Neunzehnter Brief. - Paris, Samstag, den 18. Dezember 1830. - Ist das nicht auffallend, daß man nicht von Politik sprechen darf? Das ist ja gerade wie bei uns. ...

Neunzehnter Brief. - Paris, Samstag, den 18. Dezember 1830

... An der preußischen Konstitution will ich wohl glauben; sie wissen dort vor Angst nicht mehr, was sie tun. Es wird ein Spaß sein, ihre Gesichter zu sehen, wenn sie in den sauren Apfel beißen. Aber was wird das auch für eine allerliebste Konstitution werden! Frankreich hat großes Glück. Wer wird jetzt wagen, es anzugreifen? Vielleicht in der Verzweiflung tun sie es doch. Ich möchte jetzt einmal in Frankfurt bei *** sein, wo ich dieses alles schon vor zehn Jahren vorausgesagt habe und wo man mich ausgelacht. Und doch ist das alles noch nichts gegen das, was kommen wird. Näher darf ich mich darüber nicht erklären; aber Sie werden sich wundern. Ein Sperling wird zwei Tiger verzehren, und gebratene Fische werden verschiedene Arien singen. Und ein Dintenfaß wird austreten und wird eine ganze Stadt überschwemmen. Und ... aber, um des Himmels willen, nicht geplaudert!


Ich mache Sie aufmerksam, im Constitutionnel den Gesetzvorschlag über die Zivilliste zu lesen; besonders die Einleitung, wo von der göttlichen Bedeutung eines Königs so süß-romantisch gesprochen wird, daß man meinen sollte, es wäre in Deutschland geschrieben. Ich habe mich erschrecklich darüber geärgert. Man will achtzehn Millionen für den König. Das ist zwar nur die Hälfte von dem, was der vorige König bekommen, aber es ist immer noch die Hälfte zuviel. Es ist eine Krankheit, König sein, und man muß darum die Könige Diät halten lassen. Zehn Millionen sind genug. Auch hat das allgemeines Mißfallen erregt, es heißt heute, das Gesetz soll zurückgenommen werden, und man wolle der Kammer freistellen, wieviel sie dem Könige geben wolle. – Ich tröste mich wegen des Tabaks. Die ganze Welt dampft jetzt, das ersetzt mir die Pfeife. – Ich lese täglich das „Deutsche Journal“ und die „Didaskalia“, was mir großen Spaß macht. Wie wenig geht in Frankfurt vor. Dies merkt man erst hier recht, wenn man die dortige Zeitung liest. – Ich habe mich der Neugierde wegen in eine Art Kasino aufnehmen lassen. Ich gehe heute Abend zum ersten Male hin. Es ist kostspielig; man zahlt monatlich dreißig Franken; aber die Einrichtung soll auch prächtig sein. Ich will Ihnen, der Kuriosität wegen, einige Stellen aus den Statuten abschreiben:

Ancien cercle de la rue de Grammont.

Art. III. Les salons du cercle seront ouverts tous les jours, celui de lecture à 9 heures, les autres à midi; et fermés les salons de lecture à minuit, les autres à deux heures après minuit. – Un dîner sera servi tous les jours à l'heure fixe. – Il sera servi tous les jours, et sans frais, des raffraîchissements convenables, et un thé dans la soirée. – Art. XIII. II pourra être fait des abonnements mensuels, en faveur des Français et des étrangers, habitant momentanément Paris. – Le prix de l'abonnement est de 30 francs par mois. – Art. XX. La société n'ayant d'autre but que de former une union d'hommes de bonne compagnie, ayant la faculté de lire les journaux, brochures et livres nouveaux, de dîner ensemble, et de jouer les seuls jeux de commerce, Messieurs les sociétaires et abonnés s'interdisent toute discussion politique, et il est du devoir rigoureux des Messieurs les commissaires de maintenir cette règle et de la rappeler s'il arrivoit qu'un sociétaire l'oubliât. Ist das nicht auffallend, daß man nicht von Politik sprechen darf? Das ist ja gerade wie bei uns.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Briefe aus Paris.