Palästina

Palästina (vgl. die Karten, Abb. 129 u. 130) ist geographisch betrachtet nichts anderes als der südliche Teil Syriens, d. h. des östlichen Küstenlands des Mittelmeers, das sich vom Hochland des Taurus im Norden bis nach Ägypten im Süden hinzieht. Das südliche Drittel, im Norden vom Libanon begrenzt, im Osten so weit reichend als das bebaute Land, bezeichnen wir mit dem Namen Palästina. Das Land war in alter Zeit keine politische Einheit: die Küstenstriche gehörten im Norden den Phöniziern, im Süden den Philistern; israelitisch war das Binnenland, das Gebirgsland, das durch die gewaltige von Nord nach Süd laufende Spalte des Jordantales in eine westliche und östliche Hälfte zerlegt wird.

Für das Westjordanland ist aus geschichtlichen Gründen die Einteilung in die drei Landschaften Judäa im Süden, Samaria in der Mitte, und Galiläa im Norden üblich. Sie ist auch geographisch begründet, jedes der drei Gebiete hat einen besonderen landschaftlichen Charakter.


Der Süden Judäa hat seinen geographischen und geschichtlichen Mittelpunkt in Jerusalem. Die Stadt liegt, wie der Plan (Abb. 131 u. 133) und das vom Ölberg aus aufgenommene Panorama (Abb. 014) zeigen auf einer Landzunge (ca. 780 m hoch) die nur im Nordwesten mit dem palästinensischen Hochland zusammenhängt, auf den andern Seiten durch tief eingerissene Täler von den umgebenden, teilweise höheren Bergen abgeschieden ist. Auf der West- und Südseite läuft das Hinnomtal, oben im Westen beim Mamillateich (Abb. 039) noch eine flache Talmulde, dann aber von der Südwestecke der Stadt an, wo der Sultansteich (Abb. 040) liegt, auf dem kurzen Lauf nach Osten sich rasch vertiefend (Abb. 017). In der Bibel heißt es Ge ben hinnom, „das Tal des Sohnes Hinnoms“ (Jos. 15, 8). Hier lag der Tophet, die „Brandstätte“, wo zeitweilig die Kinderopfer dargebracht wurden (2. Kön. 23, 10; Jer. 7, 31). Deshalb war das Tal später den Juden, wie dann auch den Muslimen, ein Gegenstand des Abscheus, und sein Name ist in der Form Geenna Bezeichnung der Hölle geworden (Matth. 5, 22).

Das Kidrontal (Abb. 018) beginnt ebenfalls als flache Senkung im Norden der Stadt, um dann an ihrer Ostseite entlang zu laufen. Es trägt auch den Namen „Tal Josaphat“. Hier suchte man früher schon in vorchristlicher Zeit den Ort des jüngsten Gerichts (nach Joel 3, 7). Deshalb begraben die Muslimen sowohl als die Juden ihre Toten mit Vorliebe an den Abhängen dieses Tals, die Muslimen auf der Westseite am Tempelberg, die Juden auf der Ostseite am Ölberg. Abb. 018 zeigt eine Reihe von alten Grabanlagen im Mittellauf des Kidrontals. Kidron- und Hinnomtal haben nie Wasser; schon zu Jesu Zeit floss im Kidrontal nur zur Winterszeit ein Bach.

Auf der Ostseite des Tales, Jerusalem gegenüber, erhebt sich der Ölberg (Abb. 019), heute nur noch spärlich mit den Ölbäumen, die ihm den Namen gaben, besetzt. Auf seiner Jerusalem abgelegenen Ostseite liegen die aus der Geschichte Jesu (Matth. 21, 1 u. Mark. 11, 1), so gut bekannten Dörfer Bethphage und Bethanien (Abb. 020), letzteres noch heute ein kleines Dorf, in dem man Haus und Grab des Lazarus zeigt (Matth. 21, 17; 26, 6; Mark. 11, 1; 14, 3; Luk. 19, 29; 24, 50; Joh. 11; 12, 1). Auf der Westseite, ganz unten nahe dem Kidrontal, dem Tempel gegenüber ist der Garten Gethsemane (Matth. 26, 36; Mark. 14, 32), heute ein freundliches, von den Franziskanern gepflegtes Gärtchen (Abb. 021). (Abb. 023) zeigt uns einen der alten Ölbäume des Gartens. Ihm sei als Gegenstück zur Seite gestellt der andere ehrwürdige Baum Syriens, die Ceder des Libanon, die heute nur noch in wenigen Exemplaren sich findet (Abb. 024). Die Fortsetzung des Ölbergs nach Süden trägt den Namen ,,Berg des Ärgernisses“ nach der Erzählung 1. Kön. 11, 4 ff., welche die Tradition hierher verlegt. An seinem Westabhang auf halber Anhöhe zieht sich das Dorf Siloah (Abb. 022) hin, ein interessantes Beispiel der Bauart vieler Dörfer in Palästina, die am Felsabhang liegen: die Häuser halbe Höhlen in den Fels hineingehauen, oder wenigstens so an den Berg gebaut, dass der Fels die Rückwand des Hauses bildet, eins über dem andern stehend, so dass die Dächer der unteren Häuserreihe als Straße für die obere dienen vgl. auch (Abb. 331). Ähnlich haben wir uns auch die Häuser des alten Jerusalem zu denken.

