Die Porträtisten und Landschafter

Wir begegnen auf diesen Gebieten vielen Künstlern, deren Eigenart schon in anderem Zusammenhange geschildert wurde. Wie Waldmüller, der auch als Porträtist und Landschaftsmaler in erster Reihe steht, haben die meisten Maler jener Zeit in mehreren Kunstfächern Tüchtiges geleistet.

Von den Porträtisten wurden die bedeutendsten schon genannt. Lampi und Füger, sowie ihre Schüler, mit ihrer vornehmen, glatten von der repräsentativen Kunst des Rokoko, der strengen Linienführung des Empire oder der sympathisch warmen Manier der Engländer beeinflussten Kunstweise, machen einerseits den echt wienerisch-graziösen Miniaturisten, den Daffinger, Theer, Peter, Saar, sowie den vielbeschäftigen Lithographen Kriehuber und Prinzhofer, andererseits den strengeren, die Gegenwartskunst vorbereitenden Meistern wie Waldmüller und Eybl Platz. Von dem letzteren gibt es in Wiener Privatbesitz und in den verschiedenen Galerien (Hofmuseum, Akademie, Moderne Galerie) Bildnisse von einer so liebevoll eingehenden Charakteristik und so vollendeten technischen Meisterschaft, dass er in dieser Hinsicht neben Waldmüller zu stellen ist. Das hier abgebildete Porträt der einst beliebten Sängerin Wildauer, als Nandl im „Versprechen hinter'm Herd“, ist eines seiner anmutigsten Werke.


Die mondäne Note hält vor allem Amerling (1803—87) fest; er trifft die Ähnlichkeit leicht, beherrscht Stoffe und sonstiges Beiwerk gewandt, verbindet das Ganze in nobler, gefälliger Weise. Eine besonders kräftige Eigenart ist ihm nicht nachzurühmen, doch sind einige seiner Werke, wie das famose Porträt des Fürsten Johannes Liechtenstein als Kind zu Pferde, das Gruppenbild der gräflichen Familie Breuner, die verschiedenen Versionen der, „Orientalin“ recht glanzvolle Leistungen. — Ein gleichfalls bei Hof und in der Gesellschaft überaus beliebter Porträtist war Georg Decker, aus einer großen Künstlerfamilie stammend. Ein Virtuose der Pinselführung, von liebenswürdigem Kolorit und besonders in den vielen kleinen Aquarellbildnissen von bezaubernder Anmut. In dieser Richtung schließen sich zahlreiche Maler an Amerling und Decker an, so Franz Schrotzberg (1811 — 89), von dem jenes schöne Bildnis der jugendlichen Kaiserin Elisabeth stammt, das in unseres Kaisers Arbeitszimmer hängt, Anton Einsle (1801 — 71), Georg Raab, Lavos, Goebel, Ludwig Fischer, Gaupmann, Alois von Anreiter usw.

Auch von der in Wien mit größtem Eifer und besonderer Meisterschaft geübten Kunst der Miniaturmalerei war schon an mehreren Stellen (im 5. Kapitel des I. Teils und 1. Kapitel des II.) die Rede. Nicht nur Porträts, auch Landschaften und Stadtansichten liebte man in diesem kleinen, nur durch die Lupe genießbaren Format; in allen Wohnzimmern fand man sie, entweder eingerahmt an den Wänden, oder in Kassetten, Portefeuilles, Albums, auf Schnupftabaksdosen, ja sogar auf den Kaffeetassen der Alt-Wiener Fabrik. Es war ein viel geübter Brauch, eine größere Anzahl derartiger Miniaturen, dazu einige skizzierte Blumen, Bleistiftzeichnungen und wohl auch gute kleine Kupfer- oder Stahlstiche in hübscher Gruppierung zu einem ,,Tableau“ zu vereinigen; solche ,,Quodlibets“ wurden gerne zu Geschenkzwecken verwendet. Auch die Familienalbums enthalten häufig derartige mit liebevoller Sorgfalt und viel Geschmack zusammengestellte ,,Potpourris“.

