Pettenkofen. Übergänge zur Neuzeit

Pettenkofen ist, wie Menzel, von der Zeichnung für Illustrationen ausgegangen, wozu das früher geschilderte Wiener Kunstverlagswesen ihm reichlich Anregung und Aufträge bot. Auch er hat Uniformen studieren, Gamaschen, Knöpfe, Helme zu hunderten zeichnen müssen. Erst als er nach Ungarn kam, in die Tiefebene der Theiß, ging ihm sein eigenster Beruf auf. Was er dann später in seinen zahlreichen Zigeunerszenen, galizischen Pferdemärkten, venezianischen Motiven leistete, gehört schon auf ein anderes Blatt der Kunstgeschichte, zählt zu den ersten Erscheinungen des modernen Impressionismus. Licht, Luft, Sonne, der Dunst der Ebene, das grelle Nebeneinander bunter Trachten, Waren, Früchte, Blumen, das alles ist in seinen, meist in kleinem Format gehaltenen Bildern so meisterhaft, so rein malerisch gelöst, dass man ihn mit Recht zu den besten Modernen aller Nationen zählt.

Auch im rein Menschlichen, in der Auffassung des Lebens und des Künstlerberufes überraschen uns bei Pettenkofen auf Schritt und Tritt moderne Züge, wie man sie etwa bei Liebermann schätzen gelernt hat. Sein ungewöhnlicher Lebenslauf erklärt zum Teil die vollständige Befreiung seiner Kunst vom Hergebrachten, Fachsimpelnden. — In der folgenden Darstellung von Pettenkofens Wesen und Werk folge ich den Mitteilungen, die Emerich Ranzoni 1889 in seinem Nekrolog (Allgem. Kunst-Chronik XIII, 7) über den Künstler gab, einem Artikel von C. v. Lützow, und einer Zusammenstellung der Werke, die über meine Veranlassung und unter meiner Mitwirkung der Kunstschriftsteller Friedrich Pollak unternahm, und die zum Teil in der leider allzu kurzlebigen Zeitschrift ,,Die Kunstwelt“ 1904 erschien. Auch persönliche Erinnerungen von Freunden und Bekannten Pettenkofens, der Herren General v. Berres, Miller v. Aichholz, Kunsthändler Wawra sen., Hofrat Schaeffer, der Schwestern Müller usw., habe ich verarbeitet. Eine Monographie oder auch nur eine halbwegs ausführliche und verlässliche Zeitschriften-Publikation über diesen eminenten Künstler existiert bisher noch nicht. Der Kustos-Adjunkt am Hofmuseum, Herr Dr. Weixlgärtner, arbeitet im Auftrage des Unterrichtsministeriums an einer Pettenkofen-Biographie. Möge bis zum Erscheinen dieses Werkes die folgende Darstellung den Freunden und Verehrern des Meisters eine willkommene Aushilfe sein!


Am 10. Mai 1822 wurde August von Pettenkofen in Wien geboren. Die Familie v. Pettenkoffer (erst später nahm der Künstler die Änderung des Namens vor) war damals reich begütert und in den Wiener Adelsund Militärkreisen sehr angesehen. Auf den ausgedehnten Besitzungen seines Vaters in Galizien verbringt der begabte Junge herrliche Kinderjahre in der freien Natur, im Umgang mit einfachen Menschen, viel zu Pferde. — Früh entwickelt sich der Hang zu einer ungebundenen Lebensweise, weitet sich sein Blick in den fruchtreichen endlosen Ebenen, und heimlich nisten sich die melancholischen Stimmungen in seinem Herzen fest, die ihn zeitlebens — auch in anderen Ländern — denselben Moll-Grundton suchen ließen. — Übereinstimmend berichten mehrere Gewährsmänner, dass der Knabe schon mit 12 Jahren an der Wiener Akademie im Zeichnen hospitierte, verbürgt ist, dass er bald nachher, von 1837 bis 1840, einer der fleißigsten Schüler des strengen Meisters Kupelwieser war, und später bei dem nachmaligen Kustos am Belvedere, dem in diesem Buch mehrfach erwähnten Maler Franz Eybl, die Technik des Lithographierens gründlich erlernte. Auch als er über Wunsch seines Onkels, eines Kavallerie-Obersten, als Kadett in ein Dragoner-Regiment eintrat, hat er seine künstlerischen Übungen fortgesetzt, besonders an Mannschaft, Uniformen, Pferden unablässig seine Studien gemacht, obwohl er damals noch nicht an eine berufsmäßige Ausübung seines Talentes dachte. Aus jener fünfjährigen Militärzeit stammt wohl seine große Vertrautheit mit allen Einzelheiten des Soldatenlebens, die man in gleichem Maße kaum bei Meissonier oder Menzel findet. Besonders als Pferdemaler übertraf er nicht nur die zeitgenössischen Maler, wie Straßgschwandtner, sondern auch die gesuchtesten späteren Schlachten- oder Sportmaler, die entweder auf eine wirkungsvolle Pose oder auf glatte Eleganz losgingen, während er sozusagen die Seele des Pferdes ergründete, seine Treue und Ausdauer, seinen Mut, seine Leiden. —

