DIE JAGDREVIERE DER PAWNEE-. — REISEBEGLEITER. — EIN COMMISSÄR. — EIN VIRTUOSE. — EIN ABENTEUER-SUCHENDER. — EIN GIL BLAS VON DER GRÄNZE. — EIN JUNGER MANN IN ERWARTUNG DES VERGNÜGENS.

In den vielgepriesenen Regionen des fernen Westen, mehrere hundert Meilen jenseits des Missisippi, liegt ein weiter Strich unbewohnten Landes, wo man nirgends weder das Blockhaus des Weißen, noch den Wigwam des Indiers erblickt; mächtige, mit Gras bewachsene Ebenen, von Wäldern und Gebüschen durchschnitten, bewässert vom Arkansas, dem Grand-Canadian, dem Red-River und allen ihren Nebenströmen. Ueber diese grüne, fruchtbare Fläche streift noch das Elen, der Büffel und das wilde Pferd in voller angeborner Freiheit. Es ist dieß das eigentliche Jagdgebiet der verschiedenen Volksstämme des Westens: hieher kommt der Osage, der Creek, der Delaware und andere Stämme, die sich der Cultur zugewandt und in der Nachbarschaft der weißen Niederlassungen leben; hieher gehören auch die Pawnees, die Comanchen und andere stolze, bis jetzt noch unabhängige Stämme, die Nomaden der Prairien, die am Saume der Felsengebirge wohnen. Auf den erwähnten Landstrich macht jede dieser kriegerischen, rachsüchtigen Völkerschaften Anspruch, nicht als ob sich eine derselben innerhalb seiner Gränzen bleibend niederlassen wollte, sondern zur Jagdzeit kommen ihre Jäger und Krieger in zahlreichen Haufen hieher, erreichten ihre Lager aus Laubwerk und Häuten, räumen in der Eile unter den unzähligen Heerden auf, die in den Prairien weiden, und ziehen sich, beladen mit Wildpret und Büffelfleisch, rasch aus der gefährlichen Nachbarschaft weg. Diese Züge haben immer kriegerischen Charakter; die Jäger sind stets zu Schutz und Trutz gewaffnet und müssen unaufhörlich auf ihrer Hut seyn. Stoßen sie auf Jäger von fremdem Stamme, so kommt es zu blutigen Reibungen. Auch ihre Lager können jeden Augenblick von feindlichen Streifpartien überfallen, ihre Jäger, in der zerstreuten Verfolgung des Wildes, von lauernden Feinden gefangen oder niedergemacht werden. Modernde Schädel und Gebeine, hier in einer finstern Schlucht, dort bei den Spuren eines Jägerlagers, bezeichnen hin und wieder die Stelle eines Scharmützels, und weisen den Wanderer auf die Gefahren seiner Reise hin. Das Folgende ist die Beschreibung eines Ausflugs auf dieses Jagdgebiet, das zum Theil bis jetzt von Weißen noch gar nicht betreten ist.
