Begegnung mit Frauen

Wir lenken in ein düsteres, enges Gässchen ein. Der Weg biegt und knickt sich, nach und nach allen Richtungen der Windrose folgend. Ohne Plan und Führer treiben wir uns furchtlos in dem Labyrinth herum. Pistolen und Dolche können wir ruhig in der Tasche lassen. Das Völkchen, das hier sich niedergelassen, hat nichts von dem griechisch-alexandrinischen Banditengenie; eher vermutet es in uns ein solches, und zieht sich scheu vor uns zurück, die kleinen Kinder betrachten uns mit Angst und Misstrauen und ergreifen jammernd die Flucht.

Die Gasse gabelt sich, wir gehen versuchsweise links. Eine unsichtbare weibliche Stimme aus einem Hause fragt uns mit Misstrauen, was wir wollen. Wir finden, dass wir in einer Sackgasse uns verfangen haben, und gehen zurück. Jetzt begegnen wir einem Wesen, das, in ein großes braunes oder gestreiftes graues Tuch über und über eingehüllt, bei unserem Anblick in die nächste offene Tür flieht. Ein anderes derlei wundersames Ding, das nicht sofort eine Zufluchtsstätte findet, drückt sich, das Tuch fest über das Gesicht zusammenziehend, an eine Mauer an, bis wir vorübergegangen sind. Ein drittes haben wir, um die Ecke biegend, überrascht, wir haben das Gesicht gesehen, blitzschnell zuckt es den Mantel über den Kopf zusammen. Wollen wir anständig sein, so tun wir, als ob wir nichts bemerkt hätten und lassen es vorübergehen, weichen sogar aus. Nach einigen Minuten sind beide, wir und jenes Wesen, von Neugierde geplagt und kehren uns gleichzeitig um, es treffen sich abermals unsere Augen, und die zwei großen schwarzen Augensterne haben uns verraten, dass unter der unheimlichen Hülle ein warmes Herz wie das unsrige schlägt, vielleicht uns entgegenschlägt. Warum denn aber dieser Schreck, diese Flucht, diese Angst, was haben wir verbrochen, sind wir Räuber, Feinde, sind wir Jäger, die auf die zarte Gazelle angelegt. So will es der Anstand, wir sind Männer und noch dazu ungläubige, und jenes Wesen ist eine Frau. Da begegnet uns ein ganzes Rudel solcher züchtigen wandelnden Tücher; sie stecken bei unserer Annäherung die Köpfe zusammen, wie die Kühe vor dem Wolfe, und bilden mit dem Rücken Carre gegen uns. Der Gesichtsschleier, der den kecken Damen der Hauptstadt das Auge, den Spiegel des Herzens, frei lässt, fehlt nämlich dem schönen Geschlecht der Provinzialstadt und sie haben stets die Hände zu beiden Seiten der Gesichtsspalte bereit, um diese mit dem allgemeinen Umschlagstuch in Zeiten der Gefahr, d. h. wenn ein Mannsbild sichtbar wird, sofort zu verschließen. Eine Frau, die das nicht tut, ist jedenfalls zweifelhaften Charakters, oder wir haben sie bei irgendeiner Gelegenheit, z. B. bei einer ärztlichen Visite, näher kennen gelernt und ganz gesehen, und dann ist das Verschleiern uns gegenüber meist auf immer vorüber. Unrichtig ist, dass sich hübsche Damen lieber sehen lassen, im Gegenteil die Alten, die in keiner Weise mehr gefährlich sind und Gefahr laufen, nehmen es nicht so genau.


Wir wunderten uns über die wandelnden Tücher, jetzt stoßen wir auch auf ein reitendes Tuch. Die Orientalinnen sind jetzt noch ebenso gute Reiterinnen, wie einst zu der Mutter Gottes Zeiten, und sitzen so fest und sicher auf dem Sattel ihres Eseleins, mit weit hinauf geschnallten Steigbügeln, dass sie selbst während dieser Tour nicht einmal das Säuggeschäft aussetzen. Die Skrupel, welche die europäische Dame hat, mit geteilten Beinen aufzusitzen, hat die orientalische keineswegs. All diese ehrsamen Frauen finden wir nicht leicht auf den Hauptstraßen und nie auf den Märkten, sondern nur in den Gässchen. In anderen Ländern kann man das Gegenteil bemerken.