Als Soldat musste Pettenkofen auch nach dem aufständigen Ungarn ziehen. Während seine Kameraden über die Anstrengungen der Tagesmärsche, über Hitze, Staub, unbequeme Bequartierung fluchten, beobachtete er das Flimmern der Sonne auf den Feldern, den bunten Reiz der kleinen Ortschaften mit niedrigen weißen Häusern, kleinen Vorgärten, gelbem Kukurutz (Maiskolben) unter den vorspringenden Dächern. Viele seiner besten Bilder hat er später aus solchen Elementen geschaffen. Doch davon nachher. Während der junge Offizier mit seiner Truppe in Italien stand, traf ihn die Nachricht, dass sein Vater das Vermögen eingebüßt habe, und er von nun an darauf angewiesen sei, sich allein den Unterhalt zu erwerben. Die Entscheidung war leicht getroffen. In jener Zeit waren lithographierte Darstellungen aus dem bewegten Soldatenleben gerade in Mode gekommen. Sogar ein Franzose, Raffet, hatte sich mit österreichischen Motiven aus Ungarn und Italien eingestellt, und der Wiener Straßgschwandtner, der sich mit den lithographierten Folgen ,,Pferdelaunen und Reiseabenteuer“ gut eingeführt hatte, folgte dieser Spur. So beschloss denn Pettenkofen, sein Talent auch auf diesem Gebiete zu verwerten, und trat mit mehreren jungen Künstlern, sowie mit den Verlegern A. Leykum, L. T. Neumann und Trentsentsky in Verbindung.

Zuerst sehen wir den Künstler 1847 neben Schwind und Johann Nep. Geiger als Illustrator von Dullers ,,Erzherzog Carl“. Im nächsten Jahre folgten 24 lithographierte Folioblätter ,,Das Kaiserliche und Königliche Militär“ und 1849 die ,,Szenen aus der Ehrenhalle des K. u. K. Fuhrwesenkorps“. Im Revolutionsjahre finden wir ihn auch als Karikaturen-Zeichner in Flugschriften und Witzblättern, meist unter Pseudonymen, wie Bettinghofen, Mayer, Rotmayer usw. In einer Ankündigung des ,,Kobold“ sind diese Decknamen gelüftet. — Er soll damals mit dem einst beliebten Stillebenmaler Briori ein gemeinsames Atelier in einem Hause der Vorstadt Wieden bewohnt und sich als liebenswürdiger, geselliger Charakter gezeigt haben, während er später bekanntlich ein ,,menschenscheuer Sonderling“ wurde. Augenzeugen schildern ihn als einen schlanken eleganten Mann von blühender Gesundheit, mit hellblauen, scharfen Augen. Leider existieren keine authentischen Bildnisse von ihm aus jener Zeit. Ein hübsches Ölbild, im Besitze des Herrn Dr. jur. Richard Kulka, wird von zahlreichen Bekannten Pettenkofens mit Bestimmtheit als ein Jugendporträt des Künstlers bezeichnet; es stammt aus dem Jahre 1849, ist eine gute Arbeit des Wiener Malers Wilhelm Richter und wurde, wie die Bezeichnung des Bildes besagt, in Mailand gemalt, wo Pettenkofen damals zeitweilig für sein erwähntes Lithographien-Werk, die ,,Ehrenhalle“, gearbeitet hat.

Eine genaue Zusammenstellung der lithographierten Blätter würde hier zu weit führen. Eine Kollektion von ca. 160 Nummern, früher im Besitze von Fritz Flesch, ist vor mehreren Jahren in die Sammlung Dr. Heymann übergegangen, wo sich jetzt eine vorzügliche Übersicht über die erste Periode des Meisters gewinnen lässt. Auch mehrere aquarellierte Vorstudien für die großen Lithographien finden sich dort, so die vorzüglichen Blätter ,,Verwundeten-Transport“, ,,Russisches Lager an der Theiß“, ,,Der tapfere Tambour“, ,,Der mitleidige Soldat“, ,,Durchgehende Vorspannpferde“ (aus einer Folge, die P. mit Straßgschwandtner herausgegeben hat), ferner einige famose Bleistiftzeichnungen. Auch das Ölbild ,,Erzherzog Franz Josef in Italien“ (in der Sammlung Dr. Albert Figdor), das unseren Kaiser im 16. Jahre zu Pferde mit seinem Adjutanten zeigt, war als Vorlage zu einer Lithographie angefertigt.

Gerade diese Jugendwerke Pettenkofens verdienen der Vergessenheit entrissen zu werden. Wenn auch die an späteren Werken so verblüffend wirkenden Eigenheiten, die Behandlung von Luft und Licht, begreiflicherweise in den Lithographien noch nicht bemerkbar sind (auch nicht in den farbigen), so ist die Gewandtheit der Zeichnung, das blitzartige Erfassen der Bewegungsmotive bei Menschen und Pferden, sowie die große Kenntnis des Details doch ein Teil der großen Meisterschaft; der Künstler erreicht in einzelnen Blättern schon die großen französischen Vorbilder, Gavarni und Daumier, und der Vergleich mit Menzel oder Meissonier drängt sich oftmals auf. Ganz eigenartig ist schon damals seine Auffassung von Leben und Geschehen, die jenseits aller Heroenverehrung alle Dinge mit gleicher Liebe und Eindringlichkeit erfasst.

Dieser große Zug künstlerischer Gerechtigkeit, gepaart mit dem Bestreben, alles nur so zu geben, wie der Künstler selbst es sah, ohne Anlehnung an ältere oder neuere Vorbilder, ohne Galerieton, ohne Rücksicht auf Verständlichkeit, — diese Elemente haben in der späteren Schaffensperiode Pettenkofens sich in bewundernswerter Weise zu ganz eigenartigen, modernen Kunstwerken verdichtet. Während rings um ihn die vom Volke bejubelten und von der Aristokratie favorisierten Künstler eine Stilmode nach der andern mitmachten, von der Nachempfindung der deutschen Renaissance zur italienischen und zum Barock übergingen, Riesenschwarten historischen und mythologischen Charakters schufen, die heute niemand mehr mag, trotzdem sie viel geniale Kraft, viele koloristische Feinheiten enthalten — die Namen Makart und Canon brauche ich wohl nicht erst zu nennen! — behielt Pettenkofen zeitlebens den Kontakt mit Natur und Leben. Er suchte Menschen und mied die Gesellschaft, darum hieß man ihn menschenscheu. Er scheute die Versuchung durch Schlagworte und Geschmacksverirrungen; darum nannte man ihn einen Sonderling. Wurde er zum Reden gezwungen, so gab er geistvoll seine Ansichten zu hören und fällte scharfe, von den Kollegen gefürchtete Urteile. Deshalb hatte er nur einen kleinen Kreis in Wien. Vor allem seinen Kunsthändler, den alten Plach; ein Original, ein Mann, der sich aus der niedrigsten Stellung emporgearbeitet hatte, wenig Bildung aber einen sicheren Blick für Kunstwerte hatte. Im Laden dieses Händlers trafen die Pettenkofen-Freunde zusammen: Miller v. Aichholz, General v. Berres, der Sammler Mayer; auch der Orientmaler K. Leopold Müller und seine Schwestern gehörten zum Anhang des Künstlers.

Mit dem Jahre 1853 beginnt Pettenkofen in Ölbildern — die fast durchweg in kleinem Format gehalten sind — die Welt zu schildern; seine Welt: die melancholische Ebene, das Leben des kleinen Mannes, des Soldaten, des Handwerkers oder des ganz Enterbten, des Zigeuners. Wie in unseren Tagen Gauguin, der Abgott der Modernsten, in den Farben und Bewegungen der ,,Tahitiens“ jene Klarheit, Unschuld, Harmonie fand, die ihn von allen Schrecken der Konvention befreien sollten, so flüchtete Pettenkofen immer wieder zu den sonngebräunten Zigeunern der Puszta oder zu den Landbewohnern Oberitaliens.

So führen im Schaffen dieses Künstlers die Fäden aus der schlichten, fleißigen Arbeitsweise der Biedermeierzeit in die allem Stilprunk abholde Kunst der neuesten Zeit. Seine späteren Werke selbst zu schildern, ist nicht mehr die Aufgabe unseres Buches. Sie zählen nach Hunderten. Neben den öffentlichen Sammlungen, dem Hofmuseum, der Modernen und der akademischen Galerie haben sich einige feinsinnige Privatsammler größere Kollektionen von Bildern Pettenkofens angelegt; außer den schon genannten Herren Dr. Heymann, Miller v. Aichholz wären besonders Lobmeyr, Franz Xaver Mayer, Thorsch, Baron Rothschild, Reichert, Dr. Eißler in dieser Hinsicht zu nennen. Die Berliner Jahrhundert-Ausstellung enthielt über 30 Werke dieses großen Künstlers; auch aus Budapest, Berlin, Magdeburg, Halle, München waren welche eingesendet worden; in Paris wurde Pettenkofen schon lange geschätzt, und in neuerer Zeit haben auch amerikanische Sammler ihn entdeckt. — Der Ruf seiner Künstlerschaft und die Wertschätzung seiner Bilder wird im Laufe der Jahre gewiss noch bedeutend steigen, ist dieser Künstler doch auch in technischer Hinsicht von bewundernswerter Gewissenhaftigkeit, —

Gegensatz zu seinen berühmten Zeitgenossen! Er hat nur dauerhafte, echte Farben verwendet, die Pozzuoli-Erde z. B. hat er sich immer selbst aus Italien mitgebracht. Gerade die Sparsamkeit an Tönen gibt seinen Bildern den feinen Reiz diskreter Harmonie: gebrannte und ungebrannte Siena, Weiß und Ultramarin bilden seine Palette; das eintönige Gelb der Ebene, das Gelbbraun der strohgedeckten Hütten, die Hautfarbe der Zigeuner, das glänzende Braun der Pferde, die dunklen Tinten schummriger Innenräume variieren den einen Ton im Dreiklang; dazu tritt gewöhnlich das lebhafte Blau in den Gewändern und im Himmel, ferner ab und zu die Nuancen grünen Laubes und endlich in sparsamer Verwendung die weißen Lichter, — aus dieser monoton scheinenden Tonskala hat der Künstler eine unendliche Fülle feiner Melodien geschaffen.

Ein deutscher Beurteiler, Privatdozent Dr. Haack (Erlangen), urteilt in seinem Buche ,,Die Kunst des 19. Jahrhunderts“ nach den Eindrücken der Berliner Ausstellung: ,,Der bedeutendste österreichische Maler jener Generation war ohne Zweifel der große August von Pettenkofen. Er verdient mit Meissonier und Menzel verglichen zu werden. Diese malten ihre militärischen Bilder vom patriotisch geschichtlichen Standpunkt aus. Sie ließen darin gern — jener den großen Kaiser der Franzosen, dieser den großen Preußenkönig erscheinen. Pettenkofen ließ den Subalternoffizier oder den gemeinen Mann aufmarschieren. — Er hat voll schlichter menschlicher Anteilnahme dem Schuster und Schneider in die Werkstatt geschaut und gelegentlich Spitzwegsche Töne angeschlagen. — Immer hat er sich als ein glänzender Maler erwiesen, der geschichtliche und kostümliche Treue sehr wohl mit einem hochentwickelten Sinn für Farben- und Lichtstimmungen zu vereinigen wusste. Er hat Probleme wie Manet und die Meister von Barbizon aufgegriffen, und sein feines Silbergrau erinnert gelegentlich geradezu an Velasquez. Es ist prachtvoll, wie Mann und Ross und Gerät auf seinen Bildern im Raum stehen, und wie sie von Luft und Licht umflossen sind. Dabei opferte der gewissenhafte Künstler dem flüchtigen Reiz der Erscheinung niemals den konstruktiven Aufbau des menschlichen und tierischen Organismus auf. Das August v. Pettenkofen-Kabinett der Berliner Jahrhundert-Ausstellung gehörte zu den Räumen, in denen der Beschauer den reinsten und ungetrübtesten Genuss empfand. Seine Bilder vermögen auch dem in rein malerischer Beziehung so verwöhnten Auge des Menschen der Gegenwart voll zu genügen.“

Diesem eminenten Lob will ich zum Schluss nur noch ein bezeichnendes persönliches Moment anfügen: Pettenkofens Lieblingsdichtungen, die er stets mit sich führte, waren der ,,Faust“ und ,,Hamlet“. Sein Lieblingswort war Fausts ,,Wo fass' ich dich, unendliche Natur?!“

Und mit dieser kurzen Charakteristik des modernsten Alt-Wieners will ich diese kunstgeschichtliche Studie schließen. Es war meine Absicht, ein möglichst geschlossenes Bild einer fest umgrenzten Stil-Epoche zu geben. Manche wichtigen Anregungen führen aus jener Zeit in die freiere, aber verworrene, allen internationalen Einflüssen zugängliche Gegenwart. In dem heutigen Wien, der Zweimillionenstadt, sind aus der übergroßen Menge eingewanderter und ständig wechselnder Elemente die Erben der Alt-Wiener Kultur kaum herauszufinden. Eine kleine Gruppe von Künstlern und Dichtern, sowie von Kunstfreunden hat die Pflege des wertvollen Vermächtnisses auf ihre Fahne geschrieben. Ihnen möchte ich, ohne darum den ,,laudator temporis acti“ zu spielen, mit diesem Buche und der ganzen Tendenz meines Wirkens mich als eifriger Genosse anschließen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Alt-Wien
A. v. Pettenkofen, Markt in Szolnok

A. v. Pettenkofen, Markt in Szolnok

. v. Pettenkofen, Ungarischer Bauernhof

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