Abschnitt 1

III. Köln


Basaltberge, insbesondere der Basaltbruch bei Unkel. Vulkanistische Hypothesen


Als wir am folgenden Tage unsere Wasserfahrt fortsetzten, kamen wir dem Flecken Unkel gegenüber an die merkwürdigen Basaltgruppen, über deren säulenförmige Bildung schon Trembley erstaunte, ohne jedoch etwas von dem Streit zu ahnen, den man zeither über ihre Entstehung mit so vieler Wärme geführt hat. Bei niedrigem Wasser ragen sie aus diesem hervor, und sind, so weit es sie bedecken kann, mit einem kreideweißen Schlamm überzogen, welcher auch die Tonschieferfelsen bei Bingen bedeckt. Wahrscheinlich macht dieser Schlamm den Rhein so trübe, wenn er von Berggewässern hochangeschwollen ist. Wir wanderten über die Gipfel oder Enden der konvergierenden Säulen, und gingen in den Steinbruch, der jetzt einen Flintenschuß weit vom Ufer hinaufwärts liegt, ob er sich gleich ehemals bis dicht an das Wasser erstreckte. Hier standen die sehr unvollkommen und regellos gegliederten Säulen von ziemlich unbestimmteckiger Form und Mannsdicke, aufrecht auf einem Lager von braunem, tonartigem Gestein voll Höhlen, die zum Teil noch mit verwitterndem Kalkspat angefüllt waren. Die Säulen sind von ziemlich festem Korn, dichtem Bruch, mattschwarz mit schwarzen Schörlpunkten und lauchgrünen Olivinen reichlich angefüllt, die sich zuweilen in faustgroßen Massen darin finden. Außerdem enthalten diese Basalte öfters Wasserkies in dünnen Streifen, desgleichen einen gelbbraunen Tropfstein oder Kalksinter, womit sie durchwachsen sind, und endlich, nach Aussage der Arbeiter, auch klares Wasser in ganz verschlossenen Höhlungen, die zuweilen im Kern einer Säule angetroffen werden.

Das Losbrechen der Säulen sieht gefährlich aus. Es geschieht vermittelst eines spitzen Eisens, das an einem langen Stocke befestigt ist, und das der Arbeiter zwischen die Fugen bringt. Der Sturz ganzer Massen von Säulen hat etwas Fürchterliches, und sobald man merkt, dass sie stürzen wollen, rettet sich ein jeder, um nicht beschädigt zu werden. An vielen Säulen, welche auf diese Art in unserer Gegenwart losgebrochen wurden, bemerkte ich einen weißen, vermutlich kalkigen Beschlag oder Anflug, dessen Ursprung sich so wenig, wie der Ursprung des bereits erwähnten Sinters, erklären läßt, wenn man anders nicht künftig Kalkarten in der Nähe findet. Doch können auch die Wasser auf sehr langen Strecken Kalkteilchen aufgelöset enthalten und weit mit sich führen, ehe sie dieselben wieder absetzen.

Sowohl auf diesem westlichen, als auf dem entgegengesetzten östlichen Ufer des Rheins, bis in das Siebengebirge hinunter, sind diese Basaltbrüche häufig genug, um für die ganze Gegend Bau- und Pflastersteine zu liefern. Das ehemalige Jesuitenkollegium in Koblenz ist von außen mit Basaltstücken bekleidet, und die Heerstraßen werden damit in gutem Stande erhalten. Was suchen wir also weiter nach den Werkstätten, wo die Natur den Bimsstein von Andernach bereitete, wenn, wie es heutiges Tages bei so manchem Naturforscher für ausgemacht gilt, Basaltberge und erloschene Vulkane völlig gleichlautende Benennungen sind? Können wir noch die Spuren des ehemaligen Brandes vermissen, wo der Basalt sogar, wie hier bei Unkel, auf einer braunen, löcherichten Lava steht? Haben die Basaltberge nicht die charakteristische Kegelgestalt, und ist hier nicht ein Krater vorhanden, den de Lüc zuerst entdeckt hat, und dessen Öfnung er mit der Hand bedecken konnte?

Ich gebe Dir mein Wort, dass der Mutwille des Reisenden, der den ganzen Tag hindurch in frischer Luft und in muntrer Gesellschaft schwelgte, keinen Anteil an dieser Darstellung der vulkanistischen Logik hat. Es ist wahr, dass man unaufhörlich von dem Punkt ausgeht, den man erst beweisen sollte, und dann, wie gewisse Exegeten, zurückbeweiset: Basaltberge sind erloschene Vulkane; also ist der Basalt ein vulkanisches Produkt! oder: Basalt steht auf löcherichter Lava; also ist Basalt feste Lava! oder: Vulkane sind kegelförmige Berge; also sind kegelförmige Basaltkuppen Vulkane! oder endlich: ein Schlund, aus welchem der Rauch und die Flamme des Vulkans emporsteigen und Bimssteine und die Felsstücken herausgeschleudert werden, ist ein Krater; also ist ein Loch auf einem Basaltberge, welches man mit der Hand bedecken kann, ein Krater, und der Basaltberg ein Vulkan! Ohne das geringste von der Sache zu wissen, sieht man ein, dass diese sämmtlichen Schlüsse nichts beweisen, da bald der Obersatz, bald die Folgerung ungegründet ist. De Lüc’s Krater lasse ich für sich selbst sprechen. Die Kegelform der Vulkane, die natürlich genug durch die Anhäufung der ausgeworfenen Steine, Erde und Asche entsteht, beweiset nichts für die Entstehung der festen säulenförmig zerklüfteten Basaltkegel, zumal da es auch kegelförmige Kalkberge genug gibt, und wiederum Basaltmassen, die sich in ganz verschiedenen Gestalten zeigen. Die löcherichte Steinart bei Unkel ist darum noch keine Lava, weil sie einigen Laven ähnlich sieht; und nun möchte es um den ersten willkührlich angenommenen Satz, dass Basaltberge Vulkane sind, etwas mißlich stehen. Diejenigen, die sich auf die Urteile Anderer verlassen, und die Vulkanität des Basalts auf Treu und Glauben annehmen, sollten sich erinnern, dass das nullius in verba nirgends unentbehrlicher ist, als im hypothetischen Teile der Naturgeschichte. Bescheidene Forscher, die der vulkanistischen Vorstellungsart gewogen sind, erkennen dennoch, dass sie nur Hypothese bleibt und vielleicht nie zur Evidenz einer ausgemachten Sache erhoben werden kann. Allein die mineralogischen Ketzermacher, die auch in den Erfahrungswissenschaften die Tyrannei eines allgemein geltenden Symbols einführen wollen, verdammen gern einen jeden, der ihren Träumen nicht eben so viel Glauben beimißt, wie ihren Wahrnehmungen.

Ich bin weit davon entfernt, den Basalt geradezu für eine im Wasser entstandene Gebirgsart zu halten; allein ich gestehe zugleich, dass mir keine von den bisher bekannten Erklärungen Derer, die seinen Ursprung vom Feuer herleiten, Genüge leistet, ja, dass mir insbesondere seine Entstehung in den brennenden Schlünden, die wir Vulkane nennen, völlig widersprechend und unmöglich scheint. Wäre der Basalt vulkanischen Ursprungs, so müßte man die Gebirgsart entdecken können, aus welcher er in seine jetzige Form und Beschaffenheit geschmolzen ward. Aber noch nie hat man in irgend einem Naturalienkabinet oder auf irgend einem Gebirge ein Stück Basalt gezeigt, an welchem sich hätte erkennen lassen, ob es aus Granit, aus Gneus, aus Porphyr, aus Thonschiefer, aus Kalkstein u.s.w. zu Basalt geschmolzen worden sei.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ansichten vom Niederrhein