Wo im Süden des Zion die beiden Täler Hinnom und Kidron sich vereinigen, sucht man die Königsgärten (2. Kön. 25, 4: Neh. 3, 15; Jer. 39, 4) und die alte „Walkerquelle“ (Jos. 15, 7; 18, 16; 2. Sam. 17, 17; 1. Kön. 1, 9), den heutigen Hiobsbrunnen. Hier liegt Talsohle schon 106 m unter der Oberfläche des Tempelplatzes (bei Gethsemane nur 45 m); und rasch vertieft sie sich noch mehr, je näher das Tal, von hier ab „Feuertal“, Wadi en-Nar genannt, dem Toten Meere kommt (vgl. Abb. 053). Einstmals waren übrigens Kidron- und Hinnomtal noch viel tiefer als jetzt; bei der Südostecke des Tempelplatzes liegt über 11 m Schutt im Tale. Zugleich hat sich die Talsohle des Kidron um 9 m nach Osten verschoben. Der östliche Absturz des Zionberges war also beträchtlich steiler als jetzt (vgl. Abb. 133), und man begreift, dass die Jebusiterfeste für uneinnehmbar galt (2. Sam. 5, 6).

Feste Mauern bedurfte die Stadt nach dem Gesagten vor allem im Norden; die andern Seiten waren von Natur geschützt durch die steilen Abhänge. Im Norden wurde im Lauf der Zeit eine dreifache Mauer angelegt (vgl. den Plan, Abb. 131). Die älteste, die davidisch-salomonische, lief vom späteren Hippikusturm ziemlich gerade nach Osten zum Tempel. Die zweite Mauer, aus der älteren Königszeit stammend und von Nehemia erneuert, schloss ein weit größeres Gebiet ein, indem sie beim Hippikusturm nach Norden lief. Noch weiter nördlich lief die dritte Mauer. Die Ansichten der Gelehrten über den Lauf dieser Mauer gehen weit auseinander. Alle waren dicke und hohe Mauern mit Zinnen, von Zeit zu Zeit durch einen fast ganz massiven Mauerturm verstärk. Ein schönes Beispiel eines solchen zeigt der sogenannte Davidsturm, der Phasaelturm des herodianischen Palastes (Abb. 025), dessen Unterbau aus großen Ouadern mit roher Außenfläche alt ist. Die Tore, durch solche Türme geschützt, waren im Winkel angelegt wie noch heute, vgl. das Damaskustor (Abb. 026).

Die Landzunge, auf welcher Jerusalem liegt, wird durch eine von Nord nach Süd laufende Talsenkung, das alte Käsemacher- oder Tyropöontal (einst 18 m tiefer als jetzt), in zwei Hügel geteilt. Der östliche, niedrigere aber steiler abfallende wird in der Chronik ,,Morijah“ genannt (2. Chr. 3, 1). Von altersher ist seine Höhe ein geheiligter Platz, wo Jahwe dem Abraham erschienen war, als er seinen Sohn Isaak opfern wollte (1. Mose 22, 14), wo er David sich gezeigt bei der Tenne des Jebusiters Aravna (2. Sam. 24, 16 ff.), und wo David einen Altar errichtet (2. Sam. 24, 25). Hier baute darum auch Salomo seinen Tempel. Dieser nebst Salomos Palast nahm den Platz des heutigen Haram esch-Scherif ein (Abb. 027; vgl. auch Abb. 15, die den Platz von Norden zeigt). Der Tempel stand etwa an der Stelle des heutigen Felsendoms (Abb. 028; vgl. auch Abb. 298 und Abschnitt III), die Palastbauten unmittelbar südlich davon (Ez. 43, 7 f.), etwa am Platz der heutigen Aksamoschee (Abb. 29), wo der Fels einen breiten Rücken bildet. Durch große Unterbauten wurde die nötige ebene Fläche gewonnen (vgl. Abb. 299, 300, 301).

