Sklavenmarkt

In einer Ecke des Platzes neben dem Viehmarkte gewahren wir eine Gruppe dürftig gekleideter, rabenschwarzer Kinder beiderlei Geschlechts: es sind zum Verkauf ausgestellte Sklaven. In der Hauptstadt und deren Umgebung ist der Sklavenhandel neuerdings durch die Wachsamkeit der höheren Behörden allerdings sehr eingeschränkt worden, die Einwohner selbst kaufen nicht mehr gerne Sklaven, weil sie nicht mehr sicher vor dem Davonlaufen sind; denn jeder Sklave, der sich auf dem Polizeiamt meldet, ist sofort frei. Von Zeit zu Zeit werden auch ganze Sklaventransporte konfisziert, die Sklaven aber dann in die Hauptstadt eskortiert, wo amtlich über sie verfügt wird. Die Knaben, sobald sie stark genug sind, werden dann einfach unter das Militär gesteckt, andere als Knechte, die Mädchen als Mägde in den Dienst gegeben, einige begabtere wohl auch in die Staatsschulen geschickt. Aber wie man einem fremdländischen Vogel den sicheren Untergang bereitet, wenn man ihn plötzlich im fremden Lande frei lässt, so ist auch für diese Sklaven die Freiheit nicht das beste Los, solange sie sich noch nicht eingewöhnt haben. Ein Sklave oder eine Sklavin ist dem Herrn immer ein Schatz, den er hütet und pflegt, der freie Diener ist unzuverlässig und steht zu seinem Herrn in lockerem Verhältnis. Er wird nicht mehr geätzt, sondern muss sich selbst sein Brot erkämpfen in einem Lande, dessen Sprache er nicht einmal kennt. In den heutigen Übergangszuständen genügen nicht mehr bloße Antisklaverei-Vereine oder solche zur ,,Seelenrettung“, sondern es sollten sich humane Vereine bilden, die es sich zur Aufgabe machen, die eben Freigewordenen ihrem Heimatlande zurückzugeben, eine Aufgabe, die heutzutage, wo das Innere Afrikas immer mehr zugänglich ist, wohl zum Teil erreicht werden kann, wenn auch noch unter großen Opfern an Zeit und Mühe. In der Provinz, in Oberägypten, ist es mit dem Sklavenhandel im Allgemeinen bis auf den heutigen Tag ziemlich beim alten geblieben, der Öffentliche Verkauf auf dem Markt hat keineswegs ganz aufgehört, wenn er auch nicht mehr so großartig ist, wie früher. Die Beamten leihen selbst ihre Hand, wenn ein entflohener Sklave wieder aufgespürt werden soll, ja die eingeborenen christlichen oder mohammedanischen Konsularagenten der europäischen Mächte, das ist ein öffentliches Geheimnis, treiben oft selbst mit ihrem Gelde, aber ja nicht unter ihrem Namen, Sklavenhandel! In den Verordnungen, welche das Verbot dieses Handels bezwecken und von Zeit zu Zeit erneuert werden, ist zugegeben, dass ordentliche angesehene Leute sich wohl einen oder einige Sklaven zum Hausgebrauch kaufen dürfen. Solange aber Sklaven gekauft werden können, so lange werden sie auch verkauft.

