Türkische Moscheen

Die osmanische Moschee, deren Typus recht eigentlich als der Konstantinopels im Besonderen bezeichnet werden kann, unterscheidet sich von der sonst im Islam üblichen Hofmoschee dadurch, dass ein durch eine mächtige Kuppel überdachter Raum zum Hauptmotiv der baulichen Gestaltung wird. Der Hof mit seinen Arkadengängen tritt dagegen In seiner Bedeutung als eigentlicher Versammlungsraum zurück und spielt — freilich in seiner architektonischen Wirkung aufs höchste gesteigert — etwa die Rolle eines Vorraumes im Sinne des christlichen Atriums. War auch die Kuppel bereits durch die Seldschuken vom weiteren Osten her überliefert, so gab doch erst jene Höchstleistung des Kuppelbaues, die alte Sophienkirche, den türkischen Eroberern den letzten Anstoß zu ihrer großzügigen Verwendung und damit zum bedeutendsten Umschwung in der Gestaltung des islamischen Kultbaues.

Mohamedie
Die erste große Moschee des Eroberers (Fatih) Mohammed II. [Abb. 45 - 47], die er 1463 — 1469 an Stelle der Apostelkirche von einem Griechen, Christodulos, errichten ließ, ist freilich durch die Erdbeben 1509 und 1768 zugrunde gegangen. Die darauf errichtete Riesenanlage zeigt bereits die inzwischen nach dem Vorbilde der Sofienkirche voll ausgebildete Form des auf vier Pfeilern ruhenden und durch vier Halbkuppeln erweiterten Zentralraumes [Abb. 47], der hier durch die barocken in Schwarz und Weiß gehaltenen Malereien und die zahlreichen und farbigen Fenster einen kühlen, die Raumweite allzu sehr auflösenden Eindruck hervorruft. Der ganze Kuppelberg, der an der Vorderseite durch den mit gekuppelten Säulenhallen umgebenen Vorhof (mit Waschbrunnen) vorbereitet wird [Abb. 46], und an dessen Rückseite der Garten mit den Grabstätten des Stifters und seiner Großen anschließt [Abb. 43], erhebt sich auf einem weiten Platze, der nach islamischem Brauche mit Wohlfahrtsbauten, Schulen, Armenküchen (früher auch Bädern), umgeben ist.


Diese großzügige Art der Anlage und der architektonischen Gestaltung fand ihre Ausbildung durch eine Reihe hervorragender Architekten, unter denen Haïreddin durch die Einführung neuer Proportionen, die gesetzmäßige Verwendung überlieferter und die Erfindung neuer Formen etwa die Stelle der Frührenaissance-Architekten Brunelleschi und L. B. Alberti einnimmt.

Bajesidie
Als Erbauer der Moschee Bajesids II. [Abb. 56], des Sohnes des Eroberers, in den Jahren 1497 — 1505, schließt er noch durch die Aufteilung des Raumes in mehrere Kuppeljoche und durch die Anlage einer Art Vorhalle einigermaßen an die altosmanischen Bautypen Brussas (s. hinten) an, wenngleich er durch die überragende Stellung der Hauptkuppel bereits die Wege betritt, in die das Vorbild der Sofienkirche leitete. In dem prächtigen Säulenvorhofe [Abb. 56], in dem Hunderte von Tauben durch die Pietät der Gläubigen gepflegt werden, sind vor allem die schönen Stalaktitenkapitelle der zwanzig Säulenarkaden als eine glückliche Erfindung des Meisters zu erwähnen.

Unter den Nachfolgern Haïreddias kann sein hochberühmter Schüler Sinan als der Michelangelo der Türken gelten. Unter seinen mehr als 300 Bauten, die er in der Hauptstadt und in allen Gebieten des türkischen Reiches aufführte, gehören die Moscheen Suleiman I. (erbaut 1556 — 1566) und die Moschee Schah-sade (1543 — 1548) zu seinen Hauptwerken, die der Meister selbst neben der Selimie in Adrianopel als solche nennt. Auf einem weiten, mit seinen einsäumenden Wohlfahrtsbauten ein ganzes Stadtviertel bildenden Areal auf einem der höchsten Punkte am Goldenen Horn erhebt sich die

