Warum wünschen und hoffen wir, dass das Volk seine angeborene Mundart bewahre?

Darum wünschen und hoffen wir, dass das Volk seine angeborene Mundart bewahre. Darum schreiben wir plattdeutsch. Das Volk muss sie wieder achten lernen; und dazu gibt's kein an der Mittel. Wir schreiben um die Ehre der plattdeutschen Sprache zu retten. Freilich, sagt Claus Harms, halten wir damit die hochdeutsche Sprache nicht auf, sie hat sich, die Haupt- und Heldensprache, wie sie von jemand genannt ist, gar zu sehr festgesetzt. Und Jacob Grimm weissagt dem Plattdeutschen wie allen Mundarten, dass sie vom Hochdeutschen werden verschlungen werden. Wenn das der natürliche Lauf der Dinge ist, so wollen wir uns darein ergeben, nicht aber mit Jauchzen, sondern mit Trauer: wir hätten nur zu verlieren, ja ganz Deutschland mit uns.

Ich habe schon früher erwähnt, dass wir dann statt der frischen Volksmundarten Dialekte bekommen würden, die durch Depravation der Schriftsprache entstehen. Wäre dies nun das unvermeidliche Loos der deutschen Sprache, so möge es kommen. Soweit aber bloße Unwissenheit und Vorurteil an der Zerstörung arbeiten, sei es auch mit großen Reden für deutsche Einheit und Volksbildung, so weit wollen wir uns wehren, wollen Urteil und Einsicht zu verbreiten suchen, und entgegenbauen so viel wir können. Dazu werden uns die Gelehrten helfen, welche die Reste volkstümlicher deutscher Poesie in Sagen Liedern Märchen, in Sitten und Gebräuchen, welche den Schatz deutscher Zunge in Wörterbüchern und Idiotiken nun schon seit Jahren mit Fleiß und Hingebung sammeln. Hier ist ein Feld nicht bloß zu sammeln, sondern wirklich zu erhalten, ein Gebiet, wo man nicht bloß wehmütig zusehen, sondern mutig eingreifen kann, wo „Kritik Forschung und Dichtung” erbauen können. Dann wird sich die Einsicht verbreiten über Dinge, die ja sonnenklar sind, Prediger und Schullehrer werden helfen, deren eigentliches Amt es ist, das Volk in seiner Integrität zu konservieren, auf dem vorhandenen Grunde das gute Neue zu bauen.


Übrigens glauben wir gar nicht an Jacob Grimms Prophezeiung. Hoffentlich lebt er noch lange genug zum Heil deutscher Sprache und Gesinnung um auch hier seine Meinung zu ändern, wie er es schon in einem anderen wichtigen Falle getan hat. Seine Gründe scheinen uns nicht stichhaltig. Doch wollen wir nicht eine Reihe Gegengründe anführen, die auch nur die Wahrscheinlichkeit nach der andern Seite neigen, nicht aber eine Gewissheit herbeiführen können, die in solchen Dingen keines Menschen Auge zu schauen vermag.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Briefe über Hochdeutsch und Plattdeutsch