Ihr Depot haben die Sklavenhändler in den öffentlichen Herbergen. Wir geben unsere Absicht zu erkennen, einen Kauf zu machen und werden in den Hof einer solchen Herberge geführt. Daselbst finden wir einige Sauahlimädchen von tief brauner Hautfarbe, beschäftigt, in einem großen Holzgefäß die von ihren Herren aus ihren Heimatländern mitgebrachte Getreidefrucht, das ,,Duchn“, die Basis des Sudanbrotes, zu stoßen; die Blößen ihres schon ziemlich entwickelten Körpers sind sie wenig bemüht, zu bedecken. Ein kleineres Negermädchen trägt weiter nichts als einen Zottengürtel. Man führt uns ein wohlverschleiertes abyssinisches Fräulein, ein Gallamädchen, die edelste aller gefärbten Rassen, vor, man zeigt uns ihre äußerst grazielen Glieder, deckt ihr angenehm braunes Gesicht mit den großen sprechenden Augen auf und ist zu allen Forschungen des Käufers bereit. Dem kleinen Mohren da sperrt man den Rachen auf, um seine weißen Zähne zu studieren und weist auf sein gediegenes Gesäß. Als Preise werden uns angegeben: ein männlicher Sklave schwarzer Rasse 40 bis 70 Maria-Theresienthaler, eine Sklavin desgleichen 60 bis 80 Thaler, ein brauner Abyssinier oder Galla 80 bis 100 Thaler, eine ebensolche Sklavin 90 bis 130 Thaler, eine weiße Tscherkessin nicht unter 500 bis 1000 Thaler. Am meisten geschätzt sind die Sklaven einige Jahre vor oder während der Pubertät, wenn sie noch bildsam sind, ,,ihr Gehirn noch nicht trocken ist“.


Sind diese Wesen wirklich so unglücklich? Wir lassen uns ihren Lebenslauf von ihnen selbst erzählen. Ein Kind in einem Tropendorfe entfernt sich in einer bösen Abendstunde wenige Schritte von der Hütte seiner Eltern. Plötzlich fühlt es sich von einer starken Hand gefasst, ein Knebel wird ihm zur Verhinderung des Schreiens in den Mund gesteckt, und der Mann trägt es auf seinen Schultern viele Meilen weit in dunkler Nacht. Man hält in einem Hause, setzt dem Kinde Speise und Trank vor, es schlägt diese aus, weinend verlangt es nach der Mutter. Kummer, Angst und Mattigkeit streiten sich um das arme, zarte Geschöpf, die letztere siegt, es fällt in tiefen Schlummer. Es erwacht, die Hütte ist wie die seiner Eltern, die Sprache ist die seines Dorfes, aber die Gesichter sind ihm fremd. Ein Schwärm von Kindern jeden Alters, Bestandteile der angelegten Sammlung gestohlener Kinder, stellt sich um den neuen Ankömmling und macht Kameradschaft, an Speise und Trank fehlt es nicht, Arbeit gibt es nicht, und in kurzer Zeit hat das in diesem Alter eben noch nicht tief fühlende Wesen Eltern und Heimat vergessen. Das Stehlen der Kinder ist noch eine gelinde Form, weit schlimmer sind die bekannten systematischen Raubzüge oder Razzias, oft unter der Maske offenen Krieges, wenn bewaffnete Sklavenhändlerbanden ganze Orte überfallen, alles Taugliche, namentlich Mädchen und Frauen, in die Sklaverei abführen und alle Familienbande zerreißen.

Doch auch im obigen Falle dauert die Rast nicht lange. Die nun vervollständigte Sklavensammlung wird über Berg und Tal, durch Feld und Wüste geschleppt, das Maultier wird mit dem Pferd, dem Ochsen, dem Kamel gewechselt, bald fährt man in vollgepfropfter Barke den geschwollenen Bergstrom hinab, tropische Sonnenglut und Regengüsse setzen um die Wette den zarten, wenig geschützten Leibern zu, ein Kind um das andere wird vom Fieber befallen. Kranke und Gesunde liegen dicht an einander, die Gestorbenen werden im Sande verscharrt, rastlos zieht die Karawane weiter und weiter. Einige Verwegene machen einen verzweifelten Fluchtversuch, sofort sind sie eingeholt, werden geschlagen und gebunden weitergeschleppt. Die Mädchen, und wären sie noch so klein, werden das Opfer der Lust ihrer Treiber, daher unberührte Jungfrauen unter den Sklavinnen eine große Seltenheit sind. Endlich kommt man in eine Stadt. Die Schar wird in einen Kerker eingesperrt, bei Nacht werden sie gefesselt spazieren geführt, am Markttage kommt die öffentliche Versteigerung; man betastet sie an allen Gliedern, lässt sie wie auf einem Pferdemarkt umherspringen, reißt ihnen den Mund auf. Der Meistbietende übernimmt die Ware, die ihm gefallen, einzeln oder in ganzen Gruppen. Die Unglücksgefährten, die auf der Reise Freunde geworden sind, trennen sich weinend, nur Geschwister, Eltern und Kinder auseinanderzureißen, scheut sich gemeiniglich der mohamedanische Sklavenhändler in gesitteteren Gegenden. Der neue Besitzer macht es wie der frühere, er mästet die Sklavenkinder einige Zeit, bis sie sich von den Strapazen der Reise erholt haben, und verkauft sie dann wieder, und so wechseln sie Herrn um Herrn und Ort um Ort, oder sie werden auch Jahre lang in demselben Hause gemästet und ohne Arbeit gelassen, namentlich die Mädchen. Dies und die Langeweile wirkt physich und moralisch ein, die Mädchen entwickeln sich frühzeitig, und, jetzt ist der Moment, sie um den höchsten Preis zu verkaufen. Ja sie sehnen sich selbst danach und legen heißen Mehlteig auf die Brust, was das Anschwellen der Brüste befördern soll. Währenddessen werden sie auch zivilisiert, d. h. an das Verhüllen und Zurückziehen gewöhnt, sie müssen an den Islam glauben lernen, man beschenkt sie mit Islamgerechten Namen und sucht die letzten Spuren ihrer heimatlichen Ideen zu verwischen.

