahre 1552 die-Domprediger z. B. Ernst Rothmann, welcher über ihren Empfang quittierte. In den Jahren 1621 bis 1662 hatte weder die Kirche noch die Stadt wegen der kriegerischen Zeiten Einkünfte; um 1670 erhielten der Konrektor und der Organist der Domschule die Einkünfte der Kirche auf ihre Gehalte angerechnet. – Die Chorusgüter waren teils sog. freie, teils sog. unfreie; zu letzteren gehörten die Schweriner Besitzungen. Die freien Chore trugen bis zum Jahre 1728 jährlich je 100 Mark, die unfreien je 82 Mark. Im J. 1729 wurden die Erträge auf 75 und 57 Mark herabgesetzt, i. J. 1738 abermals um 15 Mark reduziert, also auf 60 und 42 Mark gesetzt. Nach einer Rechnung von J. 1735 erhob die Domkirche zu Schwerin damals von ihren 4 Chor 2 Rümpen jährlich 237 Mark 8 f. statt der ursprünglichen 341 1/2 Mark und die Stadtkämmerei 57 Mark statt der ursprünglichen 82 Mark. Nach einer Rechnung vom I. 1744 erhielt die Kirche nur noch 175 und die Stadtkämmerei 42 Mark. Die Einkünfte waren aber damals so unregelmäßig, dass die Stadt die ihrigen nicht ganz sicher angeben konnte, die jedoch auf 10–15 Thlr. (30–45 Mark) jährlich veranschlagte. Der städtische Chor lag im Salinengebäude Hingst. Jeder Chor betrug 52 Tonnen Salzes, welche ursprünglich an die Gemeinschaften, denen sie verliehen waren, in natura ausgeliefert wurden. Da die Ausfuhr des Salzes aber stets mit großen Schwierigkeiten und früher auch mit Gefahr verbunden war, so entstand bald der Modus der Verpachtung, nicht gegen eine feste jährliche Pacht, sondern gegen die Aufkunft, welche jährlich der Verkauf des Salzes von Seiten der Pächter brachte. Aus diesem Grunde war die Höhe der Erhebung nicht immer gleich. In der Zeit, aus welcher die Akten stammen (die ältesten fehlen), erhob die Stadtkämmerei das Geld durch einen Monitor und gab der Kirchenökonomie den ihr zukommenden Anteil. So ist es auch bis jetzt geblieben, denn die Hebung besteht noch, ist aber noch keine bestimmte, sondern nach den Verhältnissen schwankend.

1605. Von Leipzig aus machten die Prinzen eine größere Reise durch die Schweiz, Italien und Frankreich mit ihrem Hofmeister Samuel von Behr, zwei Kavalieren und einem Arzte. Am 28. September 1607 langten sie wieder in Schwerin an.

Auch dies Jahr brachte eine so gesegnete Ernte, dass man mit dem Überfluss kaum zu bleiben wusste, zumal die Seuchen der letzten Jahre unter der Menschenzahl des Landes stark aufgeräumt hatten. Die Preise sanken so sehr, dass die Landleute in große Not kamen. Um so übermütiger und lebenslustiger wurden die Städter, so dass der Herzog Carl sich veranlasst fand, in Schwerin und den übrigen Städten von der Kanzel aus auf die Polizeiordnung aufmerksam zu machen und vor aller Unordnung zu warnen.

1606 wurde der Mag. Justus Molitor an Stelle des i. J. 1605 gestorbenen Bernhard Hederich vom Superintendenten Reiche als Rektor der Domschule eingeführt. Er blieb in dieser Stelle bis zum Jahre 1627, und floh, als die kaiserlichen Truppen in das Land einrückten (s. d. J.) Später war er Pastor in Travemünde, wo er noch i. J. 1636 als solcher lebte.

1607. Vom 16. September an ließ sich wieder ein Komet am Himmel sehen, welcher seinen Lauf zwischen den Himmelszeichen der Waage, dem Skorpion und dem Schützen hindurch nahm. In diesem Jahre verkaufte, nach einer im Stadtarchive befindlichen Original-Urkunde, Lütke Halberstadt auf Kl. Brütz der Stadt Schwerin für sich und seine Erben alle diejenigen Äcker, welche er innerhalb der Grenzen der Schweriner Feldmark besaß, für 2.000 Gulden. Es waren dies einzelne zwischen und neben Bürgeräckern gelegene Feldstücke, nämlich 19 Scheffel, auf dem Bleckelberge, 4 Scheffel auf den Finkencamp, 3 Scheffel beim Ratsteich, 20 Scheffel auf der Dorfstätte, 5 Scheffel am Diebskeller, 29 Scheffel an der Lankower Brücke*) und dazu eine Scheune vor dem Mühlentore zwischen der Schweineburg, welche zwischen dem Mühlen- und Schmiedetore lag, und der Zingel, welche von ersterer durch einen Steindamm getrennt war**).

