Die Geistreiche
Katharina nannte sich die Schülerin Voltaires, seine grösste Bewunderin. Sie war es auch in gewisser Beziehung. Man darf jedoch nicht vergessen, dass Voltaire nie in ihrer Nähe gelebt hat! Er konnte sich nie entschliessen, nach Petersburg zu kommen, obgleich ihn die Kaiserin wiederholt dazu aufforderte. Und es war gut so.
Als Katharina zu dem Patriarchen von Fernay in geistige Beziehung trat, war sie 35 Jahre alt und erst seit anderthalb Jahren Kaiserin. Das gute Einvernehmen zwischen beiden erhielt sich bis zu Voltaires Tode, vierzehn Jahre lang, in ungetrübter Gleichmässigkeit. Katharina war eine unermüdliche Briefschreiberin. Die Fülle von Geist, Witz und scharfem Verstand, die Art, wie sie merkwürdige Erlebnisse zu schildern weiss, machen ihre Briefe zu den interessantesten und lesenswertesten Dokumenten, die je geschrieben wurden. Sie besitzt einen köstlichen Freimut, allen ihren Gedanken Ausdruck zu geben. Sie nimmt nie ein Blatt vor den Mund, nicht einmal gegen den hochverehrten Voltaire, den sie wie eine Art Macht behandelt, die Macht des geistigen Europas. Sie war sehr stolz, mit dieser Macht in Briefwechsel zu stehen.
Voltaire geizte nie mit Schmeicheleien für sie. Das war Weihrauch für Katharina, die gross genug war und seiner nicht bedurft hätte. Aber sie brauchte ihn. Es war ihr Bedürfnis, sich in die so betäubenden Wolken der Schmeichelei einzuhüllen. Sie wusste nicht, dass derselbe Voltaire, der ihr diesen Weihrauch streute, an seinen intimen Freund d'Alembert schrieb: «Ich bin ganz Ihrer Meinung, dass die Philosophie sich nicht oft solcher Schüler (wie Katharina) rühmen kann. Aber was wollen Sie, man muss seine Freunde mit ihren Fehlern lieben.»
Katharina lernte viel von den Philosophen, mit denen sie in Berührung kam oder deren Schriften sie las. Aber sie bediente sich ihrer Ideen und Grundsätze auf ihre Weise. Sie nahm von der Philosophie gerade das, was ihr zu ihrem eigenen Nutzen dienlich sein konnte. So konnte sie getrost im Jahre 1789 sagen: «Ich schätze die Philosophie, weil mein Herz stets aufrichtig republikanisch war.» Sobald sie jedoch den Thron bestieg, hörte sie auf, Republikanerin zu sein, obgleich sie während ihrer Regierung viele Reformen einführte und sich sogar liberal zeigte. Sie hatte wohl das Gefühl für Freiheit und Menschenrechte, aber es war nur eben ein Gefühl. Sie war trotz allem Autokratin. Zweifellos befreite sie die Bauern in den geistlichen Kolonien, die sie zum Schaden der Klöster sekularisierte, auf Veranlassung einer Voltaireschen Denkschrift, die er ihr im Jahre 1767 sandte, und die als Motto trug: «Si populus dives rex.»
Die Beweglichkeit ihres Geistes war so, dass sie alles kritisch betrachtete, auch die Philosophie. Die Zeiten waren vorüber, da sie Werke Voltaires lesen konnte. Die Herrscherin, die ihre Gesetzbücher selbst entwarf, die ihr eigener Minister, der Verwalter ihrer Gouvernements war, fand nicht mehr die Zeit, sich in die Werke ihres liebsten Philosophen zu vertiefen. Der Autor war zu fruchtbar in seinem Schaffen. Katharina beauftragte daher einen ihrer Sekretäre, jedes neue Werk Voltaires so mit Anmerkungen zu versehen, dass sie die vernünftigen und unvernünftigen Stellen sofort finden könne, wenn sie ihrer bedurfte.
Das so zubereitete Buch lag auf dem Arbeitstisch der Kaiserin, aber nur selten kam sie dazu, darin zu blättern. Was sie von den Philosophen und besonders von Voltaire lernte, geschah nur durch ihren Briefwechsel, der ihr den höchsten Genuss bereitete. Sie sagte, es wäre ihr nicht möglich, einen Tag zu leben, ohne etwas geschrieben zu haben. Und sie gestattete sich, wie nie ein anderer Herrscher, den Luxus langatmiger Plauderei.