Die halbreife Jungfrau wird nun verkauft, und sie geht, wenn sie bloß braun und von guter Rasse, wenn sie namentlich eine Galla oder Abyssinierin ist, meist keiner schlechten Zeit entgegen. Wenn ein Herr an ihr Wohlgefallen findet, so sträubt sie sich nicht, denn sie ist ja nicht dadurch entehrt, sondern im Gegenteil stolz darauf, die Rolle einer Gemahlin, einer ,,Sitt“, zu spielen; der Mann schafft ihr Kleider, Prunk und Süßigkeiten nach Herzenslust an, gibt ihr Diener und Dienerinnen, räumt ihr die Herrschaft über das Haus ein, ja vernachlässigt oder verstößt ihr zu Liebe nicht selten seine angetraute wirkliche Gemahlin. Und die Dämchen wissen sich in diese Rolle recht wohl zu finden und spielen gern die Tyranninnen. Ihre Liebe ist meist feurig und tiefgehend, sie sind treu, säuberlich, haushälterisch, ehrgeizig und haben ein feines Gefühl. Daher werden sie von Vielen den eingeborenen Frauen vorgezogen. Ihre Stellung ist keineswegs die einer Maitresse, denn einesteils genießt sie die volle moralische Achtung, wenn auch die freien Frauen gern auf die bloße Sklavin herabsehen, anderenteils ist sie, sobald sie Mutter wird, frei oder wenigstens unverkäuflich. Während in gewissen Ländern der Liebesheld bei dem Erscheinen der Schwangerschaftszeichen seiner Beute oder bei der Geburt seines Kindes sich davon zu machen pflegt, wird dies dort zu Lande gerade zu einem Bindemittel; der Moslim ist nicht im Stande, seine eigenen Kinder zu verleugnen oder gar zu verkaufen. Eine solche Sklavin hat sogar noch den Vorteil vor einer freien Frau, dass sie nicht förmlich verstoßen und fortgejagt werden kann, wenn sie noch die Kinder hat; denn sie hat ja keine Verwandten; und so grausam wie Abraham und seine Sara ist der Moslim doch nicht. Nicht selten wird die Sklavin, wenn sie ihren Herrn mit einem Kinde, namentlich einem Knaben, beschenkt, zur wirklichen Gemahlin erhoben.

