Alt-Konstantinopel

Mit alten Ansichten und Plänen sowie einer geschichtlichen Einleitung, einer Stadt- und Kulturbeschreibung und kunstgeschichtlichen Erläuterungen.
Autor: Dr. Ernst Diez (1878-1961) Dr. Heinrich Glück (1889-1930), Erscheinungsjahr: 1920

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Bau- und Kunstdenkmäler, Türkei, Istanbul, Konstantinopel, Stadt- und Kulturbeschreibung, Kunstgeschichte, Bosporus
Hundertzehn photographische Aufnahmen der Stadt und ihrer Bau- und Kunst- Denkmäler. Mit alten Ansichten und Plänen sowie einer geschichtlichen Einleitung von Dr. Ernst Diez und einer Stadt- und Kulturbeschreibung und kunstgeschichtlichen Erläuterungen von Dr. Heinrich Glück.

Wenn es irgend eine Stadt gibt, der allein durch ihre Lage ein ewiges Leben verbürgt ist, dann ist es Konstantinopel. Dass ihre Gründung nicht schon im dritten oder vierten vorchristlichen Jahrtausend stattfand, darf nicht als Argument gegen ihre natürliche Notwendigkeit eingeworfen werden, denn damals entstanden die wenigen ältesten Städte der Welt naturgemäß nur inmitten der großen, fruchtbaren Oasen in Ägypten und Babylonien.

Die Notwendigkeit der Gründung von Byzanz trat erst zur Zeit ein, als der beginnende Welthandel einen Hauptweg durch die Dardanellenstraße nahm. Seither aber, seit zuerst Phönikier, von denen wahrscheinlich der Name Byzanz herkommt, dann Dorer aus Megara in Griechenland, die sich 658 v. Chr. hier ansiedelten, den Vorteil einer kolonialen Niederlassung am Keras chrüson, dem Goldnen Hörn erkannten, hat die Stadt allen Stürmen getrotzt bis auf unsere Tage. Und diese Stürme waren schwer genug. Vollzog sich doch das bisher größte und folgenschwerste Ereignis der Weltgeschichte, die Völkerwanderung, zum größten Teil auf der Straße, an der Konstantinopel liegt, einem natürlichen Einfallstor nach Europa. Die glänzende Lage der Stadt, sowie ihre Schönheit und ihr Reichtum ließ sie mancher Barbarenhorde als erstrebenswerteste Beute erscheinen. Schon in vorchristlicher Zeit suchten sich die maßgebenden Mächte die blühende Kolonie der Megarenser zu sichern und Byzanz beugte sich einige Jahrzehnte dem persischen, spartanischen, athenischen und wieder spartanischen Joch, bis sie autonome Verbündete Athens und dann Roms wurde. Drei Jahre verteidigte sie sich gegen Septimius Severus, der sie endlich 196 n. Chr. eroberte. Diese Unterjochung jedoch und die damit verbundene Erniedrigung war nur eine unvermeidliche Phase ihrer Entwicklung, das Vorspiel für ihren bevorstehenden Aufstieg zu Macht und Größe. Die Stadt musste römisch werden, um dann Rom und die Welt zu beherrschen, gleichwie die bisher viel verfolgte christliche Religion erst durch die römische Rezeption und Erhebung zur römischen Staatsreligion ihren Weg zur Weltreligion gewann.

