Geschichte der Stadt Schwerin von 1610 bis 1615

1610. Am 22. Juli starb Herzog Carl von Mecklenburg-Güstrow kinderlos und fiel sein Land an die Schweriner Herzoge, welche dasselbe einstweilen gemeinschaftlich zu regieren beschlossen. Nach einer Einnahmerechnung aus diesem Jahre betrugen die reinen Einkünfte aus Schwerin 4.543 Gulden 20 Schillinge, aus Güstrow 10.790 Gulden 15 Schillinge, zusammen 15.334 Gulden 3 Schilling bei einer Ausgabe von 25.144 Gulden für den Hofstaat und das Hofgericht und einer Schuldenlast von 766.681 Gulden. Gegen Ende d. J. wurde Andreas Sentius zum Domprediger berufen († 1631).

1611 teilten die beiden Herzoge das Land und losten um die Hälften, wobei Adolf Friedrich der schwerinsche, Johann Albrecht II. der güstrowsche Landesteil zufiel. Am 23. Dezember herrschte ein sehr starker Sturm mit Gewitter, Hagel und Regen, mehrere Stunden anhaltend und großen Schaden verursachend.


1613. Am 11. Juli entstand wieder ein schreckliches Hagelwetter, wobei die Körner von Wallnussgröße waren und sehr bedeutenden Schaden anrichteten. In diesem Jahre ließ Herz. Adolf Friedrich I. die ersten Reichsthaler prägen, deren eine Seite sein Bildnis trägt mit der Umschrift Adolph Frieder. V. G. G. Hertz. Z. Mec. F. Z. W. G. Z. S. D. L. R. U. S. H. Auf der anderen Seite steht unter einem Palmbaume die Fortuna auf einer Kugel, mit beiden Händen ein aufgespanntes Segel haltend. Die Umschrift lautet: Fortune infortune fortune.

Das Domkapitel hatte die Absicht, über den Ratsstühlen in der Kirche einen neuen Chor zu erbauen. Da aber ein solcher das ganze Fenster südlich vom Ratsstuhle verdeckt und diesem dadurch das Licht entzogen haben würde, so supplizierte der Rat gegen den Bau. Derselbe unterblieb auch, als letzterer sich anheischig machte, das ganze Fenster nicht nur jetzt mit neuem Glas besetzen, sondern auch für die Zukunft in gutem Stande erhalten zu wollen.

1614 kam ein angeblicher griechischer Graf, der sich Emanuel Phocas nannte, mit kaiserlichen Empfehlungsbriefen nach Schwerin. Er war schon i. J. 1611 in Deutschland aufgetreten, gab an, dass er aus dem alten griechischen Kaisergeschlecht der Paleologen entsprossen, aber seines christlichen Glaubens wegen von den Türken aller seiner Güter beraubt und nach harter Gefangenschaft nur unter dem Versprechen, eine Ranzion von 20.000 Thlr. zusammen zu bringen, entlassen sei. Dagegen habe er seine Mutter, 2 Schwestern und 2 Brüder als Geißeln stellen müssen. Obwohl er nun schon gleich nach seinem Auftreten in Prag als Betrüger festgenommen
war, glückte es ihm doch durch eine große Gewandtheit und Bildung (er sprach das Griechische, Italienische, Lateinische und Deutsche fertig), angesehene Beamte des Kaisers für sich zu gewinnen, mit deren Hilfe er die erwähnten kaiserlichen Empfehlungsbriefe erhielt. Im Besitze dieser durchzog er Deutschland und sammelte Almosen zu seiner angeblichen Ranzionierung, welche er mit seinen Komplizen aber heimlich und liederlich wieder durchbrachte. Als er in Schwerin ankam, war Herzog Albrecht Friedrich gerade verreist und die Beamten erlaubten ihm, an allen Kirchtüren Becken auszustellen. Er reiste darauf bald ab, kehrte aber schon am 9. Januar 1615 zurück und begab sich gleich nach seiner Ankunft zur Aufwartung aufs Schloss, wo sich der Herzog befand. Adolf Friedrich hielt die Erzählung des Grafen von vorn herein für Betrug, ließ ihn deshalb in der Hofstube durch seine Räte bewirten und sandte, während dies geschah, seine Sekretäre Michael Brauns und Ambrosius in das Wirtshaus, wo er Quartier bezogen hatte. Sie sollten die Koffer und Felleisen des Grafen öffnen, um sich zu überzeugen, ob er mit Betrug umgehe. Am 13. Januar ließ ihn darauf der Herzog gegen Abend auf dem Schloss, seine Diener in der Stadt gefangen setzen und ihm den Prozess machen. Dabei ergaben sich denn so sehr gravierende Nachweise, dass Adolf Friedrich, obwohl der Graf trotzig leugnete, die Akten verschickte. Als nun für Recht erkannt worden, dass die Beweise gegen den Grafen schwer genug seien, um ihn „mit der Tortur zu schrecken“, bekannte dieser seinen Betrug und zeigte eine Genossen an. Abermals verschickte der Herzog nun die Akten, und als der Richterspruch nach denselben dahin ausfiel, dass Phocas das Leben verwirkt habe, ließ er ihm dies am 27. Januar 1616 mitteilen und ihn am 29. Januar mit dem Schwerte richten. Diese Hinrichtung machte nicht geringes Aufsehen im Reiche; sie ist ein Zeichen von Adolf Friedrichs bestimmtem Charakter, der sich nicht bedachte, diesen Mann trotz der kaiserlichen Empfehlungsbriefe, die er besaß, nach dem Rechte zu strafen.

