Andere Berufe der Frankfurter Juden bis zum Ausgang des XIV. Jahrhunderts

Wenn auch Handel, Pfand- und Geldgeschäfte die größte Anzahl der Juden in Anspruch nahm, so finden wir in Frankfurt bei ihnen noch andere Berufe vertreten, doch muss dabei bemerkt werden, dass die meisten, die diese Berufe ausübten, daneben ein mehr oder minder ausgedehntes Leihgeschäft betrieben, wie wir dies unzweifelhaft aus den Gerichtsbüchern nachweisen können.

Wir beginnen zunächst mit dem angesehensten Beruf, dem ärztlichen.


Seit dem XIII. Jahrhundert war die Kirche bemüht, den Verkehr zwischen Christen und Juden möglichst zu beschränken, vor allem trat sie gegen die ärztliche Tätigkeit der Juden auf. Die Konzilien verboten den Gläubigen bei Strafe des Bannes, sich jüdischer Ärzte zu bedienen, und die Provinzialsynoden in den einzelnen Ländern, so auch in Deutschland, wirkten in diesem Bestreben weiter. So machte es die Trierer Provinzialsynode des Jahres 1227 den Landesherrn zur Pflicht, die Ausübung der Heilkunde bei Christen, sowie das Darreichen von Arzneien den Juden unter Androhung von Strafen zu verbieten 3). Die Wiener Kirchenversammlung vom Mai 1267 wandte sich an die Juden selbst, untersagte ihnen, kranke Christen zu besuchen und ihnen ärztliche Hilfe zu gewähren 4). Aber wie hätten sich die Gläubigen nach diesen Verboten richten können, da ja gerade im XIV. Jahrhundert die Päpste, und unter ihren Augen der römische Senat, dagegen verstießen! Dieser befreite z. B. im

3) ... nee aliquam potionem dent christianis. Aronius, S. 194, Nr. 439.

4) Nübling, Die Judengemeinden des Mittelalters S. 85. Scherer S. 334.


Jahre 1376 jüdische Ärzte „wegen der vielen Dienste, die sie den Bürgern täglich durch ihre ärztliche Kunst erweisen“, von jeder Steuer und Abgabe, sowie vom Tragen des Judenzeichens 1). Papst Bonifazius X. nimmt sogar den verdienstvollen Judenarzt Angelus 1392 unter die päpstlichen Ärzte und Hausgenossen auf 2).

Und wie in Rom, in ganz Italien und in anderen Ländern, so haben auch in Deutschland die höchsten weltlichen und geistlichen Behörden sich mit Vorliebe jüdischer Ärzte bedient und ihnen ihr volles Vertrauen zugewandt. Der Rat der Stadt Frankfurt hat, wie wir gleich erfahren werden, darin keine Ausnahme gemacht.

Wann zuerst sich ein jüdischer Arzt in Frankfurt niedergelassen hat, können wir nicht mehr ermitteln, jedenfalls erst sehr spät, nicht vor dem XIV. Jahrhundert. Um die Mitte des XIII. Jahrhunderts, also zu einer Zeit, wo die Gemeinde über 200 Seelen zählte, befand sich kein jüdischer Arzt in ihrer Mitte, denn das Martyrologium des Jahres 1241, das uns die in der ersten Judenschlacht Hingemordeten genau mit Namen und Beruf angibt, erwähnt unter ihnen keinen Arzt.

Als solcher wird zuerst in unseren Quellen Isaac (Ysaak) genannt. Im Gerichtsbuch 1345 3) heißt er medicus judeorum, in dem des Jahres 1347 4) nur arzit. Der zweiten Judenschlacht im Jahre 1349 ist auch er zum Opfer gefallen.

Vierzehn Jahre später 5), nachdem den Juden der Aufenthalt in Frankfurt wieder gestattet worden war, also im Jahre 1363, zieht dorthin Meister Jakob, gewöhnlich mit dem Beinamen Judenarzt 6). Seinen Beruf übte er auch unter Christen aus, und zwar auch außerhalb Frankfurts. Er muss einen gewissen Ruf genossen haben, denn als der Herr von Falkenstein erkrankte, erbat er ihn sich vom Rate, und dieser schickte ihn unter städtischem Geleite auf die Burg 7).

1) Siehe Moritz Stern, Urkundliche Beiträge über die Stellung der Päpste zu den Juden, Heft 1, S. 14: ... judei cirurgici in eorum arte peritissimi, qui cotidie Romania civibus fecerunt et faciunt multa servitia et sunt in Urbe utilissimi usw.

2) ... te in nostrum ... medicum et familiarem recipimus et aliorum medicorum et familiarium nostrorum ... numero aggregamus; 1. c. S. 17. Siehe auch Carmoly, Histoire des médecins juifs anciens et modernes Tome premier; Vogelstein und Rieger, Geschichte der Juden in Rom.

3) Siehe Urkundenbuch S. 410.

4) L. c, S. 429.

5) Die Vermutung Kriegks (Deutsches Bürgertum, S. 34), dass der Arzt Jakob von Basel, den das Bedebuch 1358 erwähnt, ein Jude gewesen sei, ist schon deshalb hinfällig, weil um diese Zeit noch keine Juden in Frankfurt weilten. Horovitz, Jüdische Ärzte in Frankfurt a. M., S. 5, Anm. 1, pflichtet ihm bei und bemerkt noch, dass er, „wie viele jüdische Ärzte und Ärztinnen nach ihm, außerhalb der Judengasse wohnte“. Dies trifft aber für die jüdischen Ärzte in Frankfurt nicht zu; unsere Quellen erwähnen nichts hierüber, wohl aber, dass Gesuche der jüdischen Ärzte, außerhalb der Judengasse wohnen zu dürfen, vom Rat abschlägig beschieden wurden.

6) Siehe die Rechenbücher von 1363 ab.

7) Rechenbuch 1376 vom 12. Januar, siehe Urkundenbuch S. 246.


