Geschichte der Stadt Schwerin von 1229 bis 1314
Nachdem wir so die städtischen Verhältnisse geschildert haben, fahren wir in unseren chronologischen Aufzeichnungen fort.
1230 vereinigten sich die norddeutschen Fürsten über die Befreiung der drei Söhne Waldemars II. von Dänemark und des Herzogs Otto von Lüneburg, welche noch immer in Schwerin gefangen gehalten wurden. Nachdem dieselben allen jetzigen und zukünftigen Ansprüchen an die Grafschaft Schwerin entsagt und Urfehde geschworen hatten, wurden sie, gegen Erlegung von 2.000 Mark löthigen Silbers an Gunkelin III, aus ihrer Gefangenschaft entlassen.
1236 wurde, nachdem die dem heiligen Blute dargebrachten Opfergaben, eine genügende Höhe erreicht hatten, ein Franziskaner (Grau- oder Barfüßer) Mönchskloster gegründet und mit dem Bau der zu ihm gehörigen Kirche begonnen. Es lag an der Stelle des jetzigen Regierungsgebäudes.
1237 starb Bischof Brunwald in Schwerin und es folgte ihm Friedrich I., Graf von Schwerin, auf dem Bischofssitz. Wie der Geschichtsschreiber Krantzius mitteilt, hatte sich Graf Guncelin III. von Schwerin in die Bischofswahl gemengt, da er jenen seinen Oheim Friedrich I., welcher ein Sohn Guncelins I. gewesen, habe zum Bischof erwählen lassen wollen. Da das Kapitel diesem Vorhaben sich widersetzte, so habe Guncelin III. zur Gewalt greifen wollen und auf der Burg ein Kriegsvolk gesammelt. Darüber habe sich aber auch die Stadt zu Gunsten des Kapitels gerüstet, doch sei es nicht zum Kampfe gekommen, da der Erzbischof Gerhard II. von Bremen, nachdem er von der Sache erfahren,
1238 seinen Stellvertreter Arnold nach Schwerin geschickt habe und diesem die Beilegung des Streites gelungen sei. Er habe das Kapitel zur Wahl Friedrichs I. bestimmt, wogegen aber auch Graf Guncelin III. versprochen habe, dass er oder andere weltliche Herren sich in Zukunft nicht wieder in die Bischofswahl mischen wollten. Jener Arnold weihte bei seiner Anwesenheit die inzwischen von den Grafen vollendete St. Nicolai-Kapelle auf der Schelfe ein, und es mag wohl in Folge der obgedachten Vereinbarung geschehen sein, dass Guncelin III. bei dieser Gelegenheit 12 Höfe auf der Schelfe an das Domkapitel verschenkte, da die neue Kirche eine Tochterkirche der Domkirche war. Einer dieser Höfe, an der davon benannten Pfaffenstraße gelegen, wurde Wohnsitz des Domdechanten, welcher die Aufsicht über die Nicolaikirche führte. Untergeordnete Geistliche erhielten auf der Schelfe ebenfalls ihre Wohnungen; sie nebst den sich dort ansiedelnden Rittern und Fischern zogen nach und nach gewerbetreibende Bürger herbei. So entstanden schon im Laufe der ersten Hälfte des 13. Jahrh. diejenigen 3 Straßen, aus welchen die Neustadt Schelfe oder Neustadt Schwerin (wie sie schon in der Mitte des 13. Jahrh. genannt wird) bis in die neueren Zeiten allein bestand: die Pfaffenstraße bis zur Apothekerstraße, die Steinstraße, welche in ihrer Verlängerung Ritterstraße hieß und sich bis zur Nicolaikirche erstreckte (jetzt das nördliche Ende der Königstraße), und die Fischerstraße, welche auch die heutige Münzstraße bis zur Gensdarmerie oder bis zum Hintenhofe hinunter in sich begriff.
Auch 2 Weinberge hatte das Domkapitel schon im 13. Jahrh. auf der Schelfe angelegt. Der „große“ Weinberg lag an der jetzigen Bergstraße oder dem Stephansberge, der „kleine“ an der Ecke der jetzigen Mühlen- und Apothekerstraße.
1240 starb Bischof Friedrich I. zu Schwerin. Das Kapitel wählte zu seinem Nachfolger den Theodorich (Dietrich), welcher schon unter Brunward Propst des Stiftes gewesen war. Da derselbe aber von unehelicher Geburt war, so musste er zuvor legitimiert werden. Das Kapitel wandte sich mit solcher Bitte an den Papst Gregor, welcher sie auch erfüllte. Theodorich wird wegen seiner Ehrbarkeit und der strengen Disziplin, welche er unter den Geistlichen aufrecht erhielt, gerühmt, auch soll er sehr gelehrt gewesen sein. Vom deutschen Kaiser Conrad III. erhielt er auf sein Ansuchen das Recht, Münzen schlagen, die Städte und Häuser des Stifts befestigen lassen und im Gebiete des Stiftes Zölle anlegen zu dürfen. Diese Berechtigungen beziehen sich darauf, dass er seine gewöhnliche Residenz in Bützow genommen hatte, wo er auch eine Kirche gründete, in der er bei seinem 1247 erfolgenden Tode begraben wurde. Seine Nachfolger nahmen, seinen Beispiele folgend, ihre Residenz gewöhnlich zu Bützow und hielten sich nur zeitweilig im Bischofshofe zu Schwerin auf. Sein erster Nachfolger hieß Wilhelm, welcher unter Friedrich I. Propst des Stifts gewesen war.
1248 war der Bau der Domkirche so weit fortgeschritten, dass sie dem Gottesdienste übergeben und eingeweiht werden konnte. Jedoch hatte sie damals noch nicht ihre heutige Gestalt, wenn sie auch in ihrer Grundform und vielleicht auch in ihrer späteren Ausdehnung schon angedeutet war; es wurde vielmehr noch bis ins 16. Jahrh. hinein an ihr gebaut und erweitert. Die Einweihung geschah vom Bischof Wilhelm zu Schwerin, im Beisein der drei Bischöfe von Verden, Lübeck und Camin, mit großer Feierlichkeit am 15. Juni, dem Tage des heiligen Veit (Vitus). Dieser Heilige stand nämlich seit langer Zeit in großem Ansehen zu Schwerin, weil der Bischof Berno, als er auf Arkona die heidnischen Rugianer getauft, ihnen an Stelle des bisher verehrten Götzen Swantvit, die Namensähnlichkeit benutzend, den Sanct Vit zur Verehrung gegeben und dadurch das Christentum unter ihnen fester begründet hatte. Zum Andenken an die Einweihung des Domes ward am Tage des heiligen Veit von dieser Zeit an ein Kirchweihtag in Schwerin gefeiert und bis zum Jahre 1846 auf der Altstadt zugleich ein Jahrmarkt abgehalten.
1249 starb Bischof Wilhelm. Er hatte unter den Domherren eine Gedächtnisfeier der Weihung des Domes angeordnet, für deren Begehung er die Zehnten aus dem Gute Robertsdorf bestimmte. In seinem Testamente gab er zur Gründung einer Dompräbende die Einkünfte aus den bischöflichen Tafelgütern Stove, Kartlow und Wodorf her. Es folgte ihm ein Stiftspropst Rudolf I. auf dem Bischofssitz, der schon vor einer Erwählung die Kantorei zu Schwerin gestiftet und dotiert hatte. Dieser Bischof ist durch eine Streitigkeiten mit dem Fürsten Pribislav von Parchim-Richenberg bekannt (s. die Landesgeschichte). Er erhielt um 1260 vom Könige Ludwig IX. dem Heiligen von Frankreich für den Dom einen Dorn von der Dornenkrone Christi, eine Gabe, welche ohne Zweifel durch die wachsende Berühmtheit des heiligen Blutes veranlasst wurde.
1262 starb Bischof Rudolf I.; es folgte ihm Hermann I., aus dem Geschlechte der in der Nähe des Harzes begüterten Grafen von Schladen. Dieser Hermann I. und Graf Guncelin III. verbanden sich
1263 wider die Fürsten von Mecklenburg, Werle und Rostock, weil diese das Land Parchim vom Fürsten Pribislaus von Parchim-Richenberg gewonnen hatten, der Graf und der Bischof von Schwerin aber Ansprüche an einen Teil desselben zu haben glaubten. Der Kampf wurde jedoch nicht von Bedeutung, da Guncelin III. schon in demselben Jahre nebst seinem Sohne Helmold in die Gefangenschaft seiner Gegner geriet und seine Freiheit durch den Verzicht auf das Land Parchim erkaufen musste.