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Die Verlegung des Schwerpunktes des Römerreiches von Rom nach Byzanz, die Erhebung der Stadt am Goldenen Hörn zur Haupt- und Residenzstadt des Römischen Reiches war die größte politische Tat des Kaisers Konstantin. Am 11. Mai 330 geschah der feierliche Taufakt im Hippodrom [Abb. 6], und kein Kaisername hat eine stolzere Verewigung errungen als der Konstantins durch Benennung der neuen Hauptstadt nach dem seinigen. Es war jedoch nicht eine geniale Eingebung, der Konstantin bei dieser Gründung folgte, sondern das Gebot der Notwendigkeit. Der politische Schwerpunkt hatte sich schon längst nach Osten verschoben, wo die Römer seit Jahrhunderten gegen ihre erbittertsten Feinde, die Parther, kämpften, die vom zweiten Jahrhundert vor bis zum zweiten Jahrhundert nach Christus den vorderen Orient beherrschten. Rom lag zu weit abseits vom Schauplatz der politischen Kämpfe des Reiches. Schon Diokletian hatte in Nikomedia, dem heutigen Ismid am Marmarameere, residiert. Konstantin fasste verschiedene Städte für die künftige Hauptstadt, sein Rom, ins Auge. Am meisten Sardica, das heutige Sofia, also eine Binnenstadt, die als Zentrum von Illyricum für Konstantin aus nationalen Gründen in Betracht kam, dann Tessalonich, Chalcedon und die Stätte des alten Troja, von wo aus einst Äneas nach Latium gekommen war, und das den Römern als alte heilige Heimat galt. Natürlich ging es auch bei der Gründung von Konstantinopel, die mit der Grundlegung der westlichen Mauer 326 einsetzte, nicht ohne göttliche Offenbarungen und überirdische Zeichen ab. Es ereignete sich mit dem Schicksale Konstantins einer jener Fälle von Protektion der Geschichte, die sich immer dann abspielen, wenn der rechte Mann zur rechten Zeit kommt und die nötige Schlauheit und Energie besitzt, das als persönliche Ernte an sich zu reißen, was in kleinen Dingen Jahrzehnte, in großen Jahrhunderte vorbereitet haben. Dank seinem parteiischen Historiographen, dem Hofbischof Eusebius, der selbst wieder durch seine Heiligsprechung in dem Mantel absoluter Glaubwürdigkeit gehüllt schien, schrieb die spätere Zeit Konstantin Eigenschaften und Taten zu, die er nie hatte. Und heute noch geht diese große Geschichtslüge durch unsere historischen Lehrbücher. „Es haftet auf Konstantin noch stets ein letzter Schimmer von Erbaulichkeit, weil ihn so viele sonst verehrungswürdige Christen aller Jahrhunderte als den Ihrigen in Anspruch genommen haben. Auch dieser letzte Schimmer muss schwinden. Die christliche Kirche hat an diesem furchtbaren, aber politisch großartigen Menschen nichts zu verlieren, sowie das Heidentum nichts an ihm zu gewinnen hatte.“ [Burckhardt]

Das ändert jedoch nichts an der welthistorischen Bedeutung des Ereignisses, das sich hier vollzog, und dessen Werkzeug Konstantin war. Wenn wir unter Europa als gesellschaftlichen Begriff stets den zivilisierten Teil des asiatischen Kontinents verstehen, dessen gliederreiches Anhängsel es ja geographisch ist, dann war das älteste Europa am Becken des Ägäischen Meeres vorhanden und hieß Großgriechenland. Das nächste Europa war das ganze Mittelmeerbecken mit seinen Randländern unter der römischen Herrschaft. Seine nördliche Grenze verlief längs der Donau. Der Norden war Urwald, Sumpf und Steppe ohne Straßen und Städte. Italien war sein Rückgrat, Rom sein Herz und Gehirn. Diese obersten Funktionäre wurden nun nach Osten übertragen, Rom übersiedelte an den Bosporus, und Europa wurde bis zum iranischen Hochland vorgetragen. Das Weib, das ein Gott in Stiergestalt einst über den Bosporus entführt hatte, kehrte gleichsam in seine Heimat zurück und vermählte sich mit dem Orient. Diese welthistorische Hochzeit, die sich freilich nicht unter Gesängen und Tänzen, vielmehr in Schlachten als eine wahre Bluthochzeit vollzog, zeitigte eine neue Periode der Weltgeschichte, die man das Mittelalter zu nennen pflegt, jedoch wohl bald treffender benennen wird. Die Achse der Kulturwelt war verlegt worden, und ihr Rad wurde von anderen Wassern getrieben als bisher.