In den Steuerlisten findet er sich noch bis 1391 1). Neben seiner Praxis betrieb er ein ausgedehntes Geldleih- und Pfandgeschäft. Der Name keines Arztes findet sich auch annähernd so oft in den Gerichtsbüchern erwähnt, als der seine. Wie sehr sich sein Wohlstand gemehrt hatte, geht daraus hervor, dass seine Steuer von 15 Gulden allmählich auf 31 Gulden gestiegen war.

Ein Jahr nach seinem Tode treffen wir als Judenarzt in Frankfurt wiederum einen Isaac. Da ihn die Rechenbücher niemals unter dem Posten „Einnahmen“ erwähnen, er also der Stadt keine Steuern zahlt, die Gerichtsbücher ihn aber nur als Schuldner kennen 2), so wird er ausschließlich seinem ärztlichen Berufe gelebt haben. Er teilte sich in die Praxis mit Vifand. Dieser aber scheint wenig verträglicher Natur gewesen zu sein und lebte mit einzelnen Gemeindemitgliedern nicht gerade im Frieden. Wahrscheinlich konnte er sich deshalb nur kurze Zeit in Frankfurt behaupten (von 1393 bis 1395) 3). Einen Teil seiner Praxis übernahm dann Salman Pletsch aus Regensburg. Beide scheinen sich ebenfalls ausschließlich auf ihren ärztlichen Beruf beschränkt zu haben, nirgends sind sie in den Gerichtsbüchern als Geldleiher erwähnt. Dieser Umstand und der Ruf, den Salomon Pletsch überall genoss, werden den Rat wohl veranlasst haben, ihn als städtischen Wundarzt 4) anzustellen, und zwar mit einem Gehalt von 36 Gulden und 6 Ellen Tuch, „einer farbe, so sie ander ire dienere cleiden“. Noch haben wir seine Bestallungsurkunde; sie ist vom 18. Juni 1394 ausgestellt, und zwar für die Dauer eines Jahres 5). Er verpflichtet sich darin, den Dienern der Stadt und allen denen, die in ihrem Dienst wund werden, ebenso den siechen Leuten 6) im Spital mit seiner Kunst ,,bereit“ zu sein und keinen Lohn dafür zu nehmen, von den Bürgern und Beisassen aber nur das Geziemende („daz zitlich und bescheidenlich ist“). Bei Streitigkeiten über die Höhe des Honorars hatte sich Salman Pletsch der Entscheidung der beiden Bürgermeister zu fügen. Die Verpflichtung Salmans als städtischer Beamter erfolgte durch Handschlag und Eidesleistung 7).

1) Also nicht bis 1396, wie Horovitz S. 5 annimmt.

2) Gerichtsbuch 1395, S. 818. Im Gerichtsbuch 1400, S. 885 prozessiert er mit dem Gerber Christian, anscheinend wegen des Honorars.

3) Im Gerichtsbuch 1394, S. 797 verklagt er Jakob, der ihn mit Schlägen misshandelt habe, ebenso prozessiert er mit Joseph, der ihn sogar in den Turm hatte werfen lassen (1. c. S. 799).

4) „der stad wondarzt“ heißt er im Rechenbuch 1395 (Urkundenbuch S. 279).

5) Siehe Urkundenbuch Nr. 428, S. 199 u. 200.

6) Horovitz hat juden für luden, was zu ganz falschen Folgerungen führen musste. Auf Grund dieser Lesart spricht Baas in seinem Aufsatz, Jüdische Hospitäler im Mittelalter (siehe Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums von Brann,. 57. Jahrgang, Heft 7/8, S. 456) von einem jüdischen Hospital in Frankfurt, und der Rat habe bestimmt, „dass der Stadtwundarzt Sahnan Pletsch ... die siechen Juden im Spital unentgelthch zu behandeln habe“.

7) Salman schwört natürlich den Judeneid.


Wenn wir die Bestallungsurkunde des Salman Fletsch mit der von christlichen Ärzten aus dieser Zeit, z. B. der des Hans, genannt Wolf, vom Jahre 1381 und der des Hermann von Worms vom Jahre 1393 vergleichen 1), so erkennen wir, dass sie sich inhaltlich völlig entsprechen. Nur ist der Dienstvertrag mit den Christen ohne jede Zeitangabe abgeschlossen. Daraus folgt aber keineswegs, dass damit ein Dienstverhältnis auf Lebensdauer gemeint ist, denn am Schluss des Briefes behält sich die Stadt jederzeit das Kündigungsrecht vor 2). Beide Ärzte erhalten ein geringeres Honorar als Fletsch, Hans Wolf nur 20 Gulden, Hermann von Worms 32 Gulden nebst den 6 Ellen Tuch. Die Eidesformel leisten sie in einer dem christlichen Glauben entsprechenden Form 3).

Wahrscheinlich ist auch Salman der jüdische Arzt, von dem sich Christen in der ärztlichen Kunst unterrichten ließen. Einen darauf bezüglichen Vertrag aus dem Jahre 1392, in dem Salman Fletsch schon praktizierte 4), haben uns die Gerichtsbücher erhalten 5). Danach sollte eine Kommission von Christen und Juden, „die sich uff ärtztie versteen“, die Höhe des Unterrichtshonorars festsetzen.

Was Salman Fletsch veranlasst hatte, aus Frankfurt wegzuziehen 6), wissen wir nicht. Jedenfalls waren die Erfahrungen, die der Rat mit diesem Judenarzt gemacht hatte, von der Art, dass er Ende 1398 das Amt eines Stadtarztes wiederum einem Juden, dem bereits erwähnten Isaak, übertrug. Als halben Jahreslohn erhielt er 10 Gulden 7).

1) Beide Verträge befinden sich im Frankfurter Archiv, Mittelgewölbe B 163, Nr. 3 u. 4.

2) „Auch mögen sie mir Urlaub geben, wilche tzid sie wollen“, wie im Urkundenbuch S. 200.

3) Nämlich: sie haben in gudin truwen globit und darnach mit mynen uff gerachten fingern gein der sonnen zu den heiligen gesworn, stede, veste und unverbrochenlich zu haldene etc. Der Fletsche Dienstbrief wird vom Ritter Rudolf von Sachsenhausen gesiegelt, der Wolfsche von ihm selbst, der Hermannsche vom Richter (Polizeibeamten) Jakob Neuhaus.