1274 starb Graf Guncelin III. von Schwerin und wurde gleich falls in der heiligen Bluts-Kapelle begraben. Er wird als ein milder Herr gerühmt, der den schönen Künsten nicht fremd geblieben sei, unter dessen Regierung sogar Minnesänger (u. A. Rumelant) am Hofe zu Schwerin Pflege gefunden. Obwohl in den letzten Jahren seines Lebens erblindet, war er doch noch im Jahre 1267 vom Erzbischof Albert von Riga zum Schutzherrn seines Erzbistums erwählt worden. Kurz vor seinem Tode stiftete er aus den Aufkünften des Dorfes Brötelin eine Vicarei in der heiligen Bluts-Kapelle. Er hinterließ drei Söhne Helmold II, Nicolaus I. und Guncelin IV, welche die Grafschaft so unter sich teilten, dass Helmold II. Boizenburg, Nicolaus I. Wittenburg und Guncelin IV. Schwerin erhielt. Schon
1276 verzichtete aber Guncelin IV. auf einen Anteil an der väterlichen Erbschaft zu Gunsten eines Bruders Helmold II, welchen wir nun auch in Schwerin ganz selbständig auftreten sehen.
Vor 1282 erwarb von ihm die Stadt Schwerin die Güter Zippendorf, Göhren und Ostorf, von denen das letztere wegen der Nähe der Stadt schon frühe allmählich zerstückelt ward und aus ihrem Besitze kam. Göhren brannte, wie Hederich erzählt, bald nach seiner Besitznahme durch die Stadt ab und blieb wegen eines wenig fruchtbaren Bodens lange wüst und unbebaut liegen. Erst i. J. 1584 erbaute die Stadt dort wieder eine Schäferei, worüber sie jedoch in manche Streitigkeiten verwickelt wurde, da man ihr Besitzrecht an der Feldmark, weil sie es so lange nicht benutzt hatte, bezweifelte. Zippendorf allein blieb ununterbrochen im Besitz und zugleich in der Nutzung der Stadt. Die Bürgermeister von Schwerin zur Zeit der Erwerbung jener Güter hießen Hans Fischer und Heinrich Marquardt.
Seit längerer Zeit hatten sich aber zwischen dem Grafen und dem Bischof nebst dem Domkapitel mancherlei Irrungen entsponnen, zu welchen das Aneinandergrenzen ihrer Besitzungen die erste Veranlassung bot. Die eine Hälfte der Stadt Schwerin gehörte dem Grafen, fast die ganze andere Hälfte dem Bischof; das Kapitel hatte auf der Schelfe viele Besitzungen, der Werder war Tafelgut des Bischofs, und beide strebten unablässig dahin, das ganze Schelfgebiet in ihren Besitz zu bekommen. So entstanden Übergriffe und Zwistigkeiten, welche dem Gemeinwesen schadeten. Deshalb vereinbarte sich Graf Helmold II. mit dem Bischof und dem Domkapitel
1284 am 6. Dezember durch einen Vergleich, in welchen das Folgende festgesetzt wurde. Dem Bischof sollten alle Häuser und Wohnungen in Schwerin gehören, welche zur linken Hand einer von den Domhöfen bis zum Schmiedetor (am Ende der Schmiedestraße) gezogenen Linie gelegen seien. Über diese seine in der Stadt gelegenen Güter erhielt er landesherrliches Recht. Der Dom ferner gewann durch diesen Vergleich die ganze Schelfe, die kleine sowohl wie die große, den Ziegelsee und die Aue mit dem Medeweger See zum Eigentum, mit Ausnahme jedoch des Spieltordammes zwischen dem Ziegelsee und Pfaffenteich und so vieler Erde vom Weinberge, wie erforderlich sei, um diesen Damm stets in gutem Zustande zu erhalten. Auch über die dem Schweriner See nahe gelegenen Dörfer verglich sich der Graf mit dem Bischof, von dem er überdies noch die für jene Zeit ansehnliche Summe von 1.250 Mark erhält. Der Vergleich ordnete ferner das Verhältnis zwischen den Bürgern der Schelfe zu denen der Altstadt und es wurde bestimmt, dass die auf der Schelfe wohnenden Bürger mit den altstädtischen nicht gleiche Holz- und Weidenutzung haben sollten und keinen eigenen Markt halten dürften, sondern von den Bürgern der Stadt kaufen müssten; jedoch sollte es ihnen erlaubt sein, wie sie bisher getan, vor ihren Türen und in ihren Häusern zu kaufen und zu verkaufen. Wer auf der Schelfe ein Verbrechen begangen und dabei ertappt und gefangen worden, der sollte vor das Gericht der Stadt gehören; käme er ungefangen davon, so sollte er vor dem bischöflichen Richter verklagt werden. Die Bewohner der Schelfe sollten ihren Weg nicht über das Wasser nehmen, sondern durch die Stadt gehen und zwar frei und ungehindert ein und aus. Es sollte kein Schloss und keine Feste weder auf der Schelfe noch auf dem Werder, überhaupt nicht in den Besitzungen des Bischofs und der Kirche, von den Grafen erbaut werden dürfen. Die Bewohner der Schelfe sollten nur dem Bischof zu Schatzungen, Abgaben und Arbeit pflichtig sein.
