Bilderatlas zur Bibelkunde

Ein Handbuch für den Religionslehrer und Bibelfreund
Autor: Benzinger, Immanuel Dr. (1865-1935) deutscher Evangelischer Theologe und Orientalist, Erscheinungsjahr: 1913
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Religionslehre, Bibel, Bibelfreund, Heiliges Land, Handbuch, Orient, biblische Geschichte, Jerusalem
Vorwort

Das vorliegende Buch ist herausgewachsen aus dem 1905 im Verlag von Th. Benzinger erschienenen „Bilderatlas zur Bibelkunde“, bearbeitet von Schulrat Dr. Ludwig Frohnmeyer und Dr. J. Benzinger. Das Ziel ist dasselbe geblieben: das Veranschaulichungsmaterial zur Bibel möglichst vollständig darzubieten, aber doch in so enger Umgrenzung, dass alles was nur indirekt Beziehung zur Bibel hat, wegbleibt. Ebenso ist auch die systematische Anordnung beibehalten worden, im Unterschied von der Anordnung in Bilderbibeln und Wörterbüchern. Der Text ist auf das notwendigste beschränkt und will nicht in selbständiger und erschöpfender Weise die einzelnen fachwissenschaftlichen Gebiete behandeln, sondern nur das Bild verständlich machen, seine Bedeutung für den fraglichen Gegenstand kurz aufzeigen, von Bild zu Bild eine Brücke schlagen und so die Einheit des scheinbar disparaten Materials herstellen.

Die Fülle des neuen Materials, das namentlich durch die Ausgrabungen der letzten Jahre zu Tage gefördert wurde, hat eine reiche Vermehrung der Bilder zur Folge gehabt. Der neue Verlag sah sich daher gezwungen, auf die Bilder zur biblischen Naturgeschichte ganz zu verzichten, weil die Beibehaltung des bisherigen Preises notwendig erschien.
Jerusalem, Oktober 1912
Inhaltsverzeichnis
  1. Zur biblischen Geographie
    1. Ägypten
    2. Die Sinaihalbinsel
    3. Palästina
Ägypten

Israels Geschichte beginnt nach der Erzählung des A. T. in Ägypten. Dort war schon in den ältesten Zeiten eine hochentwickelte Kultur zu Hause. Das alte Ägypten ist ein kleines Land. Es reicht von der Mündung des Nil bis zum ersten Katarakt bei Assuan und umfasst etwa 550 Quadrat-Meilen, ist also kleiner als Belgien. Anbaufähig ist nur das Tal des Nil (Abb. 001).

Im Süden, wo der Fluss die letzte seiner Stromschnellen bei Assuan, dem alten Syene, überwindet, um dann ruhig und ungehindert seinen auf nordwärts zu verfolgen, ist das Tal recht schmal und bleibt so bis zum heutigen Kairo, um erst dann, nachdem der Nil im Delta sich in mehrere Arme teilt, in Form eines Dreiecks sich zu verbreitern. Aber das kleine Land ist ein außerordentlich fruchtbares Land, ein fast unerschöpflicher Boden, der jedes Jahr aufs neue seine fruchtbare Kraft aus dem Schlamm des austretenden Nil empfängt. So ist der Nil der Vater Ägyptens, soweit seine Fluten reichen, reicht auch die Fruchtbarkeit, wo seine Wasser nicht mehr den Boden bespülen, ist alles trostlose Sandwüste. Freilich verlangt das Land zu allen Zeiten fleißige Arbeit, die mühsame Arbeit des Bewässerns mit Schöpfeimern und Schöpfrädern, vgl. 5. Mose 11, 10 (Abb. 002).

Diese Fruchtbarkeit hat es den Pharaonen ermöglicht, prächtige Städte mit großen Palästen und noch gewaltigeren Tempeln anzulegen. Jene, aus getrockneten Lehmziegeln gebaut, sind vom Boden verschwunden. Doch die Tempel stehen noch heute, und mit Ehrfurcht und Andacht erfüllen uns ihre unvergleichlichen Ruinen. Unter allen Pharaonen hat Ramses II., der „Pharao der Unterdrückung“ (s. Abb. 157 – 159), sich als Baumeister einen Namen gemacht. Fast die Hälfte aller erhaltenen Tempelbauten stammt von ihm, fast in jeder Ruinenstätte findet sich sein Name. Tief im Süden, an den Grenzen Unternubiens, hat er sich und seine Herrschaft in dem gewaltigen Felsentempel von Abu Simbel verewigt (Abb. 3). Der mächtige Tempel ist ganz in den Felsen eingehauen; vier aus dem lebenden Fels gehauene Sitzbilder von 20 m Höhe, die den König darstellen, erheben sich zu beiden Seiten des Eingangs. Das hochheilige Inselchen Philae an der Südgrenze des eigentlichen Ägyptens, bei der letzten Stromschnelle des Nil, schmückt ein herrliches Isisheiligtum (Abb. 004) aus der Ptolemäerzeit. Leider ist es jetzt dem Untergang geweihte die durch das Stauwerk von Assuan gehemmten Wasser des Nil umspülen Jahr um Jahr bei Hochland seine Fundamente. Reicher als alle andern Städte war das „hunderttorige“ Theben, die Hauptstadt des neuen Reichs, das biblische No Ammon (Jer. 46, 25; Ezech. 30, 14 ff.; Nahum 3, 8), durch Tempel geschmückt. Die gewaltigen Ruinen finden sich bei dem heutigen Karnak und Luxor. Der von Ramses II. gebaute große Säulensaal im Tempel des Amon, der mit seinen hundertvierunddreißig gewaltigen Säulen eine Fläche von ca. 5.000 qm bedeckt, gehört zu den Wunderwerken der Welt, die ihresgleichen nicht haben (Abb. 005). - Eine andere Klasse von Bauten, die Pyramiden (Abb. 6), diese wahrhaft königlichen Gräber der Pharaonen, sind in ihrer einzigartigen Form geradezu das Wahrzeichen Ägyptens geworden. Und neben den Pyramiden, gleichsam als Wächter, der Sphinx (Abb. 007); ein phantastisches Bild der Gottheit, aber von tiefem Sinn: mit dem Leib des Löwen, als dem Sinnbild der größten Kraft, verbindet sich das Antlitz des Menschen, der Ausdruck der Geistigkeit Gottes. Alle diese Bauten, Statuen, Gräber etc. der alten ägyptischen Könige haben ein erhöhtes Interesse für die Geschichte Israels deshalb, weil die zahlreichen Inschriften und Abbildungen, mit denen sie bedeckt sind, uns viel über die Geschichte des alten Orients, auch Israels, und das Leben im alten Ägypten erzählen.

001 Nillandschaft

001 Nillandschaft

002 ägyptisches Schöpfrad

002 ägyptisches Schöpfrad

003 Tempel von Abu Simbel

003 Tempel von Abu Simbel

004 Tempel von Philae

004 Tempel von Philae

005 Halle des Tempels von Karnak

005 Halle des Tempels von Karnak

006 Pyramiden

006 Pyramiden

007 Sphinx

007 Sphinx