4) Siehe die Klage des Stangenträgers gegen ihn in Gerichtsbuch 1392, im Urkundenbuch S. 780.

5) Ich gebe den Wortlaut dieser interessanten Entscheidung aus den Gerichtsbüchern (Urkundenbuch S. 782) wieder: „Item presentibus quattuor (nämlich Schöffen) hant mit urtel gewiset, daz Longmus und der juddenartz sollen nemen cristen und judden, die sich uff artztie versten, und waz die dunckit, daz Longmus dem judden vor sine kvmst und arbeid dun sulle, daz gotelich, redelich und bescheidenlich sy, daz sulle er ym geben und sollent beide daran ein gnugen han.“

6) 1395 war er noch in Frankfurt, das Bedebuch von diesem Jahre (siehe Urkundenbuch S. 298) erwähnt einen Salman als Judenarzt.

7) Rechenbuch vom 11. Januar 1399 (Urkundenbuch, S. 283). Offenbar ist dieser Isaak derselbe, den Lersner in seiner Chronik (Buch II, Kap. XVI) unter medici ordinarii mit „Isaak Friedrich, der Jud“ bezeichnet; doch setzt er ihn fälschlich ins Jahr 1388. Stricker in seiner Geschichte der Heilkunde in Frankfurt a. M., S. 68, ist Lersner gefolgt, wie schon früher Schudt, II, S. 400, und Kirchner, I, 459.


1395 hatte auch ein Arzt namens Nathan einen allerdings nur ganz kurzen Aufenthalt in Frankfurt genommen 1). Anscheinend konnte er sich hier nicht behaupten, da der ärztliche Beruf zu übersetzt war.

In den Gerichtsbüchern tritt auch Selekeid „Judenärztin“ auf, eine leicht irreführende Bezeichnung, sie ist nämlich die Gattin des Judenarztes Jakob, nicht etwa Ärztin. Erst im XV. Jahrhundert haben wir eine wirkliche Judenärztin 2).

Auffallend ist, dass sich in dieser und auch in der folgenden Zeit keine jüdischen Hebammen in der Stadt finden 2).

Frankfurt war nicht die einzige Stadt, die mit Umgehung der kanonischen Verbote Juden als Stadtärzte anstellte. Erwähnen will ich nur, dass der Rat in Basel bis in den Anfang des XV. Jahrhunderts eine Reihe jüdischer Ärzte im städtischen Dienste hatte, so den Wundarzt Gutleben, der fast dreißig Jahre praktizierte. Wie sehr auch er den Anforderungen seiner Herren genügt hat, beweist am deutlichsten die Tatsache, dass sein auf 10 Jahre laufender Dienstkontrakt dreimal erneuert wurde, ferner, dass sein Gehalt von 24 Gulden (1378) auf 50 Gulden (1398) erhöht wurde; im Jahre 1380 erhielt er sogar 61 Gulden. In der Bestallungsurkunde von 1398 wurde er in allen Rechten und Freiheiten den übrigen Bürgern gleichgestellt. Verboten wird ihm aber, sowie seinem Weibe und seinen Hausgenossen, Geld auf Zins auszuleihen, solange er als einziger Jude in der Stadt lebe. Nur wenn noch andere Juden sich daselbst niederlassen und Geld ausleihen, sollte auch ihm dies gestattet sein 4).

Von sonstigen gelehrten Berufen haben wir natürlich den des Rabbiners. Er führt auch den Titel Rabbi (Rabi), Rebbe (Rebi), Meister 5), magister judeorum, Judenmeister, Lehrmeister, Hochmeister. Die meisten Namen der Frankfurter Rabbiner sind uns erhalten, allerdings oft nur die Namen. Die Reihe eröffnet einer der berühmtesten Rabbiner des Mittelalters, Simon Hadarschan, der Verfasser des Midrasch Jalkut 6), so dass es uns nicht wundernehmen darf, dass damals auch aus dem Ausland wissbegierige Jünglinge nach Frankfurt strömten, wie die Liste der Erschlagenen

1) Im Gerichtsbuch 1395 erwähnt (Urkundenbuch, S. 878).

2) Siehe Kriegk, 1. c., S. 558.

3) L. c.

4) Weitere Beschränkungen, so das Verbot, fremde Juden über Nacht ohne Wissen des Rates zu beherbergen, siehe Günzburg, Die Juden in Basel, in der Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, Band VIII, Heft 2, S. 368ff. Auch sonst verdanke ich diesem Aufsatz manche beachtenswerte Notiz.

5) Auch die Ärzte führen den Titel Meister.

6) Näheres über ihn siehe Epstein in der Zeitschrift Hachoker I, S. 85ff. u. S. 129ff. Die politische Geschichte der Frankfurter Juden bis zum Jahre 1349, S. 5 u. 6.


in der ersten Judenschlacht (1241) zeigt 1). Dem damaligen Blutbad fielen auch drei Rabbiner zum Opfer, Rabbi Isaak, ben Rabbi Nathan 2), ferner Rabbi Isaak Habachur und als dritter Rabbiner ebenfalls ein Isaak.

Als sich nach dem Gemetzel allmählich wieder eine Gemeinde bildete, erscheint ein Anselm 3) als ihr magister, der in ihrem Namen und Auftrag im Jahre 1288 eine Urkunde über den Verkauf eines jährlichen Zinses 4) unterzeichnet.

Zwei Menschenalter lang hören wir nichts von Frankfurter Rabbinern; erst um 1331 findet sich in den Gerichtsbüchern ein Lehrmeister Abraham, der vielleicht nur Schulmeister war 5). Um diese Zeit, jedenfalls noch vor der zweiten Judenschlacht, wirkte aber in Frankfurt ein Rabbiner, dessen Ruf weit über die Mauern der Stadt hinaus drang, Rabbi Süßlin Alexander Hakohen, der Verfasser des gefeierten Werkes Agudda (Sammlung) 6). Es enthält eine Darstellung des Religionsgesetzes im Anschluss an den Talmud und mit Zugrundelegung des Talmudtextes, außerdem aber auch eine große Anzahl Erklärungen und selbständiger, in die religiöse Praxis eingreifender Entscheidungen, „die letzte den gesamten Talmud umfassende Bearbeitung“ 7).