1287 war die Kirche des i. J. 1236 gegründeten Franziskaner-Mönchsklosters, welche von einem Drittel der beim heiligen Blute des Domes niedergelegten Opfergaben erbaut wurde, vollendet. Sie stand neben dem Kloster an der Stelle des jetzigen Regierungsgebäudes, am Ende der von ihr benannten Klosterstraße. Nach allen Nachrichten soll die Kirche ein außerordentlich schönes Gebäude gewesen sein, wurde aber 1554 durch einen Akt roher Willkür zerstört (s. d. J.). Deshalb wurde sie 1557 abgebrochen und benutzte man die Steine zum damaligen Schlossbau. Die Gräfin Audacia von Schwerin, Heinrichs I. Gemahlin, soll 1287 in der neuerbauten Kirche begraben worden sein. Nach Vollendung dieser Kirche fiel das Drittel der Opfergaben beim heiligen Blute, welches für sie bestimmt war, an den Bischof zurück.
1291. Die große Handelsstraße zwischen den norddeutschen Seestädten Hamburg, Lübeck und Wismar führte zu dieser Zeit an der Elbe hinunter. Viele Raubritter hatten sich deshalb in der Nähe dieses Stromes angesiedelt und brandschatzten die vorüberziehenden Kaufleute. Um diesem Übel zu steuern, verbanden sich am 1. Januar die Fürsten zu Mecklenburg, der Graf Helmold II. zu Schwerin und die Stadt Lübeck in Grevesmühlen zur Zerstörung der Raubburgen. Ihnen traten später noch der Herzog Otto von Braunschweig, die Grafen Adolf und Gerhard von Holstein und Graf Nicolaus von Schwerin-Wittenburg bei. Am 19. Januar beschlossen diese Fürsten zu Dutzow (an der Nordspitze des Schallsees gelegen) die Zerstörung der Burgen Klockstorf, Karlow, Schlagsdorf, Mustin und Dutzow zwischen dem Ratzeburger und Schalsee, Burchardsdorf, Linow und Nannendorf an der holsteinischen Grenze, Wehningen und Walerow (jetzt Neuhaus) an der Elbe, und führten ihre Zerstörung auch aus.
1292 starb Bischof Hermann I.; ihm folgte Gottfried I. aus dem Geschlechte von Bülow auf Wedendorf, früher Pfarrherr zu Gadebusch. Sein Propst war des Fürsten Johann von Mecklenburg (des Theologen) Sohn Hermann.
1299 starb Graf Helmold II. von Schwerin und wurde ebenfalls an der gräflichen Begräbnisstelle, der heiligen Bluts-Kapelle, begraben. Da die gräfliche Linie Schwerin sich nun in mehrere Zweige spaltet, welche für die Geschichte der Stadt unwesentlich sind, nennen wir im weiteren Verlaufe derselben nur die hervorragenderen.
1314 starb Bischof Gottfried I., nachdem er dem Dome einen großen goldenen Kelch und einen goldenen Ring, worin sich ein wertvoller Rubin befand, vermacht hatte. Er ward im Dome zu Schwerin vor dem Altar im oberen Chor begraben, da er wahrscheinlich den Ban dieses Chors begonnen und damit den Grund zu der im Spitzbogenstil umgebauten jetzigen Domkirche gelegt hatte. Sein Grab wurde mit einer Messingplatte belegt, Fuß hoch, 4 Fuß breit und 9 Fuß lang, auf welcher ein ganzer Bischof gegossen war. Diese Platte wurde später abgenommen und dem Chor gegenüber in die Wand gesetzt (s. d. J. 1339). Sein Nachfolger war Hermann II, aus dem Geschlecht von Maltzan.
