Heidelberg, im Oktober 1849.

Liebe Mutter und Schwester!

Seid doch so gut und schickt meinen Paß in die Staatskanzlei, daß er wieder auf ein Jahr erneuert wird. Er muß vom preußischen Gesandten visiert werden. Es muß aber schnell gehen, denn in zehn Tagen reise ich von hier fort. Ich habe von der Regierung tausend Franken bekommen für Berlin und die Hälfte davon bereits erhalten... Ich brauche ziemlich Geld, weil ich hier noch einen schwarzen Frack und dito Weste muß machen lassen, ebenso etwas Neues für meinen alten Mantel. Ich werde aber nur eine grobe haarige Kapuze kaufen für vierzehn Gulden. Dann habe ich für den Winter eine gestrickte wollene Binde gekauft, welche man über den Rock umlegt, sie geht mir zweimal um den Hals rum und dann erst bis auf die Füße herunter und ist weiß und rot; ich sehe sehr komisch aus darin; kostet vier Gulden. Ich habe während des Jahres auch zwei weiße Westen machen lassen und ein graues Straplizierkleid. Nun muß ich noch einige Hämper [Fußnote]Hemden haben. Da Du mir schreibst, Regula hätte welche gemacht, so kannst Du sie mir nun doch schicken, obgleich es mir leid tut, daß das Tuch alles für mich zerschnitten wird; tu daher alles zusammen in ein Wachstuch packen, versteht sich gezeichnet, dann tut man noch einige Kleinigkeiten dazu, z.B. den schwarzen Tabaksbeutel, der noch irgendwo sein muß, und einige Bücher...


Ich esse hier viel Trauben mit einer schönen und noblen Jungfer, welche mich in ihrem Garten und Weinberg herumführt...

Ich habe jetzt nicht Zeit, mehr zu schreiben und grüße Euch alle tausendmal.

Gottfried Keller.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Briefe