Die Ruinen dieses ältesten Konstantinopel liegen zwischen und unter den Häusern und Moscheen des heutigen Stambul. Die Landzunge zwischen dem Marmarameere und dem Goldenen Hörn war der geeignetste Boden für die Stadt [vgl. Titeltafel, Abb. 2, 3 u. Anm. Goldenes Horn]. An seiner Spitze lag ursprünglich die Siedlung der Phönikier, dann die dorische. Von zwei Seiten durch das Meer geschützt, forderte sie nur eine quer über den Landrücken gezogene Mauer [vgl. Textabb. S. 2, 3, 16 u. Anm.] als Schutzwall gegen Angriffe von Westen her. Konstantin baute sie, er begann den Bau eines Schlosses, baute das Hippodrom [Abb. 6] um, gründete Kirchen und gab der emporgekommenen Siedlung durch Herbeischaffung griechischer und römischer Werke der Plastik [Abb. 8] den Schein alter Kultur. Seine Hauptsorge musste aber der Herbeischaffung von Menschen gelten. Leichter mag es gewesen sein, niedere Volksmassen aus Kleinasien und aus thrakischen Nachbarländern in der neuen Residenz mit ihren vielen Erwerbsmöglichkeiten anzusiedeln, als vornehme Geschlechter, die ihr den nötigen Glanz verliehen. Er gewann solche aus Rom und Athen durch Zusicherung besonderer Privilegien. Träger der Kultur wurde natürlich das Griechentum. Auch der römische Kaiser und sein Hof wurden griechisch. Konstantinopel war die dritte große Metropole der östlichen Mittelmeerländer, die durch einen kaiserlichen Willensakt geschaffen wurde. Sie trat nun in Wettstreit mit den beiden anderen: mit der Seleukidenstadt Antiocheia, die längst vom Erdboden verschwunden ist, und mit der Ptolemäerstadt Alexandreia. Diese beiden Städte und nicht das unproduktive, stets nur aufnehmende Rom waren die Metropolen der hellenistischen Kultur, in der griechisches und orientalisches Denken und Fühlen zu einem neuen Ganzen vereint war. Sie waren seit dem dritten vorchristlichen Jahrhundert die wirklichen geistigen Hauptstädte jenes großgriechischen Kulturreiches gewesen, das von Gallien bis an die Grenzen des Perserreiches reichte. Die Mission Konstantinopels war es, ihr Erbe zu übernehmen und neu befruchtet weiter zu führen. Vor allem bedurfte das Reich eines geistigen Ferments, das alle seine verschiedenen Völker und Interessen wenigstens auf einem Boden vereinigte. Man gab es ihm mit der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion. Statt der vielen Religionen und Sekten, die bisher in den Mittelmeerländern herrschten, der griechischen, ägyptischen, persischen, indischen, sollte allmählich eine zur Alleinherrschaft gebracht werden, die neben anderen Vorteilen besonders den der nationalen Unvoreingenommenheit hatte, die das „Gehet hin und lehret allen Völkern und taufet sie ...“ als obersten Grundsatz für ihre Ausbreitung aufstellte. Als Religion des Friedens und der Liebe, wie sie ihr Stifter gelehrt hatte, konnte sich freilich auch die christliche nicht durchsetzen, nachdem sie aus dem mystischen Dunkel der Katakomben ans Tageslicht emporgehoben war, um den politischen Zielen ihrer offiziellen Beschützer zu dienen. Wollte sie nicht ein willenloser Spielball in den Händen politischer Parteien werden, so musste sie selbst eine Macht werden und dazu gab es seit jeher nur ein Mittel, den Kampf. Es brauchte, wie bei jeder Weltreligion, jahrhundertelanger Kämpfe, Kämpfe des Wortes und des Schwertes, bis die dogmatische Form geprägt war, in deren Panzer allein der ideale Kern den Schutz fand, um sich, wenn nötig mit Gewalt, behaupten zu können. Die großen, für alle Zukunft entscheidenden geistigen Kämpfe, die Konzilien, spielten sich zumeist in Konstantinopel und in den Städten seiner weiteren Umgebung, in Nikäa, Chalzedon, Ephesos, ab. Und in eben diesen Städten war es, wo sich unter dem Einfluss der jüdischen und persischen Religionsgebräuche die liturgischen Formen des Messopfers und seines Zeremoniells entwickelten, an denen die griechisch-orthodoxe und die katholische Kirche, freilich mit beträchtlichen Abweichungen von einander, bis heute festgehalten und damit bis in die einsamsten Gebirgsdörfer Europas hinauf ein Stück altorientalischer Kultur erhalten haben. Mit welcher Leidenschaft in Byzanz religiöse Fragen behandelt wurden, zeigt der berüchtigte „Bildersturm“, der 726 unter Kaiser Leo III. infolge seines offenbar durch Judentum und Islam angeregten Verbotes der Bilderverehrung, die in Anbetung ausgeartet war, ausbrach und nach vielen Kämpfen erst 843 auf einer Synode beendigt wurde. Hier zeigt sich eine Seite der unbedingten Überlegenheit der isländischen Religion über die christlich-orthodoxe: Wie ganz anders mutet uns die reine Gottes Verehrung der Muselmanen an, als die gedankenlose Ikonenanbetung, in die der größte Teil der orthodoxen Kirche, Russland voran, wieder zurückgesunken ist und in der sie bis heute verharrt. Emanzipierten wir Westeuropäer uns zum Teil von der orientalisch-zeremoniösen und mystischen Form der Gottesverehrung, so standen wir doch noch bis ins neunzehnte Jahrhundert ganz und gar im Banne der unter Justinian (527 — 567) kodifizierten römisch-byzantinischen Gesetzgebung und tun es züm Teil noch heute! Kaum ein anderes römisch-griechisches Geistesprodukt verfolgte uns so sehr bis in unsere Tage, obgleich es dem deutschen Empfinden fremd ist. Die Wirkung dieser zwei wichtigsten Kultur- und Geistesprodukte der byzantinischen Welt, Kirche und Recht, auf Westeuropa musste hier berührt werden. Ist doch unsere Geistesgeschichte nichts anderes als die Geschichte der Befreiung von diesen beiden Mächten.