Suleimanie [vgl. Textabb. S. 9]
nicht nur als architektonische, sondern auch als städtebauliche Großtat ersten Ranges [Abb. 2, 5, Panor]. Aus dem Grün der Zypressen und Platanen leuchtet die Marmorfassade des Vorhofes mit den flankierenden Minarets und dem in feinen Verhältnissen angelegten Mitteltrakte [Abb. 1, 55] als eine großartige Vorbereitung auf den außen wie innen monumental gegliederten Hauptbau [Abb. 52], eine Steigerung, die noch durch ein zweites um ein drittes Geschoss erhöhtes Paar von Minaretts angezeigt und verstärkt wird. In reichem Wechsel umziehen Galerien und Blendarkaden die Seiten des Baues [Abb. 62], Säulen aus rotem Granit und Porphyr und weißem Marmor tragen die Kuppelarkaden des Vorhofs. Im Innern [Abb. 53] erhält das farbige Bild seine stärkste Konzentration durch den Wechsel farbigen Marmors in den Tragebögen und Säulen, durch die bunten Fenster an der Mihrabwand, eine diskrete Bemalung der Wölbungen und durch den Schmuck von Fayencen und Teppichen. Die Höhe der Kuppel (71 m) überragt um etwa 6 m die der Sofienkirche, deren Anlage durch die Einstellung seitlicher Arkadenwände wiederholt, durch die Ausgestaltung des von der Kuppel beherrschten Außenbaues [Abb. 52] übertroffen wird.

Weniger mächtig, aber nicht weniger bedeutend durch die feine Abwägung der Verhältnisse des Äußeren, dessen Massen durch eine grazile Ornamentik aufgelöst zur Kuppel ansteigen, gilt die

Schah-sade- oder Prinzen-Moschee
[Abb. 50] als ein Anfang des goldenen Zeitafters osmanischer Baukunst. Suleiman ließ sie zum Andenken an seine durch die Umtriebe der ränkesüchtigen Roxelane umgekommenen Söhne Mechmed und Mustafa Dschihangir 1543 bis 1548 durch den Architekten Sinan errichten. Das Grab der beiden Prinzen, eines der köstlichsten Werke Sinans, befindet sich in dem an der Rückseite anschließenden Moscheegarten [Abb. 57]. Die durch vier Halbkuppeln erweiterte Hauptkuppel der Moschee ruht auf vier unten achteckigen, oben runden Pfeilern, der Eindruck des Inneren wird leider durch schlechte Malereien späteren Datums gestört.

Ein drittes kleineres und früheres Werk Sinans (1520 — 23), das ihn noch in den Bahnen seines Lehrers Haïreddin, des Erbauers des Moschee Bajesids (s. oben), zeigt, ist die von Suleiman zum Andenken an seinen Vater (Selim I.) errichtete

Selimie
(Abb. 54). Auch hier ist es wieder die Wahl des Platzes — die Moschee erhebt sich durch Schaffung einer künstlichen Terrasse auf einem Hügel mit prächtiger Aussicht auf das Goldene Horn — , die den Meister erkennen lässt. Achtzehn Säulenarkaden umgeben den durch seine alten Zypressen charakterisierten Vorhof, die Stirnwand der Moschee selbst ist durch schöne Fayencen geschmückt und lässt vor allem in dem fein abgewogenen Hauptportal die Anlehnung an die Moschee Bajesids erkennen. Der Hauptraum ist einfach, ein durch eine Kuppel überdecktes Quadrat, an das sich Seitenflügel anschließen. Gebetsnische (Mihrab) und Kanzel (Mimbar) bilden neben den Fayencen über den Fenstern einen hervorragenden Schmuck. An der Südseite der Moschee erstreckt sich das weit ausgedehnte vertierte Areal der ehemaligen Zisterne des Bonus, über dessen grüne Anlagen und eingebaute Holzhäuser hinweg die Moschee auch von der Landseite her trotz ihrer geringeren Dimensionen als monumentales Gebilde in Erscheinung tritt.

Nach dem Ausleben der weitverbreiteten Schule Sinans erlebte die osmanische Baukunst am Anfange des 17. Jahrhunderts eine Nachblüte, die bei gesteigertem technischem Können in dem Streben nach riesigen Dimensionen und durch die Sucht nach Originalität und prunkhafter Ausstattung freilich mehr dem Bedürfnis äußerlicher Machtentfaltung als dem starken Ausdruck künstlerischen Erlebens entgegenkam.

Achmedie
Das Hauptwerk dieser Zeit (1609 — 1614) ist die Moschee Achmed I. an der Stelle des alten Kaiserpalastes beim Hippodrom [Abb. 6, 48, 49, 51, Panor.]. Die Anlage bedeckt ein Rechteck von 72 m Länge und 64 m Breite. Vierzig Kuppeln decken die auf Granitsäulen ruhenden Arkaden des inneren Vorhofes. Durch die Zahl von sechs Minaretts [Abb. 51] sollte die Moschee als einzige mit der von Mekka konkurrieren. Die Riesenkuppel von 33,60 m Spannweite ruht auf fünf Rundpfeilern von je 5 m Durchmesser [Abb. 48, 49]. Die ungeheure Ausdehnung des Gesamtraumes entbehrt freilich durch den Verlust der farbigen Fenster der mystischen Wirkung der Suleimanie (s. oben); der in Blau, Grün und Weißgehaltene Fliesendekor und die ungedämpfte Lichte fülle verleiht dem Bau eher den Charakter einer Festhalle. Dabei wirken die Überführungen und das Zusammentreffen geradliniger und runder Elemente nicht immer befriedigend, und selbst durch die Dekoration werden diese Mängel eher verstärkt als verdeckt. Allerdings ist die technische Meisterschaft in der Gesamtkonstruktion und bis herab zu den Marmorskulpturen der Gebetsnische nicht zu leugnen.

