Erste Fortsetzung

Eine ebenso interessante wie hochwichtige Rolle spielt dabei eine merkwürdige, von dem größeren Publikum noch zu wenig gekannte und gewürdigte Eigenschaft des Wassers, von welcher in ihren Konsequenzen so zu sagen Sein und Nichtsein der gesamten organischen Geschöpfs-Welt abhängt. Während nämlich alle Körper mit zunehmender Kälte sich immer mehr zusammenziehen und dabei stets. dichter und schwerer werden, bildet dagegen das Wasser eine bedeutungsvolle Ausnahme hiervon, indem das Maximum seiner Dichtigkeit nicht etwa bei 0°, sondern bei plus 4° liegt, oder mit anderen Worten, es zieht sich das Wasser bei seiner Abkühlung bloß bis gegen plus 4° immer mehr zusammen, wogegen es sich unterhalb dieses Temperaturgrades wieder ausdehnt, so dass es z. B. bei 2° schon weniger dicht und folglich spezifisch leichter als bei 4° ist.

Von welcher außerordentlichen Tragweite dieser anscheinend geringfügige Umstand für die Vorgänge der Eisbildung ist, springt sofort in die Augen. Wie wir oben gesehen haben, so sinkt das Wasser an der Oberfläche der Gewässer bei eintretender Kälte so lange in die Tiefe, als noch wärmere Wasserschichten darunterliegen. Hat nun aber auf diesem Wege die ganze Masse des Wassers sich allmählich bis auf die oben bezeichnete Temperatur von plus 4° abgekühlt, so erreichen damit zugleich auch jene Strömungen notwendiger Weise ihre Grenze; denn von nun ab hört das Wasser an der Oberfläche beim weiteren Erkalten unter jenen Temperaturgrad auf, dichter und. schwerer zu werden; im Gegenteil dehnt es sich jetzt, wie angedeutet, bis zum Gefrierpunkte herab, fortschreitend wieder aus, indem es damit zugleich spezifisch leichter wird. Das so unter plus 4° erkaltete Wasser kann daher unter diesen Umständen nicht mehr untersinken und den tieferen Wasserschichten seine Kälte mitteilen, sondern es bleibt an der Oberfläche, wo es, wenn die äußere Kälte 0°, d. h. den Gefrierpunkt erreicht hat, sich in Eis verwandelt und dabei eine mehr oder weniger dicke Eisrinde bildet, welche die darunter befindliche Wassermasse gegen die äußere Kälte abschließt und vor dem Gefrieren schützt. Es bildet sich somit bei 0° aus einem Wasser, welches eine wesentlich geringere Dichtigkeit als bei plus 4° besitzt, und es folgt deshalb schon aus diesem Grunde, dass das Eis leichter und weniger dicht als das darunter befindliche Wasser sein müsse, auf dessen Oberfläche es daher auch, wie bekannt, schwimmt. Außerdem besitzt aber auch das Wasser noch die besondere Eigenschaft, sich beim Festwerden, d. h. also bei der Eisbildung, beträchtlich auszudehnen, und zwar findet diese Ausdehnung bekanntlich mit solcher Gewalt statt, dass dadurch die stärksten Kanonenläufe und härtesten Felsen aus einander gesprengt werden.


Jene eine Tatsache nun, dass das Wasser bei plus 4° das Maximum seiner Dichtigkeit erreicht, sowie die daraus sich ergebende Konsequenz, dass das Eis in Folge dessen spezifisch leichter ist als Wasser, bildet, wie bereits oben angedeutet, die Grundlage und gewissermaßen den Angelpunkt des gesamten organischen Lebens an unserer Erdoberfläche, und kann man entschieden aussprechen, dass ohne jene Eigenschaft des Wassers unsere Erde eine unfruchtbare Wüste, ein kalter, starrer Eisball werden würde. Um die Bedeutung des Gesagten zu begreifen, vergegenwärtigen wir uns für einen Augenblick das, was notwendiger Weise eintreten müsste, wenn jene Eigenschaft plötzlich zu wirken aufhören würde.

Die nächste Folge hiervon wäre, dass die einzelnen Wasserteilchen nach dem allgemeinen Gesetze sich bei zunehmender Kälte bis 0° immer mehr zusammenziehen, d. h. dichter werden, und folglich die beschriebenen Strömungen, nämlich das Hinabsinken des erkalteten und das Aufsteigen des warmen Wassers, so lange fortdauern würden, bis alles Wasser in seiner ganzen Tiefe bis auf den Gefrierpunkt abgekühlt wäre, worauf alsdann die Eisbildung plötzlich durch die ganze Wassermasse hindurch erfolgen und so letztere vollständig von der Oberfläche bis zum Grunde zu Eis erstarren müsste.

Alle Gewässer würden demnach unter diesen Umständen schon bei einer nur wenig unter dem Gefrierpunkt liegenden Kälte in ihrer ganzen Tiefe gefrieren und sich in wahre kolossale Gletschermassen verwandeln. Damit würde aber gleichzeitig allem tierischen Leben im Wasser mit einem Schlage ein Ende gemacht, indem namentlich die Fische in dem plötzlich rings um sie her sich bildenden Eise eingeschlossen werden und zu Grunde gehen müssten. Nicht minder schwer würde jedoch auch das organische Leben ans dem trockenen Lande getroffen werden; denn wenn wir sehen, wie wenig die kompakten Eismassen der Gletscher sich in der schönen Jahreszeit durch Schmelzung vermindern, so können wir mit vollster Bestimmtheit annehmen, dass auch die intensivste Sonnenwärme im Sommer machtlos wäre, die bis auf den Grund erstarrten Flüsse und Seen wieder aufzutauen und zu schmelzen, womit zugleich der ganze Strom reichen Lebens, der in Flüssen und Bächen rinnt, unterbunden und die von der Bewässerung eines Landes unzertrennliche Fruchtbarkeit uud Kultur vernichtet würde.

Allein auch in dem flüssigen Wasser würden die Fische und sonstigen Wassertiere schwerlich existieren und fortkommen können, wenn darin nicht die oben geschilderte fortwährende Bewegung herrschen würde, d. h. wenn die fast beständigen, von oben nach unten gerichteten Strömungen denselben nicht die notwendige Lebenslust zuführen würden. Wie die Tiere des festen Landes, so bedürfen selbstverständlich auch die Fische in der Tiefe des für die Unterhaltung der Atmung und des Lebens unentbehrlichen Sauerstoffes, der ihnen, im Wasser gelöst, zugeführt wird, das stets mehr oder weniger reichliche Mengen davon absorbiert enthält. Diese Auflösung und Absorption des Sauerstoffes der Luft findet aber selbstverständlich nur an der Oberfläche des Wassers statt, und derselbe kann daher auf diesem Wege nur bis zu einer geringen Tiefe, und auch dies nur in sehr spärlicher Menge, in: Wasser eindringen. Wenn dessen ungeachtet die Fische auf dem Grunde der Gewässer frisch und munter zu atmen und zu leben vermögen, so verdanken sie dies lediglich jener beständigen Wanderung des Wassers von oben nach unten und umgekehrt, wobei der von dem Wasser an der Oberfläche aufgenommene Sauerstoff mit ersterem zum Grunde hinab befördert und so den Bewohnern der Tiefe zugeführt wird.