Danzig, Persönlichkeiten der Zeit

Allerdings hat sich in den erwähnten Kunstbauten der Geist jener hochaufstrebenden Zeit in allgemeinen Zügen ausgeprägt, doch vermissen wir ungern in unserer Chronik die bestimmte Individualisierung einer jener Persönlichkeiten, in denen jener Zeitgeist zur Erscheinung kam. Zur Ergänzung dieses Mangels haben wir in einer Beilage die Sinnesweise des von Weinreich öfters erwähnten alten Danziger Seehauptmannes und Ratskumpanen Bernt Pawest in der Mitteilung einer Anzahl von ihm selbst abgefasster Briefe darzulegen versucht; von den noch bedeutenderen Persönlichkeiten des Bürgermeisters Johann Ferber und seiner Familie hat uns ein ausgezeichneter Maler dieser Zeit ein Gemälde überliefert, durch dessen Konturzeichnung, die wir dem Titelblatte dieses Buches beigefügt haben, wir unsern Leser mit dem Geiste des Jahrhunderts, in welches es ihn einführen soll, zu befreunden wünschen.

In der Ferber-Kapelle zu St. Marien, welche Ewert Ferber, Sohn eines Bürgers von Calckar am Rheine, nachdem er sich in Danzig niedergelassen hatte, 1448 kaufte und zur Grabstätte seiner Familie bestimmte, ließ sein Sohn Johann Ferber zwischen den Jahren 1481 — 1484 einen mit vergoldetem Holzschnitzwerke im Innern ausgefüllten und mit gemalten Holztafeln überdeckten Altarschrein aufrichten. Die inneren Seiten dieser Altarflügel stellen in halber Lebensgröße die beiden dem Donator namensverwandten Heiligen Johannes den Evangelisten und den Täufer dar. Unter den Evangelisten knien die damals (1484) lebenden männlichen Mitglieder der Familie, von denen unsere Zeichnung die drei ersten aufgenommen hat: Herrn Johann Ferber selbst, der während der ganzen Periode, die Weinreich schildert, von 1463 — 1475 als Schöppe, von 1475 — 1479 als Ratmann und von 1479 — 1501 als Bürgermeister an den wichtigsten Angelegenheiten teilnahm; ihm zunächst sein ältester Sohn Hildebrand, der, wie wir von Weinreich erfahren, 1489 das Ehrenamt eines Maigrafen bekleidete, und demnächst seinen zweiten Sohn Eberhard, der, wie schon seine kostbare Kleidung andeutet, zur Zeit, wo das Bild gemalt wurde, 1481 Page des Herzogs Balthasar von Mecklenburg war, später aber einer der bedeutendsten Bürgermeister von Danzig geworden ist Über der Gruppe befindet sich das Ferber’sche Familienwappen: drei Eberköpfe; auf einem Bandstreifen, der am Kopfe des alten Herrn sich in die Höhe windet, stehen die Worte „non felix (?) ecce: peceavi rex misere[re]“. Auf dem andern Flügel unterhalb des Täufers knien zwei Frauen mit weißen Tüchern um den Kopf und mit Rosenkränzen in den Händen; zur Seite der älteren Frau liest man auf einem flatternden Bande die Worte: „weest vwns ghedachitch van hemelryc god almachtich“. Das rechts über der Gruppe befindliche Wappen mit zwei Tannen im Schilde weist darauf hin, dass die erste Gemahlin Johann Ferbers, Barbara, Hildebrand Tannenbergs Tochter, welche 1. Juli 1484 starb, und ihre einzige Tochter Dorothea, welche sich später mit dem Danziger Bürgermeister Mathias Zimmermann vermählte, abgebildet sind.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Caspar Weinreichs Danziger Chronik - Einführung