1230 vereinigten sich die norddeutschen Fürsten über die Befreiung der drei Söhne Waldemars II. von Dänemark und des Herzogs Otto von Lüneburg, welche noch immer in Schwerin gefangen gehalten wurden. Nachdem dieselben allen jetzigen und zukünftigen Ansprüchen an die Grafschaft Schwerin entsagt und Urfehde geschworen hatten, wurden sie, gegen Erlegung von 2.000 Mark löthigen Silbers an Gunkelin III, aus ihrer Gefangenschaft entlassen.
1236 wurde, nachdem die dem heiligen Blute dargebrachten Opfergaben, eine genügende Höhe erreicht hatten, ein Franziskaner (Grau- oder Barfüßer) Mönchskloster gegründet und mit dem Bau der zu ihm gehörigen Kirche begonnen. Es lag an der Stelle des jetzigen Regierungsgebäudes.
1237 starb Bischof Brunwald in Schwerin und es folgte ihm Friedrich I., Graf von Schwerin, auf dem Bischofssitz. Wie der Geschichtsschreiber Krantzius mitteilt, hatte sich Graf Guncelin III. von Schwerin in die Bischofswahl gemengt, da er jenen seinen Oheim Friedrich I., welcher ein Sohn Guncelins I. gewesen, habe zum Bischof erwählen lassen wollen. Da das Kapitel diesem Vorhaben sich widersetzte, so habe Guncelin III. zur Gewalt greifen wollen und auf der Burg ein Kriegsvolk gesammelt. Darüber habe sich aber auch die Stadt zu Gunsten des Kapitels gerüstet, doch sei es nicht zum Kampfe gekommen, da der Erzbischof Gerhard II. von Bremen, nachdem er von der Sache erfahren,
1238 seinen Stellvertreter Arnold nach Schwerin geschickt habe und diesem die Beilegung des Streites gelungen sei. Er habe das Kapitel zur Wahl Friedrichs I. bestimmt, wogegen aber auch Graf Guncelin III. versprochen habe, dass er oder andere weltliche Herren sich in Zukunft nicht wieder in die Bischofswahl mischen wollten. Jener Arnold weihte bei seiner Anwesenheit die inzwischen von den Grafen vollendete St. Nicolai-Kapelle auf der Schelfe ein, und es mag wohl in Folge der obgedachten Vereinbarung geschehen sein, dass Guncelin III. bei dieser Gelegenheit 12 Höfe auf der Schelfe an das Domkapitel verschenkte, da die neue Kirche eine Tochterkirche der Domkirche war. Einer dieser Höfe, an der davon benannten Pfaffenstraße gelegen, wurde Wohnsitz des Domdechanten, welcher die Aufsicht über die Nicolaikirche führte. Untergeordnete Geistliche erhielten auf der Schelfe ebenfalls ihre Wohnungen; sie nebst den sich dort ansiedelnden Rittern und Fischern zogen nach und nach gewerbetreibende Bürger herbei. So entstanden schon im Laufe der ersten Hälfte des 13. Jahrh. diejenigen 3 Straßen, aus welchen die Neustadt Schelfe oder Neustadt Schwerin (wie sie schon in der Mitte des 13. Jahrh. genannt wird) bis in die neueren Zeiten allein bestand: die Pfaffenstraße bis zur Apothekerstraße, die Steinstraße, welche in ihrer Verlängerung Ritterstraße hieß und sich bis zur Nicolaikirche erstreckte (jetzt das nördliche Ende der Königstraße), und die Fischerstraße, welche auch die heutige Münzstraße bis zur Gensdarmerie oder bis zum Hintenhofe hinunter in sich begriff.
Auch 2 Weinberge hatte das Domkapitel schon im 13. Jahrh. auf der Schelfe angelegt. Der „große“ Weinberg lag an der jetzigen Bergstraße oder dem Stephansberge, der „kleine“ an der Ecke der jetzigen Mühlen- und Apothekerstraße.
