Donnerstags, den 24sten Junius. - Ich komme noch einmal auf meine gestrigen Kunstbetrachtungen zurück. An zwei entgegengesetzten Übeln ist unsere dramatische Literatur, und noch mehr die französische erkrankt. ...

Donnerstags, den 24sten Junius. - Ich komme noch einmal auf meine gestrigen Kunstbetrachtungen zurück. An zwei entgegengesetzten Übeln ist unsere dramatische Literatur, und noch mehr die französische erkrankt. Nach einer Richtung nämlich glaubt man, jede Wahrheit sey als solche für die Kunst brauchbar, daher die arge Reihe gräßlicher Melodramen, oder wie das Gelichter sonst heißt. Von der zweiten Seite wird behauptet: aus die Wahrheit komme es gar nicht an, und jede willkürliche Abweichung von derselben werde und sey eben Poesie; daher Stücke wie Hernani u. s. w. Die letzte Ansicht auf die Spitze getrieben, zeigt das Tollhaus, jene zeigt den Rabenstein als die hohe Schule der Dichtkunst. Wo aber und wozu wäre denn die Kunst, wenn sie nicht eben die Wirklichkeit in eine höhere Region heben, von allen Schlacken befreien und mit Schöpferkraft das Vollendete hinstellen sollte? Und was wäre denn die achte, wahre Wahrheit, wenn sie sich mit dieser göttlichen Kunst nicht vertrüge, sie nicht begründete und belebte? — Ich gehe noch weiter: das tägliche, wirkliche Leben eines jeden soll in allen Richtungen so viel als möglich zu einem Kunstwerk erhoben werden und es darstellen. Essen, Trinken, Wohnung, Kleidung, Sprechweise können von aller höheren Schönheit entblößt, sie können von der Kunst, wenn nicht durchdrungen, doch angeregt seyn. Vergleiche man ganze Völker in dieser Beziehung, und eine Rangordnung von thierischer Gemeinheit bis zum heitersten, edelsten Daseyn ist augenscheinlich nachzuweisen. Stellte sich jeder vor, daß die Sittlichkeit (der er mit Recht nachstrebt) keineswegs bloß durch unangenehme Gegenden führt, sondern, im Bunde mit der Kunst, alles in bezaubernde Schönheit umwandelt; bedachten die Künstler, daß ihr Zauber wie eine fata Morgana plötzlich verschwindet, sobald ihm die Sittlichkeit nicht Kraft der Dauer verleiht, — welche Verklärung müßte sich dadurch über das ganze menschliche Leben verbreiten! Wenn aber gewisse Sittenprediger glauben, den Tugendhaften erkenne man an dem schiefen Fratzengesichte was er schneidet, und an dem Abscheu gegen Kunst und Schönheit; wenn umgekehrt manche dramatischen Dichter als Purgatorium und zur angeblichen Reinigung der Leidenschaften, die Zuhörer in der Grundsuppe widerwärtiger, lasterhafter Gemeinheit umherwälzen, oder ihnen die Giftküchlein falschen Esprits in den Hals werfen; — sind wir da nicht nahe der Barbarei, oder vielmehr mitten darin?

Die Verschiebung der Wahlen ist ein kleinliches Mittel, welches nur noch mehr gegen das Ministerium aufgebracht hat: denn jeder sieht Vorwände und Absicht, und die Wähler, welche sich zum Theil von ihren Geschäften losgerissen und weite Reisen gemacht haben, klagen mit Recht über Verlust an Geld und Zeit. Die Gazette, das einzige Blatt was nächst der Quotidienne sich noch des Ministeriums annahm, enthält heut Artikel, welche einen völligen Bruch in sich schließen. Nicht unwichtig, da sich die Partei Villele's in diesem Blatte ausspricht. Das Ministerium hat geradehin keine Partei, und diejenigen, welche für dasselbe stimmen werden, thun es aus andern löblichen oder zweideutigen Gründen. — Griechenland wird nun da capo ausgespielt; der milde Prinz F. dürfte schwerlich mit den dortigen Einwohnern fertig werden, es müßte ihm denn ein Mann von großer Kraft des Geistes und Willens zur Seite stehen.