In der Nordwestecke des heutigen Tempelplatzes, an seinem höchsten Punkt, erhob sich die „Burg beim Tempel“, die Bira (Neh. 2, 8; 7, 2), von Herodes umgebaut und Antonia genannt (Abb. 030), nach der Tradition der Palast des Pilatus (Matth. 27, 11 ff. u. a.).

Die eigentliche Stadt lag der Hauptsache nach auf dem 33 m höheren, aber viel breiteren und leichter zugänglichen Westhügel (Abb. 031). Hier lag die „Burg Zion“ (2. Sam. 5, 7), die David eroberte und ,,Stadt Davids“ benannte (2. Sam. 5, 9). Der Name „Zion“ ist dem Hügel bis auf den heutigen Tag geblieben. Weiter nach Norden auf diesem Hügel, an dem Platz der heutigen Zitadelle (Abb. 32), lag der große Palast des Herodes (Abb. 25; vgl. Plan Abb. 131).

Nördlich von der Südkuppe des Westhügels lag Golgatha, außerhalb der (zweiten) Mauer (Hebr. 13, 12; Matth. 27, 32; Mark. 15, 20; Joh. 19, 17), aber nahe bei ihr (Joh. 19, 20). Die Frage nach der Echtheit des heiligen Grabes (s. Abb. 033 u. 034) ist also aufs engste mit der nach dem Lauf der Mauer (s. oben) verknüpft. Wie es in dem alten Jerusalem zur Zeit Jesu aussah, davon kann man sich etwa eine Vorstellung machen nach den beiden Bildern, deren eines einen Teil der via dolorosa, des sogenannten „Leidensweges“ Christi darstellt: Abb. 035 der Ecce-homo-Bogen, wo Pilatus sein denkwürdiges Wort sprach: „Seht, welch ein Mensch“ (Joh. 19, 5) das andere (Abb. 036) zeigt eine der zum Teil überwölbten Straßen, die angenehmen Schutz gegen die Sonne im Sommer und den Regen im Winter bieten.

Die sonst so vorzügliche Lage von Jerusalem hatte eine Schattenseite: es fehlte das Wasser. Nur eine Quelle hat heute der Hügelrücken, den Gihon (1. Kön. 1, 33), jetzt Marienquelle genannt, im Kidrontal (Abb. 037) auch diese lag außerhalb der Mauern. Ihr Wasser wurde frühzeitig durch einen Kanal an der Oberfläche, dann unter Hiska (s. zu Abb. 175) durch einen unterirdischen Kanal nach dem Siloahteich (Abb. 038) innerhalb der Mauern, der Stätte von Joh. 9, geleitet. Sonst war die Stadt auf das Regenwasser angewiesen, das in Zisternen unter den einzelnen Häusern und inn großen, offenen Teichen gesammelt wurde. Außer dem eben genannten Siloahteich werden in der Bibel noch verschiedene andere solcher Teiche erwähnt. So der Bethesdateich (Joh. 5, 2 ff.) der in der kleinen Talsenkung nördlich vom Tempelplatz lag. Ferner der „obere“ Teich (Jes. 7, 3; 36, 2; 2. Kön. 18, 17), der vielleicht dem heutigen Mamillateich gleichzusetzen ist (Abb. 039). Den ,,unteren“ Teich, der diesem „oberen“ entsprochen haben muss, sucht man entweder im heutigen „Sultansteich“, wo durch eine mächtige Quermauer die Wasser des Hinnomtals aufgestaut werden (Abb. 040), oder in dem sogenannten Hiskiateich im Innern der Stadt (Abb. 041), der seinen Namen nach 2. Kön. 20, 20 hat. Im Südosten nahe dem Siloahteich, östlich unterhalb von diesem lag noch der Königsteich bei den „Königsgärten“. Außer diesen Teichen versorgte noch eine große Wasserleitung von Süden her die Stadt mit Wasser. Ihre Sammelbecken hat diese Leitung in den sogenannten Salomonischen Teichen (Abb. 42) eine Stunde südlich von Bethlehem.

Die Landmarke des ganzen nördlichen Judäa ist der weithin sichtbare, 900 m hohe Berg Nebi Samwil („Prophet Samuel“), das alte Mizpa („Warte“) in Benjamin, die Richtstätte Samuels (1. Sam. 7, 16), wo in der Moschee die Muslimen noch heute Samuels Grab zeigen (Abb. 043). Ganz nahe westlich davon liegt el-Kubebe, wahrscheinlich das Emmaus der Ostergeschichte (Luk. 24, 13), mit Kapelle und freundlichem Hospiz des Palästinavereins der Katholiken Deutschlands (Abb. 44).