Als Katharina zu dem Patriarchen von Fernay in geistige Beziehung trat, war sie 35 Jahre alt und erst seit anderthalb Jahren Kaiserin. Das gute Einvernehmen zwischen beiden erhielt sich bis zu Voltaires Tode, vierzehn Jahre lang, in ungetrübter Gleichmässigkeit. Katharina war eine unermüdliche Briefschreiberin. Die Fülle von Geist, Witz und scharfem Verstand, die Art, wie sie merkwürdige Erlebnisse zu schildern weiss, machen ihre Briefe zu den interessantesten und lesenswertesten Dokumenten, die je geschrieben wurden. Sie besitzt einen köstlichen Freimut, allen ihren Gedanken Ausdruck zu geben. Sie nimmt nie ein Blatt vor den Mund, nicht einmal gegen den hochverehrten Voltaire, den sie wie eine Art Macht behandelt, die Macht des geistigen Europas. Sie war sehr stolz, mit dieser Macht in Briefwechsel zu stehen.
Voltaire geizte nie mit Schmeicheleien für sie. Das war Weihrauch für Katharina, die gross genug war und seiner nicht bedurft hätte. Aber sie brauchte ihn. Es war ihr Bedürfnis, sich in die so betäubenden Wolken der Schmeichelei einzuhüllen. Sie wusste nicht, dass derselbe Voltaire, der ihr diesen Weihrauch streute, an seinen intimen Freund d'Alembert schrieb: «Ich bin ganz Ihrer Meinung, dass die Philosophie sich nicht oft solcher Schüler (wie Katharina) rühmen kann. Aber was wollen Sie, man muss seine Freunde mit ihren Fehlern lieben.»
Katharina lernte viel von den Philosophen, mit denen sie in Berührung kam oder deren Schriften sie las. Aber sie bediente sich ihrer Ideen und Grundsätze auf ihre Weise. Sie nahm von der Philosophie gerade das, was ihr zu ihrem eigenen Nutzen dienlich sein konnte. So konnte sie getrost im Jahre 1789 sagen: «Ich schätze die Philosophie, weil mein Herz stets aufrichtig republikanisch war.» Sobald sie jedoch den Thron bestieg, hörte sie auf, Republikanerin zu sein, obgleich sie während ihrer Regierung viele Reformen einführte und sich sogar liberal zeigte. Sie hatte wohl das Gefühl für Freiheit und Menschenrechte, aber es war nur eben ein Gefühl. Sie war trotz allem Autokratin. Zweifellos befreite sie die Bauern in den geistlichen Kolonien, die sie zum Schaden der Klöster sekularisierte, auf Veranlassung einer Voltaireschen Denkschrift, die er ihr im Jahre 1767 sandte, und die als Motto trug: «Si populus dives rex.»
Die Beweglichkeit ihres Geistes war so, dass sie alles kritisch betrachtete, auch die Philosophie. Die Zeiten waren vorüber, da sie Werke Voltaires lesen konnte. Die Herrscherin, die ihre Gesetzbücher selbst entwarf, die ihr eigener Minister, der Verwalter ihrer Gouvernements war, fand nicht mehr die Zeit, sich in die Werke ihres liebsten Philosophen zu vertiefen. Der Autor war zu fruchtbar in seinem Schaffen. Katharina beauftragte daher einen ihrer Sekretäre, jedes neue Werk Voltaires so mit Anmerkungen zu versehen, dass sie die vernünftigen und unvernünftigen Stellen sofort finden könne, wenn sie ihrer bedurfte.
Das so zubereitete Buch lag auf dem Arbeitstisch der Kaiserin, aber nur selten kam sie dazu, darin zu blättern. Was sie von den Philosophen und besonders von Voltaire lernte, geschah nur durch ihren Briefwechsel, der ihr den höchsten Genuss bereitete. Sie sagte, es wäre ihr nicht möglich, einen Tag zu leben, ohne etwas geschrieben zu haben. Und sie gestattete sich, wie nie ein anderer Herrscher, den Luxus langatmiger Plauderei.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Berühmte Frauen der Weltgeschichte