Erdmannsdorff in Dessau.
Ihn berief der König sogleich nach seiner Thronbesteigung um die Schlaf; und Sterbezimmer Friedrichs d. Gr. in Sanssouci umzugestalten und in den Jahren 1787-88, um die Königskammern im Berliner Schloss nach der Lustgartenseite einzurichten. Der Parolesaal mit den feinen Stuckreliefs von Schadow, der feingezeichneten Stuckdecke und den silbergrauen Wänden aus Stuckmarmor zeigt am deutlichsten das Neue der Erdmannsdorffschen Kunst, die Klarheit der Komposition und das strenge Verhältnis der plastischen Einzelheiten zur Mauerfläche. Schon seine früheste Arbeit, der Festsaal im Dessauer Schlosse von 1769 mit mächtiger korinthischer Säulenstellung an der Hauptseite, ist durch die Wanddekoration mit strenger korinthischer Pilasterordnung und rechteckigen Relieftafeln in Stuckarbeit ausgezeichnet. Auch im Außenbau sehen wir dieses schöne klare Verhältnis zwischen Reliefplastik und Wand durch ihn wiederhergestellt: Marstall in Dessau mit Pferdebändigern in halbbogig schließenden Nischen, Pavillons am Dessauer Hofgarten mit Reliefs in Kreismedaillons und Tafeln zwischen der dorischen Halbsäulen- und Pilastergliederung, Kuhhaus an der Muldebrücke in Dessau, Gerätehaus mit Jüngling und Pferd in Relief im Wörlitzer Park. Der Bildhauer Doli aus Gotha, der acht Jahre in Rom studiert hatte, mit seiner feinen Nachempfindung des antiken Reliefstiles, arbeitet mit dem Meister Hand in Hand. Dieses neuempfundene plastische Leben prägt sich in der gesamten Pilaster- und Gebälkgliederung der Erdmannsdorffschen Fassaden aus. In England, dann unter Clérisseau, dem Mitarbeiter des Adamschen Werkes über den Diokletianspalast in Spalato, in Rom ausgebildet, vereinigt Erdmannsdorff in seiner Kunst die schlichte, sachliche Weise des englischen Neuklassizismus und die erneut auf das Studium der römischen Kunst zurückgreifende römische Schule. Die letztere ist besonders in den früheren Innendekorationen (Dessau, Wörlitz, Schloss und Stein) zu Worte gekommen. Der Festsaal des Luisiums in geflecktem grauem Marmorstuck und weißen Stuckdetails nähert sich schon dem Parolesaal, wo aber die Pilastergliederung ganz fortgefallen ist. In der Nachahmung von herkulanischen und Raffaelischen Grotteskenmalereien zusammen mit Gemälden im Geschmack der Carracci (Wörlitz, Berlin Schloss) spricht sich vielfach eine kühle antiquarische Manier, unleugbarer Eklektizismus, aus. Ein Hauptwert des Erdmannsdortfschen Schaffens liegt in der Sorgfalt des Details; alle Einzelglieder sind bei ihm mit Akuratesse gezeichnet, im Gegensatz zu den auf den Effekt ausgehenden, oft mit flüchtiger Schablonenarbeit verzierten friderizianischen Fassaden Berlins und Potsdams. So bemerkt er selbst über Berlin: ,,alles was im Fach der Baukunst seit Knobelsdorfs Zeiten für so viele Millionen gemacht worden ist, kommt einem, wenn man's genau betrachtet, so vor, als wenn's nur der Brouillon (die rohe Skizze) der Sache wäre, die es hätte werden sollen“. Das hiesige Publikum sei an den simplen Geschmack noch gar nicht gewöhnt; besonders vermisst er Ordnung im Bauwesen; mit Mühe findet er Leute, die ihm beim Zeichnen helfen können. ,,Die jungen Architekten mußten jedes Kapitell, Konsol, jede Leiste, Türen und Fußböden für die Tischler in Originalgröße zeichnen; wegen seines sanften und adeligen Wesens suchten alle Arbeiter seinen Beifall zu erringen“ (Schadow). Die musterhafte Intarsia und Stuckarbeit der Königskammern wird so erklärlich. Das Arrangement der reorganisierten Akademieausstellung 1787 rührte ebenfalls von Erdmannsdorff her und wird als geschmackvoll gerühmt. Der Künstler war durch Adel des Gemüts, wahre Bildung und unablässiges Streben ausgezeichnet. Er starb 1800 in Dessau.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Berliner Baumeister vom Ausgang des Achtzehnten Jahrhunderts.