Gleich nach dem Antritt seiner Regierung hatte der Herzog den Entschluss gefasst, das Schloss zu Schwerin gänzlich restaurieren und alle Gebäude in gleichmäßiger Weise einrichten zu lassen. Nach seinem Plan sollten alle Gebäude möglichst in gleiche Höhe gelegt und innen mit einander verbunden werden; das Äußere an allen sollte eine gleiche Gestalt erhalten und dann der innere Hof mit zwei gewölbten und durch Säulen gestützten Kolonnaden aus Werkstücken zur bequemen Verbindung der einzelnen Gebäude versehen werden. Diese Kolonnaden sollten über einander erbaut werden, jede von Pfeilern getragen und mit gewölbter Decke. Die älteren Gebäude, deren Neubau schon Johann Albrecht I. beabsichtigt, aber nicht ausgeführt hatte (s. S. 145 sub 8) wollte Adolf Friedrich ganz neu errichten lassen. Außerdem beabsichtigte der Herzog auch den „Alten Garten“ zu bebauen. An der Stelle des Gartens selbst, der Reitbahn auf seiner südlichen Seite und dort, wo jetzt das Schauspielhaus, das Palais der Großherzogin Alexandrine und das Regierungsgebäude stehen, sollte ein einziges großes Gebäude errichtet werden, schlosswärts mit einer durchsichtigen freien Säulenkolonnade geschmückt, durch welches die Straße vom Burgtore zum Schloss in gerader Linie hindurchführen sollte. Das Gebäude selbst sollte, ähnlich wie der jetzige großh. Marstall auf der Wadewiese, einen großen freien Hof einschließen und in seinen Abteilungen die herzoglichen Stallungen, Reitbahnen, Futtermagazine, Dienerwohnungen usw. enthalten.

Diese großartigen Baupläne hatte der Herzog schon i. J. 1612 mit seinem Baumeister Kapitän Evert Piloot, einem Niederländer, Bürger der Stadt Emden, entworfen, die Zeichnungen anfertigen und die vorläufigen Zurüstungen machen lassen. Im J. 1613 dachte man mit dem Bau zu beginnen, zu dessen Ausführung Piloot gute Gesellen und andere Arbeiter aus den Niederlanden anwerben sollte.

Zuerst wurden die beiden oberen Stockwerke des Zeughauses (s. S. 145 sub 6), welche zu Rüstkammern gedient hatten, zu einem großen Saale und zu Wohnzimmern darüber umgebaut. Dann ließ der Herzog mit der äußeren Ausschmückung des Gebäudes über der Schlossküche (S. 145 sub 3) in der Weise beginnen, wie er alle Gebäude des Schlosses herzustellen den Plan hatte. Diese Arbeiten schritten aber gegen seinen Wunsch nur sehr langsam vorwärts, weil sich bald Geldmangel fühlbar machte, und als nach wenigen Jahren mit dem Ausbruche des 30jährigen Krieges die schweren Zeiten über Mecklenburg hereinbrachen, in welchen beiden Herzogen mehrere Jahre hindurch der Thron geraubt wurde, hörten sie natürlich ganz auf. Wir werden deshalb, um Wiederholungen zu vermeiden, dasjenige, was Adolf Friedrich wirklich am Schloss zu Schwerin bauen ließ, an einer späteren Stelle zusammenfassen.

1615. Am 6. Mai erließ Bischof Ulrich ein Reskript an das Domkapitel, worin er verordnete, dass den Schülern jährlich nach abgehaltenem Examen die Einkünfte von 100 Thlrn. verabreicht und den Predigern und Schullehrern auf ihren Wunsch Bücher aus der bischöflichen Bibliothek angeliehen werden sollten. Worauf das Kapitel die Antwort erlassen hat, dass es dieser Verordnung zwar nach kommen werde, jedoch die auf Pergament geschriebene Bibel beim Kapitel bleiben müsse und nicht mit verliehen werden dürfe. Die Bibliothek des Kapitels, auch die erwähnte Bibel, soll später abhanden gekommen sein; bei der Säkularisation des Stifts (1648) fand man nur noch die leeren Bücherschränke.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin