Gemeindehäuser und Gemeindeliegenschaften

Außer den Privathäusern muss das Judenquartier in allen Perioden seiner Entwicklung einige öffentliche Gebäude besessen haben. Für unseren Zeitraum sind wir allerdings nur spärlich mit Nachrichten darüber versehen. Das Wenige, das ich erforschen konnte, trage ich hier zusammen.

Das hervorragendste Gebäude war die Synagoge, Judenschule, schola judeorum, auch wohl synagoga judeorum genannt. Beim Neubau des Stadtarchivs und bei Gelegenheit der Ausbesserungen am Dom ist manches Bruchstück der ältesten Synagoge zutage gefördert worden, so Teile eines romanischen Fensters, vor allem aber sind beim Ausschachten der Archivkeller die Fundamente bloßgelegt worden. Aus diesen Funden entnehmen wir, dass die Synagoge eine romanische Basilika mit runder Apsis für die Gesetzeslade, ähnlich der Wormser Synagoge, war 3). Sonst wissen wir über ihren Grund- und Aufriss nichts. Analog anderen alten jüdischen Gotteshäusern wird sie in ihrem Innern vier getrennte Räume gehabt haben, einen Vorraum, die mit zwei eigenen Portalen versehenen, von Säulen getragenen, für Männer und Frauen streng getrennten Beträume, den etwas erhöhten, auf Stufen ersteigbaren Almemor (Thoraraum), dessen Vorderwand die mit seidenen Vorhängen geschmückte schreinartige Nische mit den Gesetzesrollen enthielt, sodann vielleicht auch, wie in Nürnberg, einen Lehr- und Rederaum, worin sowohl von einheimischen, als auch von auswärtigen, sich zeitweise in der Gemeinde aufhaltenden Gelehrten Vorträge gehalten wurden 4). An die Synagoge stießen zwei zur beständigen Gesetzespflege bestimmte Bethäuser. In der ersten Frankfurter Judenschlacht (1249) wurden diese nebst der Synagoge bis auf den Grund zerstört 5).


Die wieder aufgebaute Synagoge — über ihr Äußeres sowie über die inneren Einrichtungen schweigen unsere Quellen gänzlich — bestand nur 100 Jahre, dann wurde auch sie in der

3) Siehe Grotefend, Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertum, Bd. VI, S. 6166.

4) Siehe Gengler S. 110.

5) Politische Geschichte der Frankfurter Juden S. 10.


zweiten Judenschlacht (1349) völlig niedergebrannt 1). Die dritte Synagoge ward wohl nach der Rückkehr der Juden auf derselben Stelle errichtet, wie die früheren. Über sie wissen wir gar nichts.

Die Synagoge diente nicht nur zum Gottesdienst, hier wurden auch die vom Gericht den prozessführenden Juden auferlegten Eide geleistet, hier verhängte der Rabbiner den Bann über straffällige Gemeindemitglieder, hier wurden wohl schon damals die Erlasse des Kaisers oder des Rates der Gemeinde bekannt gemacht. Hier wurden auch noch andere, mit dem religiösen Kultus in keinerlei Beziehung stehende Geschäfte erledigt 2). So wurden die mit den Steuern Rückständigen nach beendigtem Gottesdienst vom Rabbiner zur Zahlung aufgefordert usw. 3).

Um die Synagoge zog sich ein allseitig abgeschlossener oder vielleicht ummauerter Schulhof 4) (scolhob). Vom Jahre 1316 ab war er wie die Synagoge längere Zeit von der jüdischen Gemeinde für ein Darlehen versetzt; der Schulhof war 1364 noch nicht ausgelöst 5).

In dem Bedebuch von 1390 wird das schalanthus erwähnt. Dieses war das Backhaus, in dem die Sabbatspeisen gewärmt wurden 6). Solche Sabbatöfen befanden sich zweifellos in jeder Gemeinde 7).

Die Gemeinde besaß auch ein besonderes Badehäuschen, gewöhnlich Badestube genannt, da „die Juden sunderlichen unde mit keime cristen baden sollten“ 8). Es lag gegenüber der Judenschule, „vermutlich war der östliche Teil der heutigen Schmidtstube das Judenbad“ 9). Ein christlicher Wärter saß darin. Nach der Rückkehr der Juden (1360) ward es von neuem erbaut und entrichtete dem Domkapitel einen Zins von 2 Gulden. Noch andere

1) L. c., S. 40.

2) Gengler S. 117.

3) L. c.

4) Urkundenbuch Nr. 43, S. 13, Nr. 141, S. 51, Nr. 191, S. 79 usw.

5) Urkundenbuch Nr. 191, S. 79. Baerwald, Der alte Friedhof der israelitischen Gemeinde, S. 8ff. und S. 21.

6) Urkundenbuch S. 294. Schalant stammt vom französischen chalant (Partiz. von chaloir). Or Sarua gibt es einfach als Übersetzung des hebräischen Chamim (gewärmte Speisen). Das Wort Schalant ist dem R. Isak Or Sarua, dem Lehrer des E. Meier von Rothenburg, in dieser Bedeutung ganz geläufig. Später wurde es zu Schalet verdorben. Vgl. Zunz, Gottesdienstliche Vorträge, S. 456, Anm. 1. Ich verdanke diese Notiz wie noch manche andere meinem lieben Freunde, Herrn Dr. Brann in Breslau, auch Herrn Bibliothekar Dr. Freimann bin ich für manche Anregung zu Dank verpflichtet. (Bothe, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte usw., führt auf S. 165 und 172 für die Jahre 1694 und 1703 einen Schaolsetzer an, also einen Aufseher der Öfen für die Sabbatspeisen.)

7) Über das Kölner Backhaus siehe unter domus pistorea bei Stern-Höniger, Das Judenschreinsbuch usw., S. 237.

8) Gengler S. 101. Anm. 28.

9) Battonn IV, S. 30. Im Bedebuch 1346 (Urkundenbuch S. 290) kommt Meckele als Wärterin in der Juden badestobin vor. Bothe, 1. c., S. 74, hält sie mit Unrecht für einen Juden.


Zinsverpflichtungen ruhten von früheren Zeiten darauf, wie gegen Wigel Frosch und die Nonnen des Weißfrauenklosters. Das, was Thomas unter den von ihm bloßgelegten Fundamenten als das Judenbad vermutet (Situationsplan k), mag viel eher das Ritualbad der Frauen gewesen sein. Es ist ein 5,61 qm fassender Raum mit unregelmäßig zu einander angelegten Hausfundamenten von außerordentlicher Tiefe (bis 4,60 m unter dem heutigen Niveau). Thomas meint, dass dieser Bau, bei dem eine 1896 noch vorhandene Schwellenrostfundierung festgestellt wurde, bis ins Grundwasser geführt haben muss, was für meine Ansicht spricht.

Für Tänze, Hochzeiten, Spiele diente das Tanzhaus (domus choreorum judeorum) an der Judenschule. Das deutsche Ordenshaus war der Grundherr. Als es 1349 in Flammen aufging, überließ der Komtur des deutschen Ordenshauses die Hofstätte dem Domkapitel gegen eine jährliche Rente von 3 Mark Silber 1).

Battonn erwähnt noch das ,,Judenheckhaus“ 2) als „Wein- und Wirtshaus der Juden“, das anscheinend früher ein Backhaus gewesen war. Es befand sich der Synagoge gegenüber an der Schmidtstube, der deutsche Orden war auch hier der Grundherr 2).

Ob die Gemeinde schon damals, wie Dietz*) behauptet, ein Spital (Hekdesch) gehabt habe, lasse ich dahingestellt. Unsere Quellen schweigen hierüber.

Als Gemeindehaus wurde vor 1288 ein von dem Juden Gottschalk erworbenes Gebäude benutzt. Es stieß an die Synagoge an. Im Jahre 1288 verkaufte sie es an den Priester Heinrich von Rödelheim 5). Wo das spätere Gemeindehaus lag, ist nicht bekannt.

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Die größte Gemeindehegenschaft war der Friedhof 6). Erwähnt wird er zuerst in einer Kauf Urkunde vom 3. September 1300 7). Vor der zweiten Stadterweiterung lag er außerhalb der Stadt 8),

1) Siehe Urkundenbuch Nr. 187, S. 77. In Köln spei(y)l hus genannt; siehe Stern-Hoeniger 1. c., S. 228.

2) Battonn IV, S. 28. Hin und wieder wird Heckhaus mit Hekdesch (Spital) verwechselt, so von Dietz, Stammbuch der Frankfurter Juden, S. 435.