Zu Anfang Octobers 1832 kam ich nach Fort Gibson, einem Gränzposten im fernen Westen am Neosho oder Grand River, nahe an seinem Einfluß in den Arkansas. Ich war den Monat zuvor in kleiner Gesellschaft von St. Louis an den Ufern des Missouri hinaus, längs der Kette von Agentschaften und Missionen hingereist, welche sich vom Missouri an den Arkansas erstreckt. An unserer Spitze befand sich einer der Commissäre, die von der Regierung der Vereinigten Staaten aufgestellt sind, um die Niederlassung der indischen Stämme, welche gegenwärtig vom Osten des Mississippi gegen Westen wandern, zu leiten, und so besichtigte er denn, wie es sein Amt mit sich brachte, die Vorposten der Cultur. Er war aus einer Stadt in Connecticut gebürtig, ein Mann, dessen einfachem Sinn und dessen Herzensgüte ein langes Geschäftsleben keinen Eintrag hatte thun können. Den größten Theil seines Lebens hatte er an den friedlichen Ufern des Connecticut unter Geistlichen, Kirchenvorstehern und respectabeln Leuten der Art zugebracht, da erging auf Einmal der Ruf an ihn, sein Pferd zu besteigen, seine Büchse umzuhängen und sich in die pfadlose Wildniß im fernen Westen unter Jäger, Gränzansiedler und nackte Wilde zu begeben. Ein anderer meiner Reisegefährten war ein Engländer von Geburt, aber von fremder Abstammung. Er hatte sehr große Reisen gemacht und war so gleichsam ein Weltbürger geworden, der sich in jeden Wechsel leicht schickt. Er gab sich mit tausenderlei ab, war Botaniker, Geolog, Käfer- und Schmetterlingsjäger, Musikliebhaber, Zeichner ohne die geringsten Ansprüche, kurzum ein ächter Dilettant, und dazu ein unermüdlicher, wenn auch nicht immer glücklicher Jäger. Mein dritter Begleiter war mit dem eben erwähnten aus Europa herübergekommen und reiste mit ihm als sein Telemach, gleich dem alten ganz dazu gemacht, seinen Mentor in Verlegenheit und Unruhe zu setzen. Es war ein junger Graf aus der Schweiz, kaum vier und zwanzig Jahre alt, voll Geist und Talent, aber muthwillig im höchsten Grad und zu Abenteuern jeder Art aufgelegt. Nach dieser Aufzählung meiner Freunde muß ich noch einer Person von untergeordnetem Rang erwähnen, die aber von der höchsten, vielseitigsten Bedeutung war: Pferdeknecht, Kammerdiener, Koch, kurz das Factotum. Es war ein kleiner, schwarzbrauner, magerer, französischer Creole, Namens Antoine, gemeinhin Toni genannt; eine Art von Gränzgilblas, der sich durchs Leben gebracht, so gut er konnte, bald unter Weißen, bald unter Indiern, bald im Dienste von Kaufleuten, Missionären und indischen Agenten, bald auf den Jagdzügen der Osagen. Er kam in St. Louis in unsern Dienst, wo er ein kleines Gut hat, ein indisches Weib und eine Brut von Blendlingen. Seiner eigenen Aussage nach aber hat er in jedem Stamm ein Weib, und wollte man alles glauben, was dieser kleine Landstreicher von sich selbst zu erzählen wußte, so hatte er weder Glauben noch Moral, weder Angehörige noch ein Heimwesen, ja kaum eine Sprache, denn er redete ein babylonisches Gemisch von Englisch, Französisch und Indisch. Er war dabei ein gewaltiger Aufschneider und ein Lügner erster Größe. Höchst ergötzlich waren seine ins Unglaubliche gehenden Schilderungen, was er im Krieg und auf der Jagd für mächtige Thaten verübt, und wie er da und dort wie durch ein Wunder entkommen.
Unsere Reise war sehr angenehm gewesen; wir hatten gelegentlich auf den weit zerstreuten Niederlassungen der indischen Missionäre eingesprochen, in der Regel aber in den herrlichen Forsten an den Ufern der Ströme unter Zelten bivouakirt. Wir hatten zuletzt unsern Marsch beschleunigt, in der Hoffnung, zeitig genug nach Fort Gibson zu gelangen, um die osagischen Jäger auf ihrem herbstlichen Zug in die Büffelprairien begleiten zu können. Die Phantasie unsers jungen Grafen hatte bei dieser Aussicht Feuer gefangen. Die Geschichten des kleinen Toni von indischen Kriegern und indischen Weibern, von der Jagd des Büffels und des wilden Pferdes, hatten ihm den Kopf, verrückt und ihn ordentlich heißhungrig gemacht nach dem wilden Leben in der Prairie. Es war lustig, wie er in jugendlichem Feuer zum voraus genoß, was er alles erleben und thun werde wenn er sich einmal unter den Indiern befinde und herrliche Abenteuer bestehe; noch lustiger aber, den kleinen Toni schwadroniren zu hören, der ihm versprach, bei allen gefährlichen Unternehmungen sein getreuer Schildknappe zu seyn, ihm zu zeigen, wie man das wilde Pferd fange, den Büffel erlege und die Gunst indischer Prinzessinnen gewinne. „Und wenn wir nur auch eine Prairie brennen sehen!“ sagte der Graf. — „Oh was das betrifft“ rief der kleine Franzose, „ich stecke selbst eine an.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ausflug auf die Prairien