Die Beerdigung
Zwei Tage nachher war die Beerdigung. Der Adam, neben den Pferden gehend, fuhr den Wagen, auf dem der Sarg stand. Der Schlossbauer mit seinem Weib und seinem Sohn und der Schäfer folgten im sonntäglichen Anzug. In der Hälfte des zum Dorf führenden Weges, an einem Brunnen im Wald, ward die Leiche abgesetzt, um nach dem bestehenden Gebrauch von den Dorfbewohnern, die bis dahin der Leiche entgegen gegangen waren, in Empfang genommen zu werden.
„Es ist der alte Bund: Mensch, du musst sterben“, — „Gott hab ihn selig, es ist ihm wohl“, — „Gott verleih’ ihm eine selige Urständ“, — „wir gehen alle denselbigen Weg“, — das waren die Trostsprüche, unter welchen die Leute aus dem Dorf den trauernden Angehörigen die Hand boten, dann ging’s unter dem Gesang: „Mit Fried und Freud ich fahr dahin“ durch den Wald hinunter und endlich einen kurzen Feldweg entlang dem Tor des Gottesackers zu.
Als man das Grab geschlossen und das Kreuz darauf gesteckt hatte, begab sich der Zug in die Kirche, wo der Pfarrherr seine Rede über den Text: 1. Mosis 28, hielt,— wie Jakob auf einem Stein einschläft und eine Himmelsleiter sieht. Er lobte an dem Verstorbenen, dass er den evangelischen Glauben, welchen er schon im Jahr 1523 angenommen, gezieret habe in allen Stücken, und dass seine Augen allzeit aus Jesum Christum gerichtet gewesen. Drum hab’ er auch, als im Jahr 1525 im Aufstand des gemeinen Mannes Viele genarrt und gesündigt, immer gesagt: „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ sei schlecht und recht geblieben und habe das Böse gemieden. Dafür denn auch sein Heiland ihm einen offenen Himmel gewiesen, als er hart auf seinem letzten Lager darnieder gelegen, ja die gewisse Himmelsleiter ihm hingestellt, als seine Seele auffuhr, um hinaus zu gehn in die himmlische Herrlichkeit, und sei kein Zweifel, dass dieser christgläubige, ehrliche, stattliche und getreue Nachbar jetzt das Angesicht Gottes schaue in Ewigkeit.
Als er nach dem Schluss der Rede den herkömmlichen Lebenslauf lesen sollte, sagte er, dieser Bauersmann habe auch einen seinen Kopf gehabt, und ihm, als er vor fünf Tagen das heilige Abendmahl empfangen, seinen Lebenslauf gegeben, den der Selige selbst verfasst, und mit Hülfe eines guten Freundes zu Papier gebracht habe, welchen er nun der christlichen Gemeinde wolle vorlesen. Er lautete:
Jörg Habermann bin ich genannt,
War Gott und Menschen wohlbekannt.
Da man schrieb 1480 Jahr
Auf Peter und Paul mein Tauftag war.
Als Dr. Luther wieder gelehrt
Das heilige Evangelium wert,
Da ward auch mir ein Gnadenschein,
Des will ich ewig dankbar sein.
Hab ausgezogen in reiner Lehr
Kind und Gesind zu Gottes Ehr,
Hab allewege aus Gott getraut,
So hat mir Gott das Haus gebaut,
Und hat durch seine Hut und Wacht
Mein Aus- und Eingang wohl bedacht.
Mein fromm Weib ruht ohn alle Qual
In Gottes schönem Freudensaal.
Mein herzgeliebtes Töchterlein
Hat heimgeführt Veit Hollenstein.
Mein Sohn tät’ in die Fremde gehn,
Doch werd ich einst ihn wiedersehn.
Es geht nach Trübsal und Unruh’
Der letzte Weg dem Himmel zu.
Mein Seel an meinem letzten End’
Nimm du, Herr Jesu, in deine Händ’,
Den Leib im kühlen Kämmerlein
Lass sanft ausschlafen all’ Not und Pein.
Dein Blut und deine Gerechtigkeit
Das sei mein Schmuck und Ehrenkleid,
Damit will ich vor Gott bestehn,
Wenn ich zum Himmel werd eingehn.
Ich glaub’ und sterb’ wie Simeon,
So wird Gott selbst mein großer Lohn.
Nun ist mein Werk und Laus vollbracht,
Welt, Sodom, Babel, gute Nacht!
Die Rede des Pfarrers hatte keinen besonderen Eindruck gemacht. Ein guter Teil der Zuhörer war, wie in der Erntezeit gewöhnlich, gleich nach verlesenem Texte eingenickt. Nur als er des Jahres 1525 gedachte, hatten ewige der älteren, welche sich bewusst sein mochten, nicht ein gleiches Lob verdient zu haben, sich geärgert, und ihren Ärger durch unruhiges Räuspern, Kopfschütteln und Schnauben an den Tag gelegt. Die in Verse gebrachte Lebensbeschreibung aber, die nach dem Amen der Rede verlesen wurde, tat eine unerwartete Wirkung: Männer und Weiber fingen an zu schluchzen, am meisten aber der Schäfer, teils weil er wirklich gerührt war, teils weil er zeigen wollte, dass er der erwähnte gute Freund sei, der an dem mit so großem Beifall ausgenommenen Schriftstück einen besonderen Anteil habe. Nach dem Weggang aus der Kirche wurde noch im Wirtshause der übliche Leichentrunk gehalten, dabei vom Verstorbenen und seinem Sohne in Ungarn, von dem Amtmann, von der geringen Ernte, vom Wetter und den bösen Zeiten geredet, bis die Abendglocke geläutet wurde, und die Gesellschaft auseinander ging.
„Es ist der alte Bund: Mensch, du musst sterben“, — „Gott hab ihn selig, es ist ihm wohl“, — „Gott verleih’ ihm eine selige Urständ“, — „wir gehen alle denselbigen Weg“, — das waren die Trostsprüche, unter welchen die Leute aus dem Dorf den trauernden Angehörigen die Hand boten, dann ging’s unter dem Gesang: „Mit Fried und Freud ich fahr dahin“ durch den Wald hinunter und endlich einen kurzen Feldweg entlang dem Tor des Gottesackers zu.
Als man das Grab geschlossen und das Kreuz darauf gesteckt hatte, begab sich der Zug in die Kirche, wo der Pfarrherr seine Rede über den Text: 1. Mosis 28, hielt,— wie Jakob auf einem Stein einschläft und eine Himmelsleiter sieht. Er lobte an dem Verstorbenen, dass er den evangelischen Glauben, welchen er schon im Jahr 1523 angenommen, gezieret habe in allen Stücken, und dass seine Augen allzeit aus Jesum Christum gerichtet gewesen. Drum hab’ er auch, als im Jahr 1525 im Aufstand des gemeinen Mannes Viele genarrt und gesündigt, immer gesagt: „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ sei schlecht und recht geblieben und habe das Böse gemieden. Dafür denn auch sein Heiland ihm einen offenen Himmel gewiesen, als er hart auf seinem letzten Lager darnieder gelegen, ja die gewisse Himmelsleiter ihm hingestellt, als seine Seele auffuhr, um hinaus zu gehn in die himmlische Herrlichkeit, und sei kein Zweifel, dass dieser christgläubige, ehrliche, stattliche und getreue Nachbar jetzt das Angesicht Gottes schaue in Ewigkeit.
Als er nach dem Schluss der Rede den herkömmlichen Lebenslauf lesen sollte, sagte er, dieser Bauersmann habe auch einen seinen Kopf gehabt, und ihm, als er vor fünf Tagen das heilige Abendmahl empfangen, seinen Lebenslauf gegeben, den der Selige selbst verfasst, und mit Hülfe eines guten Freundes zu Papier gebracht habe, welchen er nun der christlichen Gemeinde wolle vorlesen. Er lautete:
Jörg Habermann bin ich genannt,
War Gott und Menschen wohlbekannt.
Da man schrieb 1480 Jahr
Auf Peter und Paul mein Tauftag war.
Als Dr. Luther wieder gelehrt
Das heilige Evangelium wert,
Da ward auch mir ein Gnadenschein,
Des will ich ewig dankbar sein.
Hab ausgezogen in reiner Lehr
Kind und Gesind zu Gottes Ehr,
Hab allewege aus Gott getraut,
So hat mir Gott das Haus gebaut,
Und hat durch seine Hut und Wacht
Mein Aus- und Eingang wohl bedacht.
Mein fromm Weib ruht ohn alle Qual
In Gottes schönem Freudensaal.
Mein herzgeliebtes Töchterlein
Hat heimgeführt Veit Hollenstein.
Mein Sohn tät’ in die Fremde gehn,
Doch werd ich einst ihn wiedersehn.
Es geht nach Trübsal und Unruh’
Der letzte Weg dem Himmel zu.
Mein Seel an meinem letzten End’
Nimm du, Herr Jesu, in deine Händ’,
Den Leib im kühlen Kämmerlein
Lass sanft ausschlafen all’ Not und Pein.
Dein Blut und deine Gerechtigkeit
Das sei mein Schmuck und Ehrenkleid,
Damit will ich vor Gott bestehn,
Wenn ich zum Himmel werd eingehn.
Ich glaub’ und sterb’ wie Simeon,
So wird Gott selbst mein großer Lohn.
Nun ist mein Werk und Laus vollbracht,
Welt, Sodom, Babel, gute Nacht!
Die Rede des Pfarrers hatte keinen besonderen Eindruck gemacht. Ein guter Teil der Zuhörer war, wie in der Erntezeit gewöhnlich, gleich nach verlesenem Texte eingenickt. Nur als er des Jahres 1525 gedachte, hatten ewige der älteren, welche sich bewusst sein mochten, nicht ein gleiches Lob verdient zu haben, sich geärgert, und ihren Ärger durch unruhiges Räuspern, Kopfschütteln und Schnauben an den Tag gelegt. Die in Verse gebrachte Lebensbeschreibung aber, die nach dem Amen der Rede verlesen wurde, tat eine unerwartete Wirkung: Männer und Weiber fingen an zu schluchzen, am meisten aber der Schäfer, teils weil er wirklich gerührt war, teils weil er zeigen wollte, dass er der erwähnte gute Freund sei, der an dem mit so großem Beifall ausgenommenen Schriftstück einen besonderen Anteil habe. Nach dem Weggang aus der Kirche wurde noch im Wirtshause der übliche Leichentrunk gehalten, dabei vom Verstorbenen und seinem Sohne in Ungarn, von dem Amtmann, von der geringen Ernte, vom Wetter und den bösen Zeiten geredet, bis die Abendglocke geläutet wurde, und die Gesellschaft auseinander ging.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Christ und Jude