3) L. c., nach dem Saalbuch der deutschen Ordenskommende.

4) Stammbuch usw., 1. c.; siehe auch Kriegk, Frankfurter Bürgerzwiste und Zustände, S. 445. Nach Battonn IV, S. 28, war das Judenheckhaus die spätere Stadt Nürnberg Lit. M., Nr. 72, an der Schmidtstube. Dietz gibt für das Spital Lit. M. Nr. 50 an, jetzt Kleine Fischergasse 20 an.

5) Urkundenbuch Nr. 15, S. 6.

6) Über ihn Baerwald im Osterprogramm der Real- und Volksschule der israelitischen Gemeinde in Frankfurt a. M. 1883.

7) Siehe Urkundenbuch Nr. 24, S. 8.

8) Darum bezeichnet 1306 in einer Verkaufsurkunde der Frankfurter Bürger Ludwig von Löwenberg seinen Hof am Begräbnisplatz der Juden als vor der Stadt gelegen. Urkundenbuch Nr. 29, S. 9.


erst durch diese wurde er in sie einbezogen. Höfe und Gärten grenzten an ihn, so der Kustodiengarten des Bartholomäusstiftes 1). Wie aus einigen Stellen der Gerichtsbücher 2) hervorgeht, war ein Teil des Friedhofes, der viel zu groß für die Gemeinde war, als Garten angebaut. Schon frühzeitig war er wohl mit Mauern umgeben und stellte in Kriegszeiten eine Art von detachiertem Fort dar, später, nach der Stadterweiterung, war er eine Festung innerhalb der Stadt. Als diese 1349 einen Angriff von Karl IV. zu besorgen hatte, da sie sich für seinen Gegenkönig Günther von Schwarzburg erklärt hatte, traf sie besondere Verteidigungsmaßregeln und ließ 11 Erker um die Altstadt und den Judenkirchhof anbringen 3).

1377 berichtet das Rechenbuch von großen Bauten, „die man den Juden um ihren Judenkirchhof getan hat“, doch erfahren wir nicht, von welcher Art diese waren.

Als 1388 der große Städtekrieg tobte, in den Frankfurt als Mitglied des Rheinischen Städtebundes mitverwickelt war, rüstete sich der Rat für eine etwaige Belagerung durch die vereinte Adelsund Fürstenmacht. Auch der Friedhof ward in Verteidigungszustand gesetzt, der Rat ließ deshalb Holz in ihn hineinfahren 4). Auch späterhin, zur Zeit des Schmalkaldischen und Dreißigjährigen Krieges (1635), diente er zu Verteidigungszwecken und ward damals mit städtischen Söldnern besetzt.

Ursprünglich war er volles, ausschließliches Eigentum der jüdischen Gemeinde 5), die ihn vom Kaiser erworben hatte. Ebenso gehörten ihr die zwei darin stehenden Häuser, von denen das eine zur Waschung der Leichen bestimmt war. Das andere diente wohl als Aufenthalt für die zwei Wächter, die wir dort finden 6).

Als sich 1316 die Gemeinde in großer Geldnot befand, entschloss sie sich, „da diese Not und diese Schuld die Judengemeinde anging, sich auch mit ihrem Besitz daraus zu befreien“. Deshalb versetzte sie den Friedhof nebst den dazu gehörenden Häusern und andere Gemeindeliegenschaften an Wigand von Kolnhausen und seine Frau Kuntzela gegen ein Darlehen von ca. 330 Köln. Mark 7).

1) Siehe Battonn V, S. 317.

2) Siehe Gerichtsbuch 1394, Fol. 41: Hans Rumpenheimer hat erfolgt uff hern Gipel zum Ebir ... von des gartten wegin uff dem judden kirchofe.

3) Rechenbuch 1349 vom 21. Juni (Fol. 33 a). (Urkundenbuch S. 216.)

4) Rechenbuch 1388, fol. 59 (unter Ausgaben) (Urkundenbuch S. 268): 4 Pfund Heller von holtze in dem buchwalde in der Juden kirchhoff zu furen.

5) Siehe Baerwald, 1, c., S. 7.