Bei aller Klarheit des konstruktiven Aufbaues besonders am Äußeren tritt das Überwiegen des kunstgewerblichen und dekorativen Geistes gegenüber dem rein architektonischen auch in der 1614 begonnenen

Jeni Dschami,
der Moschee der Gattin Achmeds I., hervor [Abb. 59]. Inmitten des regesten Treibens des Hafen- und Basarviertels, am Ende der großen Galatabrücke, bietet sie im Inneren durch den in allen Tönen von Blau gestimmten Fayenceschmuck, durch die kunstvollen Einlegearbeiten in den Holztüren, durch die farbigen Fenster, den mit vergoldeten Stalaktiten verzierten Mihrab und die Marmorskulpturen des Mimbars ein Museum an kunstgewerblichen Schätzen. Auch am Äußeren lassen Portale und Brüstungen, vor allem aber die zierlichen Hängestalaktiten an den Galerien der Minaretts und der schöne Waschbrunnen des Vorhofs (vgl. den ganz ähnlichen Brunnen der für dieselbe Sultanin erbauten Moschee in Skutari, Abb. 58], das weitgehende Raffinement im Entwürfe und in der technischen Lösung erkennen.

Als ein Hauptbeispiel einer solchen Dekoration, die in der die Richtung nach Mekka anzeigenden Gebetsnische ihre höchste Steigerung zu erhalten pflegt, sei der Mihrab der von Sinan erbauten

Rustem Pascha Dschami [Abb. 81]
genannt. Der reichste Fliesenschmuck in den Farben des Pfauengefieders erfüllt das durch Stalaktiten bekrönte Nischenrund, die Einfassung bilden im Wechsel breitere und schmälere Bordüren aus teils geometrischen, teils pflanzlichen Mustern. Zwei Riesenleuchter von feiner Metalltreibarbeit stehen als Schaustücke zu beiden Seiten, Koransprüche, in Malerei oder in Fayence ausgeführt, sind als Vertreter der hochgeschätzten, die Figurenmalerei ersetzenden Kunst der Kalligraphie angebracht.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Alt-Konstantinopel
006. Atmeidan mit Achimedmoschee im Hintergrund die Aja Sophia

006. Atmeidan mit Achimedmoschee im Hintergrund die Aja Sophia

043. Kahrie Dschami, Mosaizierte Rippenkuppel des Narthex

043. Kahrie Dschami, Mosaizierte Rippenkuppel des Narthex

045. Moschee Mohammed II. des Eroberers (Mehmedie) 1463-1469

045. Moschee Mohammed II. des Eroberers (Mehmedie) 1463-1469

046. Mehmedie, Hof mit Waschbrunnen

046. Mehmedie, Hof mit Waschbrunnen

047. Mehmedie, Inneres

047. Mehmedie, Inneres

048. Ahmedie Blick in die Kuppel

048. Ahmedie Blick in die Kuppel

049. Moschee Achmed I. (Ahmedie), 1609-1614

049. Moschee Achmed I. (Ahmedie), 1609-1614

050. Moschee Schah Sade (Prinzenmoschee), 1543-1548, Seitenfassade

050. Moschee Schah Sade (Prinzenmoschee), 1543-1548, Seitenfassade

051. Moschee Sultan Achmed I. (Achmedie) 1609-1614

051. Moschee Sultan Achmed I. (Achmedie) 1609-1614

052. Moschee Sulleimans I. (Suleimanie) 1556-1566 von Sinan erbaut, Rückseite

052. Moschee Sulleimans I. (Suleimanie) 1556-1566 von Sinan erbaut, Rückseite

053. Suleimanie, Innenansicht

053. Suleimanie, Innenansicht

054. Moschee Selim I. (Selimie), 1520-1523

054. Moschee Selim I. (Selimie), 1520-1523

055. Suleimanie, Torfassade des Moscheehofes

055. Suleimanie, Torfassade des Moscheehofes

056. Moschee Bajesid II (Taubenmoschee) 1497-1505 von Haïreddin erbaut

056. Moschee Bajesid II (Taubenmoschee) 1497-1505 von Haïreddin erbaut

057. Türbe der Söhne Suleimans (Mohammed u. Dschihangir) im Garten der Schah-Sade Mochee

057. Türbe der Söhne Suleimans (Mohammed u. Dschihangir) im Garten der Schah-Sade Mochee

081. Rustem Pascha Dschami, Gebetsnische (Mihrab) mit Fliesenbelag, vorne Prunkleuchter

081. Rustem Pascha Dschami, Gebetsnische (Mihrab) mit Fliesenbelag, vorne Prunkleuchter

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