Ausführlicher wollen wir uns mit dem dritten Kulturprodukt beschäftigen, das von Byzanz den Namen bekam, der byzantinischen Kunst. Auch ihr gegenüber hat sich die Stellung der Wissenschaft in den letzten Jahren sehr verändert. Während man früher alles byzantinisch nannte, was nicht mehr klassisch-antik schien und noch nicht den Stempel der italienischen Renaissance oder einer der nordisch-nationalen Künste trug, neigt man heute bereits zur Frage, ob von einer byzantinischen Kunst überhaupt gesprochen werden darf oder ob diese Bezeichnung nicht ebenso grundlos und irreführend sei, wie die der arabischen Kunst. Ebenso wie man sich daran gewöhnt hat, diese vorsichtiger und weitherziger islamische Kunst zu nennen, sollte man jene etwa als christliche Kunst des Ostens umschreiben. Denn gleichwie die islamische Kunst ein Mischprodukt verschiedener nationaler Kunsttraditionen ist, an dem die Araber so gut wie gar nicht beteiligt waren, konnte auch Byzanz aus eigenem keine Kunst schaffen, sondern war auf die Übernahme und Verarbeitung der Künste seiner eroberten Länder angewiesen. Allein, Byzanz war am Zustandekommen jener eigenartigen Kunst, die man die byzantinische nennt, doch mehr beteiligt, als man nach einer exakten Analyse ihrer Elemente zugeben möchte, und die nach seinem Namen gebildete Bezeichnung der hier kulminierenden Kunst erscheint mindestens ebenso zutreffend, wie die der römischen Kunst, die von ihr abgelöst wurde. Beide Bezeichnungen sind richtig, sobald sie mit der nötigen Beschränkung auf die im Dienste des Hofes und der Kirche stehende höfische und kirchliche Imperiums-Kunst angewendet werden. Denn diese kann nicht mehr auf die unterworfenen, tributpflichtigen verbündeten oder feindlichen Völker, die Träger der einzelnen Elemente, Formen und Techniken einer völkischen Reichskunst, zurückgeführt werden, sondern ist das Erzeugnis einer Machtidee. Nur der von den Trägern dieser Idee verkörperte Wille zur Macht konnte die vorhandenen bautechnischen Kräfte und Errungenschaften zur Erbauung einer Hagia Sophia aufpeitschen und mit Aufgebot aller damals vorhandenen gnostischen Wissenschaft die Vorwürfe für jene Mosaiken [vgl. Abb. 41-44] und Freskenzyklen schaffen, die fortan fast ein Jahrtausend Abklang mit kanonischer Unveränderlichkeit die Kirchen der mittelländischen Christenheit beherrschten. Die Werke dieses kirchlichen Machtwillens waren so großzügig und imposant, dass sie alle fremden Einschläge ornamentaler, dekorativer und technischer Art zu neuer harmonischer Einheit vereinigten, deren stimmungsvolle Schönheit die Frage nach den Ursprüngen nicht aufkommen ließ.