Die Namen der Wiener Miniaturisten anzuführen und ihre vielfachen Fähigkeiten zu schildern, würde wohl zu weit führen. Selbst in dem umfangreichen Miniaturenwerk, das vor mehreren Jahren als Ergebnis einer Ausstellung erschien (bei Artaria & Comp.), sind nur die künstlerisch bedeutendsten beschrieben. Die Grenzen zwischen Kunst und Gewerbe sind auf diesem Gebiet aufgehoben; und so wie in der Porzellan -Manufaktur eine ganze Schule von Miniaturisten herangezogen wurde, so haben auch die Drechsler und Pfeifenschneider, die Drucker und Stecher für ihren Bedarf selbst zum Pinsel gegriffen. Und ein ganzes Heer von Dilettanten wäre anzuschließen, denn von den Mitgliedern des Kaiserhauses angefangen bis zum kleinen Kaufmann oder Beamten hat damals fast jeder gemalt, gezeichnet, gestochen, radiert.

Die vornehmsten malerischen Errungenschaften des Auslandes waren schon während des 18. Jahrhunderts von Wiener Künstlern verarbeitet worden. Um die Wende des Jahrhunderts wurde der Austausch der Anregungen immer lebhafter, österreichische Adlige ließen sich von Pariser und Londoner Miniaturisten malen; so der Graf Moriz Fries (in einem berühmt gewordenen Bildchen) von Frangois Gerard. Als der Wiener Kongress viele gekrönte Häupter und die Diplomaten aus aller Herren Ländern in der Donaustadt zusammenführte, kamen Sir Thomas Lawrence (im Auftrage des Regenten, nachmaligen Königs Georg IV.), dann der gefeierte Hofmaler Napoleons, Jean-Baptiste Isabey, nach Wien und entfalteten hier eine emsige und einträgliche Tätigkeit.

Trotz mancher deutlich erkennbaren Beeinflussungen bewahren Füger und Daffinger in ihren Arbeiten eine ganz selbständige Haltung. Auf Fügers Miniaturporträts trifft dasselbe zu, was früher von seinen großen Ölbildnissen gesagt wurde. Eine vornehme Größe in der Haltung, eine unnachahmliche Zartheit und Leichtigkeit in der silberigen Gesamtstimmung zeichnen auch diese kleinen Werke des Meisters aus. Antike Pose mit lebendiger Natürlichkeit zu vereinen, bei aller Zurückhaltung in der Wahl der Farben doch — durch rote Untermalung der Schatten — eine sympathische Wärme des Kolorits zu erzielen, den Hintergrund in lockerer Technik bloß nach dem Tonwert zu behandeln, das vermochte unter allen Virtuosen dieses Faches nur dieser Eine. — Viel wienerischer, bunter, mit einem leichten Hang zum Süßlichen ist Moriz Michael Daffinger (1790—1849). Dekolletierte Seidenroben, Rosen im Lockenhaar, rote Damastvorhänge, Ausblicke auf blühende Gärten und tiefblauen Himmel — diese Elemente vereinigen sich auf seinen Bildchen zu einer Wirkung, die der Beschauer, selbst der verwöhnte Kenner, mit dem unwillkürlichen Ausruf: ,,Entzückend!“ auszudrücken pflegt. Auch er hat zu Hunderten bekannte Persönlichkeiten konterfeit; die schöne Sammlung von kleinen Porträts, die er im Auftrage des Reichskanzlers Fürsten Metternich ausführte, ist seit einiger Zeit im 2. Stockwerke des Hof-Museums der allgemeinen Besichtigung zugänglich. Eines dieser Aquarellbildchen ist hier wiedergegeben.

Die Nachahmer und Nachfolger sind Legion. Von den Daffinger-Schülern kommt der graziöse Robert Theer dem Meister am nächsten; er malte der Generation von 1830 ihre Lieblinge, auch seine Brüder Adolf und Albert haben manches hübsche Miniaturbild geliefert. Zu den von Sammlern hoch geschätzten Künstlern gehören noch Emanuel Peter und Karl von Saar, deren Blütezeit gleichfalls in die zwei Jahrzehnte vor der Revolution fällt. Dass Waldmüller, Eybl und Fendi auch im kleinen Format vortreffliche Porträts schufen, wurde schon erwähnt. Einige aus Deutschland eingewanderte Künstler, Karl Agricola, Lieder, Leybold schließen sich im großen ganzen der Manier der Wiener Schule an; auch Suchy, Anreiter, Rungaldier, der Grazer Zumsande seien genannt. Die Sitte der Miniaturbüdnisse hielt noch bis in die fünfziger Jahre an, und man findet aus dieser Zeit noch manche reizvolle Arbeit. Aber — wie alle anderen Künste — litt auch diese unter den politischen Kämpfen, und als die Erfindung Daguerres sich technisch immer brauchbarer entfaltete, wurden die Bestellungen künstlerischer Bildnisse seltener, so dass von einem wichtigen Kunstzweig mit reich entwickelter Tradition kaum schwache Spuren sich erhalten konnten.