Judäas fruchtbare Plätze liegen südlich von Jerusalem, alle nahe dem Kamme des Berglands. Denn hier oben bilden die nach Westen abfallenden Täler breite, flache Mulden, während sie slch dann im weiteren Lauf tiefer zwischen den kahlen Bergen eingraben und sich verengen. Von alters her ist als das fruchtbarste Gebiet Judas die Umgebung Bethlehems bekannt, die zu allen Zeiten sorgfältig angebaut war. Bethlehem selbst (Abb. 045) trägt davon seinen Namen „Brotstadt“. Der Ort, ähnlich wie Jerusalem hoch gelegen, macht mit seinen 10.000 Einwohnern einen ganz stattlichen Eindruck. An seinem Ende erhebt sich festungsartig die Geburtskirche über der Höhle (Abb. 047), in der Jesus nach der Überlieferung das Licht der Welt erblickte. Es ist die älteste erhaltene christliche Basilika; ihr Inneres, das Abb. 046 zeigt, wirkt durch großartige Einfachheit. - Ebenso in freundlicher und fruchtbarer Umgebung liegt weiter südlich die alte Königsstadt Hebron (Abb. 049) man zeigt in ihrer Moschee (Abb. 050) die Höhle Machpelah, die Grabstätte Abrahams und Sarahs (1. Mose 23 u. a.). Der südlichste Punkt Judäas, der besiedelt ist, ist das aus der Patriarchengeschichte bekannte Berseba (Abb. 048), auch in alter Zeit stets als südlichste Stadt des israelitischen Gebiets bezeichnet; wie die Abbildung zeigt, eine ganz moderne Stadt, die erst vor einigen Jahren wieder besiedelt wurde.

Im allgemeinen hat das judäische Bergland einen wenig fruchtbaren und recht steinigen Boden. Das zeigen in charakteristischer Weise die Bilder von Anathot (Abb. 051), der Heimatstadt des Propheten Jeremia (Jer. l, 1), eine Stunde nordöstlich von Jerusalem, und von Gibeon (Abb. 052), der altheiligen Opferstätte (l. Kön. 3, 4 ff.) und mächtigen Kanaaniterstadt, etwa 8 km nördlich von Jerusalem. Durch die mühsame Arbeit des Terrassenbaus muss an den meist steilen Hügel-Abhängen die wenige Erde festgehalten werden, um für die in ihren Ansprüchen an den Boden recht bescheidenen Feigen und Oliven Platz zu schaffen.

Es ist nicht Zufall, dass alle bisher erwähnten Orte, d. h. überhaupt die bedeutenderen Orte in Judäa (und auch in Samarien) auf dem Kamm des Gebirges oder ihm ganz nahe liegen. Denn diesem entlang führt die Hauptstraße des Landes vom Süden zum Norden. Da der Gebirgskamm fast geradlinig nach Norden läuft und die Täler ziemlich parallel nach Westen und Osten abfallen, ist etwa auf halber Höhe des Berglandes keine Straße in nord-südlicher Richtung möglich; sie müsste eines der tiefen Täler nach dem andern überschreiten.