Wie sich diese künstlerische Vereinheitlichung und Verdichtung im Wettstreit der verschiedenen in Konstantinopel aufeinanderprallenden Richtungen unter dem Druck des imperialistischen Willens im Laufe von etwa zwei Jahrhunderten vollzog, kann hier nicht gezeigt werden. Einen Begriff von dem weiten Weg aber, der zurückgelegt werden musste, gibt uns ein Vergleich des Standes der monumentalen Kunst unter den Kaisern Konstantin (306—337) und Justinian (527 — 565). Der vor die Notwendigkeit einer künstlerischen Ausstattung gestellte Begründer der neuen Residenz sah sich darauf angewiesen, von allen Seiten, besonders aus Athen und Rom, Bildwerke nach Konstantinopel schaffen zu lassen, um diese gewaltsam zum neuen Zentrum der Kunst zu erheben. Dass das neuerbaute Hippodrom [Abb. 6] mit den geraubten Werken der Plastik geschmückt wurde, wäre nicht verwunderlich, mehr schon die Ausschmückung einer der heiligen Weisheit (Hagia Sophia) geweihten Kirche mit 427 alten Statuen, worunter nicht wenige christliche waren, wie ein Chronist anerkennend hervorhebt. Neben den Bildsäulen der Athene, Isis und anderer heidnischen Gottheiten waren auch Statuen christlicher Kaiser und wohl auch der eine oder andere „Gute Hirte“ mit dem Lamm aufgestellt. Hier kann noch von keiner christlichen, geschweige denn byzantinischen Kunst die Rede sein. Die Kirchen selbst, die (ältere) Hagia Sophia, die Grabeskirche und Himmelfahrtskirche in Jerusalem waren noch einfache Rotunden meist mit Säulenwandelgängen und mit Holzdächern oder Holzkuppeln gedeckt, also primitive Baugestalten einfachster Konstruktion, wenn auch mit kostbaren geraubten Marmor-Platten, -Säulen und -Statuen ausgestattet und geschmückt. Neben dieser, dem christlichen Kult neuen Bauform hielten Konstantin und seine baueifrige Gemahlin Helena an der Gestalt der alten Basilika fest. Machen wir von dieser Baukunst den Schritt zur Sophienkirche [Abb. 26-32 vgl. Anm.] des Justinian, so stehen wir mit einem Male vor einem der größten und genialsten Bauwerke der Welt, einem für damals unerhörten und bis heute bestaunten Wunderwerk der Technik. An Stelle der noch unter Konstantin herrschenden einfachen Raumkunst befinden wir uns im imposantesten Innenraum, der je geschaffen wurde, und die ehemalige stilistische Buntheit ist durch die harmonische Einheit eines zielbewussten Kunstwollens ersetzt. Dieses Werk war nur durch die Heranziehung der besten bautechnischen Kräfte und der technischen Künste aller unterjochten Länder zu einer gemeinsamen künstlerischen Höchstleistung möglich. Mögen die konstruktiven, technischen und formalen Einzelheiten längst bekannt gewesen sein, so konnte sie doch nur ein Herrscherwille zu einem derartigen Gesamtkunstwerk vereinigen, das uns nicht nur das gesamte technische Können und den gesamten Formenschatz, sondern auch das Geistesleben der Zeit anschaulich verkörpert. Darin liegt die historische Bedeutung der Sophienkirche ebenso wie der Peterskirche in Rom. Darin lag aber auch einst und in veränderter Gestalt heute noch die imponierende Schönheit des Stadtbildes [Titelt. Abb. 2. 3] von Konstantinopel. Ja, sie wurde zweifellos durch die Moscheebauten [Abb. 5, 6, 45-62 u. Anm.] der türkischen Sultane noch gewaltig gesteigert. Indem fast jeder von ihnen die Stadt um eine neue Hagia Sophia bereichern wollte, und dieses größte Bauwerk der Christenheit fortwirkend stets Nachkommen bekam, reihte sich auf den Hügeln von Stambul im Laufe der Jahrhunderte ein Denkmal imperialistischer Macht neben das andere, und die mächtigen Dome mit ihren Trabanten stehen als unvergängliche Zeugen jener Fülle von Macht, die Konstantinopel seit seiner Gründung in seinen Mauern vereinigt hat. Keine Stadt auf Erden kommt ihr darin gleich. Sie ist der vollkommenste Ausdruck eines tausendjährigen Weltimperiums, der bisher geschaffen wurde. Denn keine andere Baugestalt als der kuppelbedeckte Zentralbau verkörpert so vollkommen die absolute Gewalt, die Vollendung, das Insichruhen und die überragende Macht. Jakob Burckhardt nennt den Zentralbau die letzte Möglichkeit der absoluten Bauformen. So ist er auch die vollendetste Verkörperung des Absolutismus, sei es des göttlichen oder des kaiserlichen. Nicht umsonst hat sich die Baukunst der meisten Machtstaaten um ihn bemüht. Die großen Baukünstler der italienischen Renaissance haben ihre besten Kräfte an die Lösung des Zentralbauproblems angesetzt. Als erster Brunelleschi in Florenz, dann Bramante, Peruzzi, die Brüder San Gallo, Michelangelo in ihren Entwürfen zum Petersdom in Rom. Die Vollendung der Hagia Sophia wurde auch nicht annähernd mehr erreicht. Die Ausführungen waren Kompromisse. In Konstantinopel aber suchten die türkischen Architekten, die von der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts an die Moscheen bauten, die letzten Schranken, die die Hagia Sophia noch vom idealen allseitig gleich ausgestalteten Prinzen-Zentral-Innenraum trennten, zu beseitigen, und unter dem genialen Architekten Sinan [vgl. Anm. Prinzenmoschee] erreichten sie das Ideal wirklich. Keine andere Stadt auf Erden hat dem alleinigen Gott so überzeugende Denkmäler errichtet wie Konstantinopel. Hier gibt es keinen Zwiespalt in der religiösen Architektur. Wie ein Dom rufen alle diese Kuppeln zum Himmel: „l? l?ha illa-ll?h“, „Es gibt keinen Gott außer Gott“.

Suleimanie. Holzschnitt von Melchior Loridhs aus Flensburg. (Aus dessen Werk: „Wohlgerissene und geschnittene Figuren samt schönen türkischen Gebäuden ...« Hamburg 1619.)

000. Plan Konstantinopels des Giovanni Andrea Vavassore, Venedig, um 1520. (Aus Eugen Oberhummer: Konstantinopel unter Suleiman d. Gr., R. Oldenbourg, München 1902)

000. Plan Konstantinopels des Giovanni Andrea Vavassore, Venedig, um 1520. (Aus Eugen Oberhummer: Konstantinopel unter Suleiman d. Gr., R. Oldenbourg, München 1902)

001. Moschee Suleimansi (Suleimanie) 1550-1566 Nordwestfassade des Hofes.

001. Moschee Suleimansi (Suleimanie) 1550-1566 Nordwestfassade des Hofes.

002. Goldenes Horn mit Suleimanije von der neuen Brücke aus.

002. Goldenes Horn mit Suleimanije von der neuen Brücke aus.

003. Goldenes Horn vom Friedhofe von Ejub aus

003. Goldenes Horn vom Friedhofe von Ejub aus

004. Leanderturm, Altes Serai (rechts), Aja Sophia und Achmedmoschee (Mitte) und Seemauern

004. Leanderturm, Altes Serai (rechts), Aja Sophia und Achmedmoschee (Mitte) und Seemauern

005. Suleimanije mit den umgebenden Wohlfahrtsanlagen im Vordergrund Türkisches Viertel

005. Suleimanije mit den umgebenden Wohlfahrtsanlagen im Vordergrund Türkisches Viertel

006. Atmeidan mit Achimedmoschee im Hintergrund die Aja Sophia

006. Atmeidan mit Achimedmoschee im Hintergrund die Aja Sophia

007. Galaturm mit Resten der alten Stadtmauer

007. Galaturm mit Resten der alten Stadtmauer

008. Verbrannte Säule (Dschemberli Tasch) von Konstantin d. Großen errichtet

008. Verbrannte Säule (Dschemberli Tasch) von Konstantin d. Großen errichtet

009. Sockel des Theodosiusobellisken mit Darstellung der Wettkämpfe

009. Sockel des Theodosiusobellisken mit Darstellung der Wettkämpfe

010. Goldenes Tor von innen mit den vermauerten Bögen

010. Goldenes Tor von innen mit den vermauerten Bögen

011. Saeule des Marcian (Kys Tasch)

011. Saeule des Marcian (Kys Tasch)

012. Vortor des Goldenen Tors

012. Vortor des Goldenen Tors

013. Gotensäule

013. Gotensäule

014. Goldenes Tor und Jedi Kule (Die Burg der sieben Türme)

014. Goldenes Tor und Jedi Kule (Die Burg der sieben Türme)

015. Mewlewi Hane-Tor (Porta Rheggii)

015. Mewlewi Hane-Tor (Porta Rheggii)

016. Die Landmauer Theodosius II (413). Im Hintergrund die Zypressenfriedhöfe

016. Die Landmauer Theodosius II (413). Im Hintergrund die Zypressenfriedhöfe