1240 starb Bischof Friedrich I. zu Schwerin. Das Kapitel wählte zu seinem Nachfolger den Theodorich (Dietrich), welcher schon unter Brunward Propst des Stiftes gewesen war. Da derselbe aber von unehelicher Geburt war, so musste er zuvor legitimiert werden. Das Kapitel wandte sich mit solcher Bitte an den Papst Gregor, welcher sie auch erfüllte. Theodorich wird wegen seiner Ehrbarkeit und der strengen Disziplin, welche er unter den Geistlichen aufrecht erhielt, gerühmt, auch soll er sehr gelehrt gewesen sein. Vom deutschen Kaiser Conrad III. erhielt er auf sein Ansuchen das Recht, Münzen schlagen, die Städte und Häuser des Stifts befestigen lassen und im Gebiete des Stiftes Zölle anlegen zu dürfen. Diese Berechtigungen beziehen sich darauf, dass er seine gewöhnliche Residenz in Bützow genommen hatte, wo er auch eine Kirche gründete, in der er bei seinem 1247 erfolgenden Tode begraben wurde. Seine Nachfolger nahmen, seinen Beispiele folgend, ihre Residenz gewöhnlich zu Bützow und hielten sich nur zeitweilig im Bischofshofe zu Schwerin auf. Sein erster Nachfolger hieß Wilhelm, welcher unter Friedrich I. Propst des Stifts gewesen war.
1248 war der Bau der Domkirche so weit fortgeschritten, dass sie dem Gottesdienste übergeben und eingeweiht werden konnte. Jedoch hatte sie damals noch nicht ihre heutige Gestalt, wenn sie auch in ihrer Grundform und vielleicht auch in ihrer späteren Ausdehnung schon angedeutet war; es wurde vielmehr noch bis ins 16. Jahrh. hinein an ihr gebaut und erweitert. Die Einweihung geschah vom Bischof Wilhelm zu Schwerin, im Beisein der drei Bischöfe von Verden, Lübeck und Camin, mit großer Feierlichkeit am 15. Juni, dem Tage des heiligen Veit (Vitus). Dieser Heilige stand nämlich seit langer Zeit in großem Ansehen zu Schwerin, weil der Bischof Berno, als er auf Arkona die heidnischen Rugianer getauft, ihnen an Stelle des bisher verehrten Götzen Swantvit, die Namensähnlichkeit benutzend, den Sanct Vit zur Verehrung gegeben und dadurch das Christentum unter ihnen fester begründet hatte. Zum Andenken an die Einweihung des Domes ward am Tage des heiligen Veit von dieser Zeit an ein Kirchweihtag in Schwerin gefeiert und bis zum Jahre 1846 auf der Altstadt zugleich ein Jahrmarkt abgehalten.
1249 starb Bischof Wilhelm. Er hatte unter den Domherren eine Gedächtnisfeier der Weihung des Domes angeordnet, für deren Begehung er die Zehnten aus dem Gute Robertsdorf bestimmte. In seinem Testamente gab er zur Gründung einer Dompräbende die Einkünfte aus den bischöflichen Tafelgütern Stove, Kartlow und Wodorf her. Es folgte ihm ein Stiftspropst Rudolf I. auf dem Bischofssitz, der schon vor einer Erwählung die Kantorei zu Schwerin gestiftet und dotiert hatte. Dieser Bischof ist durch eine Streitigkeiten mit dem Fürsten Pribislav von Parchim-Richenberg bekannt (s. die Landesgeschichte). Er erhielt um 1260 vom Könige Ludwig IX. dem Heiligen von Frankreich für den Dom einen Dorn von der Dornenkrone Christi, eine Gabe, welche ohne Zweifel durch die wachsende Berühmtheit des heiligen Blutes veranlasst wurde.
1262 starb Bischof Rudolf I.; es folgte ihm Hermann I., aus dem Geschlechte der in der Nähe des Harzes begüterten Grafen von Schladen. Dieser Hermann I. und Graf Guncelin III. verbanden sich
1263 wider die Fürsten von Mecklenburg, Werle und Rostock, weil diese das Land Parchim vom Fürsten Pribislaus von Parchim-Richenberg gewonnen hatten, der Graf und der Bischof von Schwerin aber Ansprüche an einen Teil desselben zu haben glaubten. Der Kampf wurde jedoch nicht von Bedeutung, da Guncelin III. schon in demselben Jahre nebst seinem Sohne Helmold in die Gefangenschaft seiner Gegner geriet und seine Freiheit durch den Verzicht auf das Land Parchim erkaufen musste.