Hat der Westabhang des judäischen Gebirges an seinen Bergabhängen und in den Tälern anbaufähiges, wenn auch steiniges und wenig fruchtbares Land, so ist der Ostabhang im ganzen öde Steppe, vielfach ohne jede Vegetation (vgl. Abb. 055), und mit Recht nennt ihn das Alte Testament die „Wüste Juda“ (Jos. 15, 61). Der Abstieg hier ist viel tiefer, da das Tote Meer fast 400 Meter unter dem Spiegel des Mittelmeeres liegt. Überdies ist die Entfernung vom Kamm des Gebirges in der Luftlinie nur halb so groß wie die des Mittelmeeres im Westen. Daher ist der Abfall ein viel steilerer, die Winterwasser der Täler reißen tiefe Schluchten mit fast senkrechten Felswänden in das Gestein ein, so z. B. die Schlucht des unteren Kidrontals bei dem Kloster des heil. Sabas, Mar Saba, einer Stätte völliger Weltabgeschiedenheit in schauerlicher Felsenschlucht (Abb. 053), und die Schlucht des
Wadi Kelt (Abb. 054), nach der Tradition der Bach Krith, in dem Elia sich verbarg (1. Kön. 17, 2 ff.). Auch unten in dem tiefen Graben des Toten Meeres ist keine Vegetation. Es fehlt hier ganz an Süßwasser, abgesehen von den wenigen Oasen, wo Ouellen entspringen (s. u. zu Abb. 062). Die Täler, die von Westen, vom Gebirge Juda her, ins Tote Meer münden, sind heute alle das ganze Jahr, oder wenigstens den größten Teil des Jahres wasserlos (Abb. 056), und die einzige Siedelung am Westrand des Toten Meers außer Engedi, die Bergfeste Masada (Abb. 057), dankt eben dieser Öde der Gegend ihre Festigkeit. Wo aber im Osten ein Fluß, z. B. der Arnon, dem Toten Meer das ganze Jahr hindurch Süßwasser zuführt, da reichen die schroffen Felsenberge bis an den Rand des Meeres (Abb. 060). Das Wasser des Toten Meeres selbst (Abb. 058) ist mit Salzen gesättigt; was der Jordan, der Arnon und andere Flüsse täglich an Süßwasser ihm zuführen, verdunstet auch wieder; einen Abfluss hat dieser merkwürdige Binnensee nicht. Kein Lebewesen, kein Fisch oder niederes Seetier kann in der Lauge leben; seine Ufer, die baum- und strauchlos sind, bieten keine Stätte für Vögel, nur einiges Wild haust in den Klüften der Felsenberge. In weiter Umgegend ist der Boden mit Salz geschwängert. Ja in der Südwestecke des Toten Meers erhebt sich als Nest eines großen Salzlagers der Salzberg Dschebel Usdum, der bis zu 45 m Höhe aus bläulichen, reichen Salzfeldern besteht (Abb. 059). Sein Name erinnert an die Geschichte von Sodom (l. Mose 19).

Auch die Wasser des Jordan (Abb. 061) befruchten nicht wie die des Nil den Boden der Jordanebene. Das Bett des Flusses ist etwa 17 Meter tief in den Mergelboden eingegraben, so dass das Wasser nie, auch beim höchsten Stande nicht, die Ebene erreicht. Nur die unmittelbare Umgebung des Flusses, die niedriger liegt als die übrige Jordanebene, genießt die Wohltat der Überschwemmung; ein üppiger Wuchs von Bäumen und Gesträuchen hebt sie aus der öden Umgebung heraus als die „Pracht des Jordan“ (Sach. 11, 3). Im Altertum hausten sogar Löwen in diesem Dickicht (Jer. 49, 19); jetzt wird es von zahlreichen Vögeln und anderen Tieren belebt.

Wo aber am Rand der Berge sich eine Quelle findet, da ist auch dank dem warmen Klima ein prächtiger Pflanzenwuchs vorhanden. Die schönste und größte dieser Oasen in der Steppe ist Jericho mit seiner Umgebung (Abb. 062 bis 064). Von der Sultansquelle (Abb. 065), welche die Überlieferung als die von Elisa trinkbar gemachte Ouelle bezeichnet (2. Kön. 2, 19 ff.), und anderen Quellen am Fuß des ,,Berges der Versuchung“, sowie vom Wadi Kelt (Abb. 54) erhält die Ebene hier reichliches Wasser und wird zum schönsten Garten. Der Balsam, der hier wuchs, war im Altertum hoch berühmt, und von seinen Palmen trug Jericho den Namen „Palmenstadt“ (5. Mose 34, 3). Das alte kanaanitische und israelitische Jericho lag etwas nördlich von dem heutigen Ort bei der oben genannten Sultansquelle. Es ist von Deutschen wieder ausgegraben und unsere Abbildungen (063 u. 064) geben uns ein anschauliches Bild von der alten Stadt und den festen Mauern, auf mächtigen Quadern ruhend, welche sie umgeben.

Mit Bethel (Abb. 066), dem altberühmten Heiligtume Israels (1. Mose 28, 10-22) betreten wir den Boden des Nordreiches Israel. Je weiter wir nach Norden kommen, desto mehr verändert sich der Charakter der Landschaft zu seinem Vorteil. Die reichen Nebengelände, Feigenhaine und Olivengärten (Abb. 067) erinnern uns daran, dass hier das gesegnete Stammgebiet Ephraims ist (5. Mose 33, 13 ff.). Unweit des Hauptweges nordwärts nach Sichem, der auch hier auf dem Gebirgskamm läuft, liegen östlich die Ruinen von Silo (Abb. 068), wo der Tempel Jahwes mit Eli als Priester stand und der junge Samuel aufwuchs (1. Sam. l ff.). Die alte Hauptstadt Ephraims war Sichem; dort wurde Jerobeam zum König von Israel gewählt (l. Kön. 12), und dort hatte nach dem Exil wieder die Gemeinde der Samaritaner ihren Mittelpunkt. Die Stadt lag am Fuß des Garizim, unweit des Josephsgrabes Abb. 069 (Jos. 24, 32) und des Jakobsbrunnens (Abb. 070), wo Jesus die denkwürdige Unterredung mit dem samaritanischen Weibe hatte (Joh. 4). Die heutige Stadt Nablus (Abb. 071 u. 072), die ihren alten hebräischen Namen Sichem gegen den griechischen Namen Neapolis eingetauscht hat, liegt etwas weiter westlich vom Platz der alten Stadt in einem Tal, das durch seinen außerordentlichen Wasserreichtum zu den fruchtbarsten Strichen Palästinas gehört, zwischen den Bergen Ebal und Garizim. Jener, der Ebal (Abb. 072), gilt nach Jos. 8, 30 ff. als der Berg des Fluches; dieser, der Garizim (Abb. 071), der das Heiligtum der Samaritaner trug (Joh. 4, 20), gilt als der Berg des Segens.

Hauptstadt des Nordreiches und Residenz seiner Könige war bis auf Omri das sonst wenig bedeutende Thirza, das wahrscheinlich anderthalb Stunden nordöstlich von Sichem lag. Von König Omri wurde dann Samaria (Abb. 073) zur Hauptstadt erhoben (1. Kön. 16, 24), eine glückliche Wahl, denn die Stadt lag sicher und fest auf einem ganz vereinzelt etwa 100 Meter über dem Tal aufragenden Hügel, „die prächtige Krone von Ephraim, die Blume ihrer lieblichen Herrlichkeit“ (Jes. 28, 1) Herodes d. Gr. gab ihr zu Ehren des Augustus den Namen Sebaste (griechisch für Augusta), der ihr bis heute geblieben ist, und verschönerte sie durch prächtige Bauten. Eine ca. 1.700 m lange Säulenstraße (Abb. 074) lief auf der Südseite des Berges vom West- zum Osttor. Auf dem Gipfel des Hügels, wo die israelitische Burg stand, erbaute Herodes einen mächtigen Tempel, der große Treppenaufgang zu seiner Plattform ist durch die amerikanischen Ausgrabungen in den letzten Jahren freigelegt worden (Abb.075) ebenso eine schöne Säulenhalle, die den Stadtplatz, das Forum, schmückte (Abb. 076).

Das Gebirge von Samaria wird von dem galiläischen Bergland durch eine breite Ebene getrennt. Nur einige ganz niedrige Hügel führen von den Bergen Gilboas hinüber zum Thabor. Auf einer dieser Erhebungen lag die Stadt Jesreel (Abb. 077), wo König Ahab seine Residenz hatte und gerne weilte (1. Kön. 18, 45 f.; 21). Nach Osten zieht sich von hier zum Jordan das große Tal des Dschalud-Flusses. Nach Westen erstreckt sich die ,,große Ebene“, gewöhnlich als die Ebene Jesreel bezeichnet, in Form eines Dreiecks bis zum Meer. Abb. 078 zeigt sie von Osten aus, von dem Dorfe Solem, dem alten Sunem (l. Kön. 1, 3 ff.; 2. Kön. 4,8), der Heimat „Sulamith“ (Hohelied 7,1). In der Ebene Jesreel, an den Wassern von Megiddo, siegte Barak über Sisera (Richt. 5, 19), und erlag Josia dem Pharao Necho (2. Kön. 23, 29). Den Südwestrand der Ebene bildet der Höhenzug des Karmelgebirges, eines Ausläufers, den das samaritanische Gebirge nach Nordwesten zum Meer entsendet und der dort in einem imposanten Berg endet (Abb. 079). An diesem haften die Erinnerungen an die Taten des Propheten Elia (1. Kön. 18). An seinem Fuß am Meer liegt das aufblühende Haifa, der Ausgangspunkt einer Bahn nach Damaskus, welche in Basan bei dem alten Edrei in die große Mekkabahn mündet und diese mit dem Meer verbindet.

Die Oberflächenform des nördlichen Drittels von Palästina, des galiläischen Berglandes, trägt einen ganz anderen Charakter als die von Judäa und Samaria. An die Stelle des einheitlichen Gebirgszuges, der von Süd nach Nord läuft, treten hier mehrere parallele von West nach Ost ziehende Höhenzüge, welche kleine, fruchtbare Ebenen zwischen sich einschließen. So gestaltet sich das Landschaftsbild viel abwechslungsreicher. Die südlichste Hügelgruppe des galiläischen Berglandes umfasst die Berge von Nazareth. Ihr Mittelpunkt ist der Dschebel es-Sich, an dessen Abhang in schöner Talmulde das freundliche Nazareth liegt (Abb. 081), die Heimatstadt Jesu. Nur eine einzige Quelle, der Marienbrunnen, versorgt die Stadt mit Wasser. Es ist dieselbe Ouelle, an der auch Maria mit dem kleinen Jesus tagtäglich ihr Wasser schöpfte (Abb. 082) Den östlichen Gipfel diesem Höhenzuges bildet der 562 m hohe Thabor (Abb. 080), nach der Überlieferung der Berg der Verklärung (Matth. 17, 1 ff.) In schöner Rundung steigt er aus der Ebene Jesreel in deren Nordostecke auf. An seinem Fuße lag das Städtchen Nain (Luk. 7, 11). Höher noch erheben sich die Berge im Norden von Galiläa, in Ober-galiläa. In den Bergen von Safed erreichen sie mit 1.199 Meter die höchste Höhe des Westjordanlandes.

Auch in Galiläa fallen die Täler nach Osten steil hinab und das Jordantal liegt noch tief unter dem Meer, der Spiegel des Tiberiassees ist 208 Meter unter dem des Mittelmeeres. Aber welcher Unterschied im Vergleich zur Umgebung des Toten Meeres. Dort tote Wüste, hier alles voll Leben. Der Uferebene im Westen des Sees, der „Genezareth“, gebührt die Krone von ganz Galiläa. Der jüdische Schriftsteller Josephus kann sich nicht genug tun im Lob ihrer unerschöpflichen Fruchtbarkeit, wo Früchte aller Zonen reifen und man ohne Unterbrechung zehn Monate lang im Jahr Trauben und Feigen ernten kann. Den See selbst (Abb. 083 u. 084) belebten zahlreiche Boote der Fischer, an seinem Westufer lagen blühende Dörfer und Städte: im Süden Tiberias (Abb. 083), die von Herodes Antipas gegründete und nach dem Kaiser Tiberius benannte Hauptstadt von Galiläa, später der Sitz des Synedriums und einer berühmten Rabbinenschule. Weiter nördlich Magdala (Abb. 085), der Geburtsort der Maria Magdalena (Matth. 27, 56 u. a.), dann Bethsaida (Abb. 086), die Heimat der Jünger Philippus, Andreas und Petrus (Joh. 1, 44), und Kapernaum (Abb. 087 u. 303), der Mittelpunkt der Wirksamkeit Jesus in jener Gegend, „seine“ Stadt (Matth. 9, 1 u. oft).

Der Jordan hat für seine Wasser noch ein weiteres Sammelbecken weiter nördlich, den Hulesee, fälschlich oft Meromsee genannt, weil man mit zweifelhaftem Recht in den „Wassern von Merom“ (Jos. 11) den Hule-See sieht (Abb. 88). Er liegt 2 m über dem Spiegel des Mittelmeers; an ihn schließt sich nach Norden eine wasserreiche kleine Ebene an. Mit starkem Gefälle eilen die Wasser der drei Quellbäche des Jordan, die sich in dieser Ebene vereinen, vom Fuß des Hermon herunter. Zwei davon entspringen auf dem Boden Palästinas: die Quelle bei Dan (Abb. 89), der nördlichen Grenzstadt des israelitischen Landes („von Dan bis Berseba“, Richter 20, l und öfters), und die bei Cäsarea Philippi (Abb. 90), der vom Tetrarchen Herodes Philippus erbauten und zu Ehren des Augustus benannten Stadt (Matth. 16, 13 ff; Mark. 8, 27 ff.).

Die Küstenebene ist im Süden am breitesten und wird bis zu dem Vorgebirge des Karmel immer schmäler. Der südliche Teil bis in die Nähe von Jaffa gehörte den Philistern. Ihre bedeutendsten Städte lagen am Meer, an welchem sich ein breiter Dünengürtel hinzieht. Gaza (Abb. 091) im Süden, wo die Simsongeschichte spielt (Richter 16, 1 ff., 21 ff.), war die wichtigste im Bunde der fünf Städte (1. Sam. 6, 17); sie ist noch heute eine ansehnliche Stadt und ein bedeutender Handelsplatz, wo namentlich die Gerste der fruchtbaren Ebene auf den Markt kommt. Askalon dagegen (Richter 14, 19) und Asdod (Abb. 092) mit dem Dagontempel, der eine Zeitlang die Bundeslade beherbergte (1. Sam. 5, 1-8), liegen in Trümmern.

Nordwärts trägt die Ebene den Namen Saron; sie hat überall reichliches Wasser und ist im Alten Testament als herrliches Weideland gepriesen (1. Chr. 27 [26], 29; Jes. 33, 9, 35, 2). In ihrem Südteil, der heute wieder gut angebaut ist, liegt Jaffa in seinen prächtigen Orangengärten (Abb. 093 u. 094), die Hafenstadt Jerusalems (2. Chr. 2, 16) das neutestamentliche Joppe, namentlich aus der Geschichte des Apostels Petrus bekannt (Ap.-Gesch. 9, 36 ff.; 10, 5 ff.; 11, 5. 13) Gegen Norden zu ist die Ebene weniger angebaut; das Ufer hatte im Altertum und Mittelalter einige bedeutende feste Plätze, deren wichtigster Cäsarea war (Abb. 095), der Sitz der römischen Landpfleger Judäas, wo Paulus gefangen war (Ap.-Gesch. 23, 23 ff.; 24-26).

Das Ostjordanland ist in der Hauptsache eine Hochebene, die nach Osten langsam zur syrischen Steppe sich senkt. Der Abfall nach Westen zum Jordantal ist freundlicher als der des Westjordanlandes. Unter den Erhebungen am Westrand, die vielfach eine prächtige Aussicht bieten, ist aus der biblischen Geschichte am bekanntesten der Dschebel Neba, der alte Nebo, 800 m hoch (Abb. 096), östlich von Jericho, von dem aus Mose das gelobte Land sah (5. Mos. 32, 49). Abgesehen von den vielen kleineren Tälern am Westrand durchschneiden drei große Flüsse die Ebene in ihrer Breite von Ost nach West: im Süden der Arnon (Abb. 097), die Südgrenze des israelitischen Besitzes (Jos. 12, 1) in der Mitte der Jabbok, heute ez-Zerka, der als Grenze des Amoriterreichs angegeben wird (4. Mose 21, 24); im Norden am Südende des Tiberiassees der Jarmuk, der im Alten Testament nicht genannt ist.

Der südliche Teil des Hochlands gehörte den Moabitern. Weiter nördlich waren die Ammoniter die östlichen Grenznachbarn der Israeliten. Ihre Hauptstadt Rabbat Ammon, die David eroberte (2. Sam. 12, 26 ff.), lag am oberen Jabbok (Abb. 098). In der griechisch-römischen Zeit hatte sie Namen (Philadelphia) und Charakter einer griechischen Stadt, wie die Ruinen noch heute zeigen.

Das nördliche Drittel des Landes, die Gegend zwischen Jabbok und Jarmuk, ist das Gilead des Alten Testaments im engeren Sinn (5. Mose 3, 10; im weiteren Sinn wird der Name auch als Bezeichnung des ganzen Ostjordanlandes gebraucht). Die Gegend zeichnet sich durch landschaftliche Schönheit aus, namentlich sind die Höhen und Abhänge lange nicht so kahl, sondern mit Gebüsch und Wäldern bestanden.

Östlich vom Tiberiassee erstreckt sich dann hinter den Randbergen die weite fruchtbare Ebene von Basan, die Kornkammer Syriens, im Alten Testament berühmt durch ihr treuliches Vieh (Am. 4, 1; 5. Mose 32, 14 u. a.). Sie erstreckt sich östlich bis zum ,,Giebelgebirge“ Basans, dem Zalmon (Ps. 68, 15ff.), dem heutigen Haurangebirge.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Bilderatlas zur Bibelkunde
014 Jerusalem, Gesamtansicht von Osten

014 Jerusalem, Gesamtansicht von Osten

015 Jerusalem, Teilansicht mit Tempelplatz

015 Jerusalem, Teilansicht mit Tempelplatz

016 Jerusalem, Teilansicht mit Erlöserkirche

016 Jerusalem, Teilansicht mit Erlöserkirche

017 Hinnomtal

017 Hinnomtal

018 Kidrontal mit den angebl. Gräbern von Absalom, Jakobus dem Älteren und Zacharias

018 Kidrontal mit den angebl. Gräbern von Absalom, Jakobus dem Älteren und Zacharias

019 Ölberg

019 Ölberg

020 Bethanien

020 Bethanien

021 Gethsemane

021 Gethsemane

022 Dorf Siloah

022 Dorf Siloah

023 Ölbaum im Garten Gethsemane

023 Ölbaum im Garten Gethsemane

024 Ceder

024 Ceder

025 Jerusalem, der sogen. Davidsturm

025 Jerusalem, der sogen. Davidsturm

026 Jerusalem, Damaskustor

026 Jerusalem, Damaskustor

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