6) Siehe Rechenbuch 1366 (Urkundenbuch S. 227). Ausgaben: Die nuwen wechter: Hennen Flörsheim vnd Henne von Geilnhusen in dem judin kirchoffe 2 mark. Der Posten kehrt oft wieder.

7) Die näheren Einzelheiten der Schuldurkunde, die Bestimmung über die Zinsenzahlung und den Rückkauf der Rente siehe Baerwald, 1. c., S. 8. Politische Geschichte der Juden S. 21 und 22.


Zwanzig Jahre später ist Heinrich Schrenk von Gerlachsheim im Besitz einer ewigen Rente von 50 Pfund Heller auf den erwähnten Grundstücken. Die Gemeinde muss demnach innerhalb der festgesetzten Zeit die Rente zurückgekauft haben gegen eine ewige, bei der naturgemäß der Zinsfuß ein geringerer, nämlich nur 5%, war, Schrenk verkaufte die Rente wieder für 1.000 Pfund Heller an den Aschaffenburger Schöffen Johann Schwabe und an den Frankfurter Heinrich von Holzhausen 1).

In späterer Zeit findet sich die Rente in verschiedene Teile geteilt. Wir hören, dass 16 Mark der Rente im Besitz einer Ganerbschaft ist, zu der der Knappe Herdan von Alpach gehörte.

Getreu ihrer Politik, möglichst alle Grundrechte auf ihrem Territorium abzulösen, suchte die Stadt auch diese Renten an sich zu bringen. Im Jahre 1363 hatte sie davon schon 12 Mark erworben 2). Vom September 1374 bis April 1375 war sie besonders erfolgreich mit ihren Bemühungen. Zuerst entsagt Herdan von Alpach seinen Ansprüchen auf die Judenschule und den Judenkirchhof. Der Burggraf Eberhard Weise von Friedberg als Schiedsrichter setzte die Entschädigung auf 20 Gulden fest 3).

Im Januar 1375 tritt ihr Werner von Echzell und im Februar Agnes Weise je ein Sechstel und ein Achtzehntel ihres Anteils an der Judenschule und dem Judenfriedhof gegen 26 Gulden 16 Schill, ab, im April Herdan von Buches ein Sechstel der erwähnten Grundstücke gegen 20 Gulden, und so wird die Stadt sich allmählich in den Besitz des Friedhofes gesetzt haben 3).

Auf dem Friedhof wurden nicht nur die eingesessenen Juden, sondern auch die der Umgebung Frankfurts und fremde Juden gegen Entrichtung einer Summe ans Ärar bestattet. Der älteste Grabstein ist vom Monat Aw 5032 der jüdischen Zeitrechnung, also vom Juli 1272 datiert. Einige Forscher, so Baerwald 5), bezweifeln, ob es überhaupt der älteste jüdische Grabstein in Frankfurt sei, da es immerhin möglich, ja wahrscheinlich sei, dass es in den ältesten Zeiten der jüdischen Ansiedlung in Frankfurt innerhalb des Judenqnartiers auch einen jüdischen Friedhof gegeben habe. Er stützt sich dabei auf Schudt 6), der den Friedhof auf dem Garküchenplatz annimmt, und auf Kirchner 7), der ihn auf die Stelle der heutigen

1) Urkundenbuch Nr. 58, S. 17.

2) Baerwald, 1. c, S. 9.

3) Siehe Urkundenbuch Nr. 192, S. 79, und Nr. 193.

4) Rechenbuch 1374, fol. 57b, 58a und 60b, in Urkundenbuch S. 243. Von den Kaufbriefen, auf die das Rechenbuch Bezug nimmt, ist nur noch der letzte erhalten (Frankfurter Stadtarchiv, Rachtungen 778 vom 5ten April 1375).

5) Baerwald, 1. c.,S. 4.

6) Jüdische Merkwürdigkeiten II, Buch VI, Kap. 38, S. 362.

7) Jüdische Merkwürdigkeiten I, S. 199, Anm. 8.


Mehlwage versetzt. Doch schon Battonn 1), noch mehr aber Kriegk 2), haben das Irrtümliche dieser Ansicht nachgewiesen, und die von Baerwald angeführten Gegengründe sind nicht stichhaltig genug.

1) Jüdische Merkwürdigkeiten V, S. 318.

2) Frankfurter Bürgerzwiste im Mittelalter S. 443.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus der inneren Geschichte der Juden Frankfurts