1274 starb Graf Guncelin III. von Schwerin und wurde gleich falls in der heiligen Bluts-Kapelle begraben. Er wird als ein milder Herr gerühmt, der den schönen Künsten nicht fremd geblieben sei, unter dessen Regierung sogar Minnesänger (u. A. Rumelant) am Hofe zu Schwerin Pflege gefunden. Obwohl in den letzten Jahren seines Lebens erblindet, war er doch noch im Jahre 1267 vom Erzbischof Albert von Riga zum Schutzherrn seines Erzbistums erwählt worden. Kurz vor seinem Tode stiftete er aus den Aufkünften des Dorfes Brötelin eine Vicarei in der heiligen Bluts-Kapelle. Er hinterließ drei Söhne Helmold II, Nicolaus I. und Guncelin IV, welche die Grafschaft so unter sich teilten, dass Helmold II. Boizenburg, Nicolaus I. Wittenburg und Guncelin IV. Schwerin erhielt. Schon
1276 verzichtete aber Guncelin IV. auf einen Anteil an der väterlichen Erbschaft zu Gunsten eines Bruders Helmold II, welchen wir nun auch in Schwerin ganz selbständig auftreten sehen.
Vor 1282 erwarb von ihm die Stadt Schwerin die Güter Zippendorf, Göhren und Ostorf, von denen das letztere wegen der Nähe der Stadt schon frühe allmählich zerstückelt ward und aus ihrem Besitze kam. Göhren brannte, wie Hederich erzählt, bald nach seiner Besitznahme durch die Stadt ab und blieb wegen eines wenig fruchtbaren Bodens lange wüst und unbebaut liegen. Erst i. J. 1584 erbaute die Stadt dort wieder eine Schäferei, worüber sie jedoch in manche Streitigkeiten verwickelt wurde, da man ihr Besitzrecht an der Feldmark, weil sie es so lange nicht benutzt hatte, bezweifelte. Zippendorf allein blieb ununterbrochen im Besitz und zugleich in der Nutzung der Stadt. Die Bürgermeister von Schwerin zur Zeit der Erwerbung jener Güter hießen Hans Fischer und Heinrich Marquardt.
Seit längerer Zeit hatten sich aber zwischen dem Grafen und dem Bischof nebst dem Domkapitel mancherlei Irrungen entsponnen, zu welchen das Aneinandergrenzen ihrer Besitzungen die erste Veranlassung bot. Die eine Hälfte der Stadt Schwerin gehörte dem Grafen, fast die ganze andere Hälfte dem Bischof; das Kapitel hatte auf der Schelfe viele Besitzungen, der Werder war Tafelgut des Bischofs, und beide strebten unablässig dahin, das ganze Schelfgebiet in ihren Besitz zu bekommen. So entstanden Übergriffe und Zwistigkeiten, welche dem Gemeinwesen schadeten. Deshalb vereinbarte sich Graf Helmold II. mit dem Bischof und dem Domkapitel
1284 am 6. Dezember durch einen Vergleich, in welchen das Folgende festgesetzt wurde. Dem Bischof sollten alle Häuser und Wohnungen in Schwerin gehören, welche zur linken Hand einer von den Domhöfen bis zum Schmiedetor (am Ende der Schmiedestraße) gezogenen Linie gelegen seien. Über diese seine in der Stadt gelegenen Güter erhielt er landesherrliches Recht. Der Dom ferner gewann durch diesen Vergleich die ganze Schelfe, die kleine sowohl wie die große, den Ziegelsee und die Aue mit dem Medeweger See zum Eigentum, mit Ausnahme jedoch des Spieltordammes zwischen dem Ziegelsee und Pfaffenteich und so vieler Erde vom Weinberge, wie erforderlich sei, um diesen Damm stets in gutem Zustande zu erhalten. Auch über die dem Schweriner See nahe gelegenen Dörfer verglich sich der Graf mit dem Bischof, von dem er überdies noch die für jene Zeit ansehnliche Summe von 1.250 Mark erhält. Der Vergleich ordnete ferner das Verhältnis zwischen den Bürgern der Schelfe zu denen der Altstadt und es wurde bestimmt, dass die auf der Schelfe wohnenden Bürger mit den altstädtischen nicht gleiche Holz- und Weidenutzung haben sollten und keinen eigenen Markt halten dürften, sondern von den Bürgern der Stadt kaufen müssten; jedoch sollte es ihnen erlaubt sein, wie sie bisher getan, vor ihren Türen und in ihren Häusern zu kaufen und zu verkaufen. Wer auf der Schelfe ein Verbrechen begangen und dabei ertappt und gefangen worden, der sollte vor das Gericht der Stadt gehören; käme er ungefangen davon, so sollte er vor dem bischöflichen Richter verklagt werden. Die Bewohner der Schelfe sollten ihren Weg nicht über das Wasser nehmen, sondern durch die Stadt gehen und zwar frei und ungehindert ein und aus. Es sollte kein Schloss und keine Feste weder auf der Schelfe noch auf dem Werder, überhaupt nicht in den Besitzungen des Bischofs und der Kirche, von den Grafen erbaut werden dürfen. Die Bewohner der Schelfe sollten nur dem Bischof zu Schatzungen, Abgaben und Arbeit pflichtig sein.
