Zweite Fortsetzung

Nicht minder nützlich wirken diese Strömungen und die dadurch bedingte Sauerstoffzufuhr auch auf das Wasser selbst oder vielmehr auf die stets darin enthaltenen organischen Stoffe, deren Fäulnis namentlich in nicht fließenden Gewässern, Teichen und Seen wesentlich hierdurch verhindert wird, indem einerseits die unausgesetzte Bewegung das Wasser beständig durch einander wühlt und mischt und so eine Ablagerung und örtliche Anhäufung jener Stoffe unmöglich macht, während andererseits die Sauerstoffzufuhr dazu beiträgt, jene Bestandteile langsam zu oxydieren oder zu verbrennen und so das Wasser frisch zu erhalten.

Als vollendetstes Perpetuum mobile in dem von uns angedeuteten Sinne erscheint jedoch unstreitig der nimmer ruhende Ozean mit seiner periodisch wiederkehrenden Bewegung von Ebbe und Flut, mit seinem unaufhörlichen Wellen- und Wogen-Spiel und seinen großartigen, gleichfalls durch die Wirkung der Wärme hervorgerufenen permanenten Strömungen, wie Polar-, Äquatorial- und Golfstrom. Es ist klar, dass die ungleiche Wärmeverteilung auf unserer Erdoberfläche auch eine sehr ungleiche Wirkung auf die Wassermasse des Weltmeeres in den verschiedenen Zonen ausüben und hierdurch das Bild der Massenbewegung im Meere ein überaus kompliziertes werden muss. Während das Meerwasser in den Polargegenden fortwährend den eisigsten Temperaturen ausgesetzt ist, erleidet dasselbe hingegen in der Äquatorialzone gleichfalls das ganze Jahr hindurch die Einwirkung tropischer Sonnenglut, und zwischen beiden Extremen breitet sich auf der weiten Fläche des Ozeans eine endlose Reihe der mannigfaltigsten, nach der Jahreszeit wechselnden und durch die verschiedensten lokalen Verhältnisse modifizierten Zwischenstufen der Erwärmung aus.


In gleicher Weise wie nun im Luftmeere durch ungleiche Erwärmung an den verschiedenen Punkten die regelmäßigen und variablen Luftströmungen oder Winde entstehen, ebenso resultieren aus derselben Ursache auch im Weltmeer Wasserströmungen ähnlicher Art, um das durch die ungleiche Erwärmung beständig gestörte Gleichgewicht wiederherzustellen. Die am Äquator und zwischen den Tropen durch die brennenden Sonnenstrahlen bis zu einer gewissen Tiefe bedeutend erwärmten und dadurch spezifisch leichter gewordenen, sowie in ihrem Niveau etwas gehobenen Wassermassen fließen hierbei kontinuierlich zu beiden Seiten nach den Polen ab (Äquatorialstrom), wofür gleichzeitig in umgekehrter Richtung von den Polen aus das durch den Äquatorialstrom verdrängte kalte und schwere Wasser in der Tiefe zur Ausgleichung nach dem Äquator hin strömt (Polarstrom), so dass demnach beide Ströme in entgegengesetzter Richtung über einander hinfließen und hierin ganz dem Äquatorial- und Polarstrom in der Atmosphäre entsprechen. Das in der Polarzone angelangte Wasser des Äquatorialstroms sinkt hier, auf die arktische Temperatur abgekühlt, in die Tiefe hinab, um nun als Polarstrom wieder nach dem Äquator zurückzufließen und, daselbst wieder erwärmt, denselben Kreislauf zum Pole und zurück aufs Neue anzutreten. Um diesen in gerader Richtung mindestens 2.000 Meilen betragenden Weg vom Äquator nach dem Pol und wieder zurück zu durchlaufen, bedarf ein Wassertropfen nach ungefährer Berechnung circa zwei Jahre, und sehen wir so auf diese Weise das Seewasser unaufhörlich in großartigem Umschwunge und wunderbarem Wirbeltanze kreisen.

So einfach, wie wir hier zum Zweck des Verständnisses diese beiden Hauptströmungen betrachtet haben, gehen dieselben jedoch in Wirklichkeit niemals von statten; vielmehr treten fortwährend die mannigfachsten Momente hindernd und modifizierend in den Weg, unter welchen vor Allem die Achsendrehung unserer Erde eine mächtige Wirkung ausübt, und finden wir auch hierin die bereits berührte Übereinstimmung zwischen den Luft- und Meeresströmungen wieder.

Jedermann weiß, dass diejenigen Punkte der Erdoberfläche, welche am Äquator oder in dessen Nähe liegen, bei der Rotation der Erde von Westen nach Osten einen ungleich größeren Weg zurückzulegen haben als solche, welche am oder gegen den Pol zu gelegen sind, und zwar gilt dies selbstverständlich in ganz gleichem Grade von den Wasserteilchen des Meeres wie von dem festen Lande. Indem nun das Wasser von dem Äquator nach dem Pol strömt, gelangt es demnach hierbei in solche Meeresteile, deren Rotationsbewegung eine weit langsamere als diejenige am Äquator ist. Nach dem allgemeinen Naturgesetz der Trägheit oder des Beharrungsvermögens bewahrt aber das Wasser unter diesen Umständen längere Zeit seine frühere Geschwindigkeit und kann sich daher der langsameren Bewegung des betreffenden Punktes von Westen nach Osten nicht sogleich anschließen, sondern eilt demselben nach Osten gleichsam voraus, wodurch eine mehr östlich oder vielmehr nordöstlich gerichtete Strömung entsteht, da das Wasser weder der einen Bewegung nach dem Pole, noch der anderen nach Osten ganz folgt, sondern die Mitte zwischen beiden hält.