*) Diese Brücke lag vor Lankow an der Grenze des Städtischen Gebiets und führte über den Grenzgraben. Sie war mit einem Schlagbaum versehen.
**) Das nicht mehr ganz deutliche Siegel des Lütke Halberstadt in schwarzem Wachs an der gedachten Urkunde enthält als Wappenzeichen, wie es scheint, einen Ring.


1608 überließ Herzog Carl seinen beiden Großneffen, nachdem sie vom Kaiser mündig erklärt worden, die Regierung des väterlichen Landesteils. Da aber die Einkünfte aus demselben so sehr gering waren, so beschlossen beide junge Herzoge, eine gemeinschaftliche Hofhaltung zu führen. An Mecklenburg-Schwerin hatte aber die Herzogin Elisabeth, Herz. Christofs Tochter, welche sich seit dem Tode ihres Vaters nebst ihrer Mutter Elisabeth († 1597) am königlichen Hofe zu Stockholm aufhielt, noch eine bedeutende Geldforderung. Diese war den Herzogen drückend, deshalb entschloss sich Johann Albrecht, da Adolf Friedrich sich durchaus nicht vor seinem 25. Jahre vermählen wollte, um die Hand der 6 Jahre älteren Elisabeth zu werben. Er reiste am 25. Juni mit seiner Mutter Sophia, seiner Schwester Anna Sophia und einem Gefolge von 270 Personen über Wismar nach Stockholm, wo die Vermählung am 9. Oktober er folgte. Noch vor Ausgang des Jahres war die fürstliche Reisegesellschaft wieder in Schwerin angelangt.

In der Domkirche war eine große Unordnung wegen der Kirchenstühle und der Begräbnisse eingerissen, weshalb Bischof Ulrich eine Begräbnis-, Stuhl- und Glockenordnung publizieren ließ.

Dieser Bischof erlaubte sich überhaupt mehrere eigenmächtige Neuerungen, wegen deren er mit den Herzogen und der Stadt Schwerin in Zwist geriet. So war es bisher in Schwerin Sitte gewesen, dass bei Begräbnissen das sog. Leichengeld an die Prediger, Schulbedienten und Schulknaben vor den Türen des Sterbehauses ausbezahlt worden war. Der Bischof aber hatte schon i. J. 1601 und wiederholt in diesem Jahre verordnet, dass das Leichengeld sowohl bei Leichen aus der Altstadt, wie bei solchen aus der Schelfe, den Schulbedienten ins Haus, für die Knaben in die Schule geschickt werden solle. Der Magistrat und die Bürgerschaft hatten diese Anordnung betreffs der Altstadt übel aufgenommen, weil sie gegen „die alte Gewohnheit liefe“, wahrscheinlich eben aus dem Grunde, weil der Bischof sie aus eigener Macht erlassen hatte, wozu er nur auf der Schelfe berechtigt war. Man wandte sich deshalb beschwerend an Herzog Carl, weil auch dessen Gerechtsamen über die Altstadt zu nahe geschehen sei, und dieser erließ einen Befehl an die Beamten des damals verreisten Bischofs, dass sie alle Neuerungen unterlassen sollten. Es wurde ihm aber die Antwort, dass die Schule und deren Bedienten ihre Wohnungen und Besoldungen von Bischof hätten, unter dessen Patronat die ständen, und dass es der Stadt nicht zustände, hier Einspruch zu erheben. Wenn die Stadt Vermögen genug dazu hätte, so solle sie selbst eine Schule anlegen und Lehrer für dieselbe bestimmen und besolden. Der Streit zog sich nun eine Zeitlang hin und wurde erst im nächsten Jahre zu Gunsten der bischöflichen Verordnung ausgeglichen, so dass also von dieser Zeit an die Austeilung des Leichengeldes vor dem Sterbehause (welche in einigen kleinen Städten des Landes noch vor Kurzem stattfand, vielleicht noch jetzt stattfindet) in Schwerin aufhörte.

1609 fand die Erbhuldigung des Landes statt, welche die Herzoge in Person vornahmen. Am 12. Juni brachen sie aus Schwerin auf, durchreisten das Land und kehrten am 9. Juli zurück. Am 10. Juli hielt der Domprediger Mag. Samuel Krüger eine Huldigungspredigt über den 20. Psalm. Nach deren Beendigung begaben sich die Herzoge aufs Rathaus, wo die ganze Bürgerschaft versammelt war. Hier verlas der Kanzler Hajo von Nessen, (ein hochfahrender, allgemein verhasster Ausländer, welcher dem Herzoge Adolf Friedrich bis 1620 diente,) die Proposition und der Bürgermeister Daniel Rotermund beantwortete sie, worauf die ganze Bürgerschaft den Huldigungseid ablegte.

Dem Rate wurde in diesem Jahre vom Herzoge anbefohlen, er möge den Ratskeller allezeit mit gutem Rhein- und anderen Wein versehen, damit jeder In- und Ausländer für sein Geld einen guten Trunk dort haben könne.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin