Erste Fortsetzung

Die Erscheinung jener Landstädte in diesen entfernten Gegenden leidet aber eine verschiedene Erklärung. Einmal konnten sie der Schiffe der an den Seeküsten gelegenen Schwesterstädte sich bedienen und sie gemeinschaftlich nach Russland befrachten, oder aber sie konnten zu Land, durch die sächsischen, wendischen, preußischen und livländischen Provinzen ihren Hin- und Herweg finden. So unbegreiflich es ist, wie sie bei einer so weiten inneren Landfahrt, bei den dadurch so sehr vermehrten Kosten und der damaligen Unsicherheit der Straßen mit den Seestädten die Konkurrenz aushalten konnten, so wenig scheint doch die Erscheinung selbst bezweifelt werden zu können. Mehrere Statuten erwähnen ausdrücklich der hansischen Landfahrer auf der Niederlage zu Nowogorod. Es werden den Seefahrern aus leicht begreiflichen Gründen große Vorzüge zugestanden; es wird durch verschiedene Statute geboten, die schweren russischen Güter, ja selbst endlich gar alle ohne Unterschied zu Lande auszuführen, und zufolge anderer Vorschriften wird die Versendung der Waren aus Flandern auf demselben Wege nach Russland oder umgekehrt, untersagt. Dennoch aber scheint die einmal eingeführte Sitte nie ganz außer Gebrauch gekommen zu sein. Gewiss aber überwogen die Seestädte auf dieser Niederlage. Vor allen andern scheinen Lübeck und Wisby, so lange die letztere Stadt blühte, und nebst diesen beiden die livländischen Städte, vornehmlich Riga, Reval (seit 1285) und Dorpat die größten Handelsgeschäfte nicht nur hier betrieben zu haben, sondern es sind auch von diesen Gemeinden die nötigen Vorschüsse, Gesandtschaften und die Satzungen, die auf die Niederlage Bezug hatten, vorzugsweise ausgegangen. Dass aber die livländischen Städte, durch ihre Lage und Nähe begünstigt, hier zuweilen eigenmächtig verfuhren, da wenigstens ein Teil des Verkehrs mit den Russen durch ihre Landschaften hin getrieben werden musste: davon kommen bereits früher einige Spuren vor und in der Folge werden die Klagen immer lauter, da die Einheit des Bundes mehr und mehr abnahm und da diese Gemeinden monopolistisch den Verkehr mit den Russen zu beherrschen suchten.

Außer den drei oben genannten gehörten auch die Städte Narwa und Pernau der Hansa an und zwar, wie jene, dem vierten Quartier mit dem Vorort Danzig. Riga war so geehrt, dass es zu den ausgezeichneten Städten des Bundes gerechnet wurde, welche den Kaufleuten Zeugnisse geben durften, dass sie hansische Mitglieder wären und etwas später wurde Narwa als der Marktplatz angesehen, aus dem Russland, Livland, Preußen, Polen, Litauen, die Tartarei und Kleinasien ihre Waren verluden.


Verzeichnisse der Aus- und Einfuhr mangeln. Unbezweifelt haben die Hansen die beliebten rohen Produkte der großen russischen Waldungen vorzüglich ausgeführt. Namentlich kommen in den unvollkommenen Nachrichten nur Lederwerk, Wachs, Honig, Flachs und Werg vor; doch mögen die beiden letztgenannten Artikel mehr noch aus Livland, als aus den russischen Provinzen ausgeführt worden sein. Auf diese wenigen Gegenstände beschränkten sich die Deutschen gewiss nicht, wenn gleich die genannten leicht die bedeutendsten sein mochten und namentlich das Wachs in den katholischen Zeiten bei den üblichen Kirchengebräuchen stets eines ungeheuer großen Marktes zum Absatz gewiss war. Zuverlässig aber bemeisterten sich die Deutschen aller und jeder rohen Produkte des Tier- und Pflanzenreiches der unermesslichen russischen Waldungen, welche irgend zum heimischen Gebrauche oder zur Versorgung der von ihnen besuchten und beherrschten westlichen Markte geeignet waren. Hierzu mögen sich etwa einige Produkte der Viehzucht gesellt haben, denn es ist wahrscheinlich, dass die Russen im kunstvolleren Anbau des Bodens noch eben keine bedeutende Fortschritte gemacht hatten, wodurch sie geschickt gewesen wären, viele andre Gegenstände, die aus dieser Quelle hervorgegangen waren, zum Tausche anzubieten. Ihre Fortschritte in Bezug auf die Verarbeitung des rohen Materials aber erstreckten sich, angesehen den rohen Zustand dieses Volks, wohl sicher nicht weiter, als auf einige Vorarbeiten an den Produkten, welche ihnen die Natur und ihr Klima in reicher Fülle geschenkt hatten. Unter den Gegenständen der hansischen Einfuhr werden am häufigsten Tücher aus verschiedenen Ländern, vor Allen aber flandrische genannt, welche von den Deutschen auf ihrer flandrischen Faktorei eingetauscht oder eingekauft und hierher gebracht wurden. Es ist wahrscheinlich, dass außer diesen flämischen Tüchern ursprünglich eben keine anderen in diese Gegenden von den Deutschen verführt wurden, wie es denn ausdrücklich heißt, dass sie auf diese eigentlich privilegiert wären. Auch scheint es die recht gemeinte Absicht der Hanse gewesen zu sein, hierauf zunächst zu bestehen. Allein die Allgewalt der Umstände riss sie unwiderstehlich zu andern Maßregeln fort. Als das Tuchbereiten sich unter andern Völkern verbreitete, als insbesondere die Engländer dies Gewerbe vollkommener betrieben und sich nicht mehr auf die Verfertigung der Tücher für die einheimische Konsumtion beschränkten, als sie vielmehr auch fremde Markte mit diesem Produkte ihres Fleißes zu versorgen immer mehr und glücklicher bemüht waren: da versuchten sie es auf mittelbare Weise ihren Tüchern in dem tiefen Norden einen Absatz zu verschaffen. Sie kamen mit eignen Schiffen nach den Hansestädten, an die preußischen und livländischen Küsten, sie brachten ihre Tücher dahin und die Hansen selbst holten sie in ihren eignen Fahrzeugen, da ihr Verbrauch und Absatz in andern Gegenden weiter nicht untersagt war. Man behauptet, dass die englischen Tücher bei gleichem oder besserem Gehalte wohlfeiler ausfielen, und in Bezug aus Länge und Breite weniger betrüglich verfertigt würden, als die flandrischen. Ohne Zweifel musste das eine oder das andere der Fall sein, da die Engländer jene älteren und mächtigeren Konkurrenten zu besiegen hatten und sie nur durch eine bessere Qualität oder durch wohlfeilere Preise schlagen konnten. Die Hanse, welche diese Mitbewerbung auch gar nicht ungern sehen mochte, musste doch, um es mit den Flämingern nicht zu verderben, den Tüchern der letzteren wohl einen Vorzug einräumen; auch scheint es, dass die Russen, welche nun einmal an flandrische Tücher gewöhnt waren, diese vorzüglich begehrten. So mögen denn die englischen Tücher von den Deutschen zuerst etwa durch eine Art Schleichhandel hierher geführt worden sein; da aber alle Handelsvorschriften nichts fruchten, wenn die Privatpersonen bei ihrer Übertretung ihren Vorteil finden, so scheint die Hanse ihre Aufmerksamkeit zuletzt darauf beschrankt zu haben, dass man nur keine unbekannte, ungezeichnete und unbesiegelte Tücher hierher führe, um nicht stets wegen der betrügerischen Kürze und Breite und wegen andrer Mängel mit den Russen in Streit zu geraten. Die Hanse gestand es endlich förmlich zu, dass man englische Tücher, wenn sie nur auf flandrische Art gemacht worden, nach Russland bringen dürfe. Die preußischen Städte begehrten nun verschiedentlich die Erlaubnis, polnische, ohne Zweifel grobe Tücher, auf die russisch-hansischen Niederlagen führen zu dürfen, aber weder das Kaufhaus, noch die Hanse scheinen dazu ihre Einwilligung je gegeben zu haben. Desto gewisser aber sind aus den deutschen Hanse-Städten Tücher, welche in ihren Weichbildern verfertigt worden waren, ohne Zweifel jedoch ebenfalls nur ganz grobe, nach Russland verführt worden. Da die Russen in der eigenen Fabrikation selbst dieser gröberen Zeuge noch so weit zurück sein mochten, so konnten sie, trotz der größeren Frachtkosten und des geringeren Wertes, mit Vorteil in diese Ferne geführt werden. Unter den übrigen Artikeln der Einfuhr werden namentlich Salz, Heringe, Gold und Silber erwähnt; doch wollte die Hanse die beiden letzteren Gegenstände nicht dahin geführt haben, obgleich es immerhin von Zeit zu Zeit geschehen zu sein scheint. Dies waren aber zuverlässig nicht die einzigen Waren, welche von den Deutschen hierher gebracht wurden. Alle einheimischen Produkte ihres eignen Bodens und ihres Gewerbefleißes, sowie alle die der nördlichen und westlichen Völker, deren Markte sie beherrschten, wurden unbezweifelt hierher geführt, insofern man mit einiger Sicherheit auf einen Absatz rechnen konnte. Die Wohlhabenheit der Städte Nowogorod und Pleskow, wie ins Fabelhafte übertrieben sie auch immer angegeben werden mag, war doch so bedeutend, dass mehrere Bedürfnisse fremder Güter hier entstanden waren, die man durch die hansische Zwischenhand sich allein nur verschaffen konnte. Ein zwar roher Hofstaat der Fürsten und Großfürsten Russlands, nach orientalischer Weise aber einem gewissen Pomp ergeben, und eine große Zahl hoher Bojaren des Reichs begehrten manche fremde Güter, um vor dem gemeinen Volke sich auszuzeichnen; endlich aber selbst bei dem letzteren mochten verschiedene Fischwaren, Lebensmittel und andre Güter, in deren Besitz sich die Hanse befand, auf einen bedeutenden Absatz rechnen können. So wenig die Quantität dieser Einfuhr bekannt ist, so wenig sie genauer angegeben wird, so gewiss ist doch die Sache an sich gewesen. Der eigentliche Mechanismus, wie dieser Verkehr betrieben ward, war folgender.