Von 1340 ab bis 1344 erscheint in den Gerichtsbüchern Gumpert unter verschiedenen Bezeichnungen, teils als Meister, magister judeorum, teils als Lehrmeister, oder auch Rebe 8). Um dieselbe Zeit wirken Rebe Girson 9), ein magister Aaron 10) und Meister Suzelin von Nürnberg 11) (1347). Beim Wiedererscheinen der Juden in Frankfurt nach der zweiten Judenschlacht ist in den Rechenbüchern der Lehrmeister Joseph mit dem Beinamen Lampe als Steuerzahler

1) L. c. s. 11.

2) über ihn siehe Horovitz, Frankfurter Rabbiner, S. 5.

3) Ob magister judeorum Rabbiner oder Vorsteher ist, muss von Fall zu Fall untersucht werden. Häufig wurden beide Ämter, da sie Ehrenämter waren, von derselben Person versehen.

4) Siehe Böhmer-Lau I Nr. 556, S. 268; Urkundenbuch Nr. 15, S. 6.

5) Urkundenbuch S. 332 u. 410.

6) Über die Zeit, in der er lebte, siehe Horovitz, 1. c., S. 10, Anm. 1. Ob er identisch ist mit Süßkind aus Köln, der in den Gerichtsbüchern und Urkunden der dreißiger und vierziger Jahre des XIV. Jahrhunderts erwähnt wird, oder mit dem Süßkind des Kölner Judenschreinsbuches (siehe Stern und Hoeniger Nr. 364, S. 163 und Nr. 370 u. 371, S. 165), ist zweifelhaft.

7) Güdemann, Geschichte des Erziehungswesens und der Kultur der Juden in Deutschland usw. III, 15; Horovitz, 1. c., S. 9. Über den Verfasser der Agudda siehe Weiß, Zur Geschichte der jüdischen Tradition V, 196 f., und Michael, Or ha-Chajim, Nr. 476.

8) Ob er mit dem in den Urkunden und Gerichtsbüchern um diese Zeit öfters genannten Gumprecht zum Storch identisch ist, ist zweifelhaft, siehe Salfeld, Martyrologium, S. 365.

9) Siehe Gerichtsbücher 1344 und 1346.

10) L. c. 1345. Rebin Suzman im Gerichtsbuch 1343 ist wohl Frau des Rabbi Suzman.

11) Urkundenbuch Nr. 112, S. 40.


mit 18 Gulden angeführt 1). Von 1374 ab tritt Rabbi Ascher auf 2), der den Ruf hoher Gelehrsamkeit hatte. Er ist vielleicht 2) der Verfasser eines ergreifenden Gebetes, das für die Stunde des Märtyrertodes, auf den jeder gefasst sein und für den sich jeder bereithalten sollte, bestimmt war 4). Aschers Zeitgenossen waren Lipmann (1366—1373), Isaak von Dieburg (1380) und David (1384). Von den Genannten wissen wir nur, dass sie den Beinamen Meister oder Lehrmeister hatten 5). Etwas besser sind wir über Meister Meier von Nordhausen unterrichtet. Er lebte zuerst in Cöln. 1381 finden wir ihn als Teilnehmer an der Rabbinerversammlung in Mainz. Ihre Beschlüsse unterzeichnet er mit Meier, Sohn des Märtyrers (Hakadosch) Rabbi Samuel aus Nordhausen. 1385 ist er in Frankfurt. Nach den Rechenbüchern zahlt er die hohe Steuer von 25 Gulden, die das nächste Jahr auf 20 Gulden ermäßigt ward 6). Zur selben Zeit lebte in der Stadt noch ein Rabbiner namens Meier; sein Geburtsort war vielleicht Fulda, doch wird er nach dem Ort seiner späteren amtlichen Tätigkeit mit Meier aus Erfurt bezeichnet und ist wohl identisch mit dem aus hebräischen Quellen bekannten Meier b. Baruch Halevi. Diesem Manne ist eine Hebung des Rabbinerstandes seiner Zeit zu danken. Er hatte mit tiefem Schmerz gesehen, wie in jenen Tagen wissenschaftlich, religiös und sittlich ungeeignete Elemente sich in das heilige Amt eingedrängt hatten. Die Folge davon war, dass die Rabbiner, besonders in den kleinen Gemeinden, oft ganz ohne Ansehen und Einfluss waren. Darin schuf nun Meier Wandel, indem er durchsetzte, dass erst der für befähigt gehalten werden sollte, das Rabbinat zu verwalten, der als würdiger Schüler eines anerkannten Gesetzeslehrers mit dem Titel Morenu (unser Lehrer) geehrt wurde. Der heilsame Einfluss solcher wissenschaftlich und sittlich hochstehenden Männer zeigte sich bald und machte sich besonders im Unterrichts wesen geltend 7). Aber dieser Meier scheint sich selbst nicht tadellos geführt zu haben, jedenfalls ward er im Jahre 1392 vom Frankfurter Rate

1) 1363 und 1364.

2) Rechenbuch des Jahres (Urkundenbuch S. 294). Seine Steuer beträgt 10 Gulden.

3) Siehe Zunz, Literaturgeschichte, S. 390f.

4) Mitgeteilt bei Horovitz 1. c., S. 12.

5) Aus den Gerichtsbüchern der betreffenden Jahre.

6) Rechenbücher 1385 und 1386 (Urkundenbuch S. 264 u. 265). Über ihn siehe Horovitz, S. 12, und besonders Stern, Die israelitische Bevölkerung der deutschen Städte III, Nürnberg im Mittelalter, S. 323. Im Gerichtsbuch 1385 (Urkundenbuch 719) findet sich folgender Vermerk über ihn: Heinr. von Holtzhusen burgermeister hat eynen kumer (Arrest) geuffint uff allis daz von des radis wegin, daz die Juden zu Frankinford Meyers, eres robines (!) gudis irme hat (!) für M. Mark Silbers. Nähere Nachrichten hierüber fehlen uns.

7) Näheres hierüber bei Stern, 1. c., und Güdemann, Geschichte des Erziehungswesens und der Kultur der Juden usw. I, 245 — 246; siehe auch III, 27. Weiß, Geschichte der jüdischen Tradition, S. 150, 164, 172, 255.


wegen eines Vergehens, ,,von bruche wegin, als ich widder sie und die iren getan“, wie er selbst in einer noch erhaltenen Urkunde gesteht 1) — wir wissen nicht, worin sein Vergehen bestanden hat. — eingekerkert, doch auf Verwendung des Königs Wenzel aus der Haft entlassen. In der Urfehde, die er zuvor schwören musste, verpflichtete er sich bei Strafe von 1.200 Gulden, weder gegen den Rat noch gegen die Frankfurter Juden mit Worten, Bannbriefen oder Werken und Schriften vorzugehen. Bald darauf finden wir ihn in Wien, wo er hochbetagt sein Leben beschloss.

Sein Nachfolger in Frankfurt war Süßlin von Speyer, den die Rechenbücher noch bis 1399 aufführen 2).

Über die Befugnisse der Frankfurter Rabbiner in unserem Zeitraum finden wir in unseren Quellen nur dürftige Angaben, doch ist anzunehmen, dass sie nicht anders gestellt waren, als die Rabbiner der damaligen Zeit in den deutschen Landen überhaupt. Demnach war der Rabbiner das religiöse Oberhaupt der Gemeinde 3). Als solchem kamen ihm gewisse Ehren und Auszeichnungen zu, so beim Verlesen der Gesetzesrolle an Sabbaten und Feiertagen. Seine Befugnisse waren mannigfaltig, wenn auch nicht scharf abgegrenzt 3).

In erster Reihe stand er an der Spitze der Lehrhäuser (Jeschiboth), in denen besonders das Studium des Talmuds gepflegt ward. Neben dem offiziellen Gemeinderabbiner hielten sich noch andere Gelehrte in der Stadt auf, die als Vorsteher eigener Lehrhäuser 4) ebenfalls den Titel Rabbiner führten.

Jüdische Studenten (schaland) 5) erwähnt das Gerichtsbuch des Jahres 1368 6).

Außer dieser Lehrtätigkeit übertrug man dem Rabbiner auch die Entscheidung religiöser Fragen, seine Anwesenheit und Mitwirkung bei Eidesabnahmen, Trauungen, Scheidungen und Lösungen der Leviratschen ward immer mehr üblich. Er ist zugleich als Richter tätig 7); an ihn wenden sich prozessführende Parteien,

1) Sie befindet sich im Frankfurter Stadtarchiv Untergew. E. 43 und ist in Freimanns Zeitschrift für hebräische Bibliographie XI, S. 107 ff. abgedruckt mit dem deutschen und dem hebräischen Text, das erste deutsche Sprachdenkmal in hebräischen Schriftcharakteren. Im Urkundenbuch steht sie Nr. 408, S. 187. Vgl. über ihn Joseph b. Mose, Leket Joscher, Einleitung I, Anm. 166, XLIff.

2) Seine Steuer von 20 Gulden ward 1396 auf die Hälfte ermäßigt.

3) Das Folgende unter Benutzung von Güdemann, Geschichte des Erziehungswesens usw. Band III, Kap. II.

4) Siehe Bedebuch 1389 (Urkundenbuch S. 294), „lernhus des juden“.

5) Schalans wahrscheinlich verstümmelt aus scholans.

6) Urkundenbuch S. 467.

7) So heißt es auch in einer vom Erzbischof von Mainz am 5. März 1378 für Isaak, der Juden Hoemeister, ausgestellten Instruktion: „Er darf die Zweiungen unter den Juden im Stift Mainz entscheiden, die Juden richten und vorladen nach judeschem Rechten, und wie er entscheidet, so sollen es die Parteien beobachten, ausgenommen die Artikel und Sachen, die vor uns selbst gehören.“ (Mainz-Aschaffenburger Ingrossaturbücher, Band IX, fol. 1378 im Würzburger Archiv.)


damit er durch Vergleich Streitigkeiten schlichte oder auf Grund des mosaisch-talmudischen Gesetzes entscheide. War der Ruf seiner Gelehrsamkeit sehr groß, so wandten sich in solchen Angelegenheiten nicht nur Mitglieder der eigenen Gemeinde an ihn, sondern auch aus weiter Ferne bestürmte man ihn mit Anfragen, die ihn oft in eine weitläufige, zeitraubende Korrespondenz verwickelten.

Neben dieser Wirksamkeit lag dem Gemeinderabbiner noch ein anderes Amt ob: er hatte, wie einst die römischen Zensoren, die Aufsicht über die Sitten. Alles, was zwar nicht den Strafrichter anging, aber doch mehr oder minder in moralischer und sonstiger Hinsicht Anstoß erregte, konnte er vor sein Forum ziehen. Ohne seine Zustimmung durfte in der Gemeinde keine neue Anordnung getroffen werden 1). Wo dem Gemeindevorstand zugleich eine gewisse Jurisdiktion zustand, führte er den Vorsitz im Kollegium. Um seine Autorität aufrechtzuerhalten und seinen Bestimmungen Nachdruck zu verleihen, standen dem Rabbiner manche Disziplinarmittel, leichtere und schwerere, zur Verfügung. Er konnte Widerspenstigen in der Synagoge vor versammelter Gemeinde eine Rüge erteilen oder gar bei weiterer Renitenz den Bann (Cherem) in seiner milderen oder härteren Form über sie aussprechen. Die letzte Form war sehr gefürchtet; wer 30 Tage in ihm verharrte, dessen Vermögen verfiel dem Fiskus 2). Aber der Missbrauch, den manche Rabbiner aus eigennützigen Absichten mit dieser Macht trieben, — in einem kaiserlichen Erlass vom 3. Mai 1407 2) wurden ihnen geradezu Erpressungen vorgeworfen, infolge deren sie viele Juden ins Elend gebracht hätten — veranlasste Kaiser Ruprecht und viele Behörden des Reiches, dagegen einzuschreiten. Auch die jüdischen Gemeinden suchten diese den Rabbinern gegebene Waffe abzustumpfen oder unschädlich zu machen. Während in der Frankfurter Gemeinde die Verhängung des Bannes nunmehr nur mit Wissen und Geheiß der Vorsteher erfolgen durfte, bestand in anderen Gemeinden das Gesetz, dass weder die Rabbiner, noch die Vorsteher, sondern die ganze Gemeinde zum Bann ihre Bewilligung geben mußten 3).

