Aus Neptuns bewegtem Wellenreiche. Naturwissenschaftliche Skizze

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1875
Autor: Emil Sommer, Erscheinungsjahr: 1875

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Kreislauf, Wasser, Luft, Bewegung, Temperatur, Veränderung, Perpetuum mobile, Ozean, Pole, Erdkörper, Golfstrom, Gletscher, Eis,
Wenn irgendetwas auf unserer Erde das Prädikat ewigen Bewegtseins, eines Perpetuum mobile, für sich beanspruchen kann, so ist es unstreitig das Wasser, wie es, jeden Augenblick seinen Ort und seinen Zustand wechselnd, unaufhörlich auf und ab flutet, auf zahllosen labyrinthischen Wegen vom Quell zum Strome und Meere eilt, hier mit den wogenden Fluten mächtiger Meeresströmungen um den Erdball kreist und ebenso schnell wieder in flüchtigen Dampf sich wandelnd auf den leichten Schwingen der Lüfte und der Wolken dahin zurückkehrt, von wo es ausgegangen.

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In diesem ewigen Kreislauf ist so das Wasser in Wirklichkeit der lebendig pulsierende Blutstrom des Erdköpers, durch dessen Glieder er in tausend sichtbaren und unsichtbaren Adern rastlos seine Fluten rollt, überall Leben, Wachstum und Bewegung um sich verbreitend.

Allein nicht bloß die äußerlich wahrnehmbaren Strömungen, Wanderungen und Formveränderungen sind es, welche das Wasser keinen Augenblick zur Ruhe kommen lassen, in weit höherem Grade ist es die unsichtbare Bewegung im Innern desselben, welche die einzelnen Wasserteilchen in fortwährendem Wirbeltanze und rastlosem Auf- und Abwogen erhält. In keinem Naturgange offenbart sich zugleich das Prinzip der mechanischen Wärmetheorie in großartigerem Maßstabe wie hier, oder mit anderen Worten, in keiner anderen Tatsache zeigt sich in eklatanterer Weise die Wärme als Quelle aller mechanischen Kraft und Arbeit, wie in den Strömungen und Bewegungen des Wassers, deren alleinige Ursache und Triebkraft die Wärme mit ihren regelmäßigen und unregelmäßigen Variationen darstellt. Ein Gemälde ebenso anziehender wie bedeutsamer Art entrollt sich uns hier im kristallenen Reich der Wasser und im harmonischen Spiel ebenso einfacher wie großartiger Naturkräfte.

Betrachten wir im Geiste beispielsweise an einem kühlen Sommertage den ruhig vor uns ausgebreitet daliegenden ebenen Spiegel eines Sees. Keine Regung scheint die Ruhe der spiegelglatten Wasserfläche zu stören, und doch wallt und wogt es im Innern der stillen Flut auf und nieder in unaufhörlicher, wenn auch unsichtbarer Bewegung, geweckt durch die äußere Berührung, gleichsam durch den Kuss der Atmosphäre. Die auf dem Spiegel des Sees ruhende kühle Luft entzieht offenbar den Wasserteilchen an der Oberfläche durch ihre Berührung Wärme, d. h. sie erkaltet dieselben bis zu einem gewissen Grade. Wie aber alle Körper sich in der Kälte zusammenziehen und spezifisch schwerer werden, so zieht sich auch das abgekühlte Wasser zusammen und sinkt in Folge dessen vermöge der erlangten größeren Schwere nach dem Grunde hinab, während dafür selbstverständlich andere Wasserteilchen an die Oberfläche treten, wo dieselben alsdann die gleiche Abkühlung und Zusammenziehung erleiden und in derselben Weise zu Boden sinken, wie die ersten und so fort, welcher Vorgang sich natürlich ins Unendliche wiederholt und, wie leicht einzusehen, so lange andauern muss, bis alles Wasser des Sees die Temperatur der äußeren Luft angenommen hat.

Wir sehen daher hier gerade das Umgekehrte von dem stattfinden, was sich in einem von unten erwärmten Gefäß mit Wasser, d. h. also z. B. in jedem Kochtopfe ereignet, wo dieselben, aber entgegengesetzten Strömungen von unten nach oben dadurch hervorgerufen werden, dass hier das Wasser unten erwärmt wird und, hierdurch spezifisch leichter geworden, aufwärts an die Oberfläche steigt, was sich gleichfalls so oft wiederholt, bis alles Wasser die nämliche Temperatur erlangt hat.

Jede Schwankung der äußeren Temperatur, sei es, dass dieselbe von oben oder von unten auf das Wasser einwirkt, ruft hiernach notwendiger Weise in demselben Strömungen hervor, in welche sukzessive die ganze Masse des Wassers hineingezogen wird, und wenn inan bedenkt, welch' unaufhörliche Veränderungen die Luftwärme stündlich erleidet, so ist klar, dass sich das Wasser fortwährend im Zustande innerer Bewegung und Strömung nach einer oder der anderen Seite hin befinden muss, wenn auch der äußere Augenschein nichts davon erkennen lässt.

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