Freilich nicht jeder und nicht immerfort lächelt also das Glück, namentlich wenn die Sklavin das Unglück hat, nicht schön oder gar schwarz zu sein, einer geringeren Rasse anzugehören, oder nicht fruchtbar zu werden. Dann wandert sie oft von Hand zu Hand, muss sich, was ihr besonders schwer fällt, den ihr geschenkten Schmuck vom Leibe reißen lassen, wenn er nicht mit verkauft wird, und sie gerät mit dem Abnehmen ihrer Reize und damit ihres Preises in immer tiefere Schichten der Gesellschaft. Oder es wird das Sklavenmädchen auch, wie wir oben gesehen, von einer Kupplerin angekauft, die ihr eine Erziehung nach ihrem Sinne gibt. Weitaus die meisten Sklavinnen, jedenfalls die meisten eigentlichen Schwarzen, werden als Dienerinnen gebraucht und bekommen höchstens die Herrschaft in der Küche. Halten sie sich gut, so schafft ihnen der Herr einen schwarzen Ehegemahl an, und der aus der schwarzen Ehe entsprossene Kindersegen ist verkäufliche Ware des Sklavenzüchters, allerdings mit der Einschränkung, dass die Familie zusammen verkauft werden soll. In der Regel bleibt aber eine solche Familie als wesentliches dienendes Mitglied zeitlebens, ja auf mehrere Generationen hinaus, in der Familie des Hausherrn und will bleiben.

Die männlichen Sklaven machen seltener glänzende Laufbahnen als die Mädchen. Wenn sie in die Hände vornehmer Herren kommen, werden sie zwar meist gut gehalten und aufgeputzt und sehen oft übermütig auf die hungernden, zerlumpten Freien herab, sind aber doch nur Diener, die jederzeit verkauft werden können und ihre Zukunft nicht in der Hand haben. Manche indes erwerben sich das ganze Vertrauen ihres Besitzers, sie werden sein Geschäftsführer, treiben für ihn Handel und erben oft das ganze Vermögen ihres Herrn. Häufig ist das Freilassen der Sklaven, das der Prophet als gute Handlung empfahl, und man pflegt den Freigelassenen eine kleine Aussteuer mitzugeben. Solche behalten meist ihr Leben lang eine Pietät gegen die Familie, der sie angehört haben, und ziehen es nicht selten vor, auch nach diesem Akt im Hause ihrer Herrn zu bleiben. Misshandlung von Sklaven ist in diesen Ländern selten, und die Bestrafung übersteigt meist nicht das Maß der Erziehung. Im patriarchalischen Islam hat der Sklave mehr die Stellung eines, allerdings bloß dienenden Familienmitgliedes, und die Schädigung desselben gilt als Schädigung seiner selbst.

Es finden sich ausnahmsweise allerdings auch grausame Herren, die mehr mit dem Brot als mit der Peitsche kargen, die Armen mit Füßen treten, sie durch schwere Fußfesseln wie Verbrecher am Fortlaufen hindern. Dagegen besteht das treffliche Korangesetz, dass ein unzufriedener Sklave vom Gerichte verlangen kann, verkauft zu werden. Man hält sie auch schon deswegen nicht so schlecht, weil sie gefährlich werden können oder, was auch nicht ganz selten vorkommt, einen Selbstmord begehen, wodurch sie nicht viel verlieren, wohl aber ihr Herr geschädigt wird.

Am besten daran sind die weißen Sklaven und Sklavinnen, fast ausschließlich tscherkessischer Rasse (früher namentlich Griechen). Sie kommen ihres Preises wegen nur in die Hände der Reichen. Die männlichen (Mameluken) bekommen häufig von ihrem Herrn eine bessere Erziehung, werden wie Söhne behandelt, machen meist gute Laufbahnen, ein guter Teil der jetzt fungierenden höheren Beamten in Ägypten waren solche Sklaven. Nicht selten bekommen sie die Töchter ihres Herrn zu Gemahlinnen, ja es kommt vor, dass ein Vater für seine Töchter, die er unter die Haube zu bringen hat, einen hübschen Mameluken als Schwiegersohn kauft.

Die weißen Sklavinnen sind eine wesentliche Zierde des Harems der Großen, sie gelten indes für herrsch- und putzsüchtig. Die Hautfarbe gilt auch hier zu Lande im allgemeinen als Maßstab der Rassengüte, selbst bei den Einheimischen unter sich. Von Verachtung der dunkeln Haut, möge sie frei oder in der Sklaverei sein, ist aber keine Rede. Das wäre gegen die Religion, auch ist die Bevölkerung ja an und für sich schon so angedunkelt, dass sie sich selbst verachten müsste.