Der Fall, dass ein Kaiser den etwaigen Bann gegen Juden, die in ihrer besonderen Gunst stehen, von vornherein für ungültig erklärt, begegnet uns nicht selten. So hatte, wie wir wissen, Kaiser Ludwig der Bayer seinem Schwager, dem Grafen Gerlach von

1) Güdemann, L c., III, 93, besonders Anm. 4 daselbst.

2) Güdemann, 1. c., S. 35 u. S. 47.

3) Über den Bann siehe besonders Scherer, Die Rechtsverhältnisse der Juden in den deutsch-österreichischen Ländern, S. 243; Güdemann, 1. c, S. 46, 48, 49; Kracauer, Beiträge zur Geschichte der Frankfurter Juden im dreißigjährigen Krieg in Geigers Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland, Band III u. IV.


Nassau, zuliebe bestimmt, dass vier jüdische Familie, die dieser in Frankfurt angesiedelt hatte, nicht gebannt werden durften 1).

Das Amt der Rabbiner war bis zum Ende des XII. Jahrhunderts ein Ehrenamt, ohne Entgelt; das änderte sich später und gab Maimonides Anlass, heftig gegen die zu eifern, die sich für die Ausübung ihrer Tätigkeit bezahlen ließen 2); sie verloren ja damit auch ihre unabhängige Stellung der Gemeinde gegenüber. In späterer Zeit, am Ausgang des Mittelalters, sind die Frankfurter Rabbiner Gemeindebeamte mit festem Gehalt, ob schon im XIV. Jahrhundert, lässt sich nicht nachweisen; vielleicht hatten sie nur freie Wohnung. Jedenfalls betrieben die meisten von ihnen noch Geld- und Pfandgeschäfte. Nur bei Ascher und Meier aus Erfurt ist dies nicht nachzuweisen, wenigstens fehlen ihre Namen in den Gerichtsbüchern.

***

Während sich die Rabbiner nur mit dem höheren Unterricht, dem eingehenden Talmudstudium, abgaben, lag der Elementarunterricht auch in der Frankfurter Gemeinde in den Händen der Schulmeister. Als solchen lernen wir 1341 Menchin Fischelin 3) (Fiszelin) kennen; dann ist noch von einem Samuel als ehemaligem Schulmeister die Rede 4), 1375 wird Moise als Schulmeister erwähnt 5).

Wohlhabende Juden hielten sich besondere Hauslehrer, die Schulmeister genannt wurden 6). Für den Anfangsunterricht gab es keine öffentlichen Schulen, sondern Privatlehrer unterrichteten die ihnen von den Eltern anvertrauten Zöglinge gegen Entgelt in ihrer Behausung. Den Lehrstoff bildete zuerst der Pentateuch, später leichtere Stellen aus der Mischna und dem Talmud 7). Der Unterricht schloss mit dem dreizehnten Lebensjahre (der Barmizwa) ab.

Auf die Ausbildung der Mädchen in der hebräischen Sprache legte man wenig Gewicht. Man verfasste für sie schon frühzeitig Übersetzungen der Bibel und anderer hebräischer Schriften 8), wohl ins Judendeutsch, das sich aber damals kaum vom ortsüblichen Deutsch unterschied. Schulverfassungen mit Lehrplänen für den

1) Siehe Urkundenbuch Nr. 48, S. 14/15 :.. noch der banne, den die juden darüber tun mochten, den wir chreftloz sagen von unserem gewalt.

2) Güdemann III, S. 33.

3) Gerichtsbuch 1341, wohl identisch mit Menlin Fiszelins schulenmeister, siehe Urkundenbuch S. 384.

4) Sannel, quondam schulmeister.

5) Urkundenbuch S. 561.

6) So Kosser, Salmans scholmeister, Urkundenbuch S. 456. Zweifelhaft ist, ob die öfters vorkommende Bezeichnung lermeister (lirmeister) als Rabbiner oder Schullehrer gelten soll.

7) Güdemann, 1. c., S. 110.

8) Güdemann, 1. c., S. 113.


höheren und niederen Unterricht gab es wohl im nördlichen Frankreich 1), für die deutschen Juden um diese Zeit fehlen sie.

Wenn auch das Amt des Vorbeters oder Vorsängers in einzelnen Fällen vom Rabbiner mitübernommen wurde 2), so wurden doch in der Regel dafür besondere Personen angestellt. Am Schluss des XIV. Jahrhunderts werden in Frankfurt die Vorsänger Seligmann (1383), Jakob (1392) und Baruch (Baroch, Barijs) erwähnt 3); vielleicht war auch Salman Sänger, nach seinem Beinamen zu schließen, ein solcher.

Für die Kleidung des Vorbeters während des Gottesdienstes, für die Art seines Vortrages und auch für sein außerdienstliches Verhalten hatte R. Moses Minz besondere Anweisungen abgefasst 4).