1287 war die Kirche des i. J. 1236 gegründeten Franziskaner-Mönchsklosters, welche von einem Drittel der beim heiligen Blute des Domes niedergelegten Opfergaben erbaut wurde, vollendet. Sie stand neben dem Kloster an der Stelle des jetzigen Regierungsgebäudes, am Ende der von ihr benannten Klosterstraße. Nach allen Nachrichten soll die Kirche ein außerordentlich schönes Gebäude gewesen sein, wurde aber 1554 durch einen Akt roher Willkür zerstört (s. d. J.). Deshalb wurde sie 1557 abgebrochen und benutzte man die Steine zum damaligen Schlossbau. Die Gräfin Audacia von Schwerin, Heinrichs I. Gemahlin, soll 1287 in der neuerbauten Kirche begraben worden sein. Nach Vollendung dieser Kirche fiel das Drittel der Opfergaben beim heiligen Blute, welches für sie bestimmt war, an den Bischof zurück.
1291. Die große Handelsstraße zwischen den norddeutschen Seestädten Hamburg, Lübeck und Wismar führte zu dieser Zeit an der Elbe hinunter. Viele Raubritter hatten sich deshalb in der Nähe dieses Stromes angesiedelt und brandschatzten die vorüberziehenden Kaufleute. Um diesem Übel zu steuern, verbanden sich am 1. Januar die Fürsten zu Mecklenburg, der Graf Helmold II. zu Schwerin und die Stadt Lübeck in Grevesmühlen zur Zerstörung der Raubburgen. Ihnen traten später noch der Herzog Otto von Braunschweig, die Grafen Adolf und Gerhard von Holstein und Graf Nicolaus von Schwerin-Wittenburg bei. Am 19. Januar beschlossen diese Fürsten zu Dutzow (an der Nordspitze des Schallsees gelegen) die Zerstörung der Burgen Klockstorf, Karlow, Schlagsdorf, Mustin und Dutzow zwischen dem Ratzeburger und Schalsee, Burchardsdorf, Linow und Nannendorf an der holsteinischen Grenze, Wehningen und Walerow (jetzt Neuhaus) an der Elbe, und führten ihre Zerstörung auch aus.
1292 starb Bischof Hermann I.; ihm folgte Gottfried I. aus dem Geschlechte von Bülow auf Wedendorf, früher Pfarrherr zu Gadebusch. Sein Propst war des Fürsten Johann von Mecklenburg (des Theologen) Sohn Hermann.
1299 starb Graf Helmold II. von Schwerin und wurde ebenfalls an der gräflichen Begräbnisstelle, der heiligen Bluts-Kapelle, begraben. Da die gräfliche Linie Schwerin sich nun in mehrere Zweige spaltet, welche für die Geschichte der Stadt unwesentlich sind, nennen wir im weiteren Verlaufe derselben nur die hervorragenderen.
1314 starb Bischof Gottfried I., nachdem er dem Dome einen großen goldenen Kelch und einen goldenen Ring, worin sich ein wertvoller Rubin befand, vermacht hatte. Er ward im Dome zu Schwerin vor dem Altar im oberen Chor begraben, da er wahrscheinlich den Ban dieses Chors begonnen und damit den Grund zu der im Spitzbogenstil umgebauten jetzigen Domkirche gelegt hatte. Sein Grab wurde mit einer Messingplatte belegt, Fuß hoch, 4 Fuß breit und 9 Fuß lang, auf welcher ein ganzer Bischof gegossen war. Diese Platte wurde später abgenommen und dem Chor gegenüber in die Wand gesetzt (s. d. J. 1339). Sein Nachfolger war Hermann II, aus dem Geschlecht von Maltzan.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin