Paris, den 15ten Junius. - Noch immer ist das allerschlechteste Wetter, so heut früh Regen, Wind und nur 9 Grad Wärme. Dies macht wo nicht krank, doch unlustig, und verhindert Gehen, Sehen, Besuchen, Genießen. ...

Paris, den 15ten Junius. - Noch immer ist das allerschlechteste Wetter, so heut früh Regen, Wind und nur 9 Grad Wärme. Dies macht wo nicht krank, doch unlustig, und verhindert Gehen, Sehen, Besuchen, Genießen. Von größter Bedeutung endlich ist die Witterung für Frankreich, ja für Europa, wenn daraus das Mißlingen des Feldzuges gegen Algier hervorgehen sollte. Nach den Tagebüchern eines Schiffes, welches zwei Jahre lang vor Algier kreuzte, sind binnen dieser Zeit höchstens fünf Tage hinter einander einer Landung günstig gewesen, und alle Sachverständige behaupten daß wenn die pariser Witterung auch dort herrscht, die Flotte den größten Gefahren ausgesetzt ist, ja ihren Zweck gar nicht erreichen kann. Obgleich das Ministerium Wind und Wetter nicht beherrscht, wird man (da in Frankreich meist alles menschlicher Weisheit erreichbar erscheint) Gründe der Anklage in Menge finden, Schmerz und Unglück wird die Leidenschaften hervortreiben und in der Rache und Bestrafung die einzige Genugthuung finden. Die königliche Proklamation kann diesen Sturm um so weniger beschwören, da die Versprechungen unbedeutend erscheinen, weil im Hintergrunde die Forderung liegt: jedes vom Könige ernannte Ministerium sey der Verfassung gemäß und müsse erhalten werden, selbst wenn es die Mehrheit der Stimmen nicht für sich habe. Auch meint eine Partei: sobald die neue Kammer dies nicht einsehen wolle, habe der König genügenden Grund, den ganzen unbrauchbaren Regierungsapparat zur Seite zu werfen. Der Wille, dies zu thun, ist bei manchem vorhanden, aber es fehlt die Macht, es glücklich durchzuführen; die Liberalen umgekehrt haben jetzt die Macht zu weit zu gehen, und ich fürchte der Wille wird sich finden, sobald die Gegenpartei den gesetzlichen Kreis übertritt. — So mache ich, wie jeder, täglich sein politisches Bulletin, welches fast nur unsicheres Meinen über eine gewiß vorhandene Krankheit enthält.

Ich sagte, das schlechte Wetter halte von Besuchen ab. So war ich O, den ersten noch schuldig, als er zuvorkommend zum zweiten Male erschien und mir erzählte: seit 15 Jahren arbeite er täglich zehn Stunden An einem großen Werke über Sprache und Etymologie. Doch sey nur ein Abriß vorläufig in Wien gedruckt, und er wolle das zehn- und zwanzigmal Umgearbeitete noch reifen lassen, um nicht in die Lächerlichkeiten der Etymologen zu verfallen. Manches erschien ihm indeß schon unwiderleglich, z. B. daß 1000 Jahre vor Christus schon Deutsche im untern Italien gewohnt hätten und die römische Sprache ganz und gar deutsch sey. Aber, fuhr er fort, niemand richtet seine Aufmerksamkeit auf das Nächste und Klarste, und sie selbst wissen nicht, wer und woher sie sind. Sie, Raumer, sind nämlich nichts anderes als Romulus und Remus! — Ich hätte mich gern mit diesen meinen Namensvettern und Ahnherrn in nähere Verbindung gesetzt, um, wo nicht das ganze, mir legitim zukommende römische Reich, doch eine gute Emigrantenentschädigung zu ergattern; aber es schlug 10 und die Bibliothek verdarb den schönen Traum!!