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Zu den niederen Kultusbeamten gehören auch die Schulklopfer (Schulrufer). Im Jahre 1373 führen die Gerichtsbücher als solche Joseb, 1395 Joselin, 1396 Eberlin, 1397 Salman, 1400 David an. Der erwähnte Baruch hatte für kurze Zeit beide Ämter, das des Schulklopfers und das des Vorsängers zugleich inne. Auch eine Schulkopferin Sara findet sich in dem Gerichtsbuch 1312, wahrscheinlich ist sie aber nur die Frau eines Schulkloppers. Die Aufgabe der Schulklopfer war, die Gemeindemitglieder zum Gottesdienst einzuladen. Wenn auch die Gebetstunden genau bestimmt waren, so zeigte sich doch die Notwendigkeit, zum Frühgottesdienst durch einen Kultusbeamten besonders wecken zu lassen. Dies geschah entweder durch lautes Rufen 5) vor den einzelnen Wohnungen, daher der Name Schulrufer in den Rechenbüchern, oder auch durch Klopfen an die Haustüren. Die Zahl wie die Aufeinanderfolge der Schläge war genau festgesetzt, in den rheinischen Gemeinden zuerst zwei Schläge, dann nach einer Pause ein dritter, anders in den österreichischen 6).

Das offenbar geringe Gehalt, das ihnen das Amt eintrug, zwang sie zu anderweitigem Verdienst, und so begegnen wir ihnen häufig in den Gerichtsbüchern als Geldausleihern.

1) Mitgeteilt von Güdemann, I, S. 92 ff.

2) So von R. Maharil und seinem Vater, s. Güdemann, III, S. 49. Einer der im ersten Blutbad in Frankfurt getöteten Rabbiner führte den Beinamen Chasan (Vorbeter).

3) Baruch hatte 1398 das Amt niedergelegt, denn das Rechenbuch dieses Jahres nennt ihn einen ehemaligen Vorsänger. (Baroch, der jüden vorsenger waz, Urkundenbuch S. 283.) Ob der Name Senger, der sich hin und wieder als Beiname bei Judennamen findet, so Salman sengir, wie Kriegk will, als Vorsänger zu deuten ist (siehe oben), lasse ich dahingestellt.

4) Güdemann, III, S. 95—97.

5) „Gerufen“ wurde an den Sabbaten und Festtagen, sonst wurde wohl immer und überall ,,geklopft“.

6) Güdemann, 1. c., S. 95.


Von sonstigen Beamten finden wir in der Frankfurter Gemeinde den Judenschreiber, auch nur als Schreiber bezeichnet. Er hatte Verträge und sonstige Beurkundungen aufzuzeichnen, vielleicht schrieb er auch die Gesetzesrollen. Als solchen lernen wir 1346 Meier (Meiger) 1) und 1371 Salman 2) kennen.

Zweifelhaft ist, was unter der Bezeichnung der „Juden schatter“ zu verstehen ist 3), vielleicht Judenschätzer, d. h. der die Vermögen der Gemeindemitglieder für die Steuerveranlagung einschätzte.

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Charakteristisch für die Stellung, die damals noch die Juden im wirtschaftlichen Leben einnehmen, ist, dass laut den Gerichtsbüchern noch bis zur Mitte des XIV. Jahrhunderts Juden und sogar Jüdinnen als Unterkäufer, resp. Unterkäuferinnen auftreten, während sie später zu diesem Nahrungszweig nicht mehr zugelassen wurden. Unterkäufer hatten sozusagen amtlichen Charakter, denn sie waren die offiziellen Handelsvermittler zwischen den fremden Verkäufern und den einheimischen Käufern; sie hatten den Bürgern anzuzeigen, wann Waren auf den Markt gebracht worden waren, beim Handel zu vermitteln, das Kaufmannsgut auf etwaige Fehler hin zu prüfen und für die richtige Lieferung der erstandenen Waren zu sorgen 4).

Jede Art von Waren hatte ihre besonderen sachverständigen Unterkäufer. In den Gerichtsbüchern treten drei jüdische Unterkäufer auf: zwei Frauen, Lewa um 1331 5), und die „kleine“ Sara um 1342 6) und Samuel um dieselbe Zeit 7). In welchem Geschäftszweig die Angeführten tätig waren, wissen wir nicht.

Noch ein anderer Nahrungszweig war den Juden oder vielmehr Jüdinnen 8) gelassen worden, der der „Hocken“. In den Achtzigern des XIV. Jahrhunderts betreibt diesen Handel in Landesprodukten, Esswaren usw. die Jüdin Ellechin 9). Nach einer Verordnung am

1) Urkundenbuch S. 412.

2) L. c. S. 482.

3) „Seligman der Juden schatter“. Urkundenbuch S. 685, vom Jahre 1383. Ist er identisch mit Seligman, dem Vorsänger, Urkundenbuch, S. 684?

4) Nach Bücher, Die Bevölkerung von Frankfurt a. M. im XIV. und XV. Jahrhundert, S. 251, 252. Er bemerkt dabei (S. 253): „Zur Zeit der Messen scheint im XIV. Jahrhundert der Unterkauf frei gewesen zu sein und zahlreiche Einheimische und Fremde darin ihren Erwerb gesucht zu haben.“ Näheres über Unterkäufer bei Dietz L c. S. 378 ff. Es gab sowohl ständige Unterkäufer als auch solche, die nur für Messezeiten angestellt wurden 1. c.

5) Siehe Gerichtsbuch dieses Jahres im Urkundenbuch, S. 322 und Gerichtsbücher 1341 und 1344 (Urkundenbuch 400).

6) Urkundenbuch, S. 366.

7) L. c., S. 362.

8) Über diesen Stand siehe Bücher, 1. c., S. 249, der noch bemerkt: „Trügt nicht unsere Beobachtung, so wurde das Hockenwerk in Frankfurt ... vorwiegend von Frauen betrieben.“

9) Gerichtsbuch 1386 im Urkundenbuch, S. 218.


Ende des Jahrhunderts durften die „Hocken“ nur in ihren Häusern und auf ihren verzinsten Fenstern feilhalten; wer beider entbehrte, dem sollte auf dem Samstagsberg ein Stand angewiesen werden.

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Es lässt sich nicht bestreiten, dass die Juden in Deutschland, je mehr wir uns dem Ausgang des Mittelalters nähern, sich immer mehr vom Handwerk abgewandt haben — im Gegensatz zu ihren Glaubensgenossen in den slawischen 1) und romanischen Ländern 2). Sie tragen aber nicht allein die Schuld daran. Denn die Innungen, die ja nicht nur gewerbliche, sondern auch religiöse Verbände waren, schlossen sie naturgemäß aus, und deren Druck nachgebend, verboten ihnen an verschiedenen Orten die Behörden die Ausübung des Handwerks 3).

Auch in Frankfurt hatte in der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts das Handwerk unter den Juden noch einige Vertreter gefunden. Dass es in der Judengasse jüdische Bäcker und jüdische Metzger gab — wir lernen aus den Gerichtsbüchern den Judenbäcker Fifelin 4) und den Metzger Ysrahel kennen 5) — ebenso Judenwirte 6) und eine Käsemacherin 7), nimmt uns nicht wunder. Aus religiös-rituellen Rücksichten musste man den Juden diese Berufe zugestehen 8). Aber auch an solchen Gewerben, wo derartige Gründe nicht mitsprachen, beteiligten sich die Juden. Ein Schneider Aaron — wie der Name sagt, ein Jude — wird 1328 ins Bürgerrecht aufgenommen und schwört den Bürgereid 9). Das Schreinerhandwerk betreiben Salman (ca. 1330 — 1346), von dem es ausdrücklich heißt: „judeus, qui operatur cistas 10)“ und Abraham, um dieselbe Zeit 11). Doch haben die beiden zuletzt Erwähnten sich auch mit Geldverleihen befasst.

1) Siehe das Verzeichnis der Prager Judengemeinde von 1546, das uns eine stattliche Anzahl von Handwerkern aufweist, in Geigers Zeitschrift der Juden in Deutschland, Band I, S. 178 ff.

2) Güdemann, 1. c. II, S. 139.

3) Siehe Berliner, Aus dem Leben der deutschen Juden im Mittelalter, S. 78, 79, 80; Güdemann, III, S. 169ff.

4) Pistor judeorum in den Gerichtsbüchern 1348 (Urkundenbuch S. 437 u. 445) „becker judeus“).

5) Gerichtsbuch 1342 im Urkundenbuch, S. 370.

6) Die Gerichtsbücher verzeichnen einen Vertrag, den der Judenwirt Abraham mit einem Juden wegen seiner halbjährlichen Verköstigung bei ihm abschließt (Urkundenbuch, S. 745). In den Steuerlisten wird er nicht genannt.

7) Sie findet sich in den Rechenbüchern 1394 und 1395 mit dem Steuerbetrag von 3 Gulden.

8) Aus demselben Grunde (siehe 3. Buch Moses, Kap. XIX, 19) würden wir gern Heilman d. Juden, den Kürschner, als Juden ansprechen, aber trotz des Beinamens Jude ist er offenbar Christ, ebenso der im Urkundenbuch S. 470 erwähnte Kürschner Rüben, wie aus der ganzen Stelle daselbst hervorgeht.

9) Siehe Bedebuch Oberstadt vom Jahre 1328 im Urkundenbuch S. 290.

10) Er heißt auch Salman kistener, siehe Urkundenbuch, S. 363, 368, 381 usw.

11) Urkundenbuch S. 395.


Zum Schluss haben wir noch der Dienstboten bei den Juden zu gedenken. Die gerichtlichen Verhandlungen führen uns Judenknechte und Judenmägde vor, deren Namen schon auf christlichen Ursprung hindeutet, wie Contzechin, der Knecht Abrahams 1), Elbil, Magd des Fifelin 2), Drude, Magd des Arztes Jakob 3), Else, Magd des Seligman 4), Jekil, Knecht Nathans 5). Doch ist das Material zu dürftig, um etwa, wie Bücher es für das XV. Jahrhundert versucht hat 6), eine Statistik der Haushaltungen mit Angabe der Zahl der Dienstboten aufzustellen. Dass reiche Juden mehrere Dienstboten hielten, was ja eigentlich selbstverständlich ist, sehen wir bei dem Judenarzt Jakob und bei der Zorline. Erst am Ausgang des Jahrhunderts (1380) ward den Juden das Halten christlicher Dienstmägde und Ammen, wahrscheinlich aus Besorgnis vor geschlechtlicher Vermischung, untersagt, von männlichen Dienstboten spricht dagegen der Erlass des Rates nicht 7). Dieses Verbot ist aber offenbar nicht streng durchgeführt worden, der Frankfurter Rat hatte es auch nicht aus eigener Initiative gegeben, sondern nur einem Druck des Schwäbischen Städtebundes damit nachgegeben, und so finden wir auch nach dieser Zeit noch Christinnen in jüdischen Diensten, wie Drude im Dienste der Seligkeit 8), Else im Dienste Seligmanns 9), und vielleicht Gele in dem der Zorline 10). Dagegen sind die männlichen Dienstboten seit dieser Zeit fast ausnahmslos Juden.

Im XV. Jahrhundert hielt es der Rat für nötig, bei den Stätigkeitserteilungen die Zahl der Dienstboten, die jede jüdische Haushaltung aufnehmen durfte, genau festzusetze 11), weil wohl zu besorgen war, dass unter dem Titel Dienstboten fremde Juden und Jüdinnen widerrechtlich in der Stadt wohnten und keine Steuern zahlten 12). Jedenfalls ist auffallend, dass sich auch Dienstboten unter den Geldverleihern befanden, die Steuern entrichteten, wie z. B. die Magd Besselini 13).

1) Urkundenbuch S. 314.

2) L. c., S. 618. ; 3) L. c., S. 918. ; 4) L. c., S. 716. ; 5) L. c., S. 473. ; 6) Bücher, S. 565.

7) Urkundenbuch Nr. 319, S. 126. Bereits das Wiener Provinzialkonzil des Jahres 1267 hatte den Juden untersagt, christliche Dienstboten und Ammen in ihren Häusern zu haben. Scherer S. 332.

8) Urkundenbuch S. 739. ; 9) L. c., S. 736. 10) L. c., S. 826. ; 11) Siehe Bücher S. 586.

12) Urkundenbuch S. 255. ; 13) L. c. S. 263.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus der inneren Geschichte der Juden Frankfurts