Von den Landschaftern, deren Zahl überaus groß war, ist neben dem auch hier bahnbrechenden Waldmüller vor allem Friedrich Gauermann zu nennen. Wer ihn nur nach seinen großen ausgeführten Gemälden beurteilt, wie sie im Frühjahr bei Miethke zusammengestellt waren, wird den Künstler unrichtig beurteilen. Er musste da nach dem Geschmack der ihn beschäftigenden hohen Herren eine glatte, bis ins minutiöseste ausgepinselte Arbeit liefern. Immerhin sind die vielen mit lebensvollen Szenen aus dem Hochgebirge, mit Hirten, Fischern, Jägern, mit Pferden, Kühen oder wilden Tieren staffierten Gemälde, besonders die Hirsch-, Eber- und Bärenjagden, hervorragende Leistungen. In den gezeichneten, getuschten, aquarellierten und Ölskizzen zeigt sich Gauermann als ein geistreicher, die Natur in allen Erscheinungsformen, zu allen Jahresund Tageszeiten eifrig studierender Künstler, dem jede Technik nur so aus dem Handgelenk geht.

Die übrigen Landschafter sind gute, brave Maler, voll Liebe zur Natur, voll Eifer und Hingabe. Eine selbständigere, freie Auffassung, wie sie die Franzosen und Engländer schon früh aufweisen, findet sich in Österreich — von Waldmüller abgesehen — nur in schüchternen Andeutungen. Gehen Steinfeld und Rudolf Toma, Feid und Fischbach, Selleny und Holzer mehr auf die treue Durchbildung des Details, Schödlberger und Karl Marko auf poetische Wirkung, so suchen andere, wie Höger, Raffalt, Georg van Haarten und Thomas Ender die gefällige Vedute. Diese Art der Landschaftsmalerei erfreute sich in der wanderlustigen Wiener Bevölkerung besonderer Beliebtheit; in Hunderten von kolorierten Stichen und Lithographien bewahrten die Wiener Familien ihre Lieblingsmotive. Aus dieser Richtung ging auch der schon früher ausführlicher gewürdigte Rudolf Alt hervor, der als Aquarellist durch seine freie und echt malerische Art, zu sehen, gerade in jüngster Zeit Bewunderung erweckt hat; die Sezession ernannte ihn bei ihrer Begründung zum Ehrenpräsidenten. Seine nach Hunderten zählenden aquarellierten Blätter werden von Galerien und Privatsammlern aufs eifrigste gesucht und hoch bezahlt. Ob er die stattlichen Plätze eines italienischen Ortes, die malerischen Winkel eines Gebirgsdorfes oder ein Motiv aus seinem geliebten Salzkammergut schildert, immer ist er von erquickender Frische und Farbigkeit, Naturtreue; bei aller Liebe zur charakteristischen Einzelheit, zum zitternden Blattwerk oder zum mannigfaltigen Zierat alter Häuser verliert er doch nie die Größe des Gesamteindrucks, den Duft der Ferne, den Geschmack in der Anordnung. Im Kunsthistorischen Hof-Museum und in der ,,Modernen Galerie“ sind mehrere seiner besten Arbeiten aus verschiedenen Zeiten (er wurde über 80 Jahre alt und hat sich über 50 Jahre auf der Höhe gehalten) öffentlich zugänglich. Zwei davon, eine der vielen Ansichten der Stephanskirche und den ,, Platz am Hof“ findet der Leser unter den Beilagen dieses Buches.

Über die Stellung dieser Alt-Wiener Landschafter und ihren Kampf mit der damals neu aufkommenden ,,Zimmermann-Schule“ will ich die Äußerungen eines Gewährsmannes anführen, der selbst noch mit den meisten beteiligten Persönlichkeiten befreundet war, nämlich des vortrefflichen Landschafters August Schaeffer, der seit Jahren das Wiener Hofmuseum leitet. Schaeffer zählt zur eigentlichen Alt-Wiener Schule nur die vorher von mir genannten Landschaftsmaler und leitet mit der Lehrtätigkeit Albert Zimmermanns bereits eine neue Ära ein. „Vor Zimmermann erlosch die Alt-Wiener Schule der Landschaftsmalerei, welche in Thomas Ender, Josef Höger, Franz Steinfeld ihren Hauptausdruck gefunden hatte; auch den köstlichen Friedrich Gauermann zähle ich, als Landschafter genommen, noch hinzu, denn er war ebenso bedeutsam in der Landschafts- wie in der Tiermalerei. — Die erste Übergangsperiode aus der alten Weise des 18. Jahrhunderts zur späteren Realistik wurde schon durch die Maler Mößmer, Schödelberger, Janscha und Molitor angebahnt; sie reckten gleichsam die Hälse zur Erneuerung der Naturanschauung, aber erst Steinfeld schoss die Bresche, und zwar mit Hilfe der in Holland bei den Meistern des 17. Jahrhunderts gewonnenen Erfahrungen. Von seiner Schule gehen die Maler aus, welche gleichsam die verbindende Brücke zur Zimmermann-Schule bilden, worunter ich (Schaeffer) mir gestatte, auch meine Wenigkeit zu zählen. Selleny, Novopacky, Seelos, Josef Holzer, Fritsch, Halauska, Obermüllner usw. gingen ebenfalls aus der Steinfeld-Schule hervor.

Diese letztere Gruppe hatte ihr Lebtag einen schweren Stand, denn sie wurde gewissermaßen zwischen zwei Perioden eingekeilt, die selbst so bedeutend waren, dass es nicht ganz umsichtigen Beurteilern schwer fallen mochte, auch der Mittelpartei ihr Recht und ihre volle Geltung zuzugestehen. — Kreuzungen pflegen in der Natur mannigfache Erscheinungen und oft bedeutsame Wirkungen hervorzubringen, und so geschah es auch durch den Eintritt des Münchener Landschaftsmalers Albert Zimmermann in die Wiener Akademie. Seine reifen Fruchtkerne senkten sich in einen günstigen Boden, er fand Talente mannigfachsten Inhalts für seine glückliche Lehrmethode und veredelte die wilden Rosen zu Zentifolien erster Gattung. Zimmermann lehrte seine jungen Leute eine unfehlbare, wirkungsvolle Maltechnik und ließ, indem er ihnen dies Gut übermittelte, ihr Talent sich frei entwickeln. So entstanden Künstler von höchster Eigenart, ein Robert Ruß, ein Jakob Emil Schindler, der feinfühlige Eugen Jettel, Rudolf Ribarz, Tina Blau, Hlavacek u. a., von denen die zwei letztgenannten und Ruß noch unter uns wirken.“

Zimmermann selbst, der auf eine monumentale Behandlung hinarbeitete und theatralische Effekte liebte, konnte dabei doch in der intimen Durchführung des Baumschlags, des Lufttons, fließenden Wassers den Landschafter alten Schlags nicht verleugnen. — Der originellste, beweglichste, modernste von allen Künstlern der jüngeren Generation ist der auch im Ausland hochgeschätzte August von Pettenkofen (1822 — 1889). Mit seinem Werdegang will ich mich im folgenden, letzten Kapitel eingehender beschäftigen, denn sein Werk schlägt ganz deutlich die Brücke von der Vergangenheit zur Gegenwart, von der Alt -Wiener Tradition zur Malerei der Modernen. — Auch J. E. Schindler, der bedeutendste Vertreter der österreichischen Landschaftskunst, der bereits von der Fontainebleau-Schule, besonders von Corot und Daubigny beeinflusst erscheint, führt aus dem Rahmen dieses Buches heraus.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Alt-Wien
Georg Decker, Porträt der Fanni Elssler

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Unbekannt, Damenporträt

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M. M. Daffinger, Komtesse Eszterházy

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M. M. Daffinger, Jugendbildnis des Kaisers Franz Josef

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M. M. Daffinger, Der Herzog von Reichstadt

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Fr. Gauermann, Fuchs und Enten

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